Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive

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Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
381
Anpassung an den Klimawandel
aus europäischer Perspektive
1 Warum Klimaanpassung
jetzt und künftig?
Menschen haben sich stets an ihre Umgebung und den immerwährenden Wandel klimatischer Bedingungen angepasst.
Doch nicht selten wurden sie von abrupten
Wechseln im Klimaregime innerhalb weniger Jahrzehnte, teils sogar Jahre überrascht.1
Der rezente Rückzug alpiner Gletscher zeigt,
wie rasch der Klimawandel Lebensräume
verändert. Zwar gab es schon immer Klimaveränderungen in der Erdgeschichte, nur
waren die zeitlichen Abfolgen noch nie so
eng wie in den letzten Jahrzehnten. Elf der
zwölf Jahre zwischen 1995 und 2006 rangieren unter den zwölf wärmsten seit 1850.
Prominenteste Indikatoren für den rezenten
Klimawandel sind die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4), deren
Gehalt in der Atmosphäre seit mindestens
800 000 Jahren nie höher war als heute.2
Die vom Zwischenstaatlichen Ausschuss
für Klimaänderungen (IPCC) 3 zuletzt prognostizierten Szenarien zeigen bis zum Jahr
2100 eine Verschärfung und Beschleunigung der jüngst beobachteten Klimaänderungen. Langfristige Projektionen für 2100
gehen von einem Temperaturanstieg in Europa von ca. 2 bis 6 °C über dem Niveau von
1990 aus, und Extremwitterungen werden
an Häufigkeit und Intensität zunehmen. In
Europa werden besonders die Mittelmeerund subarktische Region betroffen sein, in
Deutschland sind es Gebirgsregionen, Küstenzonen, der Rheingraben und der Nordosten.4
Zentrale Infrastrukturen und Nutzungen
sind gefährdet, wie die vermehrten Hochwasser und Hitzeperioden seit 1995 zeigen
und Szenarien prophezeien.5 Natürlich
„weiß niemand genau, wann wer warum wo
wie vom Klimawandel betroffen sein wird“ 6.
Und doch ist das Risiko des Nichthandelns
vermutlich größer als der konstruktive Umgang mit Unsicherheit. Die Bereitschaft zu
realen Verhaltensänderungen ist (erst) dann
umso größer, je höher die Risiken lokal eingeschätzt, d. h. für den Einzelnen sichtbar
werden.7 Dies wird zum Teil direkt über
Fabian Dosch
Lars Porsche
Philipp Schuster
die Folgen von Extremwitterungen, aber
auch indirekt eher langfristig über höhere
Kosten etwa für Infrastruktur, Nahrungsmittel, Sachversicherungen oder Gesundheitsdienstleistungen spürbar werden. Und
die Kosten des Klimawandels sind auch in
Deutschland ungleich verteilt: Wirtschaftsschwache Bundesländer trifft es am härtesten 8, schwächere Einkommensschichten
vermutlich stärker als einkommensstärkere.
Die Verfasser des Stern-Berichts (2006) 9 über
die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels rechnen für Untätigkeit weltweit mit
Kosten von 5 bis 20 % des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP). Dies würde sich auf
die Ökonomie in Europa wie Deutschland
ebenfalls negativ auswirken.
Im Bereich Anpassung müssen jetzt Weichen für die künftige Entwicklung gestellt
werden. Zum einen bringt proaktives Intervenieren deutliche wirtschaftliche Vorteile, „weil potenziellen Schäden vorgegriffen wird und Gefahren für Ökosysteme,
menschliche Gesundheit, wirtschaftliche
Entwicklung, Besitztum und Infrastrukturen minimiert werden. Außerdem könnten
europäische Unternehmen, die bei Anpassungsstrategien und -technologien führend
sind, Wettbewerbsvorteile erwirtschaften“ 10.
Die Gründe zum Handeln liegen nicht nur
in der Einsparung künftiger Kosten. Heute
gebaute Infrastruktur ist in der Regel auf
20 bis 100 Jahre ausgelegt und muss daher zunehmend klimawandelsicher gebaut
werden, um künftige Schäden zu begrenzen. Hier liegt für die Stadt-, Regional- und
Raumplanung eine große Chance, zu einer
nachhaltigen und qualitätsvollen Entwicklung der Umwelt- und Raumstrukturen beizutragen.
Indes, was schon heute ohnehin klassische fachpolitische Aufgabe ist, erfordert
durch den Klimawandel noch verstärkte Anstrengungen. Den Flüssen mehr
Raum für Hochwasser zu geben, Deiche
dem steigenden Meeresspiegel anzupassen, Häuser, Straßen und Schienen hitzeangepasst zu bauen, die Kanalisation
den Starkregenrisiken anzupassen, das
(Kühl-)Wasserdargebot zu sichern und vie-
Dr. Fabian Dosch
Lars Porsche
Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung
Deichmanns Aue 31–37
53179 Bonn
E-Mail:
[email protected]
[email protected]
Philipp Schuster
Heerstraße 8
53111 Bonn
382
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
Tabelle 1
Vorsorge zur und Chancen bei der Klimaanpassung in Europa
Konkrete Vorsorgemaßnahmen könnten breit gefächert sein, beispielsweise:
•
Anpassung von Baunormen für langfristig angelegte Infrastrukturen zur Absicherung künftiger Klimarisiken; Berücksichtigung von Blitzflutrisiken bei der Raum- und
Flächennutzungsplanung; Aktualisierung von Managementstrategien für Katastrophen;
Frühwarnsysteme für Hochwasser und Waldbrände;
•
Schutz- und Umsiedlungsmaßnahmen wie Anhebung von Deichen, Umsiedlung von
Industrieanlagen sowie Dörfern aus tief liegenden Küsten- und Überschwemmungsgebieten, Bau klimaresilienter Kraftwerke;
•
Staatliche Planung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit;
Die Anpassung schafft auch neue Chancen:
•
Neue Märkte, Beschäftigungs- und Exportchancen für klimasichere Bautechniken,
Materialien und innovative Produkte und Dienstleistungen;
•
Neue Marktchancen wie etwa Gesundheits- und Wellnesstourismus, u. a. durch Verlagerung des Mittelmeertourismus nach Norden;
•
Anpassung lokaler Bewirtschaftungspraktiken an längere Wachstumsperioden;
•
Neue Versicherungsprodukte der Finanzwirtschaft mit risikoangepaßten Prämien zur
Minderung von Risiko und Anfälligkeit vor dem Eintreten von Katastrophenfällen.
Quelle: modifiziert nach EU-Grünbuch „Klimawandel in Europa“; KOM (2007) 354, S. 12 f.
les mehr braucht einen Risikozuschlag für
die Klimaanpassung. So wird z. B. in Bayern
bereits seit 2005 bei der Festlegung des Bemessungsabflusses für 100-jährliche Hochwasser HQ100 für Hochwasserschutzanlagen zusätzlich ein Klimaänderungsfaktor
von 15 % eingerechnet.11 Privatsektor, Wirtschaft, Industrie und Dienstleistungssektor
können als Betroffene bei den Anpassungsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen
(vgl. Tab. 1).
Klimawandel macht vor Ländergrenzen genauso wenig Halt wie die Entwicklung von
Lösungen zum Umgang damit. Wenngleich
der Klimawandel in Europas Regionen unterschiedlich wirkt, entstehen dadurch vergleichbare Herausforderungen für die betroffenen Fachpolitiken. Grund genug, nach
Lösungen für Anpassungsstrategien bei den
europäischen Nachbarn zu suchen. Dazu
ist zunächst ein Blick auf regionale Vulnerabilitäten und Klimarisiken erforderlich.
2 Regionale Vulnerabilitäten
in Europa
Der europäische Kontinent hat sich im letzten Jahrhundert um nahezu 1 °C erwärmt
– schneller als der globale Durchschnitt.12
Regen- und Schneefälle nahmen in Nordeuropa stark zu, während in Südeuropa
mehr Trockenperioden beobachtet werden;
Anfang/Frühjahr 2008 leidet insbesondere
Katalonien unter andauernder Trockenheit. Solche Extremwitterungen treten im-
mer öfter auf. So erlebte England 2000 das
niederschlagsreichste Jahr seit 1776, wurde
Österreich im August 2002 von schweren
Überschwemmungen betroffen, erfuhr Europa 2003 eine ausgedehnte Hitzewelle und
stürmte nach einem schneereichen Winter 2006 im Januar 2007 Kyrill über Mitteleuropa.
