Die Suche nach Dunkler Materie - Server der Fachgruppe Physik

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Die Suche nach
Dunkler Materie
Ausarbeitung von
Jens Frangenheim
10.08.2005
1
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
2 Hinweise auf Dunkle Materie
2.1 Hintergrund, Kosmologie . . . . . . . . . . .
2.2 Astronomische Hinweise auf Dunkle Materie
2.3 Kosmologische Evidenzen für DM (WMAP)
2.3.1 Die Kosmische Hintergrundstrahlung
2.3.2 Die WMAP-Mission . . . . . . . . .
2.3.3 Heutige Kosmologische Werte: . . .
2.3.4 Strukturbildung . . . . . . . . . . .
2.3.5 Elementenhäufigkeit im Universum .
2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . .
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5
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3 Kandidaten und mögliche Erklärungen für Dunkle Materie
3.1 Anforderungen an die Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 WIMPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Das leichteste supersymmetrische Teilchen . . . . . . . .
3.3 Alternativen zu Dunkler Materie . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Änderung des Gravitationsgesetzes . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Änderung des 2. Newton’schen Gesetzes . . . . . . . . .
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4 Experimente zum direkten Nachweis von Dunkler Materie in Form von WIMPs
4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Allgemeines Nachweisprinzip, Überblick über die verschiedenen Methoden . . .
4.1.2 Anforderungen an die Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3 Weltweite Experimente im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 DAMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Aufbau und Funktionsweise des DAMA-Experimentes . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 DAMA-Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.3 Diskussion des DAMA-Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 CRESST . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Funktionsweise der Kyrogeniktechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2 Aufbau von CRESST 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.3 Testmessungen von CRESST2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.4 Ergebnisse von CRESST1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.5 Zukunft von CRESST2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 CDMS (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse - Einordnung des DAMA-Ergebnisses . . . . . . . .
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5 Indirekte Suche nach Dunkler Materie in Form von WIMPs
29
5.1 Prinzipien der Suche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
5.2 Das AMS-02-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
6 Ausblick: Zukünftige Suche nach Dunkler Materie in Form von WIMPs
33
7 Schlusswort
34
8 Quellenverzeichnis
35
2
1
Einleitung
Bedingt durch neue, genauere experimentelle Ergebnisse der Astrophysik hat sich in den letzten 10
Jahren die Kosmologie stark verändert. Neben der Tatsache, dass die berühmte Kosmologische Konstante ungleich null zu sein scheint,gibt es mehrere Resultate, die darauf hinweisen, dass die Materie im
Universum überwiegend aus Dunkler Materie, das heißt aus Materie noch unbekannter Form, besteht.
Zum einen ist die Frage nach der Natur der Dunklen Materie aus teilchenphysikalischer Sicht wichtig,
da die in Theorien, z.B. Supersymmetrie, geforderten Teilchen die Dunkle Materie erklären könnten.
Damit liefern Experimente, die sich mit der Suche nach Dunkler Materie beschäftigen, auch einen
Beitrag, in dem sie diese Teilchen entweder finden oder, falls nicht, zumindest Aussagen über ihre
Eigenschaften in Form von Grenzen machen, und damit beitragen, die Parameter für diese Teilchen
einzugrenzen. Zum anderen bedeutet die Unkenntnis über die Beschaffenheit der Dunklen Materie und
viel mehr noch der dunklen Energie (=Vakuumenergiedichte) einen großen unbekannten Bereich im
physikalischen Weltbild.
Neben einer kurzen Zusammenfassung des Hintergrundes, das heißt der Kosmologie, werden in dieser Ausarbeitung zuerst die Hinweise auf die Existenz von Dunkler Materie (DM) und die Methoden
(Schwerpunkt: WMAP) dazu dargelegt werden. Im Hauptteil werden dann Experimente (vor allem
DAMA) vorgestellt, die mit verschiedenen Methoden nach Dunkler Materie suchen. Als Abschluss
werden deren Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf zukünftige Experimente (AMS-02,
EURECA) gegeben.
Zur Motivation bleibt noch zu sagen, dass es keine Teilchen oder Mechanismen (Gravitation) des Standardmodells gibt, die die Dunkle Materie bzw. die Phänomene, wofür sie anzunehmen ist, erklären
können. Damit stellen die Dunkle Materie und die dunkle Energie die bisher einzigen Hinweise auf
Physik jenseits des Standardmodells dar.
3
2
Hinweise auf Dunkle Materie
2.1
Hintergrund, Kosmologie
Folgende Parameter sind in der Kosmologie relevant: κ = 8πG: Gravitationfeld, G = Gravitationskonstante
ρc2 = c2 (ρM +ρR ) : Energiedichte (Materie und Strahlung). Die Materiedichte ρM schließt alle Formen
der Materie ein, also auch eventuell vorhandene Dunkle Materie.
Λ : kosmologische Konstante, wirkt der Gravitationskraft entgegen und ist nicht an die Energiedichte
gekoppelt. Diese lässt sich durch ρV = Λ/κ auch als Energiedichte schreiben.
p : Druck: Dieser trägt in der Allgemeinen Relativitätstheorie zum Gravitationsfeld bei.
c : Lichtgeschwindigkeit
R(t): Zeitabhängiger Skalenfaktor, der die Ausdehnung des Raumes beschreibt
Die Kosmologie befasst sich mit der Beschreibung des Universum als Ganzes. Die heutigen kosmologischen Modelle (und insbesondere das Standardmodell) beruhen auf zwei Prinzipien:
• Dem Kosmologischen Prinzip
• Der Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie
Das Kosmologische Prinzip besagt, dass das Universum für jeden Beobachter gleich aussieht, egal, wo
im Universum er sich befindet. Das heißt, das Universum ist auf großen Distanzen räumlich gleichförmig
(isotrop und homogen).
Mit diesen Annahmen lassen sich die Friedmann-Gleichungen1 gewinnen:
à !2
Ṙ
κρ Λ kc2
=
+ − 2
(1)
R
3
3
R
à !
µ
¶
R̈
κ
3p
Λ
= −
ρ+ 2 +
(2)
R
6
c
3
Materie- und Strahlungsdichte verhalten sich zeitlich unterschiedlich. In Abhängigkeit von den Skalenparametern zu zwei verschiedenen Zeiten (0=heute) lauten sie:
µ ¶3
R
ρM,0
=
(3)
ρM
R0
µ ¶4
ρR,0
R
=
(4)
ρR
R0
Λ
ρV =
= ρV,0 = const.
(5)
8πG
Es ist praktisch, die Dichten auf dimensionslose Größen, die Dichteparameter Ωi , umzuschreiben, in
dem sie durch die kritische Dichte ρC geteilt werden.
Ωi = ρi /ρC
(6)
Die kritische Dichte gibt den Wert an, der genau an der Grenze liegt zwischen einem geschlossenen und
einem offenem Universum, d.h. einem Universum, in dem die Materiedichte ausreicht, die Expansion des
Universum
zu
und einem, in dem sie nicht ausreicht. Numerisch gilt mit dem Hubbleparameter
¡
¢ stoppen,
km
[Part]:
H0 = 71+4
−3 sM pc
ρC = 9, 74 · 10−27 kg/m3 = 5, 26
GeV
≈ 5 Protonen/m3
c2 m3
(7)
−1
(h = 0, 71+0,04
M pc−1 ). M pc bzw. pc (Parsec) ist das Entfernungsmaß der
−0,03 aus H0 = 100 h km s
Astronomie. Es gilt:
1 pc = 3, 263 LJ = 3, 086 · 1016 m
1 nach
dem russischen Physiker A.A. Friedmann (1888-1925)
4
(8)
Mit den Skalierungsgesetzen (3)-(5) und den Dichteparametern (6) lässt sich die erste FriedmannGleichung (1) umformen und es ergibt sich eine Gleichung, die die Dynamik (d.h. die Ausdehnung
oder die Kontraktion) des Universums in Abhängigkeit der Dichteparameter Ωi zum heutigen Zeitpunkt beschreibt:
à !2
Ã
!
µ ¶
µ ¶2
µ ¶2
R0
Ṙ
R0
R
2
+ ΩR
= H0 ΩM
+ ΩV
+ ΩK
(9)
R0
R
R
R0
Aufgabe der Astrophysik ist es, die Dichteparameter und den Hubbleparameter zu messen.
