Hilfe im Kontext kritischer Sozialer Arbeit

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Hilfe im Kontext
kritischer Sozialer Arbeit
Hilfe im Kontext kritischer Sozialer Arbeit.
Was unter dem Begriff der Hilfe aus der Perspektive einer kritischen
Sozialen Arbeit verstanden wird und welche Folgerungen sich
daraus für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und Erwachsenenschutz
ergeben.
Bachelorarbeit von:
Claudia Caflisch
Unterstrasse 37
CH-9000 St.Gallen
Studienbeginn:
FS 2011
an der:
FHS St.Gallen
Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Studienrichtung Sozialpädagogik
begleitet von:
Prof. Sabine Makowka Dipl. soz. wiss., M.A.
Dozentin Fachbereich Soziale Arbeit
Für den vorliegenden Inhalt ist ausschliesslich die Autorin verantwortlich.
St.Gallen, 6. Oktober 2015
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Inhaltsverzeichnis
Abstract .......................................................................................................................................3 Vorwort........................................................................................................................................7 Einleitung und Fragestellung ......................................................................................................8 1 Kritische Soziale Arbeit .......................................................................................................10 1.1 Aktualität der Strömungen kritischer Sozialer Arbeit ....................................................11 1.2 Grundlegende Verständnisse kritischer Sozialer Arbeit ...............................................12 1.3 Kritik .............................................................................................................................14 1.3.1 Formen der Kritik ...................................................................................................15 1.3.2 Die Kunst nicht dermassen regiert zu werden. .....................................................16 1.3.3 Distanzierung von Herrschaftsarbeit .....................................................................17 1.4 Normative Begründung ................................................................................................18 1.5 Fazit .............................................................................................................................19 2 Hilfe in der Sozialen Arbeit ..................................................................................................21 2.1 Verortung des Begriffs der Hilfe ...................................................................................21 2.1.1 Formen von Hilfe ...................................................................................................22 2.1.2 Hilfe in der Sozialen Arbeit ....................................................................................23 2.2 Inhalt, Modus und Ziel von Hilfe in der Sozialen Arbeit ...............................................24 2.3 Aktuelle Bedeutung von Hilfe in der Sozialen Arbeit ....................................................26 2.4 Fazit .............................................................................................................................26 3 Handlungsleitende Ansätze ................................................................................................29 3.1 Theoretische Grundlagen professionellen Handelns ...................................................29 3.2 Die Arbeit am Sozialen.................................................................................................30 3.3 Arbeitsprinzip Partizipation...........................................................................................33 3.4 Fazit .............................................................................................................................34 4 Hilfe im Kontext kritischer Sozialer Arbeit ...........................................................................36 4.1 Zentrale Erkenntnisse und Beantwortung der ersten Frage ........................................36 5 Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz ...............................................................44 5.1 Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz ........................................................44 5.2 Funktion der Sozialen Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz ..............................46 5.3 Fazit .............................................................................................................................47 6 Hilfe im Kontext des Kindes- und Erwachsenenschutz .......................................................49 6.1 Hilfe im Kindes- und Erwachsenenschutz ....................................................................49 6.2 Fazit .............................................................................................................................50 7 Folgerungen für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und Erwachsenenschutzes ......................52 FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
7.1 Zentrale Erkenntnisse und Beantwortung der zweiten Frage ......................................52 Reflexion und eigene Positionierung ........................................................................................56 Literaturverzeichnis ...................................................................................................................59 Quellenverzeichnis ....................................................................................................................62 Abbildungsverzeichnis ..............................................................................................................63 FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Abstract
Titel: Hilfe im Kontext kritischer Sozialer Arbeit
Kurzzusammenfassung:
Diese Arbeit thematisiert den Begriff der Hilfe aus der
Perspektive kritischer Sozialer Arbeit und welche Folgerungen
sich
daraus
für
den
Tätigkeitsbereich
des
Kindes-
und
Erwachsenenschutzes ergeben.
Autor(en):
Claudia Caflisch
Referent/-in: Prof. Sabine Makowka Dipl. soz. wiss., M.A.
