Physikalische Zeichen der Magen- und Darmerkrankungen. Das akute Abdomen. Veronika Papp Physikalische Zeichen der Magen- und Darmerkrankungen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes • Erkrankungen von Magen und Zwölffingerdarm: o o o Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) Akute Gastritis Chronische Gastritis: Ménétrier-Krankheit: (hypertrophische Gastropathie Ménétrier, Ménétrier-Riesenfaltengastritis) erhebliche Vergrößerung der Schleimhautfalten (10-20 mm) und Verbreiterung des schleimbildenden Epithels, die Haupt- und Belegzellen bilden sich zurück, Hypo- bis Anazidität, die vermehrte Schleimproduktion führt zu einem Eiweißverlust o Peptische Ulzera • Erkrankungen des Dickdarms: o Gutartige Magentumoren o Kolondivertikel o Bösartige Magentumoren Divertikulose Divertikulitis o Akute Appendizitis Krankheiten des Dünndarms: o Colitis ulcerosa o Malassimiliationssyndrome o Kolon- und Rektumpolypen Einheimische Sprue/Zöliakie o Kolorektales Karzinom Tropische Sprue o Proktologische Erkrankungen Laktoseintoleranz Innere Hämorrhoiden Hypertrophe Analpapillen Proteinverlierende Enteropathie Analfissur Bakterienüberwucherung des Dünndarms Analekzem Whipple-Krankheit (Tropheryma whipplei aus der Gruppe der Aktinomyzeten) Pruritus ani o Dünndarmdivertikel Analprolaps Duodenaldivertikel Periproktitischer Abszess Jejunaldivertikel o Analkarzinom Meckel-Divertikel o Megakolon o Enteritis regionalis (Morbus Crohn) Kongenitales Megakolon (Morbus Hirschsprung) o Dünndarmtumoren (benigne, maligne) Erworbenes Megakolon o • Autoimmungastritis (Typ A) Helicobacter-pylori-positive Gastritis (Typ B) Chemisch-induzierte Gastritis (Typ C) Allgemeine Symptomatik – Schmerzen – 1. • die Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) des Magen-Darm-Trakts können größtenteils nicht durch mechanische und thermische Stimuli aktiviert werden (z.B. Polypektomie is auch schmerzfrei) • Entzündung des parietalen Peritoneums: o Stechender, lokalisierter Schmerz mit Druckempfindlichkeit und reflektorischer Abwehrspannung verbunden o Schmerzintensität hängt von der Art und Menge des Materials ab, das in die Peritonealhöhle gelangt (wenigere Säure bei Magenperforation löst intensiver Schmerz aus, als eine gleich große Menge neutraler Fäzes bei Perforation) • Obstruktion: o intermittierend oder kolikartig, hängt mit der Hyperperistaltik zusammen o die Wanddilatation proximal der Stenose kann zum Dauerschmerz führen o ist nicht so genau lokalisiert • Ischämie: o diffuser kontinuierlicher Schmerz ohne Abwehrspannung und mit Druckempfindlichkeit o bei arterieller Embolie oder Thrombose der A. mesenterica superior kann der Schmerz gleich sehr intensiv sein; bei Stenose (z.B. Arteriosklerose) ist der Schmerz chronisch, langsam anschwellend und tritt nach der Ernährung auf o bei V. mesenterica Thrombose lagsam anschwellender Schmerz o diffuser abdominaler Schmerz bei extremer Exsikkose (Erbrechen, Diarrhöen, entgleister Diabetes mellitus) Allgemeine Symptomatik – Schmerzen – 2. • Ausgehend von der Bauchwand: o durch Hämatome oder Entzündungen in der Muskulatur • Fortgeleiteter Schmerz: o heftige Schmerzen im oberen Abdomen können ihre Quelle im Thorax haben (Hinterwandinfarkt, Lungeninfarkt, Pneumonien mit basaler Begleitpleuritis und Erkrankungen des intrathorakalen Ösophagus) o Druckschmerzhaftigkeit und Abwehrspannung fehlen! • Metabolische Ursachen: o diffuse abdominale Schmerzen o bei akuter intermittierender Porphyrie, Koliken bei Bleivergiftung, selten angioneurotisches Ödem bei C1-Inhibitormangel • Neurogene Ursachen: o Schmerzausstrahlung ins Abdomen bei Wirbelsäulenerkrankungen mit Läsionen der