2.2
Astronomische Hinweise auf Dunkle Materie
Die ersten Hinweise auf die Existenz von Dunkler Materie sind schon über 70 Jahre alt. Damals wurde
festgestellt, dass die Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen in den äußersten (sichtbaren) Bereichen
unserer Milchstraße viel zu groß sind, als dass das die bekannte Materie der Milchstraße durch ihre
Anziehungskraft zulassen würde.
Da die astronomischen Methoden damals noch ungenau waren und es außerdem auch noch keine anderen Hinweise auf Dunkle Materie (und ihre Beschaffenheit) gab, wurde versucht, die fehlende“ Materie
”
durch Entdecken von neuen Sternen und Nebeln zu finden. Mit der Entdeckung der Expansion des
Universums und der Etablierung des Urknallmodells ging die Suche nach mehr Materie weiter, um
zu entscheiden, ob wir in einem offenen oder geschlossenen Universum leben. Die gefundenen Werte
betrugen nur ca. 1 % der kritischen Dichte ρC (siehe (7) ).
Heute sind u.a. folgende astronomische Hinweise auf Dunkle Materie bekannt:
1. Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen um Galaxiezentren
2. Bewegung von Galaxien zueinander
3. kinetische Energie von Gasen in Nebeln
4. Gravitationslinseneffekte an Galaxienhaufen
Während der erste Punkt nur eine untere Abschätzung der Menge der (Dunklen) Materie liefert,
ergeben sich aus den anderen drei Methoden Werte (ΩM ≈ 0, 3), die zu den aus kosmologischen
Messungen (siehe Abschnitt 2.3) gewonnenen Parametern passen.
Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen um Galaxienzentren
Unsere Milchstraße (Abbildung 1)gehört zu der Klasse der Spiralgalaxien. In der Mitte befindet
sich eine kugelförmige Struktur, der Galaxiekern mit supermassivem Schwarzem Loch im Zentrum. Es sind fast alle Sterne auf einer Scheibe angeordnet, da auf Grund der Zentrifugalkraft
eine ursprünglich kugelförmige Struktur abgeplattet wird. Die Scheibe wird von Spiralarmen geformt. Um die Scheibe herum sind kugelförmig die Halo-Sterne verteilt, die zum großen Teil aus
sehr alten (> 1010 a) Kugelsternhaufen bestehen.
Außerhalb einer (zylindersymmetrischen) Masseverteilung, d.h. außerhalb der Scheibe, sollte nach
dem Newton’schen Gravitationsgesetz in der Ebene der Scheibe die Rotationsgeschwindigkeit v
proportional zu 1/R abnehmen, da die wenigen Sterne außerhalb nur noch vernachlässigbar wenig
zur Gesamtmasse beitragen.
FZ
v2
mStern ·
R
v
=
FG
=
G·
r
MGalaxie · mStern
R2
MGalaxie
G·
R
=
5
(10)
Abbildung 1: Ausmaße der Milchstraße (Abb. 12.23 aus [Dem4])
Beobachtet wird jedoch eine nahezu konstante Rotationsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom
Abstand zum Galaxiezentrum für Sterne außererhalb der Scheibe in der selben Ebene. Das Gleiche ergibt sich bei der Betrachtung anderer Galaxien (bzw. anderer Spiralgalaxien), wie dem
Andromedanebel (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Gemessene Rotationsgeschwindigkeiten (Abb. 5.5.9 aus [Unso])
Die fehlende“ Masse wurde lange Zeit in Form von Nebeln, interstellarem Gas, Braunen Zwer”
gen (ausgebrannte, erkaltete Sterne), Schwarzen Löchern und Planeten vermutet. Projekte wie
das MACHO-Projekt (MACHO=MAssivCompactHaloObject) versuchen mit Hilfe von Gravitationslinseneffekten nicht leuchtende Objekte ausfindig zu machen. Zieht ein solches dunkles
Objekt vor einem weiter entfernten Objekt (Galaxie, Stern) vorbei, wirkt es auf Grund seiner
Gravitationswirkung wie eine Zerstreuungslinse (siehe 4. Methode). Die so gefundenen Objekte
können auf Grund ihrer zu geringen Gesamtmasse die Rotationskurven nicht erklären.
Nehmen wir jedoch im einfachsten Fall zusätzlich Materie mit einer Dichteverteilung von
ρ∝
1
R2
(11)
an, ergibt sich wegen (10):
s
v
∝
ρGalaxie · 43 πR3
G·
=2
R
6
r
G
= const.
3
(12)
Eine Annahme wie (11) wird Halomodell genannt. Sie beschreibt die Verteilung der Dunklen
Materie in der ganzen Galaxie, also nicht nur außerhalb der Scheibe sondern auch innerhalb, d.h.
auch am Ort unseres Sonnensystems und somit unserer Erde, wo wir eventuell die lokale Dichte
messen können. Durch Variation des Halomodells ergeben sich unterschiedliche Annahmen über
die Art der Dunklen Materie. Ohne genaue Kenntnisse über die DM sind alle Halomodelle, die
die Rotationskurven (und die Gesamtmasse der DM, siehe später) erklären, zulässig.
Bewegung von Galaxien zueinander
Galaxien formieren sich in unserem Universum zu Galaxienhaufen, diese wiederum zu Superhaufen. Innerhalb der Galaxienhaufen (zumindest z.B. innerhalb unseres Galaxienhaufens, der
lokalen Gruppe) ist die gegenseitige Anziehung stark genug, um an der allgemeinen Expansion
des Universums nicht teilzunehmen. Aus der dazu notwendigen Masse, der notwendigen Massen
von Galaxien, die sich aufeinander zubewegen oder umrunden, ergibt sich auch, dass die sichtbare Materie bei Weitem nicht ausreicht, dies zu erklären. Allerdings sind diese Methoden äußerst
ungenau.
Kinetische Energie von Gasen in Nebeln
Aus Beobachtungen von Dopplerverschiebungen bei Röntgenstrahlung lässt sich die kinetische
Energie von Nebeln bzw. genauer von intergalaktischem Gas messen. Damit diese Gase gravitativ
gebunden bleiben, ist wiederum viel mehr Materie als die sichtbare erforderlich.
Gravitationslinseneffekte an Galaxienhaufen
Ähnlich wie bei der Suche nach MACHOS können auch ganze Galaxien(haufen) als Gravitationslinsen wirken. Dabei wird das Licht von weit entfernten Galaxien an diesen Objekten gestreut.
Die Wirkung ist in Abbildung 3 zu sehen.
Für die Vermessung dieser Methoden sind Teleskope mit guter Winkelauflösung erforderlich
(Hubble-Space-Telescope: ∆Θ = 1/1000 ).
Abbildung 3: Gravitationslinseneffekt: Zu sehen ist ein Ring aus Galaxien
Auf Grund des Mangels an Sternen in Entfernungen von mehr als 40 kpc (meistens sind nur max.
25 kpc möglich) ist es mit der ersten Methode nicht möglich, die Gesamtmasse einer Galaxie zu
bestimmen. Von den Methoden zwei und drei ist besonders die zweite Methode sehr ungenau. Die
Genauigkeit der Gravitationslinsenmethode lässt sich noch erheblich steigern, wenn statt einer Galaxie
ein ganzer Galaxienhaufen benutzt wird. Dabei wird natürlich dann auch ein mögliches Überlappen
der Halos aus Dunkler Materie von verschiedenen Galaxien sowie das Vorhandensein von interstellarer
Materie (Gas, Staub) in Kauf genommen. Die durch diese Methode gewonnenen Ergebnisse (Mittelung
7
über viele Galaxienhaufen) für die gesamte Materie im Universum sind mit den später diskutierten
kosmologischen Methoden kompatibel.
2.3
Kosmologische Evidenzen für DM (WMAP)
Die astronomischen Methoden lassen wegen ihrer zum Teil großen Messfehler einen großen Spielraum
für die Existenz von Dunkler Materie. In den letzten Jahren wurde mit der Möglichkeit der genauen
Vermessung der kosmischen Hindergrundstrahlung (CMB, Cosmic Microwave Background) ein neues
Zeitalter der Astrophysik, das Zeitalter der Präzisions-Astrophysik eingeläutet. Damit ist es möglich,
kosmologische Parameter (wie den Anteil der Materie ΩM ) im Prozentbereich zu messen.