Publikationsformat:
BATH
MATH
Semesterarbeit
Forschungsbericht
Anderes
Veröffentlichung (Jahr):
2015
Sprache:
deutsch
Zitation:
Caflisch, Claudia. (2015). Hilfe im Kontext kritischer Sozialer
Arbeit.
Unveröffentlichte
Bachelorarbeit,
FHS
St.Gallen,
Fachbereich Soziale Arbeit.
Schlagwörter (Tags):
Kritische Soziale Arbeit, Hilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz
Ausgangslage:
Für die Soziale Arbeit stellt sich stets die Frage nach dem Selbstverständnis, nach normativen
Orientierungen und handlungsleitenden Ansätzen. Dies stellt sich umso dringender dar, wenn
diese aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen und Professionsentwickungen zur
Disposition stehen. Der Begriff der Hilfe, welcher den (vagen und unbestimmten) normativen
Kern der Sozialen Arbeit darstellt, bietet sich als Reflexionen diesbezüglich an. In den
aktuellen Fachdiskussionen findet sich der Begriff hauptsächlich in zwei charakteristischen
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Verbindungen. Nämlich der Hilfe in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie, sowie
in der Verbindung von Hilfe und Kontrolle im Doppelmandat.
Wird der Begriff der Hilfe in Verbindung mit einer kritischen Sozialen Arbeit gebracht, rücken
Widersprüche in den Fokus. Während die Hilfe geprägt ist von einem asymmetrischen
Verhältnis von «Hilfegebenden» und «Hilfenehmenden», stellt eine kritische Soziale Arbeit die
Emanzipation ins Zentrum ihres Verständnisses. Dieser Widerspruch findet sich im Kindesund Erwachsenenschutz wider. Dieser hat zum einen die Funktionen der Sicherstellung von
Wohl und Schutz von hilfsbedürftigen Personen und ist zum anderen bestimmt durch die
Leitidee der Selbstbestimmung. Dieser Widerspruch stellt eine Konstante in der Soziale Arbeit
dar und dient als Ausgangslage dieser Arbeit.
Ziel:
Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen wie der Begriff der Hilfe aus der Perspektive kritischer
Sozialer Arbeit verstanden wird und welche Folgerungen sich daraus für das Tätigkeitsfeld des
Kindes- und Erwachsenenschutz ergeben. Dazu sind folgende Fragen zu bearbeiten: Was
heisst kritische Soziale Arbeit und was heisst Hilfe in der Sozialen Arbeit? Was wird, aufgrund
der Erkenntnisse, unter Hilfe verstanden aus der Perspektive kritischer Sozialer Arbeit? Weiter
gilt es zu klären, was Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz heisst und was heisst
Hilfe in diesem Kontext? Welche Folgerungen ergeben sich, aufgrund der Erkenntnisse in
Bezug auf die Hilfe im Kontext einer kritischen Soziale Arbeit, für dieses Tätigkeitsfeld?
Vorgehen:
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Literaturarbeit. Das erste Kapitel widmet
sich der Frage, was unter kritischer Sozialer Arbeit verstanden wird. Zentrale Merkmale wie
Aktualität, Kritik oder normative Begründung werden benannt und erläutert. Im zweiten Kapitel
wird der Begriff der Hilfe thematisiert. Verschiedene Stufen der Hilfe werden benennt und in
der Folge die Hilfe in der Sozialen Arbeit verortet. Weiter erfolgt eine Differenzierung, was
unter Hilfe verstanden wird. Im dritten Kapitel werden handlungsleitende Ansätze zuerst in
einer theoretischen Übersicht benannt und in einem zweiten Schritt aus der Perspektive
kritischer Sozialer Arbeit erläutert. Im vierten Kapitel erfolgt die Beantwortung des ersten Teils
der Frage, nämlich was unter Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit verstanden
wird. Im
fünften Kapitel wird der Frage nachgegangen, was unter Kindes- und
Erwachsenenschutz zu verstehen ist. Und zwar was darunter in der Schweiz verstanden wird,
und welche Funktionen daraus für die Soziale Arbeit entstehen. Im sechsten Kapitel wird der
Begriff der Hilfe im Kindes- und Erwachsenenschutz thematisiert. Im siebten Kapitel erfolgt
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
schliesslich die Beantwortung des zweiten Teils der Frage, nämlich welche Folgerungen sich
für den Kindes- und Erwachsenenschutz ergeben.
