Seminar Medizinische Psychologie SS 2004 Begriffe und

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Seminar Medizinische Psychologie SS 2004
Begriffe und Definitionen
Psychotherapie:
Als Psychotherapie werden diejenigen Heilverfahren bezeichnet, die bei der Behandlung psychischer Erkrankungen und Störungen zum Einsatz kommen und sich dabei
auf die nicht-medikamentöse Beeinflussung von psychischen Vorgängen stützen.
Damit Psychotherapie wirken kann sind mindestens die folgenden Elemente von entscheidender Bedeutung: eine besondere Beziehung zwischen Patient und Therapeut
(gelegentlich auch als Rapport bezeichnet), ein wissenschaftlich fundiertes Modell,
mit dem die Entstehung von psychischen Störungen einerseits und die therapeutische Wirkung andererseits erklärt werden kann und schließlich Therapie- d.h. Veränderungsmotivation auf Seiten des Patienten.
Traditionell haben sich die verschiedenen Psychotherapieverfahren in Form von
Schulen entwickelt, die häufig auf eine charismatische Gründergestalt zurückgehen
(z.B. die Psychoanalyse auf Sigmund Freud, die Gestalttherapie auf Frederick Perls,
die Gesprächspsychotherapie auf Carl Rogers). Selbst in der Verhaltenstherapie, die
am engsten mit der wissenschaftlichen Psychologie verbunden ist, sind solche Gründergestalten von Bedeutung (z.B. Burrhus F. Skinner, Joseph Wolpe, Aaron Beck).
Mit dieser Schulenbildung war und ist teils auch heute noch eine scharfe Abgrenzung
gegen andere Psychotherapieverfahren verbunden. Erst in den letzten Jahren gibt es
ernsthafte wissenschaftliche Bemühungen darum, allen Verfahren gemeinsame Wirkkonstanten zu ermitteln und damit besser zu verstehen, wie Psychotherapie wirkt.
Auch die Ausbildung zum Psychotherapeuten ist von der Schulenbildung geprägt. In
den allermeisten Fällen erfolgt diese nämlich an Einrichtungen, die zu einer bestimmten Psychotherapieschule gehören (z.B. Psychoanalytisches Seminar oder Institut für Verhaltenstherapie) und die sich verpflichtet haben, die gesetzlich geforderten Standards für die Psychotherapieausbildung einzuhalten (geregelt im Psychotherapeutengesetz).
„Psychotherapeut“ ist eine durch das Psychotherapeutengesetz geschützte Berufsbezeichnung, die von Ärzten oder Psychologen geführt werden darf, die eine entsprechende Ausbilung durchlaufen haben. Ärzte durchlaufen diese Ausbildung meist im
Rahmen ihrer Facharztweiterbildung zum Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie
oder zum Arzt für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin. Andere Fachärzte
(z.B. Ärzte für Allgemeinmedizin) können ebenfalls nach einer entsprechenden Ausbildung den sogenannten „Zusatztitel Psychotherapie“ erwerben und dann ebenfalls
psychotherapeutisch tätig werden.
Von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland werden derzeit für drei Psychotherapieverfahren die Kosten bis zu bestimmten Höchstgrenzen übernommen (sog.
Richtlinienpsychotherapie): zum einen für die Verhaltenstherapie, zum anderen für
die Psychoanalyse und für die davon abgeleitete tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
© Abteilung für Medizinische Psychologie, Freiburg. www.medizinische-psychologie.de
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Psychiatrie:
Die Psychiatrie ist diejenige medizinische Fachdisziplin, die sich der Behandlung von
psychischen Erkrankungen und Störungen widmet, wobei sowohl medikamentöse als
auch psychotherapeutische Methoden zum Einsatz kommen. Das war nicht immer so,
wie nachfolgend kurz gezeigt werden soll.
Einer der „Urväter“ der Psychiatrie, Wilhelm Griesinger (1817 – 1868) prägte mit seinem Satz „Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten“ die Vorstellung, daß sich
Krankheiten wie Depressionen oder Schizophrenie letztendlich genauso auf biologische Ursachen zurückführen lassen, wie alle anderen Erkrankungen auch. Das war
für die damalige Zeit, in der psychische Krankheit vielen als Strafe für sündiges Verhalten galt bzw. als Zeichen von Minderwertigkeit, ein enormer Fortschritt. Die einseitige Orientierung am Somatischen führte in der Folgezeit aber dazu, daß der Einfluß psychischer Faktoren auf Entstehung, Verlauf und Behandlung psychischer Leiden von der „klassischen“ Psychiatrie lange Zeit unterschätzt oder gar negiert wurde.