Die wichtigste Datenquelle der Astronomie ist heute des CMB. Die Analyse durch frühere Misssionen wie dem COBE-Satelliten zeigte bereits, dass die Fluktuationen der CMB extrem klein (relative
Schwankungen von der Ordnung 10−4 ) sind. Seit dem Beginn der WMAP-Mission (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) im Jahre 2002 läuft eine präzise Vermessung dieser Anisotropien (20 µK Temperaturauflösung). Zuvor wurden auch einige Ballon-Experimente, wie das BOOMERANG-Experiment
durchgeführt, die jedoch den Nachteil haben, nicht den gesamten Frequenzbereich, sondern wegen der
(Rest)Erdatmosphäre nur den Bereich mit Frequenzen >90 GHz messen zu können. Ab etwa 2007
soll die Genauigkeit durch den europäischen Planck-Satelliten noch mal um einen Faktor 10 gesteigert
werden.
2.3.1
Die Kosmische Hintergrundstrahlung
Die Kosmische Hintergrundstrahlung zeigt das Universum zum Zeitpunkt der Entkopplung von Materie
und Strahlung, das entspricht einer Rotverschiebung von z=1100 (t ≈ 400.000a nach dem Urknall).
Vor diesem Zeitpunkt befanden sich Materie und Strahlung im Gleichgewicht. Es konnten sich noch
keine Strukturen bilden (verdichten), da Atome ständig ionisiert wurden und Strukturen auseinander
getrieben wurden. Der CMB ist also eine Aufnahme des Universum zum Zeitpunkt der Entkopplung.
2.3.2
Die WMAP-Mission
Abbildung 4: Die WMAP-Sonde [WMAP]
Aufgabe der WMAP-Mission ist es, die vorher schon gefundenen Anisotropien in der CMB genauer zu
vermessen.
Kernstück des WMAP-Satellitens (Abbildung 4) ist seine Parabolschüssel von ca. 1,5 m Durchmesser
mit zwei Empfangsantennen im Abstand von 140◦ . Die Antennen messen synchron die Temperatur der
CMB in den Frequenzen 22, 30, 40, 60 und 90 GHz (λ = 3 bis 14 mm = 0, 59 · 109 bis 2, 75 · 109 1/eV ).
8
Die Messung von verschiedenen Frequenzen dient dazu, die Vordergrundemission und den Beitrag des
interstellaren Staubs zu eliminieren. Dabei wird eine Sensibilität für die gemessenen Temperaturunterschiede der Strahlung von 4 µK bzw. 20 µK über dem Rauschen erreicht. Das Rauschen wird
vermindert, indem die Elektronik zur Vorverstärkung gekühlt wird. Das zweite wichtige Maß für die
Genaugkeit der Messungen ist die Winkelauflösung von ca. 0,2◦ . Um Störungen von der Erde und der
Sonne möglichst zu vermeiden, ist die Sonde im sogenannten Lagrangepunkt L2 (siehe Abbildung 5)
plaziert.
Abbildung 5: Position des WMAP-Satellitens und Definition der Lagrangepunkte. Die Linien kennzeichnen Äquipotenzialflächen im System der beiden Massen (Erde/Sonne). [WMAP]
Abbildung 6: Links: Zusammensetzung des Bildes des CMB aus den fünf einzelnen aufgenommenen
Frequenzen Rechts: Daraus lassen sich die Störeffekte wie die Bewegung des Sonnensystems relativ
zum Galaxienhaufen und der Milchstraßenhintergrund herausrechnen. [WMAP]
Auswertung der WMAP-Daten
Das Signal aus beiden Antennen wird in eine Temperaturdifferenz ∆T = T (A) − T (B) übersetzt.
Um die absoluten Temperaturen in Abhängigkeit von den Raumwinkeln θ, φ zu gewinnen, wird ein
iteratives Verfahren T (A) = ∆T + Ti (B) benutzt, wobei mit einem konstanten Wert T0 (B) = 2, 725K
gestartet wird.
Aus dem so gewonnenen Bild ergibt sich eine Karte, die von verschiedenen Effekten überlagert ist
(siehe Abbildung 6). Der größte Effekt ist die Bewegung der Milchstraße mit V = 630km/s realtiv
zum CMB. Diese Effekte werden herausgerechnet (Abbildung 6).
Zur Analyse der Karte interessiert es, wie stark benachbarte Temperaturen voneinander abhängig sind,
9
d.h. wie stark die Werte korrelliert sind. Dazu wird die Korrellationsfunktion C(α) mit den Richtungsvektoren ~n und m
~ benutzt und nach Kugelflächenfunktionen entwickelt [Scha]:
∞ X
l
X
∆T (~n)
=1+
aTlm Yl m(~n)
T0
(13)
l=1 m=−l
Für die Koeffizienten ergibt sich:
c(l) =
1 X
|al,m |2
2l + 1 m
(14)
Abbildung 7: Multipol-Spektrum der WMAP-Messungen [Sper]
Genauere Rechnungen zeigen ∆Θ = 200◦ /l. Der 1. Peak in Abbildung 7 liegt also genau bei der ersten
Nullstelle. Durch Betrachtung der Abhängigkeiten der Fluktuationen folgt die Formel:
p
∆Θ = 1◦ Ωtot
(15)
Für ein flaches Universum also genau 1◦ oder l=220. Damit ist die Lage des ersten Peaks ein Maß für
die Krümmung k des Universums.
Anschaulich ergibt sich die Krümmung des Universums durch den Winkel unter dem wir heute die
Längenskala der Fluktuationen des CMB sehen. [Quin]
Die Höhe der ersten Peaks ist ein Maß für den Anteil der baryonischen Materie ΩB . Weitere Ergebnisse
lassen sich auch durch eine Auswertung der Polarisation der Strahlung gewinnen.
2.3.3
Heutige Kosmologische Werte:
Durch Kombination der WMAP-Daten mit anderen astrophysikalischen Projekten, wie 2dFGRS (2
degree field Galaxy Redshift Survey) und dem High-z Supernovae Search ergeben sich als beste “Fit“Parameter an alle Messdaten die folgenden Werte:
P
Ωi = Ωtot = 1, 02 ± 0, 02
ΩM = 0, 27 ± 0, 04
ΩV = 0, 73 ± 0, 04
ΩB = 0, 044 ± 0, 004
Damit steht fest, das es Dunkle Materie gibt, bzw. allgemeiner formuliert, das im Universum zusätzlich
zu der bekannten noch weitere Gravitationskraft vorhanden ist.
10
2.3.4
Strukturbildung
Die Kosmische Hintergrundstrahlung zeigt das Universum bei der Entkopplung von Materie und Strahlung (Photonen). Das heißt, ab diesem Zeitpunkt können die Photonen sich quasi frei bewegen, da sie
nicht mehr genügend Energie haben, um Wasserstoff zu ionisieren. Auf Grund der Planck-Verteilung
ihrer Energie und ihrer viel größeren Anzahl gegenüber den Baryonen (nb = (2, 5±0.1)·10−1 /m3 , nγ =
410, 4 ± 0, 5) · 106 /m3 ) liegt dieser Wert unter 13,6 eV (≈ 0, 3eV ). Das Universum wird zu diesem
Zeitpunkt durchsichtig“ und so können wir heute die CMB beobachten. Wechselwirkungen wie die
”
Compton-Streuung finden natürlich auch heute noch statt. Die Temperatur der Hintergrundstrahlung beträgt heute T0 = 2, 73 K = 235 µeV und ist unabhängig von der Frequenz. Die ursprünglich
hochenergetischen Photonen (z.B. aus der e+ e− -Zerstrahlung) haben sich durch die Expansion des
Universums bis heute auf diese Temperatur abgekühlt.
Rechnungen zeigen, dass sich vor dieser Entkopplung keine Strukturen bilden können, indem die baryonische Materie klumpt, da die Photonen die Verdichtungen wieder auseinander treiben.
Fluktuationen in dem CMB dienen als Grundlage für Simulationsrechnungen, die daraus auf die heutige Struktur des Universums schließen.
Diese Simulationsrechnungen aus den Daten des CMB zeigen, dass sich aus den Fluktuationen in der
Dichteverteilung des Universums (Größenordnung 10−4 ) nicht die heutigen Strukturen (Größenordung
der Dichtefluktuationen auf der Skala von Superhaufen ≈ 0,1 - 1) bilden hätten können.
