Technische Mechanik I - Statik - © Copyright 2007 Prof. Dr.-Ing. J. Wallaschek Institut für Dynamik und Schwingungen - Leibniz Universität Hannover http://www.ids.uni-hannover.de ii Technische Mechanik I Impressum: Diese Sammlung von Arbeitsblattern, Aufgabensammlungen und der Formelsammlung wird heraugegeben von Prof. Dr.-Ing. J. Wallaschek. Sie entstand unter Verwendung von Materialien von: Prof. em. Dr.-Ing. D. Besdo / Institut fur Kontinuumsmechanik, Prof. Dr.-Ing. B. Heimann / Institut fur Robotik, PD Dr.-Ing. H.-G. Jacob / Institut fur Kontinuumsmechanik, Prof. Dr.-Ing. K. Popp / Institut fur Dynamik und Schwingungen. iii Technische Mechanik I Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Einordnung und Gliederung der Technischen Mechanik . . . . . . . Idealisierende Annahmen und Vereinfachungen . . . . . . . . . . . . Der Begri einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NEWTON'sche Gesetze und das Axiom vom Kraftparallelogramm . Dimensionen und Maeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Statik des starren Korpers 2.1 A quivalenz von Kraftegruppen am starren Korper . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Krafte mit gemeinsamem Angrispunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Ebene Kraftegruppe am starren Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Axiom der Linienuchtigkeit einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Zusammenfassen von Kraften mit unterschiedlichen Angrispunkten . 2.3.4 Gleichgewichtsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Zeichnerische Losungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5.1 Korper mit drei Kraftangrispunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5.2. Korper mit vier Kraftangrispunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Moment einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Moment eines Kraftepaares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Raumliche Kraftegruppe am starren Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Zentralachse, Kraftschraube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Statik von Systemen starrer Korper 3.1 Gleichgewichtsbedingungen, das Erstarrungsprinzip 3.2 Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Lagerung in der Ebene . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Allgemeiner Fall . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Dreigelenkbogen . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Sagebock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Parallele Kraftgruppen, Schwerpunkt 4.1 Kraftemittelpunkt . . . . . . . . . 4.2 Schwerpunkt des starren Korpers 4.3 Flachenschwerpunkt . . . . . . . 4.3.1 Linienschwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 1 2 3 4 4 4 4 5 7 7 8 9 9 9 10 11 11 13 15 15 16 17 17 20 20 21 23 23 24 24 26 iv Technische Mechanik I 5 Haftung und Reibung 5.1 Kontakt starrer Korper . . . . . . 5.1.1 Haften . . . . . . . . . . . 5.1.2 Gleiten . . . . . . . . . . . 5.1.3 Haft- und Reibkegel . . . 5.1.4 COULOMBsches "Gesetz" 5.1.5 Seilreibung und - haftung 5.1.5 .1. Reibung . . . . . . . . . 5.1.5 .2. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 27 27 27 28 30 31 32 32 Literatur 1] Gross, D. Hauger, W. Schroder, J. Wall, W.: Technische Mechanik 1: Statik, Springer - Verlag, Berlin, 8.Auage 2002 19,95 Euro. 2] Hagedorn, L.: Technische Mechanik 1: Statik, Verlag Harri Deutsch, 4. Auage, 2006 19,80 Euro. 3] Hibbeler, R.C.: Technische Mechanik 1: Statik, Verlag Pearson Studium, 10. Auage, 2005 49,95 Euro. 4] Ulbrich, H. Weidemann, H.-J. Pfeifer, F.: Technische Mechanik in Formeln, Aufgaben und Losungen, B.G.Teubner Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 3.Auage, 2006. 