Die Folgen des Klimawandels sind ein Anstieg des Meeresspiegels, veränderte regionale Niederschlags- und Temperaturregime
und Verschiebungen von Klimazonen, Veränderungen der Biodiversität und Gletscherschmelze sowie Extremwitterungen
wie anhaltende Dürren und ausgedehnte
Hitzewellen, Starkregen und Stürme. Zwar
werden von den Auswirkungen des Klimawandels in Europa nahezu alle Wirtschaftssektoren in unterschiedlicher Intensität
betroffen sein 13, aber nicht so drastisch wie
auf anderen Kontinenten.14 In Europa sind
der Südosten, der hohe Norden, der mediterrane Raum, zentraleuropäische Regionen
einschließlich Deutschland, Berggebiete
und Küstenregionen am stärksten gefährdet.15 Positive Effekte wie höhere Temperaturen besonders in Nordeuropa16 gehen
aber einher mit einem höheren Risiko für
Starkregen und Sturzfluten. Langfristig wird
durch die starke Erwärmung aber mit mehr
Schäden gerechnet.17
Wärmere Nächte und heißere Metropolen
Falls nichts gegen den Klimawandel unternommen wird, werden die Temperaturen
fast überall in Europa um 4 bis 5 °C ansteigen, besonders die mittleren Nachttemperaturen. In Deutschland und Frankreich auf
einer Achse höchster Temperaturen von der
Rhone bis zur Lausitz können Tageshöchstwerte von über 50 °C erreicht werden; heute
werden Maximaltemperaturen von unter
43 °C gemessen.18 In Südeuropa ist der Temperaturanstieg nicht ganz so drastisch, da
dort das Meer einen kühlenden Effekt hat.
Speziell in den Städten ist mit einem oft
verstärkten Wärmeinseleffekt zu rechnen.19
Zudem wirken sich höhere Wassertemperaturen auf kritische Infrastrukturen wie die
Kühlung von Kraftwerken aus.
Klimaprojektionen gehen bis Mitte des
21. Jahrhunderts für den gesamten Mittelmeerraum von einem Anstieg der Sommertemperaturen von mehr als 2,5 °C aus. Die
Temperaturzunahme dort im Sommer betrifft vor allem die Bevölkerung in den ver-
Informationen zur Raumentwicklung
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383
Abbildung 1: Temperaturentwicklung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts in Europa
Winter
Sommer
Canarias
Canarias
Reykjavik
Guadeloupe
Martinique
Reykjavik
Réunion
Guadeloupe
Stockholm
Oslo
Stockholm
Acores
Tallinn
Moskva
Riga
Moskva
Riga
København
København
Dublin
Vilnius
Vilnius
Minsk
Minsk
Amsterdam
London
Berlin
Amsterdam
London
Warszawa
Kyiv
Bruxelles/Brussel
Berlin
Kyiv
Bruxelles/Brussel
Luxembourg
Luxembourg
Praha
Paris
Praha
Paris
Bratislava
Bratislava
Kishinev
Wien
Budapest
Bern
Ljubljana
Ljubljana
Zagreb
Zagreb
Bucuresti
Beograd
Sarajevo
Roma
Bucuresti
Sarajevo
Sofiya
Podgorica
Madrid
Kishinev
Wien
Budapest
Bern
Lisboa
Warszawa
Skopje
Ankara
Sofiya
Podgorica
Madrid
Lisboa
Beograd
Roma
Skopje
Ankara
Tirana
Tirana
Athinai
Athinai
Algier
Rabat
Tunis
© BBR Bonn 2007
Dublin
Helsinki
Acores
Tallinn
Réunion
Madeira
Madeira
Helsinki
Oslo
Martinique
Guyane
Guyane
Nicosia
Valletta
Algier
Rabat
Tunis
Nicosia
Valletta
500 km
500 km
Oberflächennahe (2 m) Veränderung der Temperaturen im Szenario A1B für Winter und Sommer
Angegeben wird die Differenz aus der Durchschnittstemperatur in Grad Celsius der 30-Jahres-Zeiträume 2071-2100 minus 1961-1990
2
3
2,5
4
3,5
4,5
5
5,5
6
keine Daten
°C
Abbildung 2: Niederschlagsentwicklung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts in Europa
Winter
Sommer
Canarias
Canarias
Reykjavik
Guadeloupe Martinique
Reykjavik
Réunion
Guadeloupe Martinique
Madeira
Madeira
Helsinki
Stockholm
Oslo
Stockholm
Acores
Tallinn
Acores
Tallinn
Moskva
Riga
Moskva
Riga
København
Dublin
Helsinki
København
Dublin
Vilnius
Vilnius
Minsk
Minsk
Amsterdam
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Warszawa
Kyiv
Bruxelles/Brussel
Luxembourg
Paris
Bratislava
Zagreb
Bucuresti
Roma
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Podgorica
Madrid
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Budapest
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Podgorica
Madrid
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Zagreb
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Kyiv
Luxembourg
Wien
Bern
Berlin
Bruxelles/Brussel
Praha
Paris
Amsterdam
London
Rabat
Algier
Tunis
Nicosia
Valletta
500 km
© BBR Bonn 2007
Oslo
Réunion
Guyane
Guyane
500 km
Veränderung der Niederschlagsmengen im Szenario A1B für Winter und Sommer
Angegeben werden die relativen Veränderungen (in %) der jährlichen Durchschnittsmengen in den 30-Jahres-Zeiträumen 2071-2100 und 1961-1990
-50 -30
-20 -10
0
10
20
30
50
keine Daten
Die im Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) erarbeiteten Szenarien für den Zeitraum 2001-2100 basieren auf verschiedene Annahmen hinsichtlich des
demographischen, sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Wandels. Die Szenarienfamilie A1 geht von einem schnellen Wirtschaftswachstum, zunächst wachsender
und gegen Ende des 21. Jahrhunderts schrumpfender Bevölkerung und der schnellen
Einführung neuer und wirksamer Technologien aus. Das Szenario A1B geht von einem
Gleichgewicht aller Energieressourcen aus.
Quellen: Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
384
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
dichteten urbanen Räumen, aber auch den
ökologischen Lebens- und Nahrungsraum
Meer, z. B. durch Veralgung oder Quallenschwärme.
Für die Wintermonate wird ein besonders
starker Temperaturanstieg für Nordskandinavien und den Balkan prognostiziert.20 Die
Zunahme der Wintertemperaturen führt
u. a. zur stärkeren Erwärmung des Bodens
und somit stärkerer Gefahr der Baumentwurzelung bei Winter- und Frühjahrsstürmen.
Zunahme des Winterniederschlags und
Dürreperioden im Sommer
Die Niederschlagsentwicklung wird in
Nord- und Mitteleuropa zu einer Zunahme
der Niederschlagsereignisse im Winter um
10 bis 40 % führen. Häufigere Überschwemmungen sind die Folge. Trotz erhöhter
Niederschläge im Norden ist mit einer potenziellen Abnahme der Wasserqualität zu
rechnen.
In Regionen, wo Wasser in Zukunft noch
knapper wird, hat diese Entwicklung ebenfalls negativen Einfluss insbesondere auf
die Infrastruktur und die Bewässerungswirtschaft. Der Süden (und teilweise Westen) des Kontinents wird im Sommer verstärkt von Dürreperioden betroffen, da in
einigen Gebieten weniger als die Hälfte des
Niederschlags auftritt. In Spanien fällt die
Kapazität aller 1 100 großen Dämme derzeit
auf unter 50 %.21 Schon führen große Wasser-Umverteilungsprojekte vom Norden in
den Südosten zu politischen und sozialen
Spannungen.
Beobachtete Klimaveränderungen und Klimaszenarien machen deutlich, dass Europa
sich gezielt an die Entwicklungen anpassen
muss, um die Gesellschaft zu schützen und
dementsprechend die Verwundbarkeit zu
mindern.