Erkenntnisse:
Die Soziale Arbeit kommt nicht darum, sich der Frage zu stellen, was ihr normativer Kern ist
und welche Aufgaben und Funktionen daraus erwachsen. Stellt sie sich diesen Anforderungen
nicht, läuft sie Gefahr, dass ihre Motivationen, Absichten und Ziele verschleiert bleiben und sie
Hand bietet, dass dieses Vakuum durch Fremdzuweisungen gefüllt wird. Inhalt, Form und
Ziele von Hilfe sind als gesellschaftlich bedingt zu sehen, welche in Diskursen verhandelt und
verfestigt werden. Daher ist es weiter notwendig, dass sich die Soziale Arbeit mit ihrem
Selbstverständnis auseinandersetzt und sich konfliktbereit in Diskurse einbringt.
Eine Soziale Arbeit welche sich im am Moment der Kritik orientiert, geht von einer
Gleichberechtigung des Wissens (wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen) aus, dass die
Fähigkeit zur Reflexionen eine Potenz aller Subjekte ist und dass die generativen Themen der
heutigen Zeit die der Herrschaft und Befreiung liegen. Daraus formt sich eine Praxis des
Dialoges
(Arbeit
am
Sozialen),
welche
davon
ausgeht,
dass
als
Ausgangspunkt
sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Handelns eine Aushandlung stattfindet, in
welcher
ein
gemeinsames
Drittes
und
eine
gemeinsam
zu
verantwortende
Grenzüberschreitung formuliert wird. Dies heisst, dass eine kritische Soziale Arbeit eine
paradigmatische Haltung einnimmt und sich in partizipativen Kooperations-Modellen
wiederfindet, welche auf gemeinschaftlichen (Hilfs-)Prozessen basieren. Von Interesse ist die
Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Problemlagen und einer Veränderung dieser.
Der Begriff der Hilfe als normative Orientierung wird von einer kritischen Sozialen Arbeit in
Frage gestellt. Stattdessen benennt sie die soziale Gerechtigkeit. Dies lässt sich in Bezug auf
ein Selbstverständnis Sozialer Arbeit, welches Emanzipation ins Zentrum ihrer Bestrebungen
stellt und auf Solidarität und Selbstregulierung zielt, schlüssig nachvollziehen.
Das Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle, welches als charakteristisch für die Soziale Arbeit
benannt wird, löst eine so genannte Orientierung, aufgrund der Verankerung im Sozialstaat,
nicht auf. Sie ermöglicht jedoch eine reflexive Auseinandersetzung damit, was unter diesem
Gegensatz verstanden wird und bietet Ansätze an, wie dieses zu Gunsten einer partizipativen
Haltung ausgestaltet werden kann.
Weiter lässt sich festhalten, dass die herausgearbeiteten Merkmale, in Bezug auf den Begriff
der Hilfe aus der Perspektive einer kritischen Sozialen Arbeit und dem Begriff der Hilfe wie er
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
im KES benannt wird, in einem grundsätzlichen Widerspruch stehen. Im KES findet sich eine
starke Betonung der Hilfebedürftigkeit, der Begriff des Schwächezustandes erinnert an eine
medizinische Diagnose. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Begriff an traditionelldiagnostischen Ansätzen orientiert und so legitimiert, zu wissen was für betroffene Personen
wichtig und richtig ist. Aus Sicht einer kritischen Sozialen Arbeit geht es jedoch darum, Hilfe
(und Kontrolle) in den Fokus struktureller Bedingungen zu stellen. Es ist unzulässig,
Problemsituationen aus einer individualisierenden und korrigierenden Perspektive zu
interpretieren. In den Fokus rücken Bedingungszusammenhänge, individuelles Leid und die
Einschränkung der individuellen Entwicklungsmöglichkeiten.
