Relativistisch kovariante Formulierung der Elektrodynamik

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K APITEL XI
Relativistisch kovariante Formulierung
der Elektrodynamik
Die spezielle Relativitätstheorie wurde entwickelt, um die Invarianz der Geschwindigkeit im Vakuum von Licht, d.h. allgemeiner von elektromagnetischen Wellen, in Transformationen zwischen
Inertialsystemen zu berücksichtigen. Dementsprechend ist Elektrodynamik automatisch eine „relativistische“ Theorie, was aber an den Maxwell-Gleichungen nicht sofort erkennbar ist.
In diesem Kapitel werden die Gesetze und einige Resultate der Elektrodynamik in relativistisch
kovarianter Notation formuliert. Somit werden erstens Lorentz-Vierervektoren und -tensoren eingeführt, welche die unterschiedlichen elektromagnetischen Größen beschreiben (Abschn. XI.1). Diese
werden dann in Abschn. XI.2 benutzt, um die Grundgleichungen der Elektrodynamik auszudrücken.
Schließlich werden weitere Ergebnisse des Kapitels X in relativistisch kovarianter Schreibweise angegeben (Abschn. XI.3).
Hiernach bezeichnet x einen Punkt der Raumzeit mit kontravarianten Koordinaten xµ , und der
metrische Tensor η hat die Signatur −, +, +, + (vgl. § V.3.3 a). Die Einsteinsche Summenkonvention
über doppelt auftretende Lorentz-Indizes wird durchaus benutzt.
XI.1 Lorentz-kovariante elektromagnetische Größen
Zur Formulierung der Elektrodynamik in relativistisch kovarianter Notation sollen zuerst passende
Lorentz-kovariante Größen — Viererskalare, -vektoren oder -tensoren — definiert werden, welche
das elektromagnetische Feld (§ XI.1.1) mit den zugehörigen Potentialen (§ XI.1.2), dessen Quellen
(§ XI.1.3), sowie dessen Energie und Impuls (§ XI.1.4) beschreiben.
XI.1.1 Elektromagnetischer Feldstärketensor
In relativistisch kovarianter Schreibweise gewinnt die Bezeichnung „elektromagnetisches Feld“
ihre volle Bedeutung, indem die elektrische und magnetische Dreiervektorfelder miteinander in ein
einzelnes mathematisches Objekt kombiniert werden.
XI.1.1
a Definition
::::::::::::::::::
Um eine relativistisch kovariante Größe zu erhalten, werden das elektrische und das magnetische
~ und B
~ zum elektromagnetischen Feldstärketensor zweiter Stufe F kombiniert. Letzterer kann
Feld E
durch die Angabe seiner kontravarianten Komponenten
F 00 (x) = F ii (x) = 0,
E i (x)
,
c
3
X
F ij (x) = −F ji (x) ≡
ijk B k (x)
F 0i (x) = −F i0 (x) ≡
(XI.1a)
k=1
bezüglich eines gegebenen Inertialsystems B definiert werden. Dabei sind i, j ∈ {1, 2, 3}, während
193
XI.1 Lorentz-kovariante elektromagnetische Größen
ijk das dreidimensionale völlig antisymmetrische Levi-Civita-Symbol bezeichnet. Die Komponenten
~ und B
~ sind solche, die ein bezüglich B ruhender Beobachter messen würde.
E i , B j der Felder E
Die Matrixdarstellung des elektromagnetischen Feldstärketensors F lautet


E 3 (x)
c 


3
2
0
B (x) −B (x)

,

3
1
−B (x)
0
B (x) 