3 Europäische Strategien zur
Klimaanpassung aus Sicht der
Raumordnung
EU-Grünbuch „Klimawandel in Europa“
und Aufgaben der Raumentwicklung
Hauptpfeiler der integrierten Klimaschutzund Energiepolitik der EU ist, den Anstieg
der globalen Durchschnittstemperaturen
auf weniger als 2 °C gegenüber dem vor-
industriellen Stand zu halten. Selbst wenn
dieses Ziel erreicht würde, ist eine Anpassung erforderlich.22 2005 veröffentlichte
die Europäische Kommission die 2. Phase
des Europäischen Klimaanpassungsprogramms 23, dazu verschiedene Arbeitspapiere zu den Auswirkungen und Anpassungsmaßnahmen in den Sektorpolitiken. Für
die räumliche Entwicklung wurden vier Aktionsfelder – Forschung und Öffentlichkeitsarbeit, Strategieentwicklung, Fördermittel,
Risikomanagement – sowie Maßnahmenbereiche für die verschiedenen Ebenen der
räumlichen Planung dargelegt.24
Obwohl konkrete Anpassungsstrategien an
den Klimawandel in erster Linie auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene
entwickelt und umgesetzt werden, steht
speziell die EU in der Verantwortung, die
Anpassung an den Klimawandel zu forcieren. 2007 erschien das Grünbuch „Klimawandel In Europa – Optionen für Maßnahmen der EU“. Dieser Bericht legt konkrete
Handlungsfelder und Optionen der EU dar
und betont u. a. einen flexiblen Ansatz mit
vier Aktionsschwerpunkten, u. a. Verbesserung der Forschungsgrundlagen und die
Einbeziehung von Anpassungsmaßnahmen in die Umsetzung und Änderung geltender und künftiger Rechtsvorschriften
und Politiken. Anpassung dient in diesem
Zusammenhang dazu, Risiken und Schäden gegenwärtiger und künftiger negativer
Auswirkungen kostenwirksam zu verringern.25 Raumplanung wird dabei als eine
Querschnittsfrage und geeignetes Instrument für die Festlegung kostenwirksamer
Anpassungsmaßnahmen gesehen. Mindestanforderungen für Raumplanung, Flächennutzung und deren Änderungen könnten unter Anpassungsgesichtspunkten für
die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der
politischen Entscheidungsträger und für
ein proaktiveres Vorgehen auf allen Ebenen
eine Schlüsselrolle spielen. Die Raumplanung könnte eine integrierte Rahmenregelung zur Verknüpfung von Vulnerabilitäten
und Risikobewertung mit Anpassungskapazitäten und -maßnahmen bieten und
auf diese Weise die Erarbeitung politischer
Optionen und kostenwirksamer Strategien
erleichtern.26 Die Entwicklung spezifischer
technischer Leitfäden, Fallstudien und der
Austausch von Best-Practice-Projekten wird
nahegelegt.27 Derzeit erfolgt die Konsultation zum Grünbuch; die Erarbeitung eines
Weißbuchs ist für Herbst 2008 geplant.28
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
Die Akademie für Raumforschung und Landesplanung unterstreicht in ihrem Positionspapier2 9 das Erfordernis einer Anpassungspolitik: „Aufgaben der Raumplanung als
integrative und überörtliche Planung sind in
einer Anpassungspolitik (…) vor allem, Verwundbarkeits- und Risikobewertungen für
die bedrohten Räume vorzunehmen sowie
die Bewertungen mit den raumbezogenen
Anpassungskapazitäten zu verknüpfen und
Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln.30
Zudem geht es darum, durch Raumplanung
Vulnerabilitäten und Risiken zu senken.
Insgesamt hat die Raumplanung integrierte
Rahmenregelungen für die künftige Raumund Flächennutzung zu entwickeln“. Das
Positionspapier fordert eine (informelle)
Europäische Leitlinie zur Klimaanpassung
als Rahmenvorgabe für koordiniertes Handeln und Förderprogramme und als Katalysator für nationale und regionale Anpassungsstrategien. Selbst wenn diese Leitlinie
nicht als rechtsverbindlich vorgegeben würde, zielt die EU auf die Implementierung
des Schutzguts Klima zum einen in den
vorhandenen Regelungstatbestand, etwa
bei Umweltverträglichkeitsprüfungen oder
der Wasserrahmenrichtlinie. Zum anderen
können über Fördertatbestände Anreize zur
Klimaanpassung geschaffen werden. Darüber hinaus bieten Durchführungs- und Wirkungsprüfung höhere Verbindlichkeiten.
Die EU wird wegen der regional unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels und des Subsidiaritätsprinzips aber nur
Rahmen setzen können. Dementsprechend
wird in Europa jede Region, bezogen auf die
zu treffenden Maßnahmen, unterschiedlich
auf bestimmte Auswirkungen des Klimawandels reagieren. Welche Maßnahmen
greifen können, wird in diversen europäischen Projekten erforscht.
Europäische Projekte zur Klimaanpassung
im Kontext der Raumentwicklung
Neben adäquaten Klimamodellen und
-szenarien sind geeignete raumrelevante
Daten bereitzustellen, wie sie von ESPON
(European Spatial Planning Observation
Network) erarbeitet wurden. In der neuen
Programmperiode 2007–2013 erfährt das
Thema Klimawandel eine hohe Gewichtung, wobei besonders für die Raumplanung und -entwicklung entsprechende
Daten zur Verfügung gestellt werden sollen.
Im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm 31 ist
385
der Klimawandel Schwerpunkt der Umweltforschung. Weiter werden zahlreiche
Projekte im Rahmen der „Europäischen
territorialen Zusammenarbeit“ gefördert.32.
Exemplarisch genannt seien:
• Im ESPACE-Project 33 (European Spatial Planning: Adapting to Climate Events,
2001–2007) wurde eine Strategie „Planning
in a Changing Climate“ erarbeitet, die in
14 Maßnahmen für vier Planungsebenen
mündete, u. a. für die Sektoren Wassermanagement, Gesundheit, Transportwesen,
Gebäudedesign und Landwirtschaft. Zusammenfassend muss „die Anpassung an
den Klimawandel ein Kernziel einer zukunftsorientierten Raumplanung“ sein. Die
Einbindung von Anpassungsmaßnahmen in
die Raumplanung erfordert die Kombination
von „Change-Management“ (Bewusstseinswandel) und „Risk-Management“ (Umgang
mit sich ändernden Risiken) im Rahmen
einer flexiblen „No-Regret-Strategie“.34 In
der laufenden Erweiterungsphase des Projekts werden Hindernisse der Implementierung näher untersucht.
• Das Ende 2007 abgeschlossene AMICAProjekt (Adaptation and Mitigation: an Integrated Climate Policy approach) 35 zielte
darauf ab, Klimaschutz und Anpassung
an den Klimawandel zu einem integrierten Politikansatz zu machen. Dies erfolgte
schwerpunktmäßig für Kommunen und
Regionen für die Bereiche Landnutzungsplanung, Baugewerbe und Energienutzung.
Unter anderem wurden eine Matrix mit 40
Anpassungsmaßnahmen zugeordnet zu
neun Sektoren sowie vier Auswirkungen erarbeitet und 30 thematische gute Beispiele
dargestellt.
• Beim INTERREG IIIB-Projekt-ClimChAlp
(2006–2008) zum Klimawandel im Alpenraum wurden Empfehlungen für die Bereiche Naturgefahren und Monitoring von
Hangbewegungen ermittelt. Ein „flexible response network“ dient zur Verbesserung der
grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit
und zum Wissensaustausch. Das mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung
aus dem Bundesprogramm „transnationale
Zusammenarbeit“ unterstützte Arbeitspaket 7 ergab spezielle Ergebnisse für Raumentwicklung und Wirtschaft.36 Künftige Klimawandelprojekte im Alpenraum werden
insbesondere Szenarien, das Monitoring,
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
386
die Risikobewertung und -kommunikation
wie auch den Beitrag der Raumentwicklung
näher beleuchten.
• Beim laufenden ADAM-Projekt (Adaptation and Mitigation Strategies: Supporting European Climate policy, 2006–2009)
geht es neben der Analyse der bestehenden
Politiken auf EU-Ebene um die Entwicklung von langfristigen Strategie- und Steuerungsoptionen sowie eines Werkzeugs zur
Strategiefolgenabschätzung.
37
Zahlreiche weitere Projekte, z. B. ARMONIA,
ASCCUE, ASTRA, ComCoast, ELLA, PESETA,
oder unter den Programmen CIRCLE, Eurocities, FINadapt und UKCIP greifen Anpassungsstrategien auf.38
Darüber hinaus bestehen nationale Programme zur Förderung der Forschung zur
Minderung des und Anpassung an den
Klimawandel. In Deutschland sind dies
z. B. die Fördermaßnahme „Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“
(KLIMZUG) des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung, die deutsche Regionen bei Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Anpassung an den Klimawandel unterstützt, oder „Klimazwei – Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor
Klimawirkungen“. Hinzu kommen Ressortforschung und Forschung im Rahmen der
Länderprogramme.39
4 Anpassungsstrategien in Europa
Auf der mitgliedstaatlichen EU-Ebene wurden erste Grundlagen zu Klimaanpassungsstrategien und -programmen etabliert (vgl.