Es wird deutlich, dass eine kritische Soziale Arbeit auch im Tätigkeitsfeld des KES, die Werte
der Solidarität und Selbstregulation als Grundlage ihres Handelns ansieht. Sie verfolgt das Ziel
einer sozial gerechten Gesellschaft und problematisiert daher Bedingungen, welche diesen
Bestrebungen entgegenwirken.
Literaturquellen (Auswahl):
Bettinger, Frank. (2012). Bedingungen kritischer Sozialer Arbeit. In Roland Anhorn, Frank
Bettinger, Cornelis Horlacher & Kerstin Rathgeb (Hrsg.), Kritik der Sozialen Arbeit –
kritische Soziale Arbeit (S.163-190). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Cremer-Schäfer, Helga, Kessl, Fabian, May, Michael & Scherr, Albert. (2014). Über den Sinn
der Streitbarkeit in Fragen von Kritik und Reflexivität. Eine virtuelle Diskussion.
Widersprüche 34 (132), S.11-48.
Stender, Wolfram. (2013). Modelle kritischer Handlungswissenschaft. Silvia Staub-Bernasconi,
Timm Kunstreich und Hans Thiersch im Vergleich. In Stender, Wolfram & Kröger,
Danny, Soziale Arbeit als kritische Handlungswissenschaft. Beiträge zur (Re-)
Politisierung Sozialer Arbeit (S.95-118). Hannover: Blumhardt Verlag
Häfeli, Christoph. (2014). Ein Jahr neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Eine
Zwischenbilanz und Perspektiven. SozialAktuell, 46 (1), S. 10-12.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Vorwort
«Niemand kann über seine Lebensumstände beliebig verfügen,
aber wir sind frei,
diese Begrenzungen zu erkennen, um
– stets Objekt und Subjekt zugleich –
die Subjektanteile zu vermehren und zu erweitern.»
Erhard Meueler, Die Türen des Käfigs
Eine Bachelorarbeit mit dem Thema kritische Soziale Arbeit zu schreiben war keine einfache
Entscheidung. Gross waren die Bedenken, mich in dem komplexen Feld zu verlieren.
Ebenfalls gross die Sorge, den anspruchsvollen Texten dieser Positionen nicht zu genügen.
Weiter spielte die als schwierig vermutete Anschlussfähigkeit der vorzufindenden Literatur an
die Praxis Sozialer Arbeit eine bedeutende Rolle. Dennoch entschied ich mich eine Arbeit
dazu zu schreiben. Während des Studiums wuchs mein Interesse in Bezug auf Positionen,
welche sich auf Kritik bezogen. Vor allem Fragen über Selbstverständnisse Sozialer Arbeit
beschäftigten mich stark. Bewusst sein darüber, sehe ich als Grundlage von Professionalität.
Fragen darüber sind für mich jedoch auch am Ende des Studiums zu wenig diskutiert und klar.
Der Versuch einer Positionierung, eröffnet die Möglichkeiten zur eigenen Reflexion und zur
Diskussion, und damit zu einer aktiven Bearbeitung dieser Position.
Weiter war der Übergang von Studium zum Tätigwerden in der Praxis ein Motivationsgrund,
das Thema kritische Soziale Arbeit zu wählen und zu vertiefen. Ich gehe von der Annahme
aus, dass eine Position, welche sich auf Kritik bezieht, in der Sozialen Arbeit der Schweiz eine
schwierige ist. Eine Vertiefung soll beitragen, weitere Argumente und Wissen darüber zu
erarbeiten.