B 2 (x) −B 1 (x)
0
E 2 (x)
c
E 1 (x)
c
 0

 E 1 (x)
−

c
µν
F (x) = 
 E 2 (x)
−

c

 E 3 (x)
−
c
(XI.1b)
wobei der erste bzw. zweite Index des Tensors dem Zeilen- bzw. Spaltenindex der Matrix entspricht.
F µν (x) ist offensichtlich antisymmetrisch unter dem Austausch der zwei Indizes
F µν (x) = −F νµ (x)
∀µ, ν ∈ {0, 1, 2, 3}.
(XI.2)
0
0
Unter Lorentz-Transformationen xµ → xµ = Λµµ xµ zwischen Inertialsystemen bzw. MinkowskiKoordinaten transformiert sich der Feldstärketensor wie jeder Tensor zweiter Stufe, d.h. gemäß
0 0
0
0
F µν → F µ ν = Λµµ Λν ν F µν .
~ und B
~ folgern.
Daraus kann man die entsprechenden Transformationen für die Felder E
Für einen drehungsfreien Boost (§ V.2.2 b) mit Geschwindigkeit ~v = v~e findet man
~ × ~e − ~v × B
~
~e × E
0
~
~
p
E = ~e · E ~e +
1 − ~v 2/c2
~ × ~e + ~v × E/c
~ 2
~e × B
0
~
~
p
B = ~e · B ~e +
1 − ~v 2/c2
mit ~e dem Einheitsvektor in Richtung des Boosts.
Sei u = {uµ }µ=0...3 die Vierergeschwindigkeit eines Beobachters B 0 relativ zum Inertialsystem
B. Man kann Vierervektoren Eu (x) und Bu (x) durch die Angabe ihrer jeweiligen kontravarianten
Komponenten
Euµ (x) ≡ F µν(x)uν
Buµ (x) ≡
1 µνρσ
uν Fρσ(x)
2c
(XI.3a)
(XI.3b)
bezüglich B definieren, wobei µνρσ den vierdimensionalen Levi-Civita-Tensor (V.46) bezeichnet.
Falls B 0 in B ruht — d.h. u0 = −u0 = 1 und ui = 0 für i = 1, 2, 3 —, dann sind die räumlichen
Komponenten der entsprechenden Vierervektoren E0 (x) bzw. B0 (x) gleich den Komponenten in B
~
~
der Dreiervektoren E(x)
bzw. B(x),
während die 0-Komponenten von E0 (x) und B0 (x) Null sind.
Allgemeiner stellt Eu (x) bzw. Bu (x) das elektrische bzw. magnetische Feld relativ zum Ruhesystem
des Beobachters B 0 dar, wie es vom Bezugssystem B aus gesehen aussieht.
XI.1.1
b Dualer Feldstärketensor
:::::::::::::::::::::::::::::::::
Mithilfe des vierdimensionalen Levi-Civita-Tensors definiert man noch den dualen elektromagnetischen Feldstärketensor F̃
F̃, dessen kontravariante Komponenten durch
1
F̃ µν (x) ≡ µνρσ Fρσ (x)
2
(XI.4a)
194
Relativistisch kovariante Formulierung der Elektrodynamik
definiert sind. In Matrixdarstellung ergibt sich(52)

0
B 1 (x)


−B 1 (x)
0

µν

F̃ (x) = 
E 3 (x)
−B 2 (x)

c

E 2 (x)
3
−B (x) −
c
B 2 (x)
−
E 3 (x)
c
0
E 1 (x)
c
B 3 (x)


E 2 (x) 


c

E 1 (x)  .

−
c 

(XI.4b)
0
Relativ zu den Komponenten F µν von F folgen die F̃ µν aus den Substitutionen E i /c → B i und
B i → −E i /c.
Der duale Feldstärketensor ist deutlich antisymmetrisch.
Bemerkungen:
∗ Die Komponenten des in Gl. (XI.3) eingeführten Vierervektors Bu (x) lassen sich einfacher als
1
Buµ (x) ≡ F̃ µν(x)uν
c
schreiben. Wiederum gilt Euµ (x) ≡ − 21 µνρσ uν F̃ρσ(x).
F.
∗ Der „biduale“ Feldstärketensor mit Komponenten F̃˜ µν = 21 µνρσ F̃ρσ ist einfach −F
XI.1.1
c Invarianten des elektromagnetischen Feldes
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Aus dem Feldstärketensor (XI.1) und seinem Dual (XI.4) lassen sich durch Kontraktionen zwei
unabhängige Größen finden, die sich unter Transformationen zwischen Inertialsystemen nicht ändern, d.h. zwei Lorentz-Skalaren, und zwar
~ 2
E(x)
µν
2
~
Fµν (x)F (x) = 2 B(x) −
(XI.5a)
c2
und
~
~
E(x)
· B(x)
.
(XI.5b)
c
Die dritte natürliche Möglichkeit F̃µν (x)F̃ µν (x) ist nicht unabhängig von den zwei ersten, sondern
gleich −Fµν (x)F µν (x).
F̃µν (x)F µν (x) = −4
XI.1.2 Viererpotential
~ bilden einen Vierervektor, das Viererpotential ,
Das Skalarpotential Φ und das Vektorpotential A
mit den kontravarianten Komponenten