Kap. 3). Zur Ermittlung konkreter Strategien
und Maßnahmen hat das Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung solche Anpassungsstrategien in europäischen Nachbarländern in 27+3 EU-Mitgliedsstaaten 40
und deren potenzielle Bedeutung für die
Raumentwicklung in Deutschland untersuchen lassen und in einem Werkstattbericht
dokumentiert.41 Eine Systematisierung der
Anpassungsmaßnahmen erfolgte dabei in
fünf besonders raumplanungsrelevanten
Sektoren (siehe Übersicht unten) eine Aufbereitung konkreter Fallbeispiele für die
Länder Belgien, Finnland, Großbritannien,
Italien, Österreich und Tschechien, auch
mit tabellarischen Übersichten über länderspezifische Anpassungsstrategien in den
fünf Sektoren.
Die Ergebnisse der Untersuchung konnten
vor dem Hintergrund einer Tagung „Adaptation to Climate Change: A Spatial Challenge“ 42 kritisch reflektiert und aktualisiert
werden. Sie werden im Folgenden für die
einzelnen raumplanungsrelevanten Sektoren vorgestellt.43
Übersicht
Raumplanungsrelevante Anpassungsmaßnahmen in Europa
Wasser- und Flutmanagement und Küstenregionen
Stadtplanung, Wohnen, Architektur und Energieeffizienz
•
Identifizierung und Ausweisung von Flutgebieten zur kontrollierten
Überflutung, speziell in Deltaregione
•
Maßnahmen zur reduzierung städtischer Wärmeinseln (Frischluftschneisen, Grüngürtel etc.)
•
Regenrückhaltebecken
•
Errichtung von Dämmen und Deichen entlang der Küste sowie
Flussufern
•
Energieeffizientes Auf- und Nachrüsten von Gebäudebeständen
•
•
Ausbaggern von Flussbetten und Hafenbecken
Konzentration beim Neubau auf energiesparende Maßnahmen/
sonnenexponiertes Bauen
•
Verlagerung von Wirtschaftsbetrieben aus Risikogebieten
•
Errichtung von amphibischen Häusern entlang von Flussgebieten
•
Ausweisung von Neubaugebieten über bestimmter Hochwassergrenze
Erholung und Tourismus
•
Einsatz von Schneekananonen in Skigebieten
•
Verlagerung von Skigebieten in die Höhe
•
Sandaufschüttungen in Küstenregionen
•
Entwicklung von weniger wetterabhängigen Tourismuskonzepten
(Indoor-Aktivitäten)
Transport, Infrastruktur und Energie
•
Stabilisierung der Trassen von Verkehrsachsen (Bahntrassen,
(Haupt-)Verkehrstrassen)
•
Neuverlegung von Straßen jenseits von Risikogebieten
•
Errichtung von Lawinenschutzmauern
Anpassungen an räumliche Risiken und Naturgefahren
(Hazard mapping)
•
Installierung von Frühwarnsystemen in Kanalisation
•
Erhöhung der Kapazitäten der Kanalisation
•
Kartierung von Risikogebieten
•
Alternative Kühlungsmittel für Kraftwerke
•
Festlegung von Schutzgebieten
•
•
Anfertigung von Hydro-Klimamodellen (bzgl. Wasserknappheit)
Errichtung von Auffangbecken bzw. Erhöhung der Speicherkapazitäten von wasserbetriebenen und Kläranlagen
Quelle: eigene Darstellung
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
387
4.1 Beispiele der fachpolitischen
und sektoralen Anpassung an den
Klimawandel in Europa
Mit der Ratifizierung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC)
verpflichten sich die Mitgliedstaaten, unter
anderem nationale Programme zu erarbeiten und Maßnahmen zur Erleichterung
einer angemessenen Anpassung an die Klimaänderung zu entwickeln und darüber zu
berichten.44 Eine nationale Anpassungsstra-
tegie haben aber erst wenige Länder formuliert. Jedoch wurde in den Niederlanden,
Finnland oder auch Großbritannien mit der
Implementierung entsprechender Maßnahmen, insbesondere zum Hochwasserschutz
und der Wasserversorgung, schon früh begonnen.
Tabelle 2 gibt einen Überblick über den
Stand der Implementierung von Klimaanpassungsstrategien, aufgeteilt in raumplanungsrelevante Sektoren.
Tabelle 2
Einschätzung zum Stand der Implementierung sektoraler Klimaanpassungsstrategien in europäischen Ländern (ohne Deutschland)
Länder/
Sektoren
Transport
Wohnbau
Infrastruktur
Wassermanagement
Desertifikation
Küstenschutz
Tourismus
Energie
Risikokartierung
Belgien
o
o
o
+
-
+
o
o
o
Bulgarien
-
-
-
-
-
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-
-
Dänemark
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Estland
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-
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-
Finnland
++
+
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-
+
+
++
o
Frankreich
+
+
-
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+
-
+
-
Griechenland
-
-
-
o
o
o
-
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-
Großbritannien
o
++
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++
-
++
-
++
o
Irland
-
-
-
o
-
o
-
-
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Island
-
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-
o
-
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-
Italien
o
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+
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Lettland
-
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+
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+
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++
+
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-
++
+
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Litauen
Luxemburg
Malta
Niederlande
k.A.
Norwegen
-
o
o
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-
-
-
o
-
Österreich
o
+
+
+
-
-
++
+
++
Polen
-
-
-
o
-
-
-
-
-
Portugal
-
-
-
o
o
o
-
o
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Rumänien
-
-
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o
-
-
-
-
-
Schweden
-
+
-
++
-
-
++
+
-
Schweiz
-
-
+
+
-
-
+
-
++
Slowakei
-
-
-
o
-
-
-
-
-
Slowenien
-
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-
-
-
-
+
-
-
Spanien
+
o
o
++
++
+
+
+
-
Tschechien
-
-
o
+
-
-
o
o
o
Ungarn
o
-
-
o
-
-
-
-
-
Zypern
k.A.
++ fest implementiert
+ fester Bestandteil nationaler Diskussionen
o Thematik wurde bereits in nationale Diskussionen aufgenommen
- Thematik möglicherweise (noch) nicht relevant.
Quelle: eigene Erhebung, Arbeitsstand 1.4.2008, nicht abschließende Betrachtung 45
388
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
Transport, Infrastruktur und Energie
Der Transport- sowie der Energiesektor sind
besonders anfällig gegenüber Auswirkungen von extremen Wetterereignissen wie
Stürme, Starkregen, Hagel oder Hitze. Die
Folgen solcher Ereignisse können Teile der
technischen Infrastrukturen beschädigen
oder gar zerstören.
Besonders in dicht besiedelten Regionen
muss die technische Infrastruktur an prognostizierte Klimaänderungen angepasst
werden. Hohe Nutzungsfrequenzen und/
oder die Nähe zu Überflutungsgebieten
sind Grund für eine hohe Vulnerabilität.
Ähnlich anfällig für Extremwitterung, wenn
auch in einem geringeren Maße, ist der
Energiesektor. Betroffen sind in erster Linie
Hochspannungsleitungen (Überland- und
Bodenleitungen). Eine Erhöhung der Wassertemperaturen in Binnengewässern verlangt nach neuen Entwicklungen zur Kühlung von Kraftwerken.
Durch präventive bautechnische Maßnahmen, etwa durch angepasste Drainageund Abflusssysteme, Pumpstationen oder
Schutzmauern, können im Verkehrs- und
Infrastrukturbereich trotz hoher Investitionen und langem Planungsvorlauf erhebliche Kosten gespart werden.46 Der Schiffsverkehr passt sich durch Ausbaggerung von
Vorflutern dem Niedrigwasser an. Für die
Hochwassersicherheit von Flüssen werden
durch die Klimaanpassung Risikozuschläge erforderlich. Die Planung von Verkehrstrassen wird zunehmend Klimarisiken zur
Alternativenwahl berücksichtigen müssen.
Neue Infrastruktur zur Erzeugung und den
Transport regenerativ erzeugter Energie
(u. a. Offshore-Windkraftanlagen) wird erforderlich, ist aber oft meist mit raumplanerischen Konflikten verbunden.
Tabelle 3
Anpassungsstrategien in den Sektoren Transport, Infrastruktur und Energie
Anpassungsmaßnahme
Beispielhafte Schwerpunktländer
Transport
Errichtung von Dämmen, Stabilisierung des Untergrundes von Schienen- und
Straßennetz zum Schutz vor extremen Wettereinflüssen
Niederlande, Großbritannien,
Finnland
Neuverlegung von Straßen und Schienen aufgrund besonderer Risikoexposition (z.B. gegenüber Flut, Hangrutschung, Muren, Lawinen etc.)