1 Technische Mechanik I 1 Einleitung 1.1 Einordnung und Gliederung der Technischen Mechanik Mechanik ist das Teilgebiet der Physik, das sich mit Kraften und Bewegungen befasst. Ihre Lehren beruhen im wesentlichen auf Erfahrungen, die mit Hilfe von Modellen und Naturgesetzen beschrieben werden. Wir gliedern die Mechanik in: Statik: Gleichgewicht von Kraften. Elastomechanik: Wirkung von Kraften auf deformierbare Festkorper. Kinematik: Geometrie der Bewegung. Kinetik / Dynamik: Zusammenhang zwischen Kraften und Bewegungen. 1.2 Idealisierende Annahmen und Vereinfachungen Modelle sind in sich schlussige Gedankenbilder der Wirklichkeit, die durch idealisierende Annahmen und Vereinfachungen entstehen. Beispiel: Starrer Korper: erfahrt auch unter der Einwirkung von Kraften keine Deformation. Massenpunkt: endliche Masse, die in einem geometrischen Punkt konzentriert ist. Objekt(e) Beobachtung(en) Frage(n) Rückübertragung in die Wirklichkeit Formulierung der Aufgabe Vereinfachen durch Fortlassen alles Unwesentlichen Modell Lösen des Problems Interpretation der Ergebnisse Ergebnisse Abstraktion / Gedankenwelt Wirklichkeit Elastischer Korper, Plastischer Korper, Reibungsfreie Flussigkeit, . . . . 2 Technische Mechanik I 1.3 Der Begri einer Kraft Aus der alltaglichen Erfahrung ist uns die auf einen Korper wirkende Gewichtskraft vertraut. Als Kraft bezeichnet man jede physikalische Groe, die sich mit einer Gewichtskraft ins Gleichgewicht setzen, bzw. mit ihr vergleichen lasst. H Gewichtskraft Magnetkraft Muskelkraft Strömungskraft Federkraft Auftriebskraft Krafte sind erkennbar an ihren Wirkungen: z Formanderungen, A nderungen des Bewegungszustandes. Sie sind gekennzeichnet durch: Groe (Betrag), Richtung und Richtungssinn, Angrispunkt. Die durch Angrispunkt und Richtung bestimmte Gerade heit Wirkungslinie. Die Kraft kann als gebundener Vektor dargestellt werden. Wir schreiben die Kraft als ! ! F und ihren Betrag als jF j oder F . In Zeichnungen stellen wir Krafte durch Pfeile dar. In kartesischen Koordinaten gilt: ! ! ! ! F = F + F + F = F !e + F !e + F !e x Fx = F cos Fy = F cos Fz = F cos y z x x y y z z Fz ez g b a ex Fx x F ey Fy (Abbildung nach 1]) y 3 Technische Mechanik I 1.4 NEWTON'sche Gesetze und das Axiom vom Kraftparallelogramm 1. Tragheitsgesetz: Jeder Korper bleibt im Zustand der Ruhe oder der gleichformigen linearen Bewegung, sofern keine aueren Krafte auf ihn wirken. 2. Grundgesetz der Dynamik: Die auf einen Korper wirkende Kraft ist gleich dem Produkt aus Masse und Beschleunigung des Korpers: ! F = m !a 3. Gegenwirkungsgesetz: ! Die von einem Korper 1 auf einen Korper 2 wirkende Kraft F 21 ist gleich gro und ! entgegengesetzt zur Kraft F 12 , die der Korper 2 auf Korper 1 ausubt. ! ! F F 1 2 21 ! ! F 12 = ;F 21 m1 m2 4. Axiom vom Krafteparallelogramm (Stevin): ! ! Zwei Krafte F 1, F 2 mit gleichem Angrispunkt konnen nach der Parallelo! grammregel zur Resultierenden R addiert werden. ! ! ! R = F1 + F2 Anmerkung: R F2 F1 Gleichgewicht ! und gleichformige lineare Bewegung sind Sonderfalle der allgemeinen Bewegung ! mit a = 0. Krafte, Positionen im Raum, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind Groen, die mit Hilfe der Vektorrechnung beschrieben werden. 4 Technische Mechanik I 1.5 Dimensionen und Ma einheiten Physikalische Groen werden quantitativ als Produkt aus Mazahl und Maeinheit ausgedruckt. Die folgende Basiseinheiten sind international festgelegt. Basisgroe Zeichen Basiseinheit Zeichen Denition mit Hilfe von Lange: ` Meter m Lichtgeschwindigkeit und Zeit Zeit: t Sekunde s Periodendauer einer Strahlung Masse: m Kilogramm kg Maverkorperung (in Paris) Stromstarke: I Ampere: A Kraftwirkung zwischen parallelen elekTemperatur: Lichtstarke: Stomenge: T Iv n Kelvin Candela Mol K cd mol trischen Leitern Tripelpunkt des Wassers Strahlung des schwarzen Korpers Atomzahl(12C in 12 g) Von diesen Basiseinheiten konnen Einheiten fur jede physikalische Groe abgeleitet werden. Fur ! ! die Kraft gilt F = m a . Dementsprechend ist die Einheit der Kraft das Newton 1N = 1 kg sm2 . 