Spinalnerven oder Nervenwurzeln, bei Herpes zoster o abdominale Schmerzen oder Missempfindungen verbunden mit Stuhlunregelmäßigkeiten: Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome) Allgemeine Symptomatik • Appetitlosigkeit: o häufiges Symptom bei chronische Gastritis, Magenkarzinom, dem Initialstadium der Hepatitis etc. o abzugrenzen ist die Angst vor dem Essen wegen nachfolgender Beschwerden (Sitophobie) bei peptischem Ulkus, Dumping-Syndrom oder Angina abdominalis o plötzliche Appetitlosigkeit im Vorstadium von Übelkeit und Erbrechen o Begleiterscheinung vieler anderer Krankheitszustände: Herzinsuffizienz, Digitalisintoxikation, Urämie, Malignomen (Tumorkachexie), Zytostatika- und Strahlentherapie, dekompensiertem Diabetes mellitus, Morbus Addison, Hyperparathyreoidismus, Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, etc. o Nebenwirkung bei zahlreichen Medikamenten o psychogen bedingter Appetitverlust bei Angstzuständen, Neurosen, Depressionen und Psychosen Allgemeine Symptomatik - Übelkeit und Erbrechen • ERBRECHEN: ein motorischer Akt, der durch retrograde Dünndarmkontraktionen, Magenerschlaffung und Relaxation des unteren Ösophagussphinkters den Mageninhalt durch den Mund nach außen befördert, mit intraabdominellen Druckerhöhung (Bauchpresse, Zwerchfellkontraktion) und Begleitsymptome (Speichelfluss, Zittern, vasomotorische Reaktionen) • ÜBELKEIT: im Hals oder Epigastrium lokalisiertes Gefühl eines unterschwelligen Brechreizes o Steigerung zum Erbrechen oder Abklingen ohne Erbrechen o häufige vegetative Begleiterscheinungen: Speichelfluss, Schwitzen, Bradykardie, Hypotonie, Ohnmachtsnähe • Ätiologie und Pathogenese: o Die Stimulation des medullären Brechzentrums ist auf 3 Wegen möglich: afferente Sympathikus- und Vagusfasern aus den Eingeweiden afferente Bahnen aus höheren zerebralen Zentren Impulse aus der Chemorezeptorentriggerzone am Boden des 4. Ventrikels (bei Erbrechen durch Toxine) • Ursachen sind: o o o o Erkrankungen der Verdauungsorgane (Entzündungen, Passagestörungen), des Urogenitalsystems, des Herzens zerebromedullär: intrakranielle Prozesse mit Hirndrucksteigerung, Durchblutungsstörungen (ischämische Insulte, Migräne), starke Sinnesreize, intensiver Schmerz, emotionale Reaktionen, psychische Erkrankungen toxisch: Stimulation der Chemorezeptorentriggerzone durch Pharmaka (Apomorphin, Digitalis, Zytostatika), Metaboliten (Urämie, diabetische Ketoazidose, Leberkoma) oder lokale Reizung des oberen Gastrointestinaltrakts durch Salizylate, toxische Allgemeininfektionen, Lebensmittelvergiftung, konzentrierte Kochsalzlösung vestibulär: Menière-Krankheit, Neuronitis vestibularis, Kinetosen viszeral: • Komplikationen: Gewichtsverlust, Exsikkose, hypochlorämische und hypokaliämische Alkalose mit Azotämie, Mallory-Weiss-Syndrom, Boerhaeve-Syndrom, Aspirationspneumonie Gastrointestinale Blutung - Klinik • bei oberer GI-Blutung (kaffeesatzartiges) Bluterbrechen (Hämatemesis), Erbrechen von hellem Blut, Teerstühle (Meläena) oder rote Darmblutung (Hämatochezie) bei massiver Blutung • bei unterer GI-Blutung Hämatochezie oder Teerstühle bei langsamer Darmpassage • bei Rektumblutungen Auflagerung hellroten Blutes auf dem Stuhl • bei Kolonblutungen evtl. dunkelrote, geleeartige Blutbeimischungen im Stuhl • Blutungsanämie mit Blässe, Schwäche, Schwindel, Tachykardie • Komplikation: hypovolamischer Schock (Blutverlust >1000 ml/24 h) • Differenzialdiagnose: nahrungsabhängige (z. B. Heidelbeeren, rote Bete) oder medikamentöse (z. B. Kohle, Eisen) Verfärbung des Stuhls Obere intestinale Blutung (proximal des Treitz-Bandes) • Blutungsquellen: o o o o o o o o Ulcus duodeni Peptische Ulzera (35–62 %) Varizen (4–31 %) Mallory-Weiss-Risse (4–13 %) Gastroduodenale Erosionen (3–11 %) Erosive Ösophagitis (2–8 %) GAVE-Syndrom (gastrale antrale vaskuläre Ektasie) (1–3 %) Malignome (1–4 %) Nicht identifiziert (7–25 %) Mallory-Weiss Risse • http://pictures.doccheck.com/de/photo/6173-mallory-weiss-blutung Erosiv bulbitis http://www.medicoconsult.de/Gastritis/ Erosive Ösophagitis http://www.gastrointestinalatlas.com/english/esophagitis.html http://www.endoskopiebilder.de/endoskopie-bilder/magen/ulcusventriculi/ulcus-blutung-magen/ GAVE-Syndrom Varixblutung http://www.endoskopiebilder.de/endoskopiebilder/magen/varizen-magen/cardia-varizen/ Magenkarzinom http://www.praxis-zschaler.de/ausdrucken.html?&FORM%5Baid%5D=140 Untere intestinale Blutung (distal des Treitz-Bandes) • Ursachen: M. Crohn Colitis ulocerosa M. Crohn Colitis ulcerosa infektiose Kolitis Proktitis Hämorrhoiden Divertikulose, Diverticulitis Polypen Karzinome Angiodysplasien Mesenterialinfarkt ischämische Kolitis Meckel-Divertikel (Ausstülpung des Leerdarms, Rest des embryonalen Dottergangs (Ductus omphaloentericus) o Endometriose o o o o o o o o o o o o http://zentralklinik.de/unsere-medizin/unsere-fachbereiche/klinik-fuer-innere-medizingastroenterologie-und-endokrinologie/patienteninformationen/chronisch-entzuendliche-darmerkrankungen.html Extraintestinale Symptomatik von Magen- und Darmerkrankungen – 1. • Morbus Crohn: o o chronische granulomatöse Entzündung aller Wandschichten des Darmes mit diskontinuierlich segmentalem Befall des gesamten Gastrointestinaltraktes (vor allem betroffen sind terminales Ileum und proximales Kolon) Extraintestinal: o • Komplikationen: Fisteln, anorektale Abszesse, (Sub-)Ileus, freie Perforation, Peritonitis, erhöhtes Karzinomrisiko, Kurzdarmsyndrom nach Ileumresektion Colitis ulcerosa: o o diffuse, chronisch schubweise verlaufende Entzündung der Kolonschleimhaut mit Ulzerationen selten extraintestinale Symptomatik: o • primär sklerosierende Cholangitis (häufiger vergesellschaftet mit Colitis ulcerosa als mit M. Crohn) Arthritis, Spondylitis ankylosans Iritis, Episkleritis, Uveitis Aphthen, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum Komplikationen: massive Blutung, toxisches Megakolon, Perforation, Peritonitis, erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome (korreliert mit Kolonbefall und Erkrankungsdauer), selten Amyloidose Zöliakie (einheimische Sprue): o o o • Arthritis, Spondylitis ankylosans Iritis, Episkleritis, Uveitis, Keratitis Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Akrodermatitis enteropathica (durch Zinkmangel) primär sklerosierende Cholangitis Anämie, Osteoporose Unverträglichkeitsreaktion gegenüber Gliadin (einer Fraktion des Glutens, ein Getreideprotein) mit Zottenatrophie und konsekutivem Malabsorptionssyndrom extraintestinale Symptome, z. B. Dermatitis herpetiformis Duhring mit Erythem, Plaques und herpetiformen Bläschen Komplikationen: intestinale T-Zell-Lymphome, evtl. sekundärer Laktasemangel Helicobacter-pylori-Gastritis: o o Typ B gastritis chronische idiopathische Urtikaria oder idiopathische thrombozytopenische Purpura Extraintestinale Symptomatik von Magen- und Darmerkrankungen – 2. Pyoderma gangrenosum (M. Crohn) Aphtosus Ulzera im Mund (M. Crohn) Dermatitis herpetiformis (Zöliakie) Erythema nodosum (M. Crohn) https://en.wikipedia.org/wiki/Crohn%27s_disease Akutes Abdomen Leitsymptome • Starke abdominelle Schmerzen • Abwehrspannung • Störung der Peristaltik • Störung der Kreislaufregulation Mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen Betreuung frühzeitige interdisziplinäre konsiliarische Häufige Arbeitsdiagnosen des akuten Abdomens: • • • • • Perforation (z. B. Ulkus, Divertikulitis) Entzündung (z. B. Appendizitis, Cholezystitis) Kolik (z. B. Nieren-, Gallenkoliken) Blutung/Schock (z. B. Bauchaortenaneurysmaruptur, Extrauteringravidität) Obstruktion (z. B. Bridenileus - mechanischer Darmverschluss, der durch bindegewebige Verwachsungen (Briden) in der Peritoneal/Bauchhöhle) entsteht - , inkarzerierte Hernie) Klinik • Akuter heftiger abdomineller Schmerz mit Schmerzausstrahlung (Head-Zonen) • Peritonismus (Druckschmerz mit Abwehrspannung) mit vegetativer Begleitsymptomatik (Nausea, Schwitzen, Blässe), z. B. manifeste Abwehrspannung (≫brettharter Bauch≪) bei generalisierter Peritonitis nach Perforation eines Hohlorgans • Kontralateraler Loslassschmerz bei peritonealer Reizung • Murphy-Zeichen (bei Inspiration schmerzhaft palpable Gallenblase): Hinweis auf Cholezystitis • Courvoisier-Zeichen (schmerzlos palpable Gallenblase): Hinweis auf malignen Verschluss des Ductus choledochus • Gummibauch: bei akuter Pankreatitis ( durch die beginnende peritonitische Irritation und den Meteorismus hat das Abdomen bei der Palpation eine prall-elastische Konsistenz – wie ein Gummischlauch) • Hochgestellte, klingende Darmgeräusche: mechanischer Ileus • Totenstille und Tympanie: paralytischer Ileus • Pulsierender Mittelbauch: Bauchaortenaneurysma • Begleitsymptome: Fieber (Entzündung, Tumor), Nausea/Erbrechen, Unruhe, Dyspnoe, Miserere (Dünndarmileus), Stuhl- und Windverhalt (Dickdarmileus), Bewusstseinseintrübung (Schock, Blutung, Exsikkose) Anamnese – 1. • Vorerkrankungen: o Steinleiden/Z. n. Cholezystektomie → Nieren-/Gallengangskoliken, akute Pankreatitis o Absolute Arrhythmie, Thrombophilie oder Gefässerkrankungen → intestinale Ischämie o Stoffwechselerkrankungen → Diabetes mellitus (Pseudoperitonitis), Porphyrie (Z.n. mehrfachen Laparotomien), Myxodem (intestinale Pseudoobstruktion) o Kardiale Vorgeschichte → akutes Koronarsyndrom, Stauungsleber, Darmischämie o Zustand nach Laparotomie oder intestinale Malignome → mechanischer Ileus o Entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) toxisches Megakolon, Perforation o Abdominaltrauma (stumpfe Bauchtrauma, häufig Milzruptur) o Schlagartiger Schmerzbeginn mit nachfolgendem beschwerdefreiem Intervall → Hohlorganperforation, Pneumothorax oder Aortenaneurysmaruptur o Immunsuppression (angeboren oder erworben/medikamentös): Abstossungsreaktion, intraabdominelle Infekte, Abszesse oder Darmperforationen mit mitigierter Symptomatik o Immunsuppression unter Chemotherapie bei Aplasie → neutropenische Ileokolitis o Hämatologische Erkrankungen, hämolytische Krisen z. B. bei Sichelzellenanämie (vasookklusive Krisen mit Organinfarkten) o Niereninsuffizienz → urämische Gastritis, Darmischämie Anamnese – 2. • Medikamentenanamnese: NSAID (Ulkusleiden), Coumarin (Darmwandeinblutung), Opiate, Anticholinergika, Trizyklika (intestinale Pseudoobstruktion) • Allergien, Unverträglichkeiten: Laktoseintoleranz, Sprue, Favismus • Drogen: Alkoholkonsum (Pankreatitis, Zieve-Syndrom, Entzugssyndrom), Kokain (intestinaler Vasospasmus) • Reiseanamnese: Leberabszess, Lambliasis • Familienanamnese: familiäres Mittelmeerfieber, Morbus Behcet • Bei Frauen: Zyklusanamnese bzw. bei Vorliegen einer Schwangerschaft Präeklampsie, HELLP-Syndrom Spezielle Schmerzanamnese – 1. • Schmerzintensität: grosse individuelle Schwankungen • Differenzierung durch Schmerzbeginn (plötzlich oder langsam progredient), Schmerzdauer, Schmerzauslösung • Schmerzausstrahlung: o Rechtsseitiger Schulterschmerz: Gallenwegserkrankungen o Linksseitiger Schulterschmerz: Milzerkrankungen o Rückenschmerz: Pankreaserkrankungen o Leisten- oder Genitalschmerzen: Erkrankungen der Harnwege • Schmerzcharakter: o Viszeraler oder kolikartiger Schmerz (viszerales Peritoneum): Diffuse Schmerzen (multisegmentale Innervation), schlecht lokalisierbar Durch Spasmen und Organüberdehnung (Kolikschmerz) Gleichbleibende Intensität Ausgeprägte vegetative Symptome (Nausea, Schwitzen, Blasse) und Motorische Unruhe Ständiger Lagewechsel: epigastrisch (Magen-Darm-Trakt proximal des Treitz-Bandes sowie hepatobiliäres System und Milz); periumbilikal (Dünn- und Dickdarm bis zur rechten Flexur); unterhalb des Bauchnabels (Dickdarm distal der rechten Flexur) o Somatischer oder peritonitischer Schmerz (parietales Peritoneum): Lokalisierte Schmerzen von zunehmender Intensität Stechend-brennender, schneidender, scharfer Schmerz Besserung durch Schonhaltung (Abwehrspannung) Intensivierung durch Bewegung, Husten, Pressen oder Palpation Projizierter Schmerz: Ausdehnung abdomineller Prozesse auf paravertebrale Regionen Spezielle Schmerzanamnese – 2. • Schmerzkinetik: o plötzlicher Beginn mit maximalem Schmerz: Hohlorganperforation (z. B. Ulkus-, Gallenblasenperforation), Aortenaneurysmaruptur, Mesenterialinfarkt bzw. Mesenterialarterienembolie, Pneumothorax, Ruptur einer Extrauteringravidität o Schmerzsymptomatik mit regelmässigen Maxima und intermittierenden Pausen (Koliken): Passage- und Motilitätsstörungen viszeraler Hohlorgane (z. B. Ileus, Gallen-, Nierenkoliken) o langsam zunehmender Schmerz: entzündliche Prozesse (Appendizitis, Cholezystitis, Pankreatitis), distale Darmverschlüsse oder Mesenterialvenenthrombose Was fragen wir? • Erstmaliges Auftreten oder ähnliche Episode bereits erlebt? • AMPEL-Schema (A = Allergien; M = Medikation; P = persönliche Anamnese; E = Ereignis, das zur aktuellen Situation geführt hat; L = letzte Mahlzeit) • Besteht Fieber? → Hinweis für eine entzündliche Genese • Bestehen typische gastrointestinale Symptome, wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen? • Stuhlgangsanamnese, z. B. Melaena und Hamatemesis • Bestehen Beschwerden bei der Defäkation? → anale/rektale Pathologien • Urin-/Miktionsanamnese: Dysurie und/oder Hämaturie • Ingestion/Verschlucken von Fremdkörpern Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens http://timbangrasaclinic.blogspot.hu/2011/09/pemeriksaan-fisik-abdomen.html Physikalische Untersuchung - Inspektion • Extrem unruhiger, ungeduldiger Patient, ständiger Lagewechsel → Kolik • Liegender Patient in Schonhaltung (unnatürliche Körperhaltung, die der menschliche Körper spontan und oft unbewusst einnimmt, um Schmerzen zu vermeiden) → Peritonitis • Ikterus → Gallengangsverschluss bei Cholelithiasis (evtl. zusätzlich acholischer Stuhl und bierbrauner Urin), biliärer Leberabszess, biliäre Pankreatitis • Kachektischer Patient, ggf. sichtbare Darmperistaltik → fortgeschrittenes Tumorleiden mit Darmobstruktion • Haut-/Laparotomienarben → Darminkarzerationen, Bridenileus, Porphyrie mit Zustand nach mehrfachen abdominellen Eingriffen Physikalische Untersuchung - Palpation • alle 4 Quadranten mit Beobachtung des Patienten, mit flach aufgelegter (warmer) Hand, mit Dokumentation des Punctum maximum • Abwehrspannung → unwillkürlich: brettharter Bauch bei diffuser Peritonitis, willkürlich: emotionale Reaktion • Druckschmerz → Peritonitis, Pankreatitis, Koprostase (Bildung von Kotballen ‚Skybala’) • Pathologische Resistenz mit Druckschmerz → Abszess, Passagehindernis, Leberkapselschmerz • Pathologische Resistenz ohne Druckschmerz → Tumor, Parenchymschäden von Leber oder Milz • Gummibauch → Pankreatitis • Rippenbogenklopfschmerz und Murphy-Zeichen (schmerzhafte tastbare Gallenblase) Cholezystitis • Druck- und Loslassschmerz