Niederlande, Großbritannien,
Finnland, Alpenländer
Entwicklung verbrauchsarmer Antriebstechnologien; Verstärkter Einsatz und
Ausbau des ÖPNV
Österreich u. a.
Errichtung von Pumpstationen an wichtigen Verkehrsachsen/-knotenpunkten
mit Überschwemmungsgefahr
Großbritannien, Finnland
Klimawandelangepaßter Flughafenneubau: Berücksichtigung von extremem
Wettereinfluss bei der Ausrichtung von Start- und Landebahnen
Spanien
Infrastruktur
Lawinenschutzmauern zum Schutz der Infrastruktur und von Siedlungen
Österreich, Schweiz
Errichtung von Schutzdämmen in Überschwemmungsgebieten entlang von
Flussufern/ Auenlandschaften
Großbritannien, Niederlande
Ausbaggern von Hafenbecken und Flussbetten (Überschwemmungs- und
Trockenheitsrisiko)
Niederlande, Großbritannien,
Finnland
Erhöhung der Kapazitäten im Abwassersystem, Überwachungssysteme
Großbritannien, Niederlande
Energie
Neue Kraftwerks-Kühlsysteme
Belgien, Tschechien
Überflutungsschutz von Anlagen (Errichtung von Auffangbecken
bzw. Erhöhung von Speicherkapazität)
Tschechien, Niederlande,
Großbritannien, Belgien
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
389
Abbildung 3
Wechselwirkung ländlicher und städtischer
Räume beim Austausch von Ressourcen
Quelle: eigene Darstellung
Stadtplanung, Wohnen, Architektur
und Energieeffizienz
an den Klimawandel ein. Tritt z. B. der urbane Raum vornehmlich als Energiekonsument auf, so übernehmen ländliche Räume
bei der Produktion von erneuerbaren Energien schon heute eine Schlüsselrolle als
Produzenten (s. Abb. 3).
Durch die Ballung von Menschen und gebauter Infrastruktur sind Städte besonders
exponiert für Überschwemmungen, Stürme,
Hagelschlag oder Hitzewellen. Der Stadtklimaeffekt wird durch den Klimawandel
verstärkt.47 Städte tragen aber auch durch
die hohe Verkehrsbelastung, Industriedichte und den Energieverbrauch erheblich
zum Ausstoß von Treibhausgasen bei. Demgegenüber nehmen ländliche Räume eine
wichtige Aufgabe nicht nur bei der Vorsorge
vor dem, sondern auch bei der Anpassung
Somit sind gerade Städte gefordert, sowohl
Minderungs- als auch Anpassungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen.48 Dies
geschieht sowohl auf der planerischen (z. B.
Schaffung von Frischluftschneisen, Renaturierung von Brachflächen etc.) als auch
auf der baulichen bzw. architektonischen
Ebene (z. B. Passiv- und Energiesparhäuser,
neue Isolierungstechniken etc.). Die Energieeffizienz spielt diesbezüglich eine zentrale Rolle, wobei das Energieeinsparungspotenzial enorm ist.
Wohnen am Kanal bei Gouda, Holland
Foto: F. Dosch, 2008
Tabelle 4
Anpassungsstrategien in den Sektoren Stadtplanung, Wohnen, Architektur und Energieeffizienz
Anpassungsmaßnahmen
Beispielhafte Schwerpunktländer
Hitzewellen-Warnsystem 49, plan „canicule“ (Hundstage)
Portugal, Frankreich, Italien,
Spanien
Lokaler Aktionsplan 50, Integrierter Bewertungsrahmen der Risiken und
sozialer Wirkungen urbaner Grünflächen 51
Großbritannien;
ex Europa: Australien
Ausweisung von Neubaugebieten über definierten Hochwassergrenzen,
dezentrale Niederschlagsversickerung, Dachbegrünung
Österreich, Finnland, Schweden
Leitfaden für Kommunen und Maßnahmen-Checkliste
zum Umgang und Anpassung an Klimawandel
Großbritannien
Neuerschließungen außerhalb von Risikogebieten aufgrund Gefahrzonenkarten, Landnutzungsrestriktionen 52
Großbritannien, Niederlande,
Italien
Schutz vorhandenen Gebäudebestands (z.B. verschärfte Isolation der Keller,
Errichtung von Drainagen, Ausbau des Kanalsystems)
Großbritannien, Niederlande
Nachrüstung oder Umsiedelung öffentlicher Gebäude
in Risikogebieten
Großbritannien
Erhöhung des Erdgeschoss-Level an Küstenzonen
Finnland, Schweden
Errichtung von „amphibischen Häusern“
(schwimmende Häuser, flutresistente Gebäude)
Niederlande
390
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
Holzmodell der Deiche und Kompartimente der
Randstad, Holland (Wasser- und Flutmanagement)
Foto: F. Dosch 2007
Deiche und Energiegewinnung vor Sylt
Raum- und Stadtplanung nimmt bei vielen Maßnahmen eine wichtige Vorreiterrolle ein, energieeffiziente und emissionsmindernde Stadtstrukturen zu forcieren.
Anpassung umfasst auch die energetische
Sanierung im Bestand und Passiv- und
Energiesparhäusern im Neubau.
Wasser- und Flutmanagement
und Küstenregionen
In Großbritannien wurde im Rahmen des
Klimaanpassungsprogramms ein Leitfaden
für Kommunen zum Umgang mit den drohenden Klimaveränderungen entwickelt.53
Dort werden beispielhafte Anpassungsstrategien, potenzielle Handlungsfelder und
Checklisten bereitgestellt, die eine umgehende Umsetzung von entsprechenden
Maßnahmen auf kommunaler Ebene beschleunigen und vereinfachen sollen. Dem
Wasser mehr Raum zu geben statt Deiche
immer höher zu bauen führt u. a. zu Pilotprojekten für amphibische Häuser, etwa in
den Niederlanden oder in Deutschland.54
Foto: F. Dosch 2006
Aus der veränderten Niederschlagsverteilung und Zunahme an extremen Niederschlagsereignissen resultiert ein veränderter Wasserhaushalt. Nicht nur Flüsse
werden höhere Abflussraten aufweisen,
auch die Kanalisation muss höhere Durchflussmengen verarbeiten können, speziell
in Gebieten mit hohem Versiegelungsgrad.
Besonders gefährdet sind Mensch und Natur in Ufer- und Auenregionen von großen
Flüssen, aber auch in Deltaregionen an der
Küste. Küstenerosion durch den Anstieg
des Meeresspiegels ist schon heute ein Problem.
Vor dem Hintergrund der prognostizierten Zunahme an Überschwemmungs- und
Überflutungsereignissen sind präventiv
technische Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Hochwasserschutzmaßnahmen in Sied-
Tabelle 5
Anpassungsstrategien in den Sektoren Wassermanagement und Küstenregionen
Anpassungsmaßnahmen
Beispielhafte Schwerpunktländer
Identifizierung und Ausweisung von Flutgebieten für kontrollierte Überflutung,
Auskofferung von Lagunen
Niederlande, Belgien, Finnland,
Italien
Regenrückhaltebecken, um Trinkwasserverbrauch zu entlasten, Bewässerungsbecken, Unterkellerung von Glashäusern zur Wasserspeicherung
Belgien, Finnland, Spanien,
Niederlande
Ausbaggern von Flussbetten zur Erhöhung der Flusskapazität
Niederlande, Großbritannien,
Finnland
Schutz von Deltaregionen durch kontrollierte Überflutung und hydraulische
Flutwehren
Belgien, Niederlande,
Großbritannien, Italien
Sandaufschüttungen gegen Küstenerosion
Niederlande, Italien, Belgien,
Großbritannien
Errichtung von Dämmen und Deichen entlang der Küste und großen Flüssen
Niederlande, Belgien,
Großbritannien
Umsiedlung von (land)wirtschaftlichen Betrieben aus küstennahen Gebieten
Großbritannien
Errichtung von Ökozonen in Küstennähe, um Natur zu erhalten und Sedimentation zu stoppen
Italien
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
lungsgebieten wie auch der Schutz von
Auenlandschaften müssen intensiviert werden.
