Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM • Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3 • D-53175 Bonn Postanschrift: Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3 D-53175 Bonn http://www.bfarm.de Telefon: (0228) 207-30 (01888) 307-0 Telefax: (0228) 207-5207 (01888) 307-5207 e-mail: [email protected] Novartis Pharma GmbH Roonstr. 25 D-90429 Nürnberg nachrichtlich Stufenplanbeteiligte Ihre Zeichen und Nachricht vom Gesch.Z.: Bitte bei Antwort angeben (01888) 307- Bonn, 3232 19.11.2007 75.01-3822-V10336-271057/07 Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel; Stufe II Hier: Lumiracoxib-haltige Arzneimittel Arzneimittel s. Anlage Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit ergeht folgender Bescheid 1. Für die o. g. Arzneimittel wird mit sofortiger Wirkung das Ruhen der Zulassung angeordnet. Gemäß § 30 Absatz 3 Satz 2 AMG ist diese Anordnung sofort vollziehbar. 2. Diese Anordnung ist vorläufig befristet bis zum 30.03.2008. Begründung Die oben genannte Maßnahme wird gemäß § 30 i. V. m. § 25 Abs. 2 Nr. 5 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1574), angeordnet. Auf § 30 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. AMG wird Bezug genommen. Auf der Basis der hier vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse hält es das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß § 5 Abs.2 und § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG für nicht vertretbar, dass die o. g. Arzneimittel weiterhin in den Verkehr gebracht werden, da der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Diese Anordnung ist demnach zur Vermeidung der Gefahren, die mit der Anwendung der o. g. Arzneimittel verbunden sind, geboten. Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. -2- Lumiracoxib wurde im November 2006 unter den Namen Prexige/Stellige/Hirzia/Frexocel 100 mg Filmtabletten im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung mit Großbritannien als Referenzmitgliedstaat (RMS) zugelassen. Daten aus klinischen Studien und Spontanberichte wiesen bereits auf ein Risiko für schwere, z.T. lebensbedrohliche Leberschädigungen nach Einnahme von Lumiracoxib hin. Zugleich gab es Hinweise, dass das Risiko für die Auslösung von Leberschädigungen durch Lumiracoxib höher ist als bei einigen anderen zugelassenen nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). U. a. aus diesem Grund wurden in Australien und Kanada u.a. die Zulassungen für die in der EU nie zugelassenen 200 mg- und 400 mg-Formen von den zuständigen Behörden widerrufen. Im August 2007 wurden daraufhin in der Europäischen Union im Rahmen einer dringenden Notfallmaßnahme (Urgent Safety Restriction) neue Angaben zu Kontraindikationen, Warnhinweisen, Vorsichtsmaßnahmen und Nebenwirkungen in den Fach- und Gebrauchsinformationen von Lumiracoxib angeordnet und aufgenommen. Seither wurden weitere Berichte vor allem aus Australien und Kanada über Leberschädigungen, auch solche mit schwerem Verlauf, nach Anwendung von Lumiracoxib bekannt. In der Folge hat das Beratergremium CHM (Commission on Human Medicines) des RMS Großbritannien empfohlen, das Ruhen der Zulassung anzuordnen. Über diese Einschätzung wurden die Mitgliedsstaaten am 08.11.2007 von Großbritannien informiert. Gleichzeitig wurde ein Verfahren nach Artikel 107 (2) der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet. Die lebertoxischen Eigenschaften und Effekte von Lumiracoxib wurden bereits in den zur Zulassung vorgelegten klinischen Studien beobachtet. Nach Markteinführung sind im Zusammenhang mit der Einnahme von Lumiracoxib schwere Leberschädigungen beobachtet worden, die in einigen Fällen zum Tod führten oder eine Lebertransplantation erforderlich machten. Zwar gibt es Hinweise, dass das Risiko von der Dosierung und Dauer der Anwendung abhängig ist. Jedoch zeigt eine Analyse