Die Zweifel über die Komplexität des Themas bleiben, jedoch entschied ich mich, dass dies
kein Argument ist, es nicht zu wagen. Das Zitat von Meueler soll während der Erarbeitung des
Themas als Motivation dienen, mich dem komplexen Thema anzunähern, mich mit
Begrenzungen aktiv auseinanderzusetzen und Neues zu wagen.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Einleitung und Fragestellung
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Unklarheit und das Interesse darüber, was denn Soziale
Arbeit als Kern ihrer Tätigkeit sieht. Der Begriff der Hilfe bietet sich an, aufgrund seiner
Unschärfe eine Klärung zu versuchen. Der Begriff der Hilfe zählt zweifellos zu den
gebräuchlichsten Begriffen innerhalb der Sozialen Arbeit und zählt auf eine lange Tradition
(vgl. Gängler, 2011, S.609). Diesem Begriff wird in der Abhandlung ein Selbstverständnis
Sozialer Arbeit gegenübergestellt, welches sich auf das Kriterium der Kritik beruft. Dies
bedeutet eine Orientierung an einer wissenschaftlichen Tradition, die «das utopische Ziel einer
vernünftigen Gesellschaft» hat. Von zentraler Bedeutung ist die Emanzipation der Menschen.
In den Fokus rücken Analysen, welche die Diskrepanz zwischen dem Ziel und den realen
Zuständen aufzeigen. Für die Soziale Arbeit ist dadurch von Bedeutung, dass sie ihren Zweck
in der Mündigkeit des Subjektes sieht. Diese Mündigkeit bezieht sich jedoch nicht alleine auf
das Subjekt, sondern auf die Gesellschaft als Ganzes (vgl. Hirtz, 2011, S.24-25). Weiter ist
von Interesse, welche Folgerungen diese beiden Themenfelder in Bezug auf Tätigkeitsfelder
der Sozialen Arbeit haben. Für diese Abhandlung wurde der Kindes- und Erwachsenenschutz
ausgewählt.
Es
wird
davon
ausgegangen,
dass
dieses
Tätigkeitsfeld
besondere
Spannungsfelder für die Soziale Arbeit aufweist. Dies aufgrund des Zwangskontextes, welcher
Teile der Arbeit kennzeichnet, jedoch auch in Bezug auf die Aufgaben der Einschätzungen,
Abklärungen und Bearbeitung von komplexen Problemsituationen welche die Sozialen Arbeit
betrifft.
Folgende Fragestellungen leiten die Arbeit:
•
Was wird unter dem Begriff der Hilfe, aus der Perspektive einer kritischen Sozialen Arbeit,
verstanden?
•
Welche Folgerungen ergeben sich daraus für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und
Erwachsenenschutzes?
Das erste Kapitel widmet sich der Frage, was unter kritischer Sozialer Arbeit verstanden wird.
Zentrale Merkmale wie Aktualität, Kritik oder normative Begründung werden benannt und
erläutert. Im zweiten Kapitel wird der Begriff der Hilfe thematisiert. Verschiedene Stufen der
Hilfe werden benennt und in der Folge die Hilfe in der Sozialen Arbeit verortet. Weiter erfolgt
eine Differenzierung, was unter Hilfe verstanden wird. Im dritten Kapitel werden
handlungsleitende Ansätze zuerst in einer theoretischen Übersicht benannt und in einem
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
zweiten Schritt aus der Perspektive kritischer Sozialer Arbeit erläutert. Im vierten Kapitel
erfolgt die Beantwortung des ersten Teils der Frage, nämlich was unter Hilfe aus der
Perspektive kritischer Soziale Arbeit verstanden wird. Im fünften Kapitel wird der Frage
nachgegangen, was unter Kindes- und Erwachsenenschutz zu verstehen ist. Und zwar was
darunter in der Schweiz verstanden wird, und welche Funktionen daraus für die Soziale Arbeit
entstehen. Im sechsten Kapitel wird der Begriff der Hilfe im Kindes- und Erwachsenenschutz
thematisiert. Im siebten Kapitel erfolgt die Beantwortung des zweiten Teils der Frage,
nämlich welche Folgerungen sich für den Kindes- und Erwachsenenschutz ergeben.
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Literaturarbeit. Es ist zu betonen, dass es
sich bei der Arbeit um eine Annäherung an ein Selbstverständnis Sozialer Arbeit handelt,
welche sich an dem Kriterium der Kritik orientiert, dies kann jedoch in keinster Weise
abschliessend sein, sondern lediglich ein Versuch diese Perspektive zu ergründen. Weiter gilt
für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und Erwachsenenschutz der Hinweis, dass der Begriff der
Hilfe von Interesse ist. Viele weitere ebenfalls relevante Themenbereiche müssen aufgrund
der Komplexität ausgeklammert werden.