Nur wenn angenommen wird, dass es zusätzliche Dunkle Materie gibt, die auf Grund ihrer anderen
oder geringeren Wechselwirkung mit der Strahlung schon vorher entkoppelt hat und so sich schon vorher verdichten (klumpen) konnte, lassen sich die heutigen Strukturen simulieren. Deshalb muss über
Dunkle Materie angenommen werden, dass sie entweder nur schwach wechselwirkt (WIMPs) oder nur
wenig mit Photonen (Axionen) wechselwirkt. Die Simulationsrechnungen zeigen auch, dass Dunkle
Materie nichtrelativistisch (kalt) sein muss, weil sie sonst sich bildende Strukturen auseinander treiben
würde. Außerdem können relativistische Teilchen nicht wie kalte Materie klumpen und somit kann
heiße DM wie leichte Neutrinos (s.u.) keine Keime für die Strukturbildung bilden.
Abbildung 8: Links: Ausschnitt des heutigen Kosmos [2dFG] Rechts: Simulation der Strukturbildung
im Kosmos aus den Daten der Kosmischen Hintergrundstrahlung bei verschiedenen angenommenen
Neutrinomassen. Bestände die Dunkle Materie überwiegend aus (leichten) Neutrinos hätten sich die
heutigen Strukturen so nicht gebildet.
Das daraus resultierende Modell zusammen mit einer Vakuumenergiedichte ΩV wird ΛCDM -Modell
genannt. Lange Zeit galten Neutrinos, falls sie eine kleine Masse hätten, als aussichtsreiche Kandidaten
11
für Dunkle Materie. Bei der durch thermodynamische Rechnung gewonnenen Anzahldichte müssten
Neutrinos (alle drei Arten im Durchschnitt) eine Masse von 16 eV haben, um DM zu erklären. [Elga]
Durch direkte Massenbestimmung beim Tritium-Zerfall liegt die Massenobergrenze für das ElektronNeutrino bei ca. 3 eV. Für das Myon- und Tau-Neutrino liegt diese Grenze viel höher. Durch Neutrinooszillationsexperimente ist die Massendifferenz zwischen den drei Neutrinoarten auf unter 0,1 eV
gemessen, d.h. alle drei Neutrinos sind deutlich leichter als 16 eV.
Wieder aus thermodynamischen Rechnungen folgt, dass (leichte) Neutrinos bei ihrer Entkoppelung
vom Rest des Universums hochrelativistisch waren. Sie können also keine kalte Dunkle Materie bilden.
Simulationsrechnungen wie in Abbildung 8 zeigen die Auswirkungen von verschiedenen Neutrinomassen. Als Grenze für den Anteil der Neutrinos an der DM für die Strukturbildung gilt der Wert Ων < 2%.
Heute lässt sich der Schluss sogar herum drehen: Aus der Astrophysik lässt sich ableiten, dass die drei
Neutrinoarten zusammen leichter als 0,26 eV sein müssen. [Scha]
2.3.5
Elementenhäufigkeit im Universum
Vor der Entkopplung standen die Materie und die Strahlung wie bereits erwähnt in Wechselwirkung.
Es fanden somit bei der Teilchenerzeugung Hin- und Rückreaktion statt.
Durch die thermodynamische Betrachtung des frühen Universums lassen sich verschiedene Erkenntnisse über Teilchenanzahlverhältnisse im Universum gewinnen. Z.B. das Verhältnis der Anzahl der
Neutronen zu der der Protonen (=0,14), welches sich aus der Massendifferenz zwischen Neutron und
Proton sowie der Lebensdauer des (freien) Neutrons gewinnen lässt.
Wenn die Temperatur des Universums entsprechend niedrig ist, bilden sich aus Neutronen und Protonen Deuteriumkerne. Bis dahin können die freien Neutronen zerfallen. Danach wird das Neutron/ProtonVerhältnis eingefroren. Diese können dann weiter zu Helium oder schwereren Elementen verschmelzen.
Der Anteil, der zu Helium oder schwereren Elementen verschmilzt, ist abhängig von der Dichte der
baryonischen Materie (Protonen/Neutronen). Deuterium bildet sich umso effizienter, je kleiner das
Photon-zu-Baryonen-Verhältnis ist. [Kos1]
Abbildung 9: Erwartete Verteilung der Elemente im Universum bei verschiedenen angenommenen
Baryonendichten [PAME]
Die im Kosmos ohne das von Sternen erbrütete Material gemessene Elementenhäufigkeit lässt (siehe
Abbildung 9) umgerechnet nur ein ΩB von ca. 0,044 zu.
12
2.4
Zusammenfassung
Ohne die Annahme von dunkler, nichtbaryonischer, kalter Materie lassen sich weder die Rotationskurven von Sternen, die Bewegungen von Galaxien, die Elementenhäufigkeit im Kosmos oder die Bildung
von Strukturen im Kosmos erklären.
Neueste Präzisionsmessungen (WMAP, Supernovae-Kosmologie-Projekt, 2dFGRS) ergeben einen Anteil von etwa 30 % Materie an der kritischen Dichte im Universum. Der Anteil der baryonischen Materie
liegt bei nur ca. 4 %. Der Anteil der leuchtenden Materie beträgt unter 1 %.
13
3
3.1
Kandidaten und mögliche Erklärungen für Dunkle Materie
Anforderungen an die Kandidaten
Als Erstes muss die Dunkle Materie, bzw. die Teilchen, die sie ausmachen, ausreichend schwer sein,
bzw. in genügender Anzahl vorhanden sein, um ΩM = 0, 3 erklären zu können. Wenn verschiedene
Kandidaten die Dunkle Materie ausmachen, muss ihre Summe mit ΩM = 0, 3 verträglich sein.
Des Weiteren darf die DM nur schwach wechselwirken, da sie sonst in Teilchendetektoren schon nachgewiesen worden wäre, es sei denn die Erde befände sich zufällig in einem Gebiet mit sehr geringer
DM-Dichte. Dann ließen sich eventuell aber immer noch Reaktionsprodukte aus Reaktionen zwischen
DM aus anderen Bereichen der Galaxie (des Halos) beobachten.
Der Begriff kalte Dunkle Materie setzt vorraus, dass sich DM-Teilchen mit einer Geschwindigkeit ¿ c
bewegen. Nicht baryonisch bedeutet nicht aus Protonen und Neutronen, den einzigen im gebundenen
Zustand stabilen Baryonen, bestehend.
Als Letztes muss Dunkle Materie stabil sein bwz. eine Lebensdauer besitzen, die groß ist gegenüber
dem Alter des Universums. Auch darf DM nicht so stark mit sich selber wechselwirken, dass ein Großteil von ihr sich heute schon umgewandelt hat oder die Anzahl anderer Teilchen stark erhöht hat (z.B.
das Baryon/Photon-Verhältnis).
Im Folgenden wird nur auf die sog. WIMPs eingegangen, da diese im Moment die aussichtsreichsten
bzw. die favorisiertesten Kandidaten sind. Der Hauptgrund dafür dürfte wohl sein, dass gehofft wird,
diese Teilchen in naher Zunkunft an Beschleunigern/in direkten/indirekten Experimenten nachweisen oder teilweise ausgrenzen zu können. Daneben gibt es noch viele weitere Kandidaten: Axionen,
Mini-Blackholes, . . .
3.2
WIMPs
Die Supersymmetrie als Erweiterung des Standardmodells in ihrer einfachsten Form verdoppelt die
Anzahl der Teilchen gegenüber dem Standardmodell. Supersymmetrische Teilchen unterscheiden sich
anhand einer neuen Quantenzahl, der R-Parität, von den Standardmodellteilchen. Bei Annahme der
Erhaltung dieser Quantenzahl kann das leichteste supersymmetrische Teilchen nicht weiter in Standardmodellteilchen zerfallen. Da dieses Teilchen noch nicht gefunden wurde, sollte seine Masse relativ
groß (>50 GeV) sein. Daher kommt, zusammen mit der in Abschnitt 3.1 geforderten Eigenschaft der
nur schwachen WW, der Name Weakly Iteracting Massive Particles“ (WIMPs).
”
Durch Vermessung der Z-Resonanz hat LEP gezeigt, dass es nur drei Neutrinofamilien gibt. Allerdings gingen in die Berechnung der Zerfallsbreiten nur die Neutrinos ein, in die das Z zerfallen kann.