2 Statik des starren Korpers 2.1 A quivalenz von Kraftegruppen am starren Korper Kraftegruppen nennen wir aquivalent, wenn sie am starren Korper die gleichen Wirkungen hervorrufen. Ein Gleichgewichtssystem ist eine Kraftegruppe, die aquivalent zur Kraft Null ist. 2.2 Krafte mit gemeinsamem Angrispunkt ! ! ! ! n ! R : = F1 + F2 + : : : + Fn = P Fi F2 R i=1 Rx = F1x + F2x + : : : = P Fix Ry = : : : = Rz = : : : = n i=1 n P i=1 n P i=1 F1 Fiy Fiz Fn Jede Gruppe von Kraften mit gemeinsamem Angrispunkt kann auf eine Einzelkraft reduziert ! werden, die gleich der Vektorsumme R (Resultierende) ist. 5 Technische Mechanik I Gleichgewichtsbedingung: Wenn die auf einen Korper wirkenden Krafte durch einen Punkt gehen und der Korper im Gleichgewicht ist, ist die Resultierende gleich Null. Anmerkung: A hnlich wie man Krafte zusammenfassen kann, kann man sie unter Anwendung des Axioms vom Krafteparallelogramm auch in Komponeten zerlegen. R R F2 Fy Fx F1 2.3 Ebene Kraftegruppe am starren Korper Bei einer ebenen Kraftegruppe liegen die Wirkungslinien aller Krafte in der gleichen Ebene. Fn An Wirkungslinie der Kraft F1 F1 A3 A1 A2 F2 F3 6 Technische Mechanik I Beispiel: Brucke uber den Stichkanal Hannover - Linden Loslager Festlager F1 A F2 BV BH 7 Technische Mechanik I 2.3.1 Axiom der Linienuchtigkeit einer Kraft Die von einer Kraft am starren Korper hervorgerufene Wirkung ist fur alle Kraftangrispunkte, die auf der Wirkungslinie liegen, gleich. D.h. Krafte am starren Korper konnen entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden, ohne dass sich ihre Wirkung andert. A A A A F F 2.3.2 Zusammenfassen von Kraften mit unterschiedlichen Angrispunkten F1 A1 A1 F2 A R F2 A2 A2 F1 Verschiebe die Krafte langs der Wirkungslinie, so dass sie am Schnittpunkt der Wirkungslinien angreifen. Fasse die beiden Krafte nach der Parallelogrammregel zur Resultierenden zusammen. Beachte: Der Schnittpunkt der Wirkungslinien kann auch ausserhalb des Korpers liegen. Eine Gruppe von (beliebig vielen) Kraften kann durch sukzessives zusammenfassen von jeweils zwei Kraften reduziert werden. Sonderfall: Krafte mit parallelen Wirkungslinien. R2 R1 B R F2 B R1 R2 F1 a1 a2 Fuge eine Gleichgewichtsgruppe hinzu (2 gleich groe entgegengesetzt ! ! gerichtete Krafte B , deren Wirkungslinien durch die Kraftangrispunkte von F 1 und F 2 verlaufen). 8 Technische Mechanik I ! ! Fasse zuerst !die Kr a fte in den Kraftangrispunkten von F 1 und F 2 zu (Zwischen-) Re! sultierenden R1, R2 zusammen. ! ! ! Fasse danach die (Zwischen-) Resultierenden R1,R2 zur (Gesamt-) Resultierenden R zusammen. ! ! ! Beachte: R ist parallel zu F 1, F 2 und es gilt F1 a1 = F2 a2. Sonderfall: Kraftepaar Zwei gleich groe, entgegengesetzt gerichtete Krafte mit unterschiedlichen Wirkungslinien konnen nicht durch eine einzelne Kraft ersetzt werden. F F ^ = M a ! ! !0 !0 Man kann ein Kraftepaar (F ;F ) durch ein anderes, aquivalentes ersetzen. Die Krafte (F ;F ) konnen dabei eine beliebige Richtung haben, jedoch bleiben der Drehsinn und das Produkt M aus Kraft und Hebelarm erhalten. M = Fa = F 0a0 F F' B a' F' B F a Fazit: Jede Gruppe von (beliebig vielen) Kraften in der Ebene kann durch schrittweise Reduktion so zusammengefasst werden, dass am Ende entweder a) eine Resultierende mit eindeutig bestimmten Kraftangrispunkt, oder b) ein Kraftepaar verbleibt. 2.3.4 Gleichgewichtsbedingung Eine Gruppe von Kraften an einem starren Korper ist genau dann im Gleichgewicht, wenn sie aquivalent zur Kraft Null ist. Das bedeutet, dass eine ebene Kraftegruppe genau dann im Gleichgewicht ist, wenn nach der Durchfuhrung der Reduktion weder eine Resultierende, noch ein Kraftepaar ubrig bleibt. 