Φ(x)
A(x) =  c  .
(XI.6)
~
A(x)
Der elektromagnetische Feldstärketensor (XI.1) lässt sich dadurch ausdrücken gemäß
F µν(x) = ∂ µAν (x) − ∂ νAµ (x),
(XI.7)
wobei ∂ µ ≡ ∂ /∂xµ , d.h. ∂ 0 = −(1/c)∂ /∂t während ∂ i die i-te Komponente des Gradienten ist.
(52)
Dabei muss die Leserin darauf aufpassen, dass numerisch F0i = −Fi0 = −F 0i = −E i /c und Fij = F ij gelten, wie
sich aus Fρσ = ηρµ ησν F µν berechnen lässt.
195
XI.1 Lorentz-kovariante elektromagnetische Größen
Dementsprechend stellen die Beziehungen
Ei
1 ∂Ai ∂
= F 0i = ∂ 0 Ai − ∂ i A0 = −
− i
c
c ∂t
x
Bi =
Φ
c
3
3
3
1 X ijk jk X ijk j k X ijk ∂Ak
F =
∂A =
2
∂xj
j,k=1
j,k=1
j,k=1
jeweils die i-te Komponente der Gleichung (X.13) und (X.12) dar.
Eichinvarianz
In relativistisch kovarianter Schreibweise lautet die Eichtransformation (X.14)
::::::::::::::
µ
Aµ (x) → A0 (x) = Aµ (x) + ∂ µ χ(x),
(XI.8)
mit χ(x) einer zweimal kontinuierlich differenzierbaren skalaren Funktion. Für solche Funktionen
gilt ∂ µ ∂ ν χ(x) = ∂ ν ∂ µ χ(x), so dass die Viererpotentiale A und A0 über Beziehung (XI.7) zum gleichen
Feldstärketensor F führen, wie zu erwarten war.
Unter Berücksichtigung der Beziehung 0 µ0 = 1/c2 [Gl. (X.29c)] wird die Bedingung (X.16),
welche die Lorenz-Eichung definiert, zu
∂µ Aµ (x) = 0.
(XI.9)
Dabei ist deutlich, dass diese Eichbedingung Lorentz-invariant ist, d.h. sie bleibt in allen Inertialsystemen erfüllt. Dagegen gilt diese Eigenschaft nicht für die Coulomb-Eichbedingung, für die es
keine Lorentz-kovariante Formulierung gibt.
XI.1.3 Elektrischer Viererstrom
Die elektrischen Ladungs- und Stromdichte bilden einen Vierervektor Jel.(x), der als elektrischer
Viererstrom bzw. Viererstromdichte — was genauer ist — bezeichnet wird:
Jel.(x) =
ρel.(x)c
.
~el.(x)
(XI.10a)
Komponentenweise entspricht dies
0
(x) = ρel.(x)c,
Jel.
i
i
(x) = jel.
(x) für i = 1, 2, 3.
Jel.
(XI.10b)
Dabei bezeichnen ρel. und ~el. die bekannten „nicht-relativistischen“ Größen in einem festen Bezugssystem, das sich möglicherweise relativ zu den Ladungen bewegt.
Für eine Punktladung q mit Weltlinie bzw. Vierergeschwindigkeit t, ~x(t) bzw. u(τ ) = dx(τ )/dτ ,
mit τ der Eigenzeit der Punktladung, gilt
Jel.(x) = qδ (3) ~r − ~x(t) u(x) = %0 (x) u(x),
(XI.11a)
wobei %0 (x) die Ladungsdichte im Ruhesystem der Punktladung bezeichnet. Unter Berücksichtigung
des Ausdrucks (V.27) der Vierergeschwindigkeit lautet dies noch
%0 (x)γc
Jel.(x) =
(XI.11b)
%0 (x)γ~v
p
mit γ = 1/ 1 − ~v 2/c2 dem Lorentz-Faktor.
196
Relativistisch kovariante Formulierung der Elektrodynamik
XI.1.4 Energieimpulstensor
~e.m. [Gl. (X.23b)], die Impulsdichte
Die Energiedichte ee.m. [Gl. (X.23a)], der Poynting-Vektor S
σe.m. [Gl. (X.26b)–(X.26c)] des elektro~ge.m. [Gl. (X.26a)] und die Impulsstromdichte T e.m. = −σ
magnetischen Feldes lassen sich in einen Vierertensor zweiter Stufe T e.m. , den Energieimpulstensor
des Feldes, kombinieren. In Matrixdarstellung lautet dieser


ee.m.(x)
c~ge.m.(x)




