Musterlösung Aufgabe 40, Blatt 9 (mit Kommentaren) Aufgabe 40 Die Funktion f : R → R erfülle f (x + y) = f (x) + f (y) für alle reellen Zahlen x und y. Zeigen Sie, dass f • für alle x ∈ R und n ∈ N f (nx) = nf (x) erfüllt, • genau dann stetig auf R ist, wenn f in einem Punkt x0 ∈ R stetig ist und • genau dann stetig ist, wenn ein c ∈ R existiert, mit welchem f (x) = cx für alle reellen Zahlen x gilt! Lösung Zuerst zeigen wir f (0) = 0. (1) Das folgt sofort aus der angenommenen Funktionalgleichung f (x + y) = f (x) + f (y) (2) durch (2) f (0) = f (0 + 0) = f (0) + f (0). Zieht man von beiden Seiten f (0) ab, so ergibt sich die Behauptung (1). Daraus folgern wir (unter erneuter Anwendung der Funktionalgleichung), dass es sich bei f um eine ungerade Funktion handelt, d.h, für alle x ∈ R gilt f (−x) = −f (x). (3) Es gilt nämlich für beliebiges x ∈ R: (1) (2) 0 = f (0) = f (x + (−x)) = f (x) + f (−x), woraus durch Abziehen von f (x) auf beiden Seiten (3) folgt. Wir kommen nun zur ersten zu zeigenden Behauptung für alle x ∈ R, n ∈ N, f (nx) = nf (x) (4) die wir durch vollständige Induktion zeigen wollen. (1) (IA): f (0 x) = f (0) = 0 = 0 f (x). (IV): Angenommen, für ein beliebiges, aber festes n ∈ N gelte f (nx) = n f (x) für alle x ∈ R. (IS): Es ist (2) (IV ) f ((n + 1)x) = f (nx + x) = f (nx) + f (x) = nf (x) + f (x) = (n + 1)f (x). Zur zweiten Behauptung bemerken wir zunächst, dass im Fall der Stetigkeit von f auf ganz R die Funktion nach Definition der Stetigkeit in jedem Punkt x0 ∈ R stetig ist, also z. B. im Punkt x0 = 0. Sei umgekehrt f in irgend einem Punkt x0 ∈ R stetig, d.h., zu gegebenem ε > 0 existiere stets ein δ > 0 derart, dass für alle x ∈ R mit |x0 − x| < δ |f (x0 ) − f (x)| < ε gilt. Wir zeigen, dass daraus sogar die gleichmäßige Stetigkeit von f auf ganz R und damit natürlich insbesondere die Stetigkeit folgt. Zu gegebenem ε > 0 sei das oben gefundene δ > 0 fixiert. Dann gilt für beliebige y, z ∈ R mit |y − z| < δ δ > |y − z| = |(x0 + y − z) − x0 | und daher (mit x = x0 + y − z) (2) |f (y) − f (z)| = |f (x0 ) + f (y) + (−f (z)) − f (x0 )| = |f (x0 + y − z) − f (x0 )| < ε. Also ist f gleichmäßig stetig auf f . 1 Kommen wir zur letzten Behauptung. Falls f von der Form f (x) = cx ist, so ist es natürlich stetig (nach Vorlesung sind polynomiale und damit insbesondere lineare Funktionen stetig). Außerdem erfüllt ein solches f natürlich die Funktionalgleichung (2). Nehmen wir umgekehrt an, f sei stetig und setzen wir c := f (1). Dann gilt nach (4) zusammen mit (3) für alle n ∈ Z: f (n) = f (n 1) = nf (1) = c n. (5) Nun ist jedes r ∈ Q darstellbar als r = n m mit gewissen n ∈ Z und m ∈ N\{0}. Wieder benutzen wir (4) um ( n) (4) (5) mf (r) = f (mr) = f m = f (n) = cn m (6) und nach Division durch m ≥ 1 cn = cr. (7) m Man beachte, dass die Stetigkeit von f bis zu diesem Punkt noch keine Rolle gespielt hat! Zu beliebigem x ∈ R finden wir nun wegen der Dichtheit von Q in R eine Folge (rn )n rationaler Zahlen mit limn→∞ rn = x und damit wegen der Stetigkeit von f auch limn→∞ f (rn ) = f (x). Es folgt f (r) = (7) f (x) = lim f (rn ) = lim (c rn ) = c lim rn = cx. n→∞ n→∞ n→∞ Die Darstellung f (x) = cx gilt also wie behauptet für alle x ∈ R. Bemerkungen. (i) Die nicht triviale Richtung des zweiten Teils kann man auch mittels Folgenstetigkeit zeigen. Dazu bemerkt man, dass wegen der angenommenen Stetigkeit von f in x0 für jede Folge (yn )n mit Grenzwert limn→∞ yn = x0 lim f (yn ) = f (x0 ) n→∞ gilt. Haben wir nun einen beliebigen Punkt z ∈ R gegeben, so gilt für jede Folge (zn )n mit limn→∞ zn = z auch lim (zn − z + x0 ) = lim zn − z + x0 = z − z + x0 = x0 n→∞ n→∞ und damit lim f (zn ) − f (z) = n→∞ = lim f (zn ) − f (z) + f (x0 ) − f (x0 ) = n→∞ ( ) lim f (zn ) + (−f (z)) + f (x0 ) − f (x0 ) n→∞ lim f (zn − z + x0 ) − f (x0 ) = f (x0 ) − f (x0 ) = 0. n→∞ Da die Folge (zn )n beliebig war, ist die Stetigkeit von f im beliebig vorgegebenen Punkt z gezeigt. (ii) Man beachte auch die Ähnlichkeit dieser Aufgabe zur Aussage aus der Vorlesung über stetige Funktionen mit der Funktionalgleichung f (x + y) = f (x)f (y) (vgl. Satz 6 in Paragraph 11)! Was können Sie über stetige Funktionen aussagen, die beide dieser Funktionalgleichungen erfüllen? 2