Auf eine Begriffserklärung zu Beginn der Arbeit wird verzichtet, da die Arbeit die Klärung von
zwei Hauptbegriffen, nämlich die der kritischen Sozialen Arbeit und der Hilfe als Ziel verfolgt.
In der Arbeit wird jeweils die Schriftweise mit einem Gender Gap verwendet (Beispiel:
Adressat_in). Dies erscheint der Autorin im Rahmen einer Bachelorarbeit für Soziale Arbeit als
angemessen.
Weiter wird Soziale Arbeit jeweils für die Sozialpädagogik wie für die Sozialarbeit verwendet.
Die Fragestellung liegt beiden Bereichen zugrunde. Wird in Zitaten auf den jeweiligen Bereich
oder die jeweilige Tradition verwiesen, wird dies so beibehalten.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
1 Kritische Soziale Arbeit
Dieses Kapitel widmet sich der Erläuterung, was unter kritischer Sozialer Arbeit zu verstehen
ist. Folgendes Zitat beschreibt eine erste Position kritischer Sozialer Arbeit: «Wir sind
Sozialarbeitende im Raum Zürich (Schweiz), verstehen uns als parteilich für sozial
Benachteiligte und setzen uns für eine sozial gerechtere Gesellschaft ein. Damit kritisieren wir
eine Soziale Arbeit, die sich zum blossen Spielball einer neoliberalen Politik macht. In diesem
Sinne wollen wir uns organisieren und einen Raum öffnen für Diskussion, Austausch und
Organisierung, um uns als Sozialarbeitende gegen Sparmassnahmen und Sozialabbau zu
wehren» (Forum für kritische Soziale Arbeit Zürich [kriso], 2014).
Sie benennen damit eine parteiliche Position, welche sie in Bezug auf Problemlagen von
Adressat_innen Sozialer Arbeit, einnehmen. Weiter finden sich erste Angaben zu
gesellschaftlichen Entwicklungen und darauf, wie sich die Soziale Arbeit dazu verhält. Die
Orientierung an einer sozial gerechteren Gesellschaft zeigt einen weiteren Orientierungspunkt
auf.
Die Frage stellt sich, wie die Soziale Arbeit auf die angedeuteten gesellschaftlichen
Entwicklungen reagiert. Wyss hält fest, dass sich die Soziale Arbeit in einer akuten Krise
befindet. Es stellt sich, so seine Folgerung, verstärkt die Frage nach einer kritischen Sozialen
Arbeit. Als Reaktion auf diese von Wyss angedeutete Krise, sind in verschiedenen Städten –
auch in der Schweiz – Gruppierungen, Bewegungen oder Foren mit dem Ziel gegründet
worden, eine kritische Soziale Arbeit zu fördern (vgl. Wyss, 2014).
In Deutschland gilt der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit AKS als bekanntester
Zusammenschluss. Daneben gibt es aber auch zahlreiche lokale und themenspezifische
Bündnisse, zum Beispiel die Soltauer Initiative oder das Bremer Bündnis Soziale Arbeit (vgl.
Cremer-Schäfer, Kessl, May & Scherr, 2014, S.14).
In Österreich findet sich zum Beispiel der Verein kriso, welche Soziale Arbeit als
vielschichtiges Theorie- und Praxisfeld sieht, sich der Förderung der menschlichen
Entwicklung verpflichtet und sich mit individuellen Krisen und sozialen Problemlagen
auseinandersetzt (vgl. Hammer, Bakic & Diebäcker, 2012, S.213).
Auch in der Schweiz finden sich seit nicht allzu langer Zeit Foren für kritische Soziale Arbeit
(z.B. kriso Bern, kriso Zürich oder kriso St.Gallen).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Im Folgenden soll der Entstehung und Aktualität kritischer Sozialer Arbeit nachgegangen
werden.