9 Technische Mechanik I 2.3.5 Zeichnerische Losungen 2.3.5.1 Korper mit drei Kraftangrispunkten F F F C P C B C B B Lageplan Kraftplan (b) Lage- und Kraftplan (a) System Drei Krafte in der Ebene sind an einem starren Korper genau dann im Gleichgewicht, wenn sich ihre Wirkungslinien in einem Punkt schneiden und das Krafteck geschlossen ist. 2.3.5.2. Korper mit vier Kraftangrispunkten F F E P1 A E B C P2 D E F B D D (a) System Lageplan B Kraftplan (b) Lage- und Kraftplan Vier Krafte in der Ebene sind an einem starren Korper genau dann im Gleichtgewicht, wenn die bei jeweils paarweise Zusammenfassung entstehenden Zwischen-Resultierenden gleich gro sind und ihre Wirkungslinie durch die beiden Schnittpunkte verlauft. Die Wirkungslinie der Zwischen-Resultiereden nennt man auch CULMANN'sche Gerade. 10 Technische Mechanik I 2.4 Moment einer Kraft a ! (P ) ! M = !r F ;;! !r = PA A A ist ein beliebiger ! Punkt auf der Wirkungslinie der Kraft F . ! (P ) M ist unabhangig von A, ! (P ) ! ! jM j = j r jjF jj sin j ! = ajF j F r a M (P) P ! a nennt man den Hebelarm der Kraft F bezuglich P . Sonderfall: Kraft und Bezugspunkt in x ; y-Ebene ey ! F = Fx!e x + Fy !e y !r = 0;!A = x !e + y !e A x A y ! (0) ! M = !r F = (xAFy ; yAFx)!e z F Fy A yA Fx 0 b xA ex P f1 F1 A1 Das Moment der Resultierenden zweier Krafte ist gleich der Summe der Momente der Einzelkrafte. A2 F2 f2 ;;! ;;! ! ;;! ! ! ;;! ! PA1 F 1 + PA2 F 2 = PA F 1 + PA F 2 ;;! ! ! = PA F 1 + F 2 F1 + F2 A 11 Technische Mechanik I 2.5 Moment eines Kraftepaares ! ! F 2 = ;F 1 ! (P ) ;;! ! ;;! ! M = PA1 F + PA2 F 2 = ;;! ;;! ! = PA1 ; PA2 F = ;;;;;! ! = A2 A1 F 1 A1 F1 f1 h F2 f2 A2 P Das Moment eines Kraftepaares hangt nicht vom Bezugspunkt P ab, d.h. am starren Korper konnen Kraftepaare beliebig verschoben werden. Das Moment eines Kraftepaares kann daher als freier Vektor angesehen werden. Durch Hinzufugen einer Gleichgewichtsgruppe, die aus einem Kraftepaar und einem dazu passenden gleich groen, aber entgegengesetzten Moment besteht, kann eine Kraft mit beliebigem Kraftangrispunkt in eine gleich groe Kraft mit vorgegebenem Kraftangrispunkt und ein dazu gehorendes Versetzungsmoment uberfuhrt werden. P F P P M M (P) (P) F h h + A A F F ! (P ) ;;! ! M = PA F 2.6 Raumliche Kraftegruppe am starren Korper ! Jede beliebige Kraftegruppe (Ai F i i = 1 2 : : : n) am starren Korper kann auf eine Resultierende n ! ! X R = Fi i=1 mit Angrispunkt P und ein dazu gehorendes Kraftpaar mit Moment n ;;! n ! (P ) X ! ! (P ) X M = M i = PAi F i i=1 reduziert werden. i=1 12 Technische Mechanik I Beispiel: Krafte auf Quader (nach 1]) z F4 F2 B F5 c A F1 x F3 b a F6 y ! ! (A) a) Reduktion auf Resultierende R und Moment M bezuglich des Punktes A ! 6 ! R = P Fi ! (A) M = i=1 ! ! F i = Fix!e x + Fiy !e y + Fiz !e z F i 2 6 = 664 ! r i Fi P6 ! i=1 Fix Fiy Fiz 3 77 75 i = 1 : : : 6 ! Ai: Angrispunkt der Kraft F i !r = ;;;! ! ! ! i AA i = rix e x + riy e y + riz e z i = 1 : : : 6 2 3 r ix !r = 666 r 777 i = 1 : : : 6 i 4 iy 5 riz 2 3 2 3 2 3 2 3 2 3 2 3 0 0 0 F 0 F 1 3 77 ! 66 77 ! 66 77 ! 66 77 ! 66 77 ! 66 77 ! 66 F 1 = 64 0 75 F 2 = 64 0 75 F 3 = 64 0 75 F 4 = 64 0 75 F 5 = 64 F5 75 F 6 = 64 F6 75 ;F2 0 F4 0 0 2 3 2 3 2 3 2 3 2 3 2 3 a a 0 0 a a !r = 666 0 777 !r = 666 0 777 !r = 666 b 777 !r = 666 b 777 !r = 666 b 777 !r = 666 b 777 1 4 5 2 4 5 3 4 5 4 4 5 5 4 5 6 4 5 0 c c 0 c 2 3 2 3 2 0 0 !r F! = 666 0 777 !r F! = 666 F a 777 !r F! = 666 1 1 2 3 4 5 2 4 2 5 3 4 0 0 2 3 2 F ; F5 c 4b 6 7 6 ! ! !r F = 66 0 77 !r F = 66 0 4 4 5 4 5 5 4 0 F5a 0 3 0 7 0 775 ;F3b 3 2 3 0 77 ! ! 66 7 75 r 6 F 6 = 64 0 775 F6a 0 13 Technische Mechanik I 2 F +F ! 66 1 3 R = 64 F5 + F6 ;F2 + F4 2 ! (A) 6 M = 664 3 77 ! 75 d:h: R = (F1 + F3 )!e x + (F5 + F6 )!e y + (;F2 + F4)!e z 3 F4b ; F5c 77 F2 a 75 ;F3b + F5a + F6a ! (B ) ! b) Reduktion auf Resultierende R und Moment M bezuglich des Punktes B 2 F +F ! 