Schwere Neutrinos mit einer Masse über 45 GeV (= m(Z)/2) sind daher nicht ausgeschlossen. Neutrinos mit einer solchen Masse wären bei ihrer Entkopplung nichtrelativistisch und damit WIMPs.
Der Sprung zwischen den Masse der drei bekannten Neutrinos und einem schweren Neutrino wäre
jedoch enorm, allerdings sagt das Standardmodell keine Massenskalen voraus. Schwere Neutrinos mit
einem Wirkungsquerschnitt ähnlich dem der drei leichten Neutrinos sind mittlerweile experimentell
ausgeschlossen.
3.2.1
Das leichteste supersymmetrische Teilchen
Das MSSM (Minimal Supersymmetric Standard Modell) sagt bei bestimmten Parameterwahlen die
Existenz des Neutralinos als leichtestes supersymmetrisches Teilchen voraus. Es ist eine Linearkombination aus γ̃, Z̃ 0 , H̃10 , H̃20 . Mit minimalen Einschränkungen an den SUSY-Parameterraum liegt das
experimentelle Limit (LEP) zur Zeit bei 50,3 GeV. Die obere Grenze wird bei etwa 1 TeV angenommen.
Das Neutralino gilt zur Zeit als aussichtsreichster Kandidat für DM. Andere SUSY-Szenarien sehen z.B.
aber auch das Sneutrino, das Gravitino oder das Axino als leichtestes supersymmetrisches Teilchen vor.
14
3.3
3.3.1
Alternativen zu Dunkler Materie
Änderung des Gravitationsgesetzes
Wir können das Gravitationsgesetz direkt nur auf kleine Distanzen (Drehwaage) und das mit im
Vergleich zur elektromagnetischen Kraft sehr schlechter Genauigkeit testen. Die Annahme einer Gra1
vitationskraft, die nicht mit 1/r2 sondern auf große Distanzen schwächer abfällt ( r2−cf
(r) ) könnte die
Rotationskurven von Sternen erklären. Um auch die anderen astronomischem Evidenzen erklären zu
können, wären weitere Anpassungen nötig.
3.3.2
Änderung des 2. Newton’schen Gesetzes
Hier wird nicht die Gravitaionskraft FG geändert, sondern ihre Wirkung nach dem 2. Newton’schen
Axion F = FG = mTräge · a zu:
∂τ →∂t
∂mβ
∂β
∂τ → ∂t ⇒
=m
+
∂τ
∂τ
z }| {
∂m
β
∂τ }
| {z
(16)
Dunkle M aterie
Die Wirkung wäre vergleichbar mit der der Änderung des Gravitationsgesetzes. Hier kommt aber eine
große Diskrepanz dazu: Die klassische Mechanik ergibt sich als Grenzfall der Quantenmechanik, die
Quantenmechanik ist Grundlage der Quantenfeldtheorie und damit des gut getesteten Standardmodells. Änderungen können also in Missklang mit den Experimenten stehen.
15
4
4.1
4.1.1
Experimente zum direkten Nachweis von Dunkler Materie
in Form von WIMPs
Allgemeines
Allgemeines Nachweisprinzip, Überblick über die verschiedenen Methoden
Abbildung 10: Streuung eines WIMPs (Neutralino) an einem Atomkern
WIMPs streuen vorwiegend elastisch an Kernen (Abbildung 10). Die Rückstoßenergie wird in Form
von Wärme (Phononen) oder in Form von sekundär produziertem Szintallationslicht oder Ionisation
gemessen.
Neben Experimenten, die nur einen Detektionskanal verwenden, werden in einigen Experimenten (siehe
Abbildung 11) Szintillationslicht oder Ionisationssignale gemessen, um die WIMPs vom Untergrund
geladener Teilchen oder Neutronen bzw. auch Neutrinos zu trennen.
Abbildung 11: Übersicht über die verschiedenen Arten der WIMP-Detektion und die Experimente, die
sie verwenden. Die im Folgenden besprochenen Experimente sind eingerahmt, Experimente die kurz
erwähnt werden mit einem Pfeil gekennzeichnet.[Baud]
Der große Vorteil der direkten Suche ist die Möglichkeit zu großen Detektormassen und Laufzeiten,
die im Weltraum (indirekter Nachweis) viel schlechter möglich sind.
16
4.1.2
Anforderungen an die Versuche
Es wird (aus SUSY-Rechnung) eine maximale WW-Rate der WIMPs von 1 pro kg Detektormasse
und Tag erwartet. Ohne eine entsprechende Abschirmung der Detektoren ist der Untergrund durch die
natürliche Umgebungsstrahlung um viele Größenordnungen größer.
Abbildung 12: Umgebungsstrahlung, die auf einen abgeschirmten Detektor für DM wirkt
Um kosmische Strahlung abzuschirmen, werden Experimente zur WIMP-Suche bevorzugt in Bergwerksschächten unter mehr als 1 km Fels untergebracht. Um die verschiedenen Standorte mit unterschiedlichen Gesteinsarten miteinander vergleichen zu können, wird oft anstatt der Dicke des übergelagerten Felsen die entsprechende äquivalente Dicke zur Strahlungsminderung von Wasser angegeben,
sog. m.w.e. (meter water equivalent). Auf der Erdoberfläche würden kosmische Myonen etwa 105 Ereignisse /kg/Woche auslösen.
Im Bergwerk tritt durch radioaktive Zerfälle im umgebenden Gestein und durch austretendes Radon
Umgebungsstrahlung auf, vor der der Detektor durch eine Abschirmung geschützt werden muss. Im
abschirmenden Material sind aber normalerweise auch wieder radioaktive Elemente enthalten, sodass
hier ein besonders strahlenarmes Material gewählt werden muss.
4.1.3
Weltweite Experimente im Überblick
Abbildung 13: Weltweite Experimente zur direkten WIMP-Suche (ausgewählte Beispiele umrahmt)
17
Zum Teil arbeiten an einem Ort mehrere Forschungsgruppen und diese betreiben zum Teil auch noch
mehrere Experimente verschiedener Art. Die signifikantesten Ergebnisse liefern die Experimente von
DAMA und CRESST in Italien, Zeplin in Großbritannien, Edelweiß in Frankreich und CDMS in den
USA. Für die weitere Diskussion wurde sich auf DAMA, CRESST und CDMS beschränkt.
4.2
DAMA
Das DAMA-Experiment (DAMA=DArkMAtter Search), bzw. der Teil der NaI-Szintillatoren betreibt,
ist das bisher einzige Experiment, das behauptet, Hinweise auf Dunkle Materie signifikant gefunden
zu haben.
4.2.1
Aufbau und Funktionsweise des DAMA-Experimentes
Abbildung 14: Bewegung der Erde durch ein als ruhend angenommenen Halo aus Dunkler Materie
Das DAMA NaI(Tl)-Experiment [DAMA] benutzt als Detektionskanal nur Szintillationslicht. NaI (zum
λ-shift mit Tl dotiert) wird deshalb benutzt, weil es relativ preiswert ist, als strahlenarmes Material
verfügbar ist und sich große Kristalle (ca. 11 kg) daraus züchten lassen. Die relativ lange Abklingzeit
ist bei den zu erwartenden Raten völlig bedeutungslos.
Ingesamt wurden von 1997 bis Juli 2002 9 Kristalle mit zusammen ca. 100 kg Detektormasse betrieben,
also 7 Jahreszyklen (107.731 kg d). Im August 2000 wurde die komplette Elektronik ausgetauscht.