im rechten Unterbauch → Appendizitis • Closed-Eyes-Sign (Patient hält die Augen bei Palpitation geschlossen) → eher nicht organische Ursache • Positiver Carnett-Test (unveränderter oder zunehmender Schmerz bei Palpation während willkürlicher Anspannung der Bauchmuskulatur) → von der Bauchwand ausgehenden Prozess Physikalische Untersuchung - Auskultation • alle 4 Quadranten für mind. 1 Min. • unauffällig: kein Ileus • Hyperperistaltik bis normal klingende Darmgeräusche → Gastroenteritis (Normalbefund: ca. 5–10 Darmgerausche/min) • Gesteigerte, hochgestellte, spritzende, metallisch klingende Darmgeräusche, einhergehend mit Koliken, evtl. äusserlich sichtbare Hyperperistaltik → mechanischer Ileus • ≫Totenstille≪ mit Dauerschmerz oder Schmerzlosigkeit → paralytischer Ileus, Mesenterialischämie (Mesenterialarterienembolie oder Mesenterialvenenthrombose) in fortgeschrittenem Stadium Rektal digitale Untersuchung • bei jedem Patienten! • Befunde: o Koprostase (Nachweis von Stuhl/Kotballen) o Prostatitis (Schmerzen) o obstruierende Prozesse/tiefsitzende Rektumkarzinome (palpable Resistenz) o Blutung (peranale/rektale Blutung [Hämatochezie] oder Teerstuhl [Melaena]) Blut hat eine stark laxierende Wirkung, flüssige Teerstühle weisen auf eine Blutung proximal der rechten Kolonflexur hin (Mindestblutmenge von ca. 100 ml, Mindestverweildauer: 4–6 Stunden) o Douglas-Abszess (druckschmerzhafter Douglas-Raum) Labor • Blut: • • • • • • • • • • • • • Elektrolyte (Na, K, Ca, Mg) Blutbild mit Differenzialblutbild und Retikulozyten Lipase, Amylase Leber-/Cholestaseparameter: Transaminasen, alkalische Phosphatase, γ-GT, Bilirubin direkt und indirekt Herzenzyme: CK, CK-MB, LDH, Troponin Retentionswerte: Kreatinin, Harnstoff Glukose Triglyzeride, Cholesterin Haptoglobin Entzündungswerte: CRP, Procalcitonin, BSG, Laktat pH Gerinnung: INR, PTT, D-Dimer TSH • Urin: • • • • • pH Lekozytenzahl, Protein, Blutkörperchen Ketonkörper zusätzliche Bestimmung von 5-Aminolavulinsäure plus Porphyrine bei V.a. Porphyrie β-HCG bei V.a. Schwangerschaft Ruhe-EKG • Nachweis einer akuten Ischämie • SIQIIITIII-Typ (McGinn-White-Zeichen) als Hinweis auf Lungenembolie • Vorhofflimmern als Hinweis auf mögliche Embolie Bildgebende Verfahren – 1. • Abdomensonographie: Beurteilung von Gallenwegen, Pankreas, Nieren, Leber, Hohlvenen, Nachweis von freier Flüssigkeit; ggf. Punktion zur differenzialdiagnostischen Abklärung Blut versus Aszites • Röntgen-Thorax in 2 Ebenen: Ausschluss Pneumonie, Pleuraerguss, Pneumothorax, freie Luft unter dem Zwerchfell bei Perforation • Röntgen-Abdomenleeraufnahme im Stehen (und in Linksseitenlage) • Gastrografinbreipassage: Nachweis eines Kontrastmittelstopps wegen der propulsiven Wirkung; therapeutische Wirkung bei Subileuszustanden • CT-Thorax/Abdomen mit oder ohne Kontrastmittel Bildgebende Verfahren – 2. CT Aufnahme von einer traumatischen Leberkapseleinblutung Freie Flüssigkeit im kleinen Becken http://www.tugendheim.de/stammweb/diagnostik/sonographie.html http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/verletzung-nach-paintball-raetselhafter-patie mit-leberhaematom-a-1095471.html Gastrografin Magen-Passage mit kranialem Leck im gastroduodenalen Übergang (https://megru.ch/j3/plain/pat/pat_ID43_m0.html) Sonografischer Befund mit Kokarde bei Appendizitis https://www.newikis.com/de/books/Sonographie:_Darm Freie abdominelle Luft bei V.a. Hohlorganperforation http://www.mysurgery.de/elearning/akutes-abdomen-appendizitismesenterialischaemie/ Duodenumperforation, CT Bild (https://megru.ch/j3/plain/pat/pat_ID43_m0.html) Differenzialdiagnostik – 1. • Akute Appendizitis: o initialer periumbilikaler Schmerz, mit