Stattdessen wurden teils drastische somatische Behandlungsmaßnahmen ohne ausreichende wissenschafliche Fundierung erprobt (z.B. Gehirnoperationen), die letztendlich für das überwiegend negative Image insbesondere der Klinikpsychiatrie verantwortlich sind. Erst seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts standen wirkungsvolle Psychopharmaka zur Verfügung, die die Qualität der psychiatrischen Behandlung entscheidend verbesserten. Eine gleichwertige Integration psychotherapeutischer Methoden fand aber weiterhin nicht statt, stattdessen etablierte sich mit
dem Fachgebiet der Psychosomatischen Medizin eine zweite Disziplin zur Behandlung
von Erkrankungen, deren Ursachen man hauptsächlich in psychischen Konflikten und
maladaptiven psychischen Bewältigungsmustern suchte.
Seither etablierte sich eine aus heutiger Sicht merkwürdige Arbeitsteilung: die
Psychiater behandelten Patienten mit schweren psychischen Krankheiten wie Schizophrenie und Depressionen mit vorwiegend medikamentöser Therapie sowie alle Patienten mit Erkrankungen im Grenzbereich von Neurologie und Psychiatrie (z.B. Demenzen und andere organisch bedingte psychische Störungen). Patienten mit
„leichteren“ Störungen dagegen, also mit neurotischen Störungen (z.B. depressiven
Verstimmungen), organischen Beschwerden ohne erklärenden organischen Befund,
etc., wurden von Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten oder in Psychosomatischen Kliniken behandelt.
Mittlerweile hat sich das Bild unter dem Einfluß neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse erneut gewandelt. Es hat sich nämlich gezeigt, daß auch Patienten mit schweren psychischen Störungen von Psychotherapie sehr profitieren können und daß psychosoziale Faktoren bei der Entstehung dieser Störungen eine große Rolle spielen.
Umgekehrt werden immer mehr neurobiologische Grundlagen auch bei „leichteren“
psychischen Störungen entdeckt, bei denen auch eine begleitende medikamentöse
Behandlungen erfolgreich und sinnvoll sein kann.
Seit einer Änderung der Weiterbildungsordnung in den neunziger Jahren des letzten
Jahrhunderts heißt der Arzt für Psychiatrie jetzt Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, womit dieses gewandelte Verständnis dokumetiert wird. Damit verbunden ist
auch eine bessere und vor allen Dingen obligatorische psychotherapeutische Ausbildung der Psychiater, die allerdings gemessen an den Inhalten der Ausbildung für
Psychologische Psychotherapeuten oder für Ärzte für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin immer noch sehr viel weniger umfassend ist.
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Psychosomatische Medizin:
Als medizinische Disziplin widmet sich die P.M. der Behandlung von Krankheiten bei
denen der Wechselwirkung von psychosozialen und organischen Faktoren eine besonders große Bedeutung für Entstehung, Verlauf und Behandlung zukommt. Galt
das Augenmerk ursprünglich organischen Erkrankungen, bei denen man den (bis
heute nie bewiesenen) Verdacht hatte, daß psychische Konflikte bzw. Bewältigungsmuster als spezifische Ursache in Frage kämen (z.B. Ulcus duodeni, Asthma bronchiale, essentielle Hypertonie), so hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesestzt,
daß psychosoziale Faktoren letztendlich bei allen Erkrankungen von Bedeutung sind.
Konzepte wie das bio-psycho-soziale Modell der Entstehung von Krankheiten oder die
Salutogenese bringen dieses Verständnis zum Ausdruck. Legt man eine solche Auffassung zugrunde, dann wäre die P.M. im Grunde genommen ein echtes Querschnittsfach, da in jeder Behandlung ihre Erkenntnisse umgesetzt werden müßten.
Die Realität ist davon allerdings noch weit entfernt. Entsprechend der medizinischen
„Spezialitätenlogik“ werden Ärzte für P.M. immer dann konsilarisch zugezogen, wenn
bei einem Patienten organische Beschwerden ohne erklärenden organischen Befund
vorliegen oder wenn der Eindruck entsteht, daß psychosoziale Aspekte für den Erkrankungsverlauf von besonderer Bedeutung sind.
Außerdem werden in pyschosomatischen Kliniken auch Patienten behandelt, die an
früher „Neurosen“ genannten psychischen Störungen leiden, dazu zählen z.B.
„leichtere“ Depressionen, Angsterkrankungen, sowie psychische Störungen in der
Folge von schwerwiegenden Lebensereignissen oder auch Patienten mit Burn-outSymptomatik. Im Unterschied zu den meisten psychiatrischen Kliniken wird in psychosomatischen Kliniken hauptsächlich psychotherapeutisch behandelt.
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