Abbildung 15: Detektor mit Abschirmung des DAMA NaI(Tl)-Experimentes
18
Mangels aktiver Untergrundreduzierung ist der Anteil des WIMP-Signals an der Gesamtereigniszahl
klein, die jährliche Modulation über Untergrund und Signal beträgt nur maximal 2 %. Deshalb sucht
das DAMA-Experiment nach einer anomalen jährlichen Modulation, die wie in Abbildung 14 zu entnehmen ist: Die Rate ergibt sich bei einer jährlich periodisch veränderten Geschwindigkeit der Erde
relativ zu den WIMPs durch Integration bei gegebenem Wirkungsquerschnitt R:
v(t)
= v¯ + vErde cosΘcos (ω(t − t0 ))
ω = 2π/a, t0 = 2. Juni (maximale Rate)
(17)
Die Abschirmung besteht (wie zum Teil Abbildung 15 zu entnehmen ist) aus einer 1,5 km dicken Gesteinsschicht (5000 mwe), was den Myonen-Fluss um einen Faktor 5 · 10−5 reduziert. Die ganze Anlage
(der Stollen) ist von 1 m Beton umgeben. Gegen die Umgebungsstrahlung wird ein Schild mit einer
äußeren Schicht von 100 mm Blei verwendet. Dieses schirmt gegen Gammastrahlung ab. Darunter liegt
eine 150 mm dicke Schicht Kupfer, welche unter anderem die Beta-Strahlung resultierend aus Zerfällen
von radiokativen Bleiisotopen absorbieren soll. Beide Metalle werden in Form von strahlenarmen Material verwendet, was der Fracht von gesunkenen, 2000 Jahre alten römischen Galeeren entnommen wird,
da diese Materialien schon lange der Erde entnommen wurden und so ohne weitere Aktivierung durch
Umgebungsstrahlung abklingen konnten. Vor diesen beiden Schichten befindet sich eine Schicht aus
Paraffin und Polyethylen, also Kohlenwasserstoffe zur Neutronenmoderation und -Absorption. Neutronen können auch durch kosmische Myonen ausgelöst werden. Die innerste Schicht bildet eine 1,5 mm
dicke Cadmium-Folie, um mögliche entstandene Alpha-Teilchen zu stoppen.
Die ganze Anlage arbeitet und wurde zusammengebaut unter Reinraumatmosphäre, da Staubpartikel
häufig radioaktive Isotope enthalten. Der Detektor wird mit Stickstoff geflutet, um Radon zu verdrängen.
Der Detektor (NaI(Tl) ) wird mit Sekundärelektronenvervielfältigern ausgelesen.
4.2.2
DAMA-Ergebnis
Abbildung 16: Von DAMA gefundene anomale jährliche Modulation
Zur Auswertung
¡
¢ der DAMA-Rohdaten wurde an die gemessenen Raten eine Cosinuskurve f (t) =
A cos 2π
(t
−
t
)
um den Mittelwert gemäß (17) angefittet. Die Werte sind: [DAMA]
0
T
A
= (0, 0200 ± 0, 0032)events/d/kg/keV
T
t0
= (1, 00 ± 0, 01)a
= (140 ± 22)d
χ2 /dof
= 71/37
Bemerkenswert ist, dass die Periode genau 1 Jahr beträgt. Die statistische Evidenz gegenüber keiner
jährlichen Modulation beträgt 6, 3 σ.
19
Wird die anomale jährliche Rate also durch keine anderen systematischen Effekte bedingt, wäre hiermit
Dunkle Materie nachgewiesen.
4.2.3
Diskussion des DAMA-Ergebnisses
Es gibt mehrere Effekte, die neben der Bewegung der Erde durch ein Halo von WIMPs die anomale
Rate von DAMA, also eine jahreszeitliche Änderung,hervorrufen könnten. Der einleuchtendste sollte
eine Temperaturschwankung sein, wie sie zwischen Sommer und Winter natürlicherweise auftritt.
Abbildung 17: Relative Temperaturschwankungen in den DAMA-Zylindern [DAMA]
Dieser Effekt tritt jedoch nicht auf, da:
• die Detektoren in einem Bergwerk weit unterhalb der Erdoberfläche untergebracht sind
• die Detektoren im Wärmekontakt mit der Abschirmung stehen
• eine Klimaanlage eingebaut wurde.
Für die drei Module, von denen die meisten Daten stammen, wurden folgende Werte gemessen:
Modul
δT
DAMA/NaI-5
−(0, 033 ± 0, 050)◦ C
DAMA/NaI-6
−(0, 021 ± 0, 055)◦ C
DAMA/NaI-7
−(0, 030 ± 0, 056)◦ C
Eine Temperaturänderung (sihe auch Abbildung 17) würde sich auf die Lichtausbeute des Szintillatormaterials auswirken. Mit den Werten oben ergibt sich eine maximale Änderung der Lichtausbeute
von 0,2 %, was die anomale Rate nicht annähernd erkären kann.
Auch andere Effekte wie Änderungen im Stickstofffluss, Radonbelastungen oder Rauschen der Elektronik können die anomale Rate selbst in der Summe die schlechtesten Fälle nicht erklären (siehe
Abbildung 18).
Besonderen Wert sollte auf die gemessenen Raten gelegt werden. Diese lassen sich theoretisch nur grob
eingrenzen, da es neben der WIMP-Masse auf Grund verschiedener SUSY-Modelle verschiedene erwartete Wirkungsquerschnitte gibt, die wiederum von der WIMP-Geschwindigkeit, also vom Halomodell
abhängig sind. Als ein Beispiel ist hier der differenzielle Wirkungsquerschnitt für den inelastischen,
spinunabhängigen Stoß eines Sneutrinos angegeben: [DAMA]
r
2
vrha
G2F m2W IM P
dσ
2 2
2
1
−
=
[Zg
+
(A
−
Z)g
]
F
(q
)
·
(18)
p
n
SI
dΩ2
π2
v2
mit
GF : Fermikonstante
gp , gn : Kopplungskonstanten
20
FSI : Formfaktor in Abhängigkeit vom Dreierimpulsübertrag q
Abbildung 18: Mögliche Störeffekte , die die anomale Rate von DAMA aber nicht erklären können
Bei Annahme von entsprechend schweren WIMPs (LEP-Limits liegt oberhalb der Massen von I und
Na) ergibt sich, dass die höchsten Rückstoßenergien im unteren Energiebereich (2 - 8 keV) auftreten
sollten (Abbildung 19).
Abbildung 19: Erwartete Rückstoßenergien für elastische und ineleastische Streuung von WIMPs an
Na und I
Kontrollmessungen (Abbildung 20) bei DAMA ergaben auch wirklich, dass im oberen Energiebereich
(8-14 keV) die anomale Rate nicht auftrat. DAMA hat im übrigen umfangreiche Messungen (Kalibrationen) zum Untergrund durchgeführt, z.B. Messungen mit Neutronen und Alpha-Strahler. Als eines
der wenigen Experimente hat DAMA den Formfaktor gemessen.
21
Abbildung 20: Vergleich der Raten von DAMA bei zwei verschiedenen Energiebereichen: Die anomale
Rate tritt nur im unteren Energiebereich auf.
Trotz aller Bemühungen der DAMA-Gruppe, systematische Effekte auszuschließen, wird die DAMAEvidenz kontrovers diskutiert. Die häufigsten Kritikpunkte sind dabei:
• DAMA zeigt nie ihre Rohdaten (bei anderen Darstellungen: Rückrechnungen)
• Stabilität der Ergebnisse
• Signal wurde nicht in allen Modulen gesehen (Module 5 bis 7)
• Untergrund nimmt bei kleinen Energien ab statt zu
• Binningeffekt
Seit März 2003 läuft das Nachfolge-Experiment von DAMA (NaI), LIBRA (Large sodium Iodide Bulk
for RAre processes) mit 250 kg noch strahlenärmeren Material, wovon leider noch keine Ergebnisse
veröffentlicht wurden.
Zusätzlich betreibt die DAMA-Gruppe noch einen Detektor mit 6,5 kg flüssigem Xenon (LXe), der auf
Ionisation beruht.
4.3
4.3.1
CRESST
Funktionsweise der Kyrogeniktechnik
Kyrogenik-Experimente benutzen gekühlte Detektoren, mit denen Wärme und Szintillation oder Ionisation nachgewiesen wird. Beim Nachweis von Wärme (Phononen) besteht nur bei sehr geringen
Temperaturen die Möglichkeit, Gitterschwingungen, die durch ein einzelnes angestoßenes Atom hervorgerufen wurden, nachzuweisen. Dazu wird die Temperaturerhöhung des Detektormaterials gemessen.
Mit der Kombination durch die gleichzeitige Anwendung anderer Nachweismethoden (Szintillation,
Ionisation) lässt sich der Untergrund aktiv reduzieren (Abbildung 21).
Bei dieser Untergrundreduzierung wird ausgenutzt, dass WIMPs im Gegensatz zu geladenen Teilchen
mit Kernen streuen und so hauptsächlich Energie in Form von Gitterschwingungen abgeben, geladene Teilchen aber hauptsächlich ionisieren. Daraus ergibt sich bei Auftragung der entsprechenden
Pulshöhen eine klare Unterscheidung (Abbildung 22).