66 1 3 R = 64 F5 + F6 ;F2 + F4 3 2 F2b + F6c 77 ! (B ) 66 75 M = 64 ;F1c ; F3c + F4a F1 b 3 77 75 Gleichgewichtsbedingung: Eine Kraftegruppe am starren Korper ist genau dann im Gleichgewicht, wenn ihre Resultierende und das dazu gehorende Moment fur einen beliebigen Bezugspunkt P verschwinden: n ! P ! Fi = 0 i=1 n ! (P ) ! P Mi = 0: i=1 Im ebenen Fall ergeben sich daraus 3 skalare Gleichungen n P Fix i=1 n P Fiy i=1 n P Miz(P ) i=1 = 0 = 0 = 0: und im raumlichen Fall erhalt man 6 skalare Gleichungen. 2.7 Zentralachse, Kraftschraube ! ! P! Ein beliebiges Kraftsystem Pi , F i, i = 1 2 : : : n kann immer auf eine Resultierende R = F i, ! die im Punkt P angreift, und ein dazu gehorendes Moment M reduziert ! werden, das von der Wahl des Punktes P abhangt. Die Wirkungslinie der Resultierenden R ist eindeutig bestimmt und wird Zentralachse genannt. Als Kraftschraube bezeichnet man ein durch eine Kraft und ein Moment gebildetes Paar, bei dem die Kraft parallel zu dem Moment ist. Durch geeignete Wahl des Bezugspunktes P kann jedes Kraftsystem auf eine Kraftschraube reduziert werden. 14 Technische Mechanik I ! Gegeben: Resultierende R ! (0) Moment M bezuglich Punkt 0 ! ;;! Gesucht: Lage des Punktes P : h = 0P ! h ! (P ) M R2 ! ! (0) = R12 R M " ! ! (0)# ! 1 = R2 R M R ! ! = RR ez M (P) ey R P 0 h ex Zentralachse 15 Technische Mechanik I 3 Statik von Systemen starrer Korper 3.1 Gleichgewichtsbedingungen, das Erstarrungsprinzip Eine Kraftegruppe steht an einem System starrer Korper genau dann im Gleichgewicht, wenn sich jeder einzelne Korper im Gleichgewicht bendet. Beispiel: Die Fahrradbremse besteht aus 2 Teilen. Teil IInmit der Gabel durch einen Bolzen n n n verschraubt. Die dort wirkende Lagerkraft ist A . Teil I ist mit Teil II uber ein Drehgelenk verbunden. Die dort zwischen I und II wirkende Lagerkraft ist B . Gesucht sind die Krafte A und B . Gegeben ist die Betatigungskraft F1. n n n n n a I B Ax F1 F1 Ay b a y F2 F2 x n Die zeichnerische Losung fur Teilsystem I ergibt: II F2 F2 = F1 tan F1 B = cos F1 Ax F1 B Ay B a n Da F1, F2 und B auch am Teilsystem II eine Gleichgewichtsgruppe sind, verschwindet die Lagerkraft A, d.h. Ax = 0, Ay = 0. a F2 16 Technische Mechanik I Nicht immer ist es notwendig, ein System vollstandig in seine Bestandteile zu zerlegen, um die Gleichgewichtsbedingungen zu formulieren. Nach den sogenannten Erstarrungsprinzip ist ein System starrer Korper unter der Wirkung gegebener Krafte genau dann im Gleichgewicht, wenn jedes Teilsystem sich im Gleichgewicht bendet. Das heisst: man kann die Gleichgewichtsbedingungen nicht nur an den einzelnen Korpern, sondern auch am Gesamtsystem oder beliebigen Teilen davon formulieren. Im Beispiel der Fahrradbremse gilt fur: n Teilsystem I X Fix = 0 : F2 ; Bx = 0 (1) Fiy = 0 : F1 ; By = 0 (2) Mi(A) = 0 : F1a ; F2b = 0 (3) X X n Teilsystem II X X X Fix = 0 : ;F2 + Ax + Bx =0 (4) Fiy = 0 : ;F1 + Ay + By =0 (5) Mi(A) = 0 : ;F1a + F2 b = 0 (6) und man erhalt aus (3) F2 = F1 ab = F1 tan , so dass aus (1) Bx = F2 = F1 tan und aus (2) By = F1 folgt, in U bereinstimmung mit der zeichnerischen Losung. Ax = 0 und Ay = 0 folgt dann aus (4) und (5) nach Einsetzen. Man kann dies nach dem Erstarrungsprinzip aber auch direkt aus den Gleichgewichtsbedingungen fur das Gesamtsystem ablesen. Gesamtsystem: P Fix = 0 : P Fiy = 0 : P ;F2 + F2 + Ax =0 F1 ; F1 + Ay = 0 Mi(A) = 0 : F1a ; F1a + F2b ; F2b = 0 3.2 Lager Starre Korper werden untereinander und mit der Umgebung durch Lager verbunden, um ihre Bewegungsmoglichkeit einzuschranken. Mit jeder Einschrankung der Beweglichkeit tritt eine entsprechende Reaktionskraft im Lager auf. 17 Technische Mechanik I 3.2.1 Lagerung in der Ebene Ein starrer Korper hat in der Ebene drei unabhangige Bewegungsmoglichkeiten: zwei Translationen in der Ebene und eine Drehung um eine zur Ebene senkrechte Achse. Einwertige Lager schranken eine einzige Bewegungsmoglichkeit ein. Beispiele sind Rollenlager, Gleitlager und Pendelstutze. Sie werden in Systemskizzen, unabhangig von ihrer konstruktiven Ausfuhrung, durch ein Lagersymbol dargestellt. In ihnen wirkt nur eine Reaktionskraft, bzw. ein Reaktionsmoment. A A A A (Abbildung nach 1]) Zweiwertige Lager schranken zwei Bewegungsmoglichkeiten ein. Beispiele sind Drehgelenk und Doppelstutze. In ihnen wirken zwei Reaktionkrafte. Rillenkugellager Zylinderrollenlager AH AV AH Pendelkugellager Pendelrollenlager Tabelle I hierzu auf Seite 18. 