Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz zu

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TVT
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.
Resolution zum Problem der frei lebenden (verwilderten) Hauskatzen
Merkblatt Nr. 40
Erarbeitet vom Arbeitskreis 2 (Kleintiere)
Seite 2
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz
Resolution „Frei lebende Hauskatzen“
Resolution zum Problem der frei lebenden (verwilderten) Hauskatzen
Das Problem der frei lebenden Hauskatzen
ist seit langem weit verbreitet und drängend.
Frei lebende Katzen vermehren sich ungehindert. Das führt oft zu Belästigungen der
Anwohner, die dann mitunter selbst für "Abhilfe sorgen" oder die Kommunen dazu
drängen. Aber auch die Katzen selbst sind
gefährdet durch Hunger, Krankheiten, Unfälle oder eben durch Nachstellungen der
Menschen.
Wie kann man wirkungsvoll und tierschutzgerecht helfen?
Die TVT vertritt zu diesem Problem die
folgende Position:
1. Unter frei lebenden, verwilderten Hauskatzen verstehen wir Katzen, die nicht
auf den Menschen geprägt und darum extrem scheu sind. Ihre dauernde Unterbringung in Tierheimen o.ä. ist deshalb
nicht tiergerecht.
2. Frei lebende Hauskatzen sollten eingefangen werden. Gesunde Tiere beiderlei Geschlechts sind zu kastrieren, zu kennzeichnen (Kerbe im Ohr, Tätowierung im
Ohr und/oder das Einbringen von Tätowierfarbe in die verschlossene Kastrationswunde, die dadurch sichtbar bleibt)
und in ihrer gewohnten Umgebung wieder
freizulassen, sofern die Tiere dort regelmäßig Futter und Unterschlupfmöglichkeiten finden. Man kann nicht von heute
auf morgen das Futter entziehen, ohne
gleichzeitig die Population zu vermindern.
D.h. Populationsverminderung durch
„Aushungern“ ist in höchstem Maße tierschutzwidrig. Auf der anderen Seite ist
die Futtermenge den im Laufe der Zeit
veränderten (d.h. durch Kastration, Unfälle, Krankheiten etc. verminderten) Populationen anzupassen.
Die Forderung der Kastration gilt auch für
juvenile Tiere (schon ab 12 Wochen).
Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist deren Kastration ohne Gefahr
für die Gesundheit möglich. Nach neuesten amerikanischen Untersuchungen beeinträchtigt die frühzeitige Kastration weder die körperliche noch die psychische
Entwicklung. Mit derselben Begründung
ist die Kastration trächtiger Tiere zu verantworten.
Kranke Tiere, bei denen nach tierärztlichem Urteil gute Heilungsaussichten bestehen, sind zu behandeln, ansonsten ist
eine schnelle und möglichst angstfreie Euthanasie der immer sehr belastenden Behandlung vorzuziehen.
3. Bei Tieren, die nicht in ihre gewohnte
Umgebung zurückgebracht werden können und für die auch trotz intensiver Suche und Auslotung aller Möglichkeiten
kein anderer geeigneter Ort gefunden
werden kann, ist das Einschläfern der
Kasernierung vorzuziehen, die wir grundsätzlich ablehnen. Insbesondere für eine
Katze, die nicht auf den Menschen geprägt ist und die sich immer frei bewegen
konnte, bedeutet die Haltung unter den
im Tierheim üblichen beengten räumlichen Verhältnissen ohne Einhaltung der
Fluchtdistanz ein so großes Leiden, dass
es nicht selten zu stressbedingten Todesfällen kommt. Dieser Stress schwächt zudem das Immunsystem, wodurch der
Ausbruch und die Verbreitung von Infektionskrankheiten begünstigt werden.
4. Man muss wissen, dass Leiden und Tod
für Tier und Mensch ein unterschiedliches Gewicht besitzen. Erwachsene Menschen können mit Zahnweh oder Eingesperrtsein rational ganz gut umgehen.