Wanderung in den rechten Unterbauch (typischer primär viszeraler und sekundär peritonitischer Schmerz) und zunehmender Intensität o Schmerzpunkte (McBurney [zwischen Bauchnabel und rechter Spina iliaca anterior superior], Lanz [zwischen rechter und linker Spina iliaca anterior superior]) o Indirekte Zeichen: Loslassschmerz positives Blumberg-Zeichen (linksseitig ausgelöster Loslassschmerz mit Schmerzausstrahlung in den rechten Unterbauch) Douglasschmerz bei rektaler Untersuchung Psoasschmerz bei Anhebung des gestreckten rechten Beines Rovsing-Zeichen: Schmerzen bei retrogradem Ausstreichen des Kolons o wichtige Differenzialdiagnose Pseudoappendizitis bei Y. pseudotuberculosis • Akute Cholezystitis: o Koliken (viszeraler Schmerz) o ausstrahlender Schmerz in die rechte Schulterregion o dumpfer abdomineller Druckschmerz mit Nausea/Erbrechen und Fieber • Dünndarm-/Bridenileus : o plötzlich eintretende Koliken im Mittelbauch o pathologische Darmgeräusche o häufig nach abdominalchirurgischen Eingriffen (postoperative Adhäsionen) oder bei inkarzerierter Hernie Differenzialdiagnostik – 2. • Hohlorganperforation: o plötzlicher Schmerzbeginn mit konsekutivem freien Intervall und konstant zunehmendem somatischen Schmerz • Akute Pankreatitis: o plötzlicher Schmerzbeginn mit dauerhaft anhaltenden Oberbauchbeschwerden und gürtelförmiger Ausstrahlung bis in den Rücken o häufig mit Nausea und Unruhe, Gummibauch, Darmparalyse o prognostisch ungünstige Zeichen: blaulich-grünliche Ekchymosen (Hautblutungen) paraumbilikal (Cullen-Zeichen), an den Flanken (Grey-Turner- Zeichen) oder inguinal (Fox-Zeichen) • Akute Mesenterialischämie: o Beginn mit krampfartigen abdominellen Schmerzen (1–2 h), gefolgt von einer schmerzfreien Phase (infolge Wandnekrose), welche nach ca.12 h von peritonitischen Zeichen abgelöst wird (paralytischer Ileus, Durchwanderungsperitonitis) o Hinweiszeichen: chronische Herzinsuffizienz, bekannte KHK, Vorhofflimmern, Mitralvitium, allgemeine Zeichen der Arteriosklerose (insbesondere ältere, multimorbide Patienten) Differenzialdiagnostik – 3. • Nicht okklusive mesenteriale Ischamie (NOMI): o zunehmende Bauchschmerzen mit Erbrechen, Obstipation und blutig-schleimigen Durchfällen o Ursachen: Linksherzinsuffizienz, ausgeprägter Hypotonie oder Hypovolämie, häufig nach kardiochirurgischen Eingriffen oder Therapie mit Vasokonstriktoren (z. B. Katecholamine, Digitalis) o laborchemische Parameter, wie z. B. Leukozytose, Anstieg von Laktat und Phosphat o therapeutisches Zeitintervall: 3–6 Stunden • Intestinale Pseudoobstruktion: o Zeichen der Obstruktion ohne Nachweis eines mechanischen Hindernisses o idiopathische Kolondilatation [Ogilvie-Syndrom], akut intermittierende Porphyrie, Morbus Parkinson, Myxodem, Hypoparathyreoidismus, Phaochromozytom, verschiedene Medikamente o ausgeprägte abdominelle Schmerzsymptomatik, Erbrechen bis klingende Darmgeräusche • HELLP-Syndrom mit oder ohne Zeichen der Präeklampsie: o meist rechtsseitige Oberbauchbeschwerden oder epigastrische Schmerzen durch Dehnung der Glisson-Leberkapsel mit Nausea und/oder Hypoglykamie Differenzialdiagnostik – 4. • Bauchaortenaneurysma: o pulsierender Bauchtumor • Extraabdominelle Erkrankungen: o Kardiopulmonal: akutes Koronarsyndrom, Perikarditis, basale Pneumonie, Pleuritis, Lungeninfarkt, Pleuraempyem o Vaskulär: z. B. Aortendissektion, Vaskulitiden, Purpura Schönlein-Hennoch, Morbus Behcet, angioneurotisches Ödem o Vertebragen: z. B. Spondylarthropathie, Osteomyelitis, Diskusprolaps o Metabolisch/toxisch → Pseudoperitonitis: Diabetes mellitus, akute intermittierende Porphyrie, Bleiintoxikation (berufliche Exposition), hämolytische Krisen (Sichelzellenanämie), Zieve-Syndrom (alkoholische Fettleberhepatitis mit Ikterus, hämolytische Anämie, Hyperlipoproteinämie), systemische Mastozytose, Morbus Fabry, Karzinoidsyndrom, Morbus Addison, Lues, Drogenentzug o Funktionell: Dyspepsie, Reizdarmsyndrom, Sphinkter-Oddi-Dysfunktion, funktionelles abdominelles Schmerzsyndrom Therapie • Allgemeine Massnahmen: o o o o o Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Vitalfunktionen Lagerung: Knierolle (Entlastung des M. iliopsoas) O2-Gabe über Nasensonde i.v.