1.1
Aktualität der Strömungen kritischer Sozialer Arbeit
Welche Angaben finden sich in Bezug auf die Aktualität kritischer Sozialer Arbeit? Kessl hält
fest, dass «Kapitalismuskritik» urplötzlich zu einer Modeerscheinung geworden sei und weist
auf
feuilletonistische
und
wissenschaftliche
Reaktionen
hin,
welche
auf
die
finanzwirtschaftliche Krise OECD-Staaten seit 2008 Bezug nehmen. Kessl hält weiter fest,
dass sich in den letzten Jahren eine wachsende Zahl an Beiträgen in den Debatten um
Soziale
Arbeit
finden,
welche
explizit
der
Frage
nach
einer
gesellschafts-
und
herrschaftskritischen Perspektive nachgehen. Bezugspunkt sieht er in einer «aktivierenden
Sozialstaatspolitik», welche zu dieser Zeit zur Etablierung kam (vgl. Cremer-Schäfer, Kessl,
May & Scherr, 2014, S.13-14).
Demgegenüber hält May fest, dass dieser Trend vorsichtig zu konstatieren ist. Zum Beispiel
finde sich in der vierten, völlig überarbeiteten Auflage des «Handbuch Soziale Arbeit»,
welches für sich beanspruche, den aktuellen Diskussionsstand in Profession und Disziplin1
breit zu bündeln, sowie in Tholes Grundriss Sozialer Arbeit, kein eigenständiger Beitrag zu
Kritik oder kritischer Sozialer Arbeit. May betont weiter, dass sich zur Zeit viel auf Bourdieu
und Foucault bezogen würde, während andere Traditionslinien der Kritik, welche an eine
undogmatische Marxrezeption anknüpfen, aus seiner Sicht eher in Vergessenheit geraten (vgl.
Cremer-Schäfer et al., 2014, S.16).
Es ist hervorzuheben, dass in Handbüchern Sozialer Arbeit, welche aktuelle Diskussionen in
Bezug auf Profession und Disziplin wiedergeben, keine Beiträge unter dem Begriff kritische
Soziale Arbeit zu finden sind.
Anhorn, Bettinger, Horlacher und Rathgeb (2012) erklären dennoch ein Aufkommen von
«Kritik» in der Sozialen Arbeit. Dies aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen. Sie benennen
eine
nationale
wie
internationale
neoliberale
Restrukturierung,
welche
soziale
Konfliktverhältnisse verschärft, Ungleichheitsstrukturen vertieft und verfestigt, wie auch
1 Soziale Arbeit wird als eine praxisorientierte Profession und eine wissenschaftliche Disziplin
verstanden. Deren Ziel die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Gerechtigkeit oder der
Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Grundlage bieten Theorien aus Sozialwissenschaften,
Geisteswissenschaften oder indigenem Wissen (vgl. Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.
[DBSH], 2014).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Ausschliessungsprozesse intensiviert. Nebst diesen Entwicklungen bezeichnen sie historisch
einmalige Rationalisierungsschübe innerhalb der Sozialen Arbeit als verantwortlich dafür, dass
«Kritik» auf breitere Resonanz stösst. Diese Rationalisierungsschübe zeigen sich in Gestalt
einer Managerialisierung 2 , Bürokratisierung und Taylorisierung 3 der Arbeitsabläufe und
werden von der Sozialen Arbeit als (mehr oder weniger subtil verdeckte) erweiterte Kontrolle,
als fortschreitende Einschränkung der «professionellen Autonomie», als Technokratisierung
und insgesamt als deutlich verstärkter Legitimationsdruck wahrgenommen (vgl. S.2-3).