22
Abbildung 21: Vergleich der Streuung von Untergrund und WIMPs
Abbildung 22: Trennung von Signal und Untergrund bei Verwendung von zwei Detektionskanälen
4.3.2
Aufbau von CRESST 2
Das Cryogenic Rare Event Search using Superconducting Thermometers-Experiment befindet sich
im selben Laboratorium in der Gran Sasso-Mine wie die DAMA-Experimente. Es benutzt gekühltes
CaW O4 als Detektormasse und Phononen und Szintillationslicht als Nachweiskanal. Im Aufbau sind
bis zu 10 kg Detektormasse bestehend aus je 0,3 kg schweren Modulen. Die bisherigen Ergebnisse
stammen nur von zwei Modulen (20,5 kg d).
Das Detektormaterial CaW 04 wird auf < 14 mK gekühlt. CaW O4 hat den Vorteil, dass es bei diesen
Temperaturen noch eine gute Lichtausbeute besitzt. Wolfram besitzt eine große relative Atommasse
(A = 183, 9 ⇒ m ≈ 184 GeV ) und damit in etwa dieselbe Masse der erwarteten WIMPs, so dass die
gesamte kinetische Energie eines WIMPs auf den Kern übertragen werden kann. Das ganze Detektormaterial ist von einer licht- und wärmereflektierenden Folie umgeben. Die Signale werden mit einem
Foto-Detektor und einem Wolfram-Thermometer ausgelesen. (Abbildung 24).
Die Wolfram-Thermometer arbeiten als supraleitende Phasenübergangs-Thermometer (Abbildung 25).
Sie werden bei einer Temperatur um 10 mK betrieben, bei der sich Wolfram an der Grenze zur Supraleitung befindet. Eine Erwärmung der Detektormasse/ des Wolfram-Thermometers durch einen
WIMP-Stoß ändert den Widerstand in diesem Bereich besonders stark. Über ein SQUID (induktiv
gekoppelter Stromkreis) kann der Widerstand sehr genau gemessen werden.
23
Abbildung 23: Schema und Außenansicht des CRESST(2)-Detektors
Abbildung 24: Aufbau eines Moduls des CRESST2-Detektors: Simultane Licht-und Phonon-Messung
24
Abbildung 25: Aufbau und Ansicht eines supraleitenden Phasenübergangs-Thermometers
4.3.3
Testmessungen von CRESST2
Da sich CRESST2 noch in der Versuchsphase befindet bzw. gerade erst misst, sind hier nur die Testmessungen (Eichungen, Abbildung 26) von zwei Prototyp-Modulen aufgeführt. [Cres]
Modul
Julia /BE14
Daisy /BE13
Messdauer [d]
37,56
39,04
Masse [kg]
0,2914
0,3068
Abbildung 26: Eichmessungen der zwei Prototyp-Module von CRESST2
In Abbildung 26 sind Kalibrationsmessungen bzw. Testmessungen von zwei Prototyp-Modulen von
CRESST2 abgebildet. Nur die Ereignisse unterhalb der durchgezogenen Kurve sind Kandidaten für
WIMP-Ereignisse, d.h. es gibt signifikant keine Ereignisse. Ereignisse klar oberhalb der Kurven sind
elektromagnetische Ereignisse, Ereignisse zwischen den Kurven sind Neutronkontaminationen bzw.
rühren von der Kalibration mit Neutronenquellen.
4.3.4
Ergebnisse von CRESST1
Das CRESST1-Ergebnis schließt das DAMA-Ergebnis für Massen unter 10 GeV aus.
25
Abbildung 27: Ergebnisse von CRESST1
4.3.5
Zukunft von CRESST2
Die wichtigsten Neuerungen bei CRESST2 werden die Verbesserung der Abschirmung (ähnlich wie
bei DAMA, auch wenn es hier durch die Benutzung von zwei Kanälen eine aktive Untergrundreduktion gibt) und der Einbau eines Myon-Vetos sein. Dabei wird der gesamte Detektor mit Myon(Gas)detektoren umgeben, die Myonereignisse und damit eventuell ausgelöste Neutronen zeitlich detektieren sollen. Damit soll der Neutronenuntergrund, der sich bei CRESST2 leider nicht so gut erkennen
lässt wie der der geladenen Teilchen, reduziert werden.
4.4
CDMS (II)
Das CDMS(II)-Experiment (Cryogenic Dark Matter Search) im Soudan Underground Laboratory in
den USA an der Grenze zu Kanada benutzt 0,250 kg Ge oder 0,100 kg Si Detektoren (Abbildung 28)
bei Temperaturen < 50 mK. Als Detektionskanal werden Phononen und Ionisation verwendet. Die
Untergrunderkennung kann dann ähnlich zu CRESST (geladene Teilchen ionisieren mehr) verlaufen.
Halbleiter eignen sich (Bandlücke) gut als Ionisationsdetektor. Das Problem besteht nun darin, die geringe, von niedrigenergetischen WIMPs erzeugten Ladungsmengen (nur einige hundert Ladungspaare),
nachzuweisen.
Abbildung 28: Ionisation-Phonon-Detektor (0,250 kg Ge oder 0,100 kg Si)
Auch hier stellen Neutronen als nichtgeladene Teilchen den schwierigsten Untergrund dar (Abbildung
29).
26
Abbildung 29: Messergebnis von CDMSII: Es wurden keine WIMPs nachgewiesen. Zwischen den gestrichelten Linien würden die erwarteten WIMP-Signale liegen. Messpunkte, die nahe an diesem Bereich
liegen, stammen vermutlich von Neutronen. (Fig. 4 von [CDMS])
Das WIMP-Wirkungsquerschnittslimit (siehe Abbildung 30) beträgt 4 · 10−47 m2 = 4 · 10−7 pb [CDMS]
bei folgenden Annahmen:
90 % C.L., m(WIMP)=60 GeV, Helm spin-independent form-factor, WIMP characteristic velocity
v0 = 220km/s, mean Earth velocity vE = 232km/s, ρ = 0, 3 · 10−6 GeV /m3 .
Damit liefert das CDMSII-Experiment zur Zeit die besten Limits für den Wirkungsquerschnitt von
WIMPs.
Abbildung 30: Gemessene (durchgezogene Linie) und voraussichtliche (gepunktete Linie) Limits von
CDMSII [DMto]
4.5
Zusammenfassung der Ergebnisse - Einordnung des DAMA-Ergebnisses
Hauptargument der DAMA-Gruppe für die Richtigkeit ihres Ergebnisses, der gefundenen anomalen
Modulation, ist ihr modellunabhängiges Messverfahren und die wohlbekannte Technologie in Form von
Szintillation im Gegensatz zu der recht neuen Kyrogeniktechnik. Die Argumente gegen das DAMAErgebnis sind in Abschnitt 4.2.3 aufgelistet.
DAMA ist auf Grund ihrer Targetmaterialien im Gegensatz zu anderen Experimenten auch für spin27
abhängige Wechselwirkungen sensitiv. Das DAMA-Resultat ist von CDMSII ausgeschlossen, falls die
Wechselwirkung spinunabhängig ist.
Abbildung 31: Aktuelle Grenzwerte für die WIMP-Daten aus der direkten Suche
In Abbildung 31 ist zu erkennen, dass (ohne Spinberücksichtigung) die neuen Experimente die untere
Grenze für den WIMP-Wirkungsquerschnitt um einen Faktor zehn steigern konnten. Neuere Experimente werden wieder einen Faktor zehn Verbesserung erreichen (siehe Abschnitt 6).
28
5
Indirekte Suche nach Dunkler Materie in Form von WIMPs
Direkte Experimente haben den Nachteil, dass mit ihnen nur die WIMP-Dichte an der Position der Erde
gemessen werden kann, wogegen indirekte Experimente versuchen, die Dichte der Dunklen Materie in
userer ganzen Galaxie zu messen.
5.1
Prinzipien der Suche
Das allgemeine Prinzip der indirekten Suche beruht auf der Vernichtung zweier WIMPs (in den Abbildungen als χ (Neutralino) dargestellt) zu Teilchen des Standardmodells, die sich dann mit normalen“
”
Teilchendetektoren nachweisen lassen (Abbildung 32).