-Zugang: Volumensubstitution Medikamente: Analgesie (metamizol, tramadol, pethidin, EDA-Kanüle) Empirische antibiotische Therapie (ceftriaxone/ciprofloxacin und metronidazol) Spasmolytika, z. B. bei Choledocho-, Nephrolithiasis (butylscopolamin, drotaverin, papaverin) Antiemetika bei vegetativer Begleitsymptomatik (metoclopramid, dimenhydrinat) Prokinetika (neostigmin) o Intubation und Beatmung, wenn notwendig: Ileuseinleitung, da Patienten hochgradig aspirationsgefährdet sind • Spezielle Massnahmen: o Geriatrische Patienten: weniger spezifische Symptomatik und längere Latenzzeit, schwerwiegende Ursachen, wie z. B. Aortendissektion, mesenteriale Ischamie (abdominale Angina), Mesenterialinfarkt, Hinterwandinfarkt o HIV-Patienten: seltene Erreger (atypische Mykobakterien, Kryptosporidien), schwere Diagnosefindung (Enterokolitis, Darmperforation bei CMV, Ileus bei Kaposi-Sarkom oder Lymphomen o Frauen: letzte Menstruation, mögliche Extrauteringravidität oder Gravidität o Kinder: allgemeines Krankheitsgefühl mit Bauchschmerzen (Differenzialdiagnosen: Gastroenteritiden, Infekte, Otitis media, Obstipation, Lymphadenitis mesenterialis, Invagination, passagerer Sigmavolvulus, Hodentorsion) Therapie bei speziellen Krankheitsbildern Krankheitsbild Massnahmen Perforation von Hohlorganen, akute Appendizitis, Peritonitis, mechanischer Ileus Notfall-Laparotomie, antibiotische Therapie, evtl. perkutane Spuldrainagen bei lokalen Exsudaten akute Mesenterialischamie (Mesenterialarterienembolie oder Mesenterialvenenthrombose), NOMI bei Peritonitis Notfalllaparotomie (Embolektomie bis Darmresektion), unmittelbare Antikoagulation bei Mesenterialvenenthrombose ohne Peritonitis, PTA Intraabdominelle Blutung grosslumige periphervenöse Zugänge: Kristalloide und Kolloide Akute gastrointestinale Blutung ÖGD, Pantoprazol (80 mg uber 1 h, dann 160 mg/Tag fur 3 Tage), Somatostatin-Perfusor (3 mg auf 36 ml uber 12 h – insgesamt 72 h) Toxisches Megakolon antibiotische Abdeckung, Detension des Dickdarms, Notfalloperation (Kolektomie) Divertikulitis Antibiotische Therapie, Operation bei kompliziertem Verlauf (Perforation, Abszess, Fisteln) Pankreatitis Stabilisierung der Hämodynamik, hoher Volumenbedarf, Schmerztherapie, Antibiotika bei infizierten Nekrosen (antibiotische Prophylaxe nicht eindeutig gesichert), frühzeitige enterale Ernährung via Jejunalsonde Cholangitis, biliäre Pankreatitis bei Fieber und Cholestase ERCP mit Papillotomie und Steinextraktion innerhalb von 24 h, sonst innerhalb von 72 h Cholezystitis konservativ oder operativ Paralytischer Ileus, Intestinale Pseudoobstruktion Prokinetika, Entlastung durch endoskopische Absaugung und Kolondekompressionssonde, nasogastrale Ablaufsonde Akute intermittierende Porphyrie Volumensubstitution, Glukoseinfusion, Hämarginat Pseudoperitonitis diabetica Therapie des Diabetes mellitus Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Literatur Guido Michels, Matthias Kochanek: Repetitorium Internistische Intensivmedizin. 2. Auflage. Springer Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage . Springer W. Karges, S. Al Dahouk: Innere Medizin … in 5 Tagen 2. Auflage. Springer