3.2.2 Allgemeiner Fall Ein starrer Korper hat im dreidimensionalen Raum sechs unabhangige Bewegungsmoglichkeiten, die durch Lager eingeschrankt werden konnen. Entsprechend der Anzahl n der eingeschrankten Bewegungsmoglichkeiten treten in einem n-wertigen Lager n Reaktionskrafte, bzw. momente auf. Tabelle II hierzu auf Seite 19. 0 1 2 0 0 0 1 1 1 0 1 2 0 1 2 ~ ~ ~ ~ feste Einspannung ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ oder ~ 3 nicht sinnvoll Reaktionen ~ Schiebehülse Symbol Zwischenlager ~ ~ 2 ~ versetzt ~ ~ Momentenstütze ~ (festes Gelenklager) ~ ~ ~ ~ Festlager Pendelstütze Reaktionen ~ räumlich Seil oder Stab (verschiebbares Gelenklager) Loslager freies Ende Symbol ~ ~ Name ~ ~ 1 Reaktionen S Momente Kräfte Auflager ~ ~ Beispiel technischer Ausführung ~ ~ ~ Anzahl ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ 18 Technische Mechanik I Auf- und Zwischenlager in der Ebene ~ ~ ~ ~ 19 Technische Mechanik I Auf- und Zwischenlager im Raum 1 0 1 Symbol als Zwischenlager ~ Auflager Reaktionen ~ Fi Mi S Symbol als Lager ~ Anzahl 2 0 ~ ~ ~ glatt 2 ~ ~ 3 ~ 0 ~ 3 ~ Kugel 2 3 2 2 4 2 3 5 3 2 5 3 3 6 ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ 1 ~ ~ Kugel ~ ~ ~ ~ ~ 20 Technische Mechanik I 3.3 Beispiele 3.3.1 Dreigelenkbogen G I P2 F1 P1 II F2 B A nn Dreigelenkbogen: zwei starre Korper I , II die in A und B jeweils gelenkig gelagert sind und in G durch ein Gelenk miteinander verbunden sind. Gy I II F1,y P1 p1y Ax p1x Gx g1y F1,x ! ! ! Lagerkrafte A, B , G. ! ! Krafte: F 1, F 2 n Gleichgewichtsbedingungen fur Korper I P Fix = 0 : Ax + F1x + Gx = 0 P Fiy = 0 : Ay + F1y + Gy = 0 Mi(A) = 0 : F1x p1y ; F1y p1x + Gx g1y ; Gy g1x = 0 n Gleichgewichtsbedingungen fur Korper II P Fix = 0 : Bx + F2x ; Gx = 0 P Fiy = 0 : By + F2y ; Gy = 0 P g2y P2 p 2x F2,x p2y Bx By Gegeben: Geometrie: (a b : : : g) P Gy g2x g1x Ay Gesucht: F2,y Gx Mi(B) = 0 : F2x p2y ; F2y p2x ; Gx g2y ; Gy g2x = 0 21 Technische Mechanik I Lineares Gleichgewichtssystem fur die Unbekannten Ax, Ay , Bx, By , Gx , Gy : 2 66 66 66 66 66 66 66 66 64 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 3 2 1 0 7 6 Ax 7 6 0 1 777 666 Ay 7 6 g1y g1x 777 666 Bx 76 ;1 0 777 666 By 7 6 0 ;1 777 666 Gx 5 4 ;g2y ;g2x Gy 0 0 0 0 1 0 3 2 77 66 77 66 77 66 77 66 77 = 66 77 66 77 66 77 66 75 66 4 3 77 77 ;F1y 77 ;F1xp1y + F1y p1x 7 77 77 ;F2x 77 77 ;F2y 77 7 ;F2xp2y ; F2y p2x 5 ;F1x ! ! A R =F @ I @ A K A I @ @ @ @ @ @ Vektor der eingepragten Krafte Vektor der gesuchten Reaktionskrafte A Systemmatrix A A A Losbarkeitsbedingung: det(A ) 6= 0 Wenn alle Reaktionskrafte mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden konnen, nennt man ein System statisch bestimmt. Notwendige Bedingung fur statisch Bestimmtheit: Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen mindestens gleich Anzahl der Reaktionskrafte. 