µν
.
Te.m.(x) = 
(XI.12a)
~e.m.(x)
 S


T e.m.(x) 
c
Der Energieimpulstensor lässt sich auch durch den Feldstärketensor (XI.1) ausdrücken, und zwar
komponentenweise
1
1 µν
µν
µ
ρν
ρσ
Te.m.(x) =
−F ρ (x)F (x) − η Fρσ (x)F (x) ,
(XI.12b)
µ0
4
mit η µν den Komponenten des inversen metrischen Tensors. In dieser Form prüft man einfach, dass
der Energieimpulstensor symmetrisch ist.
XI.2 Relativistisch kovariante Formulierung der Grundgesetze
Mit den in Abschn. XI.1 eingeführten Größen lassen sich die Maxwell-Gleichungen (§ XI.2.1), die
Kontinuitätsgleichung (§ XI.2.2), die Lorentz-Kraftdichte (§ XI.2.3) und die Energie- und Impulsbilanz (§ XI.2.4) in relativistisch kovarianter Form schreiben.
XI.2.1 Maxwell-Gleichungen
Mit dem elektromagnetischen Feldstärketensor (XI.1) und dem elektrischen Viererstrom (XI.10)
lauten die Maxwell-Gleichungen
µ
(x) ∀µ ∈ {0, 1, 2, 3},
∂ν F µν(x) = µ0 Jel.
(XI.13a)
∂ µF νρ(x) + ∂ νF ρµ(x) + ∂ ρF µν(x) = 0 ∀µ, ν, ρ ∈ {0, 1, 2, 3}.
(XI.13b)
Dabei stellen die Gl. (XI.13a) mit einem Quellterm die inhomogenen Maxwell–Gauß- und Maxwell–
Ampère-Gleichungen (X.1a) und (X.1d) dar.
Wiederum stehen die Gl. (XI.13b) — wobei nur die vier Fälle (µ, ν, ρ) = (0, 1, 2), (0, 1, 3),
(0, 2, 3) und (1, 2, 3) unterschiedlich sind — für die homogenen Maxwell-Gleichungen (X.1b) und
(X.1c). Unter Verwendung des dualen elektromagnetischen Feldstärketensors (XI.4) lassen sich die
homogenen Maxwell-Gleichungen noch als
∂µ F̃ µν(x) = 0 ∀ν ∈ {0, 1, 2, 3}
(XI.13c)
umschreiben. In dieser Form ist sofort klar, dass es nur vier Gleichungen gibt.
XI.2.2 Kontinuitätsgleichung
Ausgedrückt durch den elektrischen Viererstrom (XI.10) lautet die Kontinuitätsgleichung (X.7)
µ
∂µ Jel.
(x) = 0.
(XI.14)
197
XI.2 Relativistisch kovariante Formulierung der Grundgesetze
Genau wie in § X.1.1 b lässt sich diese Bilanzgleichung aus den homogenen Maxwell-Gleichungen
herleiten: somit lautet die Viererdivergenz der Gl. (XI.13a)
µ
∂µ ∂ν F µν(x) = µ0 ∂µ Jel.
(x).
Dabei sind auf der linke Seite ∂µ ∂ν symmetrisch und F µν antisymmetrisch unter dem Austausch von
µ und ν, so dass die zweifache Kontraktion ∂µ ∂ν F µν automatisch Null ist, entsprechend Gl. (XI.14).
XI.2.3 Lorentz-Kraft und -Kraftdichte
Das elektromagnetische Feld übt auf eine elektrische Ladungs- und Stromverteilung eine LorentzKraftdichte f~L [Gl. (VII.2)] aus. Mit dieser kann man eine Viererkraftdichte fL assoziieren, die sich
durch den elektromagnetischen Feldstärketensor (XI.1) und den elektrischen Viererstrom (XI.10)
ausdrücken lässt. Komponentenweise gilt
fLν (x) = Jel.,µ (x)F µν(x).
(XI.15a)
Mit den Ausdrücken des Feldstärketensors und des Viererstroms prüft man nämlich schnell, dass
die räumlichen Komponenten
fLi (x) = ρel.(x)E i (x) +
3
X
k
ikl jel.
(x)B l (x) für i = 1, 2, 3
(XI.15b)
k,l=1
betragen. Wiederum lautet die zeitliche Komponente
1
~
fL0 (x) = ~el.(x) · E(x).
c
(XI.15c)
Im Fall einer Punktladung q mit Vierergeschwindigkeit u = (γc, γ~v ), entsprechend dem elektrischen Viererstrom (XI.11a), kann die Lorentz-Kraftdichte sofort über die Ortskoordinaten integriert