Wie in Flussauen werden auch an der Nordseeküste, etwa in Belgien und den Niederlanden, spezielle Gebiete in Flussdeltaregionen ausgewiesen, um eine kontrollierte Überflutung zu ermöglichen. Ferner werden an wichtigen Stellen Frühwarnsysteme
errichtet, um Notfallmaßnahmen rechtzeitig einleiten zu können. Entsprechende
Frühwarnsysteme existieren beispielsweise
an der Themse-Mündung.55
Höhere Frequenzen von „Jahrhunderthochwassern“ erfordern verstärkte Deiche
und Dämme. So sind in den Niederlanden
die Sicherheitsstandards der Deiche und
Dämme sehr hoch. Gleichzeitig investiert
das Land zur Minderung der Abflussspitzen verstärkt in die Wasserrückhaltung im
Oberlauf von Rhein und Maas. In mehreren
Ländern werden Flussbetten und Hafenbecken zur Durchflusserhöhung ausgebaggert. Und um der Küstenerosion entgegenzuwirken, sind Sandaufschüttungen weit
verbreitet.
391
Tabelle 6
Anpassungsstrategien in den Sektoren Erholung und Tourismus
Konkrete Anpassungsmaßnahmen
Beispielhafte Schwerpunktländer
Wintertourismus: Einsatz von Schneekanonen
Österreich, Schweiz, Italien,
Finnland, Schweden
Abdeckung von einzelnen Gletschergebieten und
Forcierung von Gletscherskigebieten
Italien, Österreich, Schweiz
Wintertourismus: Entwicklung neuer Konzepte, die
weniger schneeabhängig sind
Österreich, Schweiz, Italien,
Finnland
Wintertourismus: Konzentration des Tourismus auf
nord-exponierte Hänge
Italien
Sommertourismus: Sandaufschüttungen an den
Küsten, Erhaltung der Dünenlandschaften
Italien
Tabelle 7
Anpassungsstrategien im Bereich Risiken und Risikokartierung
Konkrete Anpassungsmaßnahmen
Beispielhafte Schwerpunktländer
Erstellung sog. „Flood Maps“ zur Kartierung von
Gebieten mit Überflutungs-/Überschwemmungsrisiko
Belgien 56, Niederlande, Großbritannien , Finnland, Tschechien
Risiko-Kartierung um Auswirkungen von Naturgefahren besser abschätzen zu können, Flutrettungspläne, Hochwasserrisiko-Zonierungssystem „HORA“
Österreich, Schweiz
Wasserknappheit: Anfertigung von Hydroklimaund Wasserqualitätsmodellen
Italien
Kartierung von Vorzugsräumen auf raumplanerischer
Ebene
Spanien, Großbritannien
Gletscherschmelze
am Großglockner, Österreich
Erholung, Tourismus und
ökonomische Anpassung
Da der Tourismus in vielen Ländern ein
zentrales wirtschaftliches Standbein darstellt, muss eine an wärmere Temperaturen
und Schneemangel angepasste Umstrukturierung erfolgen. Umgekehrt können viele
Länder von den wärmeren Temperaturen
während der Sommermonate profitieren.
Ein Trend weg vom heißen Mittelmeertourismus hin zur Sommerfrische in den Alpen
und an Nord- und Ostsee zeichnet sich ab.
Als mögliche Profiteure der Erwärmung
rechnen u. a. Ostseeanrainer wie Schweden
mit deutlich steigenden Touristenzahlen.
Besonders der Wintertourismus ist von den
Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Der Einsatz von Schneekanonen verbreitet
sich immer mehr, einzelne Gletscherregionen werden mit Planen abgedeckt, um ein
schnelles Schmelzen zu verhindern, Skigebiete werden immer weiter in die Höhe verlegt. Ein Umdenken hin zu nachhaltigeren
Formen der Anpassung (Alternativen zum
„Ski-Zirkus“, Wellness-Tourismus u. a.) ist
erst in Ansätzen erkennbar.
Foto: F. Dosch 2006
Anpassungen an räumliche Risiken
und Naturgefahren
Für eine nachhaltige Planung und sog. „NoRegret-Projekte“ ist in besonders risikoexponierten Gebieten eine genaue Kartierung/Risikoanalyse der zu erwartenden
Naturgefahren erforderlich. Basierend auf
unterschiedlichen Klimaentwicklungsszenarien werden Karten erstellt, die die Ausrichtung bestimmter Regionen gegenüber
drohenden Gefahren (Überschwemmung,
Hangrutschung etc.) verdeutlichen. Auf dieser Basis lassen sich Vulnerabilitäten und
Gefahren besser abschätzen. Dementsprechend können Planungen auf die kartierte
392
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
räumlichen Ebenen, deren Umsetzung mit
unterschiedlichen Zeitskalen und Kosten
verbunden sein wird. Erwartungsgemäß
steht das Wassermanagement an oberster
Stelle, aber auch in anderen Bereichen, wie
für fünf raumplanungsrelevante Sektoren
dargestellt, wurden zahlreiche innovative
Anpassungsmaßnahmen entwickelt.
Murenschutzverbauung im nördlichen Hochland
Taiwans
Foto: F. Dosch 2007
Risikoexposition abgestimmt werden. In
jedem betroffenen Sektor, seien es Wassermanagement, Stadtplanung oder Tourismus, lassen sich wirksame Präventionsstrategien nur durch eine vorangegangene
Risikokartierung der betroffenen Gebiete
entwickeln.
In den Alpenregionen existiert das sog. „Hazard mapping“ aufgrund des hohen Risikofaktors bereits seit einiger Zeit. In anderen
Ländern wie z. B. Tschechien, Finnland oder
Belgien werden im Zeichen des Klimawandels „Flood-Maps“ erstellt, um zu erwartende Überschwemmungs- und Überflutungsgefahren abschätzen zu können. In Europa
ist eine enge Koordination mit Klimamodellen und -szenarien dringend erforderlich,
um eine möglichst genaue und verlässliche
Kartierung zu gewährleisten. In Italien und
Spanien werden aufgrund der zu erwartenden Wasserknappheit Hydroklima- und
Wasserqualitätsmodelle angefertigt. Auch
der Blick über Europas Grenzen zeigt, dass
insbesondere gebirgige Länder über lange Erfahrung bei der Risikokartierung und
dem bautechnischen Schutz vor klimabedingten Risiken verfügen, so etwa Taiwan
(siehe Foto oben).
4.2 Fazit
Nationale Strategien zur Klimaanpassung
werden erst in wenigen Ländern formuliert. Auch fehlen strategische Ansätze, sind
Verantwortlichkeiten nicht klar definiert,
ist ein raumordnerischer Bezug eher selten und sind Bezüge zu Managementstrategien wie dem „Risk Governance Cycle“
unterentwickelt.57 Dennoch gibt es bereits
zahlreiche beispielhafte Aktivitäten, wie die
Auswertung für die 27+3 Länder Europas
zeigt. Gewiss betreffen diese unterschiedliche Fachpolitiken auf verschiedenen
Ein erster Entwurf der „Deutschen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel
(DAS)“ 58 wird Ende 2008 dem Bundeskabinett vorgelegt werden. Bei der Entwicklung
und Identifizierung von wirksamen Anpassungsstrategien kann Deutschland auf erfolgreiche Projekte und Strategien aus dem
Ausland zurückgreifen, die sich modifiziert
auf die regionalen Gegebenheiten übertragen lassen.59
5 Klimaanpassung durch resiliente
Raumstrukturen in Deutschland 60
Die Aushandlung des notwendigen Maßes an Sicherheit und Vorsorge kann nicht
allein Aufgabe der räumlichen Fachpolitiken sein.61 Was indes jetzt bereits zu den
ohnehin meist klassischen fachpolitischen
Aufgaben gehört, erfordert durch den Klimawandel noch verstärkte Anstrengungen. Dabei ist die Raumentwicklung mit
integrativen Strategien und spezifischen
Beiträgen zum Klimaschutz gefordert, sei
es durch CO2-mindernde Raumstrukturen,
zur Daseinsvorsorge, zur Ermittlung regionaler Vulnerabilitäten, zu planerischen
Festlegungen, zur Freiraumsicherung, zu
Risk-Governance-Prozessen oder Klimaverträglichkeits-Betrachtungen. Die Sicherung
vorhandener Infrastrukturen und robuste Planung zukünftiger fördert resiliente
Raumstrukturen und schafft Systeme, die
auf klimatische Variabilität weniger sensitiv
reagieren und über Anpassungskapazitäten
verfügen: Je höher die Resilienz, desto geringer die Schadenswahrscheinlichkeit und
desto schneller die Regeneration. Zentrale
Frage ist, wie viel Resilienz die Gesellschaft
für erforderlich hält. Die Antwort darauf
kann nur in einem Aushandlungsprozess in
Konkurrenz mit anderen Nutzungsansprüchen gefunden werden („Klimarisiko-Governance-Ansatz“) 62, bei dem die Raumentwicklung moderierend und koordinierend
mitwirken kann. Hierfür verfügt sie über
eine Palette formeller und informeller Instrumente.63
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
393
Bei der Entwicklung von Strategien können wie gezeigt Anpassungsmaßnahmen
aus dem Ausland als Vorbilder dienen. Dies
gilt im Besonderen im Hinblick auf die von
der Ministerkonferenz für Raumordnung
(MKRO) 64 aufgegriffenen Handlungsfelder
raumwirksamer Fachplanungen, also etwa
in den Bereichen Hochwasser- und Küstenschutz, Lokalklima, Tourismus und Risikovorsorge.65
Modellvorhaben zur räumlichen Anpassung
an den Klimawandel
Die Akteure vor Ort, die die Strategien umsetzen sollen, brauchen Unterstützung
durch eine übergreifende Kooperation der
Fachpolitiken. Transnationale wie interna-
tionale Projektergebnisse und Erfahrungen
sind dabei eine wertvolle und effiziente
Ressource.