3.3.2 Sagebock G I G a N1 glatt II a D III C aa glatt Seil ` S S y a x ~ b H C ~ a N2 D S B a S A Freikörperbild 22 Technische Mechanik I Gesamtsystem: P Mi(E) = 0 : B` sin ; A` sin = 0 ! A=B P Fiy = 0 : ! A = B = G2 A+B ;G = 0 n Korper I : P Fix = 0 : N1 cos ; N2 cos ! N1 = N2 P Fiy = 0 : N1 sin + N2 sin ; G = 0 ! G N1 = N2 = 2 sin n Korper II : P (H ) Mi = 0 : N1a ; Sb cos + B` sin = 0 P Fix = 0 : P Fiy = 0 : B + D ; N1 sin = 0 ;S + C ; N1 cos = 0 " ! # a + ` tan S = G 2b sin 2b " ! a + ` tan + 1 C = G 2b sin 2b 2 tan ! D=0 # 23 Technische Mechanik I 4 Parallele Kraftegruppen, Schwerpunkt 4.1 Kraftemittelpunkt Eine Gruppe von Kraften, deren Richtung identisch ist, heisst parallele!Kraftegruppe. Mit !e als Richtungsvektor von Betrag 1 ist eine parallele Kraftegruppe durch P1 F i = Fi !e i = 1 2 : : : n gegeben. Eine beliebige parallele Kraftegruppe kann durch geeignete Wahl des Bezugspunktes S so reduziert werden, dass eG gilt: ! R = ! (S) M = Man bezeichnet punkt. P! Fi ! 0 S als Kraftemittel- r1 P1 F1 S 0 rn Pn r2 P2 F2 Fn ! Gegeben: P1 F i = Fi !e i i = 1 2 : : : n. ;;! ! (S) Gesucht: !s = 0S so dass M = 0 n ;;! ! (S) ;;! X M = SP i Fi!e i SP i = !r i ; s i = 1 2 : : : n i=1 n ! X Fi r i !s i =1 = X n Fi i=1 ! Wenn es sich bei den Kraften F i um die Gewichtskrafte einzelner Massenpunkte in einem gleichformigen Schwerefeld handelt, gilt Fi = mig !s = n X i=1 miFi!r i n X i=1 mi und man nennt S den Massenmittelpunkt, da seine Lage nur von der Massengeometrie, d.h. der Anordnung der Massen mi, abhangt. 24 Technische Mechanik I 4.2 Schwerpunkt des starren Korpers Wir betrachten den starren Korper als Menge der innitesimalen Volumenelemente dV . dV Z Es gilt: V = dV r V 0 V Die Masse eines Volumenelements ist dm = dV , mit der Dichte , die ortsabhangig sein kann. Es gilt: m = !s = Z (!r )dV VZ !r(!r )dV V m : Fur homogene Korper gilt: (!r ) = !s = Z ! rdV V m = Z ! r dV V V 4.3 Flachenschwerpunkt Ebene Korper, deren Dicke gegenuber ihren anderen Abmessungen vernachlassigt werden kann, konnen als Flache modelliert werden, die durch die Massendichte (Masse pro Flacheneinheit) beschrieben wird. Es gilt: A = m = Man nennt !s = Z A Z A dA (!r )dA dA r Z ! ! r( r )dA A 0 m den Flachenmittelpunkt oder Flachenschwerpunkt Z ! Z ! rdA rdA ! ! Fur homogene Korper gilt: ( r ) = s = A m = A A A 25 Technische Mechanik I Beispiel: Rechtwinkliges Dreieck, = const. A = Z A dA y= y 2 hx 3 Zb 666 Zb 777 Zb hx 6 7 A = 6 dy7 dx = b dx 6 75 0 40 0 h dA h x b h 2 b = hb x2 = bh 2 0 !s = b 2 hx 3 7 Z ! Zb 666 Zb ! 77 ! rdA = 66 x e x + y e y dy77 dx 6 75 0 4 0 A Z ! r dA A b A 2 hx 3 Z ! Zb 6 hx ! y 2 ! 7 Zb " hx2 ! h2 x2 ! # b 6 7 rdA = 64 x b e x + 2 e y 75 dx = b e x + 2b2 e y dx 0 A 0 0 3 b 2x3 b 2 2 hx h ! = 3b e x + 6b2 !e y = b3h !e x + h6b !e y 0 0 !s = 2 b!e + 1 h!e 3 x 3 y Schwerpunkt zusammengesetzter Flachen Z ! n Z ! X r dA = r dA i=1Ai A A2 Schwerpunkt der i-ten Teilache !s = 1 Z !r dA i Ai A i A1 n Z ! n ! 1X !s = 1 Z !rdA = 1 X rdA = A A A s iAi A i=1 Ai i=1 x 26 Technische Mechanik I 4.3.1 Linienschwerpunkt Bogenlange u Massendichte (Masse pro Langeneinheit) u=` Z dm = du m = (u)du Z ! r (u) (u)du !s = ` Z ` du ` u u=0 (u)du Z ! 1 ! Fur = const. gilt: s = ` r (u)dA ` 0 P r(u) 27 Technische Mechanik I 5 Haftung und Reibung 5.1 Kontakt starrer Korper Kontaktpunkt K Tangentialebene steht senkrecht auf Beruhrnormale Berührnormale K Tangentialebene ! Normalkraft N ! Tangentialkraft T T F N F N T 5.1.1 Haften ! ! Normalkraft N verhindert gegenseitiges Durchdringen der Korper, Tangentialkraft T! verhindert Relativbewegung (Gleiten) der Korper. Kontakt wirkt wie ein Lager, Normalkraft N und Haft! ! kraft T = H sind Zwangskrafte, die aus Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden konnen, falls das System statisch bestimmt ist. Die Erfahrung zeigt, dass Haften nur moglich ist, wenn ! ! jH j 0 jN j gilt. Man nennt 0 Haftkoezient. 