werden. Daraus ergibt sich die Lorentz-Viererkraft
FLν = quµ F µν(x).
(XI.16)
Mit dieser Viererkraft lautet die relativistisch kovariante Verallgemeinerung (VI.14) des zweiten
Newton’schen Gesetzes
dpν
= quµ F µν(x)
(XI.17)
dτ
mit τ = t/γ der Eigenzeit der Punktladung und p = mu ihrer (kinetischen) Viererimpuls. Dabei
~
~ · ~v : auf der linken Seite
lautet die zeitliche Komponente dp0 /dτ = qγ~v · E/c,
d.h. d(p0 c)/dt = q E
0
steht die Rate der zeitlichen Änderung von der Energie p c der Punktladung; auf der rechten, die
instantane Leistung der Lorentz-Kraft.
Bemerkung: Die Lorentz-Viererkraft (XI.17) ist „orthogonal“ zur Vierergeschwindigkeit, uν FLν = 0.
Dies folgt aus der Antisymmetrie des elektromagnetischen Feldstärketensors und der Symmetrie
des Produkts uν uµ .
XI.2.4 Energie- und Impulsbilanzgleichungen
Schließlich lassen sich die lokalen Bilanzgleichungen (X.23) und (X.26d) für die Energie und den
Impuls des elektromagnetischen Feldes unter Verwendung des Energieimpulstensors (XI.12) und der
Lorentz-Viererkraftdichte (XI.15a) in kompakter Form ausdrücken:
µν
∂µ Te.m.
(x) = −fLν (x).
(XI.18)
198
Relativistisch kovariante Formulierung der Elektrodynamik
XI.3 Weitere Resultate in relativistisch kovarianter Form
XI.3.1 Bewegungsgleichung für das Viererpotential
Setzt man den Ausdruck (XI.7) des Feldstärketensors durch das Viererpotential in die inhomogenen Maxwell-Gleichungen (XI.13a) ein, so findet man
µ
∂ν ∂ µAν(x) − ∂ν ∂ νAµ (x) = µ0 Jel.
(x).
Dabei ist ∂ν ∂ ν gerade der d’Alembert-Operator [Gl. (X.10)], so dass diese Gleichung in der Form
µ
Aµ (x) = −µ0 Jel.
(x) + ∂ µ ∂ν Aν (x) ∀µ ∈ {0, 1, 2, 3}
(XI.19)
umgeschrieben werden kann. Dies stellt die Bewegungsgleichung für das Viererpotential A(x) dar.
Die Komponente ν = 0 und ist äquivalent zur Bewegungsgleichungen (X.20) des Skalarpotentials,
die räumlichen Komponenten entsprechend der Gl. (X.18) für das Vektorpotential.
Bemerkung: Aus der Beziehung (XI.7) folgt
1
F̃ µν(x) = µνρσ Fρσ (x) = µνρσ ∂ρ Aσ (x),
2
woraus die homogene Gleichung ∂µ F̃ µν(x) = µνρσ ∂µ ∂ρ Aσ (x) = 0 sofort folgt, da µνρσ antisymmetrisch und ∂µ ∂ρ symmetrisch unter dem Austausch von µ und ρ ist.
XI.3.2 Klassische Wellengleichung und ebene Wellen
In Abwesenheit von äußeren Quellen des Feldes und in der Lorenz-Eichung ∂ν Aν (x) = 0 wird
die Bewegungsgleichung (XI.19) zur klassischen Wellengleichung (vgl. § X.4.1)
Aµ (x) = 0 ∀µ ∈ {0, 1, 2, 3}
(XI.20a)
oder äquivalent, in geometrischer Form
A(x) = 0.
(XI.20b)
Eine ebene Welle ist eine Lösung dieser partiellen Differentialgleichung der Form [vgl. § X.4.1 a]
Aµ (x) = εµ f ~k · ~r − ω~k t
(XI.21a)
wobei ω~k = c ~k [Gl. (X.42c)]. Dabei ist ~k ein Vektor, der die Propagationsrichtung angibt, und εµ
die Komponente eines Polarisationsvierervektors ε. Definiert man einen (lichtartigen) Vierervektor
k = (k 0 ≡ ω~k /c, ~k), so lässt sich diese Lösung als
Aµ (x) = εµ f (k · x)
(XI.21b)
A(x) = εf (k · x).
(XI.21c)
schreiben, oder auch geometrisch
Wegen der Lorenz-Eichbedingung (XI.9) sollen ε und k i Allgemeinen orthogonal zueinander sein,