Ab 2009 soll deshalb in Modellvorhaben
der Raumordnung (MORO) zur räumlichen
Anpassung an den Klimawandel untersucht
werden, welche Maßnahmen und Aktivitäten sich für welche Räume besonders eignen. Die MORO-Vorhaben werden derzeit
durch eine Vorstudie vorbereitet. Weitere
Lösungsansätze werden im Rahmen der
Nationalen Stadtentwicklungspolitik und
des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus erarbeitet, oft im Kontext energieeffizienter Raumstrukturen und einer nachhaltigen Energieversorgung.66
Anmerkungen
(1)
Vgl. u. a. Blüchel, K.-G.: Der Klimaschwindel. –
München 2007. Als eine Ursache für den abrupten Klimawandel gilt die plötzliche Freisetzung
von ozenanisch sedimentgebundenem Methangas.
(2)
Nature, Heft 453, S. 291-292 (15 May 2008)
www.nature.com
(3)
Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC): Vierter Sachstandsbericht des
IPCC Klimaänderung 2007 – Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger. –
Bern, Wien, Berlin 2007. Der IPCC wurde 1988
vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen
(UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet.
(4)
Umweltbundesamt (Hrsg.); Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung; Zebisch, M. et al. (Bearb.): Klimawandel in Deutschland. Vulnerabilität
und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. – Dessau 2005
(5)
Zu Klimaprojekten und Modellen vgl. u. a. MaxPlanck-Institut für Meteorologie (MPI-M), Hamburg (www.mpimet.mpg.de)
(6)
Jungermann, H.: Risikowahrnehmung. Vortrag
auf der Fachkonferenz des BMU „Deutsche
Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ am
15./16.4.2008 in Berlin (www.wasklim.de)
(7)
Ein Ansatz dazu sind lokale Steckbriefe zu den
Auswirkungen des Klimawandels, wie Sie in dem
englischen Ansatz „UKCIP“ verwendet werden:
“A Local Climate Impacts Profile (LCLIP) is a resource that Local Authorities can draw together
in order to understand their exposure to severe
weather events and the effects of changes in
weather patterns for their locality. (…) The idea of
an LCLIP is to provide a framework for compiling
information about weather events and impacts
on local authority services” (www.pkc.gov.uk/
www.ukcip.org.uk)
(8)
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Kosten des Klimawandels ungleich verteilt: Wirtschaftsschwache Bundesländer trifft es am
härtesten. DIW-Wochenbericht Nr. 12–13/2008,
S. 137–142. Auch wenn solche Rechnungen
methodischer Kritik ausgesetzt sein mögen, so
übersteigen die Risiken des Klimawandels die
Chancen bei Weitem.
(16)
Zu den möglichen Vorteilen vgl. u. a. Finnlands Anpassungsstrategie (http://www.mmm.fi/
attachments/5eWDKveQh/5h0aZ7Iid/Files/CurrentFile/Finlands_national_adaptation_srtrategy_julkaisu.pdf, S. 7)
(9)
HM Treasury (Hrsg.): Stern review: Die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels. Deutsche Kurzfassung der Britischen Botschaft Berlin
(2006; www.britischebotschaft.de/de/embassy/environment/stern_review_deutsch.pdf; 20.05.08).
Der Bericht gelangt zu dem Schluss, dass sich
die Anpassungskosten für eine Stabilisierung des
CO2-Äquivalents von 500 bis 550 ppm auf 1 %
des BIP reduzieren lassen. Voraussetzung dazu
ist, Klimarisiken transparent zu machen und den
Abbau von Markthemmnissen zur Verhaltensänderung zu fördern, um die Entwicklung CO2armer und hocheffizienter Technologien.
(18)
Latif, M. (IFM-GEOMAR): Klimaprojektionen vom
20.03.2008. In: Arte TV (http://www.arte.tv/de/
suche/1931244.html; 19.05.08)
(10)
Europäische Kommission: Grünbuch „Klimawandel In Europa – Optionen für Maßnahmen der
EU“. KOM (2007) 354 endgültig
(11)
Vgl. dazu u. a. Pressemitteilung des Bayerischen Umweltministers Schnappauf (http://www.
stmugv.bayern.de/aktuell/presse/detailansicht.
htm?tid=6349; 20.05.08)
(12)
EU-Grünbuch „Klimawandel“, S. 6
(13)
European Environment Agency: Vulnerability and
adaptation to climate change in Europe. – Copenhagen 2006. = EEA Technical report No 7/2005
(14)
Vgl. Beiträge P. Becker et al. und Kropp/
Daschkeit i. d. H.
(15)
Jol, A.: Vulnerability and adaptation to climate
change in Europe. Local land & soil news
Nr. 22/23 II (2007), S. 3 f.
(17)
Vgl. u. a. HM Treasury (Hrsg.): Stern review,
a. a. O. S. 7 f.
(19)
Parry, M.L et al. (Hrsg.): Assessment of potential effects and adaptations for climate change
in Europe: the Europe ACACIA project. Jackson
Environment Institute, University of East Anglia. – Norwich 2000; sowie ASCCUE-Project
(http://www.sed.manchester.ac.uk/research/cure/
research/asccue)
(20)
Vgl. Anm. 5
(21)
Péman, I.: Problems of drought in Spain. Vortrag
auf der Tagung „Adaptation to Climate Change:
A Spatial Challenge”, 14.Mai 2008 in Den Haag.
Das neue Stadtplanungsgesetz Spaniens von
2007 schreibt demnach eine Anpassung an den
Klimawandel vor.
(22)
Dies geschieht auch vor dem Hintergrund der
Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen
(United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). Hier sind die Mitgliedsstaaten gehalten, in regelmäßigen Abständen einen Zwischenbericht über die jeweilige nationale
Situation zum Klimawandel und dementsprechend auch über den Stand und die Entwicklung
von Reduzierungs- und Anpassungsmaßnahmen
zu formulieren.
(23)
http://ec.europa.eu/environment/climat/eccpii.htm
(24)
European Climate Change Programme: Working
Group II Impacts and Adaptation Regional Planning, Energy and Public Infrastructure and Structural Funds. Sectoral Report (http://ec.europa.eu/
environment/climat/pdf/eccp/impactsadaptation/
regional.pdf; Stand 19.5.08)
394
Fabian Dosch, Lars Porsche, Philipp Schuster:
Anpassung an den Klimawandel aus europäischer Perspektive
(25)
Anpassungsmaßnahmen dienen entsprechend
der Bewältigung der antizipierten Folgen eines
sich wandelnden Klimas z. B. aufgrund verstärkter
Niederschläge, höhere Temperaturen, Wasserknappheit oder häufiger auftretende Stürme. Beispiele für Anpassungsmaßnahmen: effizientere
Nutzung knapper Wasserressourcen, Anpassung
von Baunormen an künftige Klimabedingungen
und Witterungsextreme, Bau von Infrastrukturen
für den Hochwasserschutz, Anhebung der Deiche gegen den Anstieg des Meeresspiegels,
Aufstellung von Raumplänen und die Anlage von
Korridoren zur Förderung der Artenmigration. Vgl.
EU-Grünbuch „Klimawandel“, a. a. O, S. 4; vgl.
auch Beitrag Kropp/Daschkeit i. d. H.