5.1.2 Gleiten Wenn die Korper aufeinander gleiten ist die Tangentialkraft nahrungsweise proportional ! zur ! Normalkraft und der Relativbewegung im Beruhrpunkt entgegen gerichtet. Man nennt T = R Reibkraft und setzt ! ! !v rel R = ;jN j ! : j v rel j 28 Technische Mechanik I Das heit, es gilt ! ! jRj = jN j so dass die Reibkraft keine Zwangskraft, sondern eine eingepragte Kraft ist. Man nennt Reibkoezient. Meist gilt 0 5.1.3 Haft- und Reibkegel ! ! jH j 0 jN j bedeutet, dass die Kontaktkraft ! ! ! F = N + nH im Innern eines Kegels mit O nungswinkel tan '0 = 0 liegt H N F j ! ! ! ! ! bedeutet, dass F = N + R auf dem Mantel eines Kegels mit dem O nungswinkel tan ' = liegt. jRj = jN j H N F j0 29 Technische Mechanik I Beispiel: Haften oder Gleiten? reibungsfreie Rolle m m0 , m g M 1) Freikorperbild: Annahme Haften mg Mg N = mg H = Mg H N Haftbedingung: H 0N Haften fur M 0 m Falls 0 M ist Haften nicht moglich ! Gleiten m ! 2) Freikorperbild: Annahme Gleiten mg Mg N = mg R = N = mg R N Gleichgewichtsbedingung (fur v = const.): R = Mg Gleiten mit v = const. fur M = m Falls 6= M m ist Gleiten und v = const. nicht moglich. ! 30 Technische Mechanik I 5.1.4 COULOMBsches "Gesetz" ! ! ! "Haftgesetz" jH j 0jN j , !v rel = 0 ! ! ! "Reibgesetz" jRj = jN j , Richtung R entgegengesetzt zu Gleitgeschwindigkeit !v rel sind empirisch gefundene Zusammenhange, die die Wirklichkeit nur nahrungsweise beschreiben. Man sollte deshalb besser vom COULOMBschen Modell sprechen. Die Koezienten und 0 hangen bei genauer Betrachtung von der Materialpaarung, der Oberachenrauhigkeit, dem Schmierzustand, der Flachenpressung, der Temperatur und der Gleitgeschwindigkeit ab. Die in Tabellen manchmal angegebenen Werte fur und 0 sind lediglich als Anhaltswerte zu verstehen. Beispiel: Kippen und Rutschen? b F G h m0 , m 1. Freikorperbild: Annahme Rutschen X F Fix = 0 : F = R = N (1) Fiy = 0 : N = G (2) Mi(A) = 0 : Fh = Na (3) X h G X R A a N (1) ist die Gleichgewichtsbedingung (fur Gleiten mit v = const.) b b. ! Gleiten mit v = const. fur F = G und a < , d.h. = 2 2h F h = h (3) ! Angrispunkt der resultierenden Normalkraft a = N 31 Technische Mechanik I 2. Freikorperbild: Annahme Anheben X F (1) Fiy = 0 : N = G (2) Mi(B) = 0 : Fh = G 2b (3) X G ~h Fix = 0 : F = H X H B ~a N Haftbedingung jH j 0jN j Haften fur F 0G mit G = F 2bh ! Haften fur F 0 2bh F Das heit: unabhangig von der Groe der Kraft F wird der Klotz kippen, wenn h 2b , 0 b bzw. 0 2h . 5.1.5 Seilreibung und - haftung Seil: ubertragt nur Zugkrafte Dj m0,m y j Dj 2 a ~ ~ S1 DR DN S(j+Dj) S(j) Dj 2 x Dj S2 Fix = 0 : S (') cos !2' ; S (' + !') cos !2' + !R = 0 !R = S (' + !') ; S (')] cos !2' P Fiy = 0 : ;S (') sin !2' ; S (' + !') sin !2' + !N = 0 !N = S (' + !') + S (')] sin !2' P (1) (2) 32 Technische Mechanik I 5.1.5 .1. Reibung Wir nehmen an, das Seil gleite nach links. Dann ist S2 > S1. Reibung: !R = !N Einsetzen von (1), (2) und (3) teilen durch !' ergibt (3) !' S (' + !') ; S (') cos !' = S (' + !') + S (')] sin 2 !' 2 !' Grenzubergang !' ! 0 fuhrt auf die Dierentialgleichung d S (') = S (') d' S 0(') = S (') fur die Seilkraft. Allgemeine Losung: S (') = Ce' Integrationskonstante C ergibt sich aus Anfangsbedingung S (0) = S1 zu C = S1, und damit ist S (') = S1e' : Fur den Umschlingungswinkel ergibt sich S2 = S () = S1e wobei vorausgestzt wurde, dass das Seil nach links gleitet. 5.1.5 .2. Haftung Wir nehmen an, das Seil hafte, und es sei S2 > S1 Haftung: !R 0!N (4) Das System ist statisch unbestimmt. Im Fall der Grenzhaftung, bei dem Rutschen gerade noch verhindert wird, gilt !R = 0!N und man erhalt, analog zum Fall der Reibung, S (') = S1e0' S2 = S1e0 33 Technische Mechanik I Unter der Voraussetzung, dass S2 > S1 gilt, ist deshalb Haftung moglich fur a S1 < S2 S1e0 m0, m Anmerkung: Bei der Herleitung wurde der Fall betrachtet, in dem das Seil um einen Kreiszylinder geschlungen ist. Die Form des umschlungenen Querschnitts spielt jedoch keine Rolle. Es kommt nur auf den Umschlingungswinkel an. Beispiel: S1 Anmerkung: S2 S2 S1 Bei 3 Umschlingungen ist = 3 2 = 18 9 und fur 0 = 0 3 ist die maximale Kraft S2 fur die Rutschen gerade noch nicht eintritt S2 = S1e567 = 286S1 : Die Gleichungen der Seilreibung und haftung gelten auch, wenn das Seil um eine angetriebene Rolle geschlungen ist.