Abbildung 32: Prinzip der indirekten WIMP-Suche
Bei der indirekten Suche sind im Moment zwei Fälle zu unterscheiden:
1. Die Vernichtung von zwei WIMPs in großen Massenansammlungen wie im inneren
der Sonne oder der Erde: Von den dabei entstehenden Teilchen können nur die Neutrinos
nachgewiesen werden, da die übrigen Teilchen von der umgebenden Materie absorbiert werden
(Abbildung 33).
Abbildung 33: Neutrinos als nachzuweisende Teilchen für die indirekte WIMP-Suche
Experimente, um diese hochenergetischen Neutrinos (Ekin ≈ m(W IM P )) nachzuweisen, befinden sich z.B. in der Antarktis (ARMANDA, bzw. Nachfolgeprojekt Ice-Cube), wo das Eis als
Detektormasse benutzt wird und das Szintillationslicht durch im Eis (transparent für das Szintillationslicht) eingelassene Photomultiplier nachgewiesen wird. Hierfür ist es wichtig, die Richtung
der Neutrinos zu bestimmen, um ihren Herkunftsort (z.B. Sonne) feststellen zu können.
2. Nachweis geladener Teilchen, die irgendwo in der Galaxie produziert werden: Zur
Erde gelangen nur die Teilchen, die dort produziert wurden, wo sie keine Materie auf dem Weg
zur Erde durchqueren müssen. Auch hier sind für die WIMP-WIMP-Annihilation Gebiete mit
erhöhter Dichte bevorzugt.
29
Abbildung 34: Geladene Teilchen als nachzuweisende Teilchen für die indirekte WIMP-Suche
Welche Standardmodell-Teilchen produziert werden, ist abhängig von der WIMP-Dichte, also dem
Halo-Modell (Abbildung 34). Damit lassen sich bei genügend guter Winkelauflösung verschiedene Halomodelle testen. Im Nachfolgenden ist nur die Produktion von Elektron-Positron-Paaren betrachtet.
5.2
Das AMS-02-Experiment
Das AMS-02 Experiment (Abbildung 35), an dem u.a. das I. und III. Physikalische Institut der RWTHAachen beteiligt sind, ist ein vollständiger Teilchendetektor, der vorraussichtlich im Frühjahr 2008 im
Weltraum an der ISS angebracht werden soll.
Abbildung 35: Das AMS-02-Experiment an der ISS angebracht
Mit dem AMS-02-Experiment wird es möglich sein, hochenergetische Teilchen nachzuweisen und die
Art der Teilchen zu bestimmen. Vorgängerexperimente wie das Ballonexperiment Heat haben Indizi-
30
en für WIMP-Annihilationen gefunden (Abbildung 36). Die gemessene Positronrate bzw. der Anteil
der Positronen realtiv zur Rate von Positronen und Elektronen e+ /(e+ + e− ) ist größer als die Rate,
die durch bekannte Quellen, bzw. durch die kosmische Strahlung allgemein, verursacht wird. Eine Erklärung für den gemessenen Überschuss könnte die Annihilation von DM sein.
Abbildung 36: Hinweise auf WIMP-Anihilationen
Zur Teilchenerkennung (hochrelativistische Protonen/Positronen) wird ein Übergangsstrahlungsdetektor (TRD) und ein elektromagnetisches Kalorimeter (ECAL) eingesetzt.
Abbildung 37: Schema des AMS-02-Detektors
Die Teilchentrennung des AMS-02-Detektors (Abbildung 37) ist so gut, dass auch Positronen über 100
GeV nachgewiesen werden können (Abbildung 38). Die Winkelauflösung ist besser als 1’. Mit Hilfe
der guten Trennung der Positronen vom Untergrund und der Möglichkeit auch Positronen bis zu 1
TeV identifizieren zu können, wird AMS-02 die erheblichen Fehler bei der Bestimmung des relativen
Positronenflusses e+ /(e+ + e− ) (Abbildung 38) stark reduzieren können. Damit wird sich die Frage
nach einem Positronenüberschuss über die bekannten Quellen signifikant klären lassen.
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Hauptaufgabe des AMS-02-Detektors soll die Messungen von Antimaterie sein, damit ist nach dem
letzten Abschnitt auch die Suche nach DM mit eingezogen. Außerdem kann mit dem AMS-02-Detektor
die Elementeverteilung gemessen werden und so nach Abschnitt 2.3.5 die Rechnungen zur Elementensynthese überprüft werden.
Abbildung 38: Messbereich von AMS-02 im Vergleich
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Ausblick: Zukünftige Suche nach Dunkler Materie in Form
von WIMPs
Der Abstand zwischen den von Supersymmetrie vorausgesagten Wirkungsquerschnitten und den Grenzen der WIMP-Experimente schrumpft. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass, wenn SUSY-Teilchen auf
einer 1 TeV-Skala existieren, sie zuerst am LHC gefunden werden.
Allgemein werden in naher Zukunft folgende Möglichkeiten zur Verfügung stehen:
• Verbesserung der direkten Suche
– Mehr Masse
– Reduzierung des Untergrundes, insbesonders durch aktive Untergrundreduzierung
• Höhere Sensitivität bei der indirekten Suche, vor allem durch das AMS-02-Experiment
• Suche an Beschleunigern
– Tevatron (läuft schon)
– LHC
Wenn SUSY gefunden ist und falls dann die Masse und der Wirkungsquerschnitt des Dunkle
Materie Kandidaten ermittelt ist, kann die DM-Suche gezielter fortgeführt werden und HaloModelle können explizit getestet werden.
Konkret für die direkte WIMP-Suche sind folgende Projekte geplant (bzw. in Vorbereitung):
• CDMS (2,3) & Edelweiß2: Aufrüstung wie bei CRESST2 mit Myon-Veto und verbesserte Abschirmung
• DAMA/LIBRA: 250 kg Detektor (läuft schon)
• In Planung: Europäisches Großprojekt: EURECA (Teilnehmer: Edelweiß, CRESST, ...) mit
Detektormasse im 1 Tonnen-Bereich (bei CDMS in den USA ähnliche Planungen)
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Schlusswort
Dunkle Materie liefert den Haupthinweis für Physik außerhalb des Standardmodells. Die Suche nach
ihr könnte in den nächsten 5 Jahren in Form von WIMPs erfolgreich sein.
Doch auch wenn dem so ist, bleibt mit der dunklen Energie immer noch 70 % des Universums unverstanden.
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Quellenverzeichnis
Literatur
[Dem4] W.Demtröder, Experimentalphysik 4, Springer Lehrbuch
[DAMA] Further results on the WIMP annual modulation signature by DAMA/NaI (21. July 2003)
(DAMA/NaI-1 to 7: Riv.N..Cim 26 n.1. (2003) 1-73)
[Unso] Der neue Kosmos, Unsöld/Baschek, 7. Auflage
[PAME] Pamela Collaboration: home page: http:wizard.roma2.infn.it/pamela/
[Baud] L. Baudis: “Experimental searches of dark matter“, talk presented at CAPP 2003, CERN,
12.-17. June 2003, http://wwwth.cern.ch/capp2003/
[Astr] Vorlesung Astronomie & Astrophysik, Professor Berger / Professor Raupach
[WMAP] http://map.gsfc.nasa.gov, WMAP Related Media Resources
[Kos1] Peter Schneider, Institut für Astrophysik und extraterrestische Forschung der Universität Bonn:
Überblick Kosmologie
[Scha] S. Schael, Eur Phys J C 333, s01, s194-s166 (2004)
[Quin] C. Wetterich Quintessenz - die fünfte Kraft“, Physik Journal 3 (2004) Nr. 12
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[Part] S. Eidelman et al., Physikal Letters B 592, 1 (2004)
[2dFG] astro-ph/0303668, http:/www.aao.gov.au/2df
[Sper] Spergel et al, astro-ph/0302209
[Elga] O. Elgaroy, O. Lahav, astro-ph/0303089
[Cres] G. Angloher et al, astro-ph/0408006 v3 (17. jan 2005)
[CDMS] D.S. Akerib et al, First results from the Cryogenic Dark Matter Search in the Soudan Underground Lab, astro-ph/0405033 v2 (12. Oct 2004)
[DMto] R.J Gaitskell and V. Mandic, http://dmtools.brown.edu
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