(26)
Verkürzt zitiert nach EU-Grünbuch „Klimawandel“, a. a. O., S. 14 f., S. 23
(27)
Eine europaweite Datenbank zu Guten Beispielen der Klimaanpassung wird im Rahmen des
ADAMproject erarbeitet (www.adamproject.eu)
(28)
http://ec.europa.eu/environment/climat/adaptation/stakeholder_consultation.htm; 19.5.2008
(29)
Akademie für Raumforschung und Landesplanung – ARL (Hrsg.) Europäische Strategien der
Anpassung an die Folgen des Klimawandels:
die Sicht der Raumplanung. – Hannover 2007.
= ARL-Positionspapier 73
(30)
Die Anpassung beinhaltet sowohl nationale
als auch regionale Strategien sowie praktische
Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene oder von
Privatpersonen; sie kann vorgreifend oder reaktiv sein und betrifft sowohl natürliche als auch
Humansysteme. Die Gewährleistung der lebenslangen Nachhaltigkeit von Investitionen durch
explizite Berücksichtigung des sich wandelnden
Klimas wird oft als Klimasicherung (Climate proofing) bezeichnet; vgl. EU-Grünbuch „Klimawandel,
a. a. O., S. 4
(31)
Bei nationalen Forschungsergebnissen und programmatischen Zielen sind Länder wie Großbritannien (Climate Impact Programme – UKCIP)
und die Niederlande (Forschungsprogramme
Climate Change Spatial Planning – CCSP) oder
Planning and Adaptation to Climate Change –
ARK) führend.
(32)
Vgl. u. a. Datenbank des UBA-Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (www.anpassung.net)
(33)
http://www.espace-project.org
(34)
Vgl. Weber, J.: Workshop 1 – Fallbeispiel Klimawandel und Flussgebietsplanung: Fallstudie
Fränkische Saale. In: Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel. Hrsg.: BMVBS/BBR. –
Bonn 2008. = BBR-Online-Publikation 11/2008,
S. 19 – 20
(35)
www.amica-climate.net
(36)
www.climchalp.org, Ergebnisse im „Common
strategic paper“; vgl. Beitrag Hiller und Probst
i. d. H.
(37)
www.adamproject.eu
(38)
Vgl. u. a. Projektkatalog auf www.anpassung.net
(39)
www.bmbf.de; Ressortforschung: z. B. Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
als Hauptziel 4 des BMELV-Forschungsplans
2008; Länderprogramme: z. B. www.hlug.de/
medien/luft/klima/-monitor/forschung/index.htm
(19.5.2008)
(40)
Island, Schweiz, Norwegen; im Folgenden kurz:
EU 27+3
(41)
Philipp Schuster: Klimaanpassungsstrategien
in europäischen Nachbarländern. Unveröff. Abschlussbericht im Rahmen eines Werkvertrags,
Januar – April 2008. Vorgehen der Untersuchung:
(Literatur-)Analyse zugänglicher und publizierter
nationaler Dokumente (desktop research) sowie
Telefoninterviews.
(42)
14.05.2008 in Den
ESPACE-Projekt
Haag,
unterstützt
vom
(43)
Zur Detaildarstellung und Methodik der einzelnen
Kategorien vgl. Bericht P. Schuster, a. a. O., S. 50
(44)
United Nations Framework Convention on Climate Change (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen), u. a. Art.
41 b (http://unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf; 19.5.2008)
(45)
Die Matrix ist eine Bestandsaufnahme und basiert auf der Auswertung allgemein zugänglicher
Informationen in deutscher, englischer und spanischer Sprache. Sie kann vor dem Hintergrund
des methodischen Vorgehens keinen Anspruch
auf Vollständigkeit erheben, zeigt jedoch, welche
Sektoren bereits besonders intensiv behandelt
werden und welche Länder bei der Klimaanpassung möglicherweise besonders aktiv sind.
Deutschland ist nicht enthalten, da die Strategien
der europäischen Staaten auf ihre Übertragbarkeit für Deutschland geprüft werden sollen.
(46)
Vgl. HM Treasury:
a. a. O.
Stern Report (s. Anm. 9),
(47)
Vgl. Beiträge Endlicher/Kress sowie Drack i. d. H.
(48)
Bauriedl, S.; Baasch, S.; Winkler, M.: Die klimagerechte europäische Stadt? Siedlungsstrukturen,
städtischer Lebensstandard und Klimaveränderungen. RaumPlanung 137 (2008), S. 67–71
(49)
Vgl.
u. a.
www.amica-climate.net/406.html;
www.meteofrance.com > vigilance; http://www.
sante-jeunesse-sports.gouv.fr/dossiers/sante/
canicule-chaleurs-extremes/canicule-chaleursextremes.html;
www.springerlink.com/content/
j1312414001u662t/ (20.5.2008); Plan Nacional
de Actuaciones Preventivas de los efectos del
exceso de temperaturas sobre la salud (HitzeVorsorgeplan Spaniens; www.msc.es/ciudadanos/saludAmbLaboral/planAltasTemp/2007/docs/
planDefinitivoOlaDeCalor2007.pdf
(50)
Vgl. Australian’s “Climate Change Adaptation Actions For Local Government” (http://www.greenhouse.gov.au/impacts/publications/pubs/localgovernment.pdf)
(51)
Vgl. Projekt “Adaptation Strategies for Climate
Change in the Urban Environment (ASCCUE)”
(u. a. www.sed.manchester.ac.uk/research/cure/
downloads/asccue.pdf)
(52)
Z. B. in Italien (www.amica-climate.net/373.html)
(53)
http://www.ukcip.org.uk/ -> LCLIP A local climate
impacts profile
(54)
Etwa an den Uferregionen der Maas und u. a. in
Deventer und Dordrecht. Amphibische Häuser
passen sich dem steigenden Wasserspiegel an;
vgl. u. a. http://www.lifeproject.info/ (long term initiatives for floodrisk environment) und www.livingonwater.de (Pilotprojekt in Kiel).
(55)
Ein großes Flutschutzprojekt wird derzeit für die
Themse entwickelt: “Thames Estuary 2100 (formerly Planning for Flood Risk Management in the
Thames Estuary) is a joint initiative which aims to
determine the appropriate level of flood protection needed for London and the Thames Estuary
for the next 100 years” (www.thamesweb.com)
(56)
Z. B. Plan P.L.U.I.E in Wallonien (Regional plan
aimed at preventing and mitigating flooding effects; siehe http://environnement.wallonie.be/de/
dcenn/plan_pluies/index.htm; 20.05.2008)
(57)
TU Dortmund, Institut für Raumplanung – IRPUD/
LLP (Lehrstuhl Landschaftsökologie und Landschaftsplanung) (Bearb.): Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel – Vorstudie für
Modellvorhaben im Auftrag des BBR/BMVBS.
1, unveröff. Zwischenbericht. – Dortmund April
2008
(58)
Zum Arbeitsstand vgl. www.wasklim.de/BMUKonferenz.html sowie BMU Zeitschrift Umwelt,
H.6/08 (in Vorbereitung)
(59)
Schlipf, S.; Herlitzius, L.; Frommer, B.: . Regionale Steuerungspotenziale zur Anpassung an
den Klimawandel. Möglichkeiten und Grenzen
formeller und informeller Planung. RaumPlanung
137 (2008), S. 77–82
(60)
Vgl. hierzu im Detail Dosch, F.; Porsche, L.: Klimaanpassung durch resiliente Raumstrukturen.
LandInForm (2008) 2 (im Druck)
(61)
Vgl. zu Vulnerabilitäten und Anpassungsmaßnahmen Übersichtsblätter/Handouts für acht
verschiedene Sektoren/Fachpolitiken unter www.
wasklim.de/download/BMU-Konferenz_Handouts.zip (20.5.2008)
(62)
Greiving, S.; Fleischhauer, M.: Raumplanung:
in Zeiten des Klimawandels wichtiger denn je!
RaumPlanung 137 (2008), S. 61–66
(63)
Ritter, E.-H.: Klimawandel - eine Herausforderung
an die Raumplanung. Raumforschung u. Raumordnung 65 (2007) H. 6, S. 531–538; Fleischhauer, M.; Bornefeld, B.: Klimawandel und Raumplanung – Ansatzpunkte der Raumordnung und
Bauleitplanung für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Raumforschung u.
Raumordnung 64 (2006) H. 3, S. 161–171
(64)
MKRO 2007: Entwurf eines Eckpunktebeschluss
der MKRO zu Raumordnung und Klimawandel.
Stand: 14.08.2007
(65)
Zu Details vgl. Bericht P. Schuster, a. a. O., Kap. 8
(vgl. Anm. 41)
(66)
www.bbr.bund.de (MORO, ExWoSt ; Nationale
Stadtentwicklungspolitik)
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