k · ε = 0. In einem Bezugssystem, wo A0 verschwindet,(53) gilt automatisch ε0 = 0 — woraus man
erkennt, dass der Polarisationsvierervektor raumartig ist, ε2 = εµ εµ > 0. In diesem Bezugssystem
gilt somit k · ε = ~k · ~ε = 0, und man findet die Transversalität des Polarisationsvektors wieder.
(53)
(ar)
Diese Bedingung definiert die temporale Weyl (ar) -Eichung, die hier, kombiniert mit der Lorenz-Eichung ∂µ Aµ = 0,
~ ·A
~ = 0 ist.
äquivalent zur Coulomb-Eichung ∇
H. Weyl, 1885–1955
199
XI.3 Weitere Resultate in relativistisch kovarianter Form
XI.3.3 Retardiertes Viererpotential
In der Lorenz-Eichung (XI.9) verschwindet der letzte Term der Bewegungsgleichung (XI.19) für
das Viererpotential, die sich somit zu
µ
Aµ (x) = −µ0 Jel.
(x) ∀ν
(XI.22)
vereinfacht.
Wie im § X.5.2 führt die Lösung dieser inhomogenen partiellen Differentialgleichung mithilfe
der retardierten Green’schen Funktion (X.57a) für die klassische Wellengleichung zum retardierten
Viererpotential
Z
1
µ0
|~r − ~r 0 | 0 3 0
d ~r ,
(XI.23)
Aret. (x) =
J
t
−
,~
r
el.
4π |~r − ~r 0 |
c
entsprechend den Gl. (X.63).
Im Fall des elektrischen Viererstroms einer bewegten Punktladung mit Weltlinie xq (t) = t, ~x(t)
ergibt sich das Liénard–Wiechert-Viererpotential
µ0 dxq (tret. )
q
A(x) =
,
(XI.24a)
~vret.
4π
dt
|~r − ~x(tret. )| − [~r − ~x(tret. )] ·
c
mit tret. der retardierten Zeit und ~vret. der entsprechenden Dreiergeschwindigkeit der Punktladung,
vgl. § X.5.4 a.
Man kann eine relativistisch kovariante Form dieses Viererpotentials finden. Sei uret. die Vierer
geschwindigkeit im retardierten Punkt xret. ≡ xq (tret. ) und X ≡ x − xret. = c(t − tret. ), ~r − ~x(tret. ) .
Dann gilt der deutlich kovariante Ausdruck
µ0 c q uret.
A(x) =
.
(XI.24b)
4π X · uret.
Beweis: Im Inertialsystem B0 , das sich zur retardierten Zeit mit der Geschwindigkeit ~vret. bewegt,
d.h. in welchem ~vret. = ~0, vereinfacht sich der Nenner des Viererpotentials (XI.24a) zu
X · uret.
|~r − ~x(tret. )| = c(t − tret. ) =
,
c
wobei die erste Gleichung der Definition der retardierten Zeit entspricht. Die Zeit t in B0 ist die
Eigenzeit τ der Punktladung, so dass dxq (tret. )/dt genau dxq (tret. )/dτ = uret. entspricht. Somit
stimmt Gl. (XI.24a) in B0 mit Gl. (XI.24b) überein. Da die letztere eine Gleichung zwischen
Vierervektoren ist, bleibt sie in jedem Inertialsystem gültig.
2
Literatur zum Kapitel XI
• Feynman, Vorlesungen über Physik. Band 2 [20] = Lectures on Physics. Vol. II [21] Kap. 25,
26 & 31.8
• Fließbach, Elektrodynamik [3] Teil IV Kap. 18 & Teil V Kap. 22
• Greiner, Klassische Elektrodynamik [8] Teil IV Kap. 22.
• Griffiths, Elektrodynamik [9] = Introduction to Electrodynamics [10] Kap. 12.3
• Jackson, Klassische Elektrodynamik [11] = Classical Electrodynamics [12] Kap. 11.9–11.10 &
12.11.
• Landau & Lifschitz, Klassische Feldtheorie [14] = The classical theory of fields [26] Kap. III
§ 16–18 & 23–25.
• Nolting, Spezielle Relativita?tstheorie, Thermodynamik [27] Erster Teil, Kap. 2.3.
• Scheck, Klassiche Feldtheorie [19] Kap. 2.2.
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