der neueren Spontanberichte über Leberschädigungen, dass diese auch unter der in der EU ausschließlich zugelassenen niedrigen Tagesdosis von 100 mg sowie bei vergleichsweise kurzer Anwendungsdauer auftraten. So wurden zwischen August und Ende Oktober 2007 weltweit 111 neue Fälle von Leberschädigungen aller Schweregrade berichtet. Die Gesamtzahl der Spontanberichte über Leberschädigungen stieg damit auf 159. Unter den Fällen befinden sich insgesamt vierzehn Fälle von Leberschädigungen mit schwerwiegendem Verlauf unter einer Tagesdosis von 100 mg, einschließlich drei Fällen mit einer Therapiedauer von unter einem Monat. Dabei betrug die kürzeste Einnahmedauer, nach der schwere Leberschädigungen beobachtet wurden, 16 Tage. Eine endgültige Kausalitätsbewertung aller Berichte steht noch aus. Insgesamt widerlegen die Berichtszahlen und die Art der beschriebenen Leberschädigungen die bisherige Annahme, dass schwere Leberschädigungen auf Tagesdosen über 100 mg und längere Anwendungszeiten (>3 Monate) beschränkt sein könnten. Zudem weisen die Spontanberichte darauf hin, dass die bisherigen Empfehlungen zur laborchemischen Kontrolle der Leberfunktion nach einem Monat Therapiedauer unzureichend sind, da offenbar bereits bei kürzerer Einnahmedauer schwere Leberschädigungen auftreten können, die mit den empfohlenen Kontrollen nicht rechtzeitig erkannt werden. Nach Ansicht des BfArM ist bislang nicht belegt, dass die bisher getroffenen Risiko-mindernden Maßnahmen, insbesondere die erweiterten Kontraindikationen für Patienten mit erhöhtem Risiko für Leberschädigungen sowie die Vorsichtsmaßnahmen in Form von regelmäßigen Laborkontrollen, zum Schutz des Patienten vor schweren Leberschädigungen ausreichend und wirksam sind. Von weiteren Einschränkungen der Anwendung ist nach derzeitiger Erkenntnis keine zusätzlich Sicherheit für den Patienten zu erwarten. Insbesondere erscheint eine Reduktion der Behandlungsdauer auf 30 oder 15 Tage pro Monat und auf entsprechende Packungsgrößen, verbunden -3- -3- mit zusätzlichen laborchemischen Kontrollen angesichts des unklaren Zusammenhangs zwischen Einnahmedauer und Auftreten einer Leberschädigung, aber auch im Hinblick auf die Praktikabilität und Sinnhaftigkeit beim Anwendungsgebiet der aktivierten Arthrose, nicht wirksam. Eine Beschränkung der Anwendung von Lumiracoxib auf Patienten mit hohem Risiko für gastrointestinale Komplikationen, die von einer belegten geringeren Häufigkeit gastrointestinaler Schädigungen durch Lumiracoxib profitieren könnten, würde das absolute Risiko für Leberschädigungen für den einzelnen Patienten nicht reduzieren, sondern nur die Gesamtzahl der Fälle. Von den vom Zulassungsinhaber vorgeschlagenen Beobachtungsstudien und Studien zur Arzneimittelanwendung sind zumindest kurzfristig keine Ergebnisse zu erwarten, die eine bessere Einschätzung des Risikos für das Auftreten von Leberschädigungen erlauben würden. Bis zur endgültigen Evaluation der vorliegenden Daten und einer abschließenden Nutzen-Schaden-Bewertung im Rahmen des europäischen Verfahrens nach Artikel 107 der Richtlinie 2001/83/EG wird daher ein Ruhen der Zulassung angeordnet. Zusammenfassung Die zurzeit vorliegenden Nebenwirkungsberichte zu Leberschäden weisen auf ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Leberschädigungen, einschließlich solcher mit schwerem Verlauf, für Anwender von Lumiracoxib gegenüber anderen NSAR und Coxiben hin. Nach der Analyse der vorliegenden Daten beurteilt das BfArM das Nutzen-Schaden-Verhältnis für Lumiracoxib in der zugelassenen Indikation als ungünstig. Das BfArM hält deshalb das Ruhen der Zulassung von Prexige mit sofortiger Wirkung für erforderlich. Alternative Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, KurtGeorg-Kiesinger Allee 3, 53175 Bonn, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Dr. A. Thiele Anlage