Wir wissen schließlich, dass alles vorübergeht, dass Heilung oder Rettung möglich ist und wir können aus diesem Wissen Mut und Kraft schöpfen. Anders ist
Resolution „Frei lebende Hauskatzen“
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz
es beim Tier - aber auch beim kleinen
Kind. Beide leben nur im "Jetzt" und
"Heute". Es gibt für sie daher keine Hoffnung auf ein Morgen und keinen Trost,
der sich daraus schöpfen ließe. Für sie
besteht die ganze Welt, ihr ganzes Sein in
solchen Situationen nur aus Schmerz,
Angst und Leiden. Genau umgekehrt verhält es sich aber mit dem Tod. Wir denkenden erwachsenen Menschen fürchten
ihn, weil wir um seine Unausweichlichkeit
wissen und dass er das absolute Ende unseres Daseins, unserer Existenz bedeutet.
Für das Tier - ebenso wie für das Kleinkind - gibt es diese Angst nicht, weil der
Tod in ihrer Vorstellung gar nicht existiert; nicht bis zu dem Augenblick, wo er
sie ereilt.
5. Letztendlich sind die Leiden so vieler frei
lebender Katzen, aber auch von vielen
Hauskatzen, auf die Überpopulation zurückzuführen. Ob es um die beengten
Unterbringungsmöglichkeiten in den Tierheimen, um geeignete Futter- und Schlafplätze in der Natur oder um die Behandlung von Hauskatzen als "Wegwerfartikel" (anschaffen und bei Bedarf abstoßen) geht, die große Zahl der Individuen
ist der Kern des Übels. Die Zeitungen
sind voll von Angeboten an "niedlichen
kleinen Kätzchen", besonders im Frühjahr und Sommer. Ein zweites Problem
besteht darin, dass gerade die Jungtiere
von frei lebenden Katzen dem Stress und
der Ansteckungsgefahr aufgrund der hohen Tierzahl im Tierheim oft nicht gewachsen sind (Hospitalismus). Sie gehen
darum trotz bester Pflege häufig elend
zugrunde. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, sollte die Euthanasie von
noch blinden Katzenwelpen durch Tierärzte als "vernünftiger Grund" gem. § 1
Tierschutzgesetz (auch in Zusammenhang
mit § 17.1) anerkannt werden, sofern eine
geeignete Unterbringung und Versorgung
der heranwachsenden Katzen nicht gewährleistet ist.
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Literaturverzeichnis
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Tierhygienische Untersuchungen zur Katzenhaltung in 28 Tierheimen BadenWürttembergs, Vet. med. Diss., München
1991.
Birmelin, I.; Arzt, V.:
Haben Tiere ein Bewusstsein? 1993, Bertelsmann Verlag.
Europäisches Übereinkommen zum Schutz
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Goldhorn, Wolfgang:
Der Zirkus kommt, in: Du und das Tier,
2/94, S. 18.
Leyhausen, Paul:
Welche räumlichen und lichttechnischen An forderungen sind an die Unterbringung von
Katzen in Tierhandlungen mit und ohne
Zucht zu stellen? 1980, Gutachten zur Vorlage beim Landgericht Berlin (539-224/79)
Möbius, G.:
Ethische und rechtliche Fragen bei der Tötung von Tieren zur Vermeidung erheblicher
Schmerzen und Leiden, 1994, in: Dtsch. tierärztl. Wschr. 101, 372-376.
Schär, Rosemarie:
Die Hauskatze, 1989, Ulmer Verlag. Turner,
Dennis: Die domestizierte Katze, 1988, Albert Müler Verlag.
Sippel, M.:
Untersuchung des Begriffes „Vernünftiger
Grund“ in den §§ 1, 17.1 und 18.1 des Tierschutzgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Inaugural-Dissertation, Freie Universität Berlin, 1993, Journal-Nr. 1660.
Vogel, A.; Schneider, H.-E.:
Ratschläge für den Katzenfreund, 1991,
Neumann Verlag.
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Zu diesem Merkblatt
Dieses Merkblatt wurde erarbeitet vom Arbeitskreis 2 (Kleintiere) der
Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (Stand: Dezember 1994).
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