Die Aussagen von Anhorn et al. benennen zwei Dimensionen, welche als Ausgangspunkte
einer wachsenden Kritik zu sehen sind. Zum einen gesellschaftliche Veränderungen einer
neoliberalen Restrukturierung, welche einschneidende Konsequenzen in die Lebensgestaltung
der Menschen nimmt. Zum andern benennen sie Veränderungen, welche die Soziale Arbeit in
Profession und Disziplin treffen. Diese Veränderungen zeigen ebenfalls einschneidende
Konsequenzen. Es gilt zum Beispiel eine professionelle Autonomie zu verteidigen. Ebenfalls
ergibt sich daraus eine unbequeme Situation, wenn vermehrt Legitimität gefordert wird. Dies
zeigt sich aktuell z.B. entlang von finanziellen Kürzungen.
Im weiteren Verlauf der Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Soziale Arbeit
die genannten Entwicklungen mitproduziert oder eben als kritische Soziale Arbeit zur
Emanzipation beitragen kann. Dabei soll im Folgenden auf verschiedene Verständnisse
kritischer Sozialer Arbeit eingegangen werden.
1.2
Grundlegende Verständnisse kritischer Sozialer Arbeit
Gemäss Wyss (2014) finden sich zwei grundlegende Verständnisse kritischer Sozialer Arbeit.
Er benennt dabei einerseits eine kritische Soziale Arbeit als eine kritische Theorie der
Sozialen Arbeit (1). Und andererseits eine kritische Soziale Arbeit als eine, welche sich kritisch
absetzt von der vorherrschenden Sozialen Arbeit (2).
2 Unter der «Managerialisierung» können Ausformulierungen der so genannten Neuen
Steuerungsmodellen (fortgeschrittener Liberalismus) im öffentlichen Sektor verstanden werden. Es
wird gefordert, Wissen in eine Sprache von Kosten und Nutzen zu übersetzten (vgl. Otto & Ziegler,
2011, S.901).
3 Der «Taylorismus» stellt ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickeltes Modell einer Planung von
Arbeitsabläufen dar, welches mit einer wissenschaftlich begründeten Zergliederung, Standardisierung
und Neuorganisierung von Arbeitsprozessen auf eine nachhaltige Steigerung von Effizienz und
Effektivität der Produktion (und somit der Profitsteigerung) zielt. Zu finden ist dies in der Sozialen
Arbeit in der Zergliederung, Standardisierung und Kontrolle des «Produktionsprozesses» von «Hilfe»
in der Gestalt von obligatorischen Hilfeplanungen, Dokumentationspflicht, Budgetierung von Geld und
Zeit, Qualitätsmanagement, Evaluationserfordernisse usw. (vgl. Anhorn, Bettinger, Horlacher &
Rathgeb, 2012, S.2).
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Kritische Theorie der sozialen Arbeit
In diesem Verständnis geht es darum, dass die kritische Theorie die Soziale Arbeit
dahingehend kritisiert, welche auf Folgen der gesellschaftlichen Widersprüche nur reagiert,
jedoch nicht auf die Widersprüche selber eingehen kann. Die Utopie einer freien Gesellschaft
besteht jedoch darin, dass die gesellschaftlichen Widersprüche aufgehoben sind und es als
Folge Soziale Arbeit gar nicht mehr bräuchte, die Gesellschaft selber wäre sozial. Die Soziale
Arbeit wird also von der kritischen Theorie grundsätzlich in Frage gestellt. Dabei zeigt sie auf,
dass die praktische Soziale Arbeit nicht mehr vermag, als die Folgen dieser Widersprüche auf
die Menschen im besseren Fall zu lindern, im schlechteren Fall zu verstärken (vgl. Wyss,
2014).
Kritische Soziale Arbeit als eine von der vorherrschenden Sozialen Arbeit kritisch sich
absetzende Soziale Arbeit
Wyss benennt die heute vorherrschende Soziale Arbeit als zunehmend eine, welche sich
höchst unsozial gegenüber den Ausgegrenzten der Gesellschaft verhält. Indem eine kritische
Soziale Arbeit dem vorherrschenden «unsozialen» der Sozialen Arbeit eine gleichsam
«soziale» Soziale Arbeit entgegen zu stellen versucht, setzt sie sich von dieser repressiven
Sozialen Arbeit ab. Eine kritische Soziale Arbeit in diesem Verständnis zielt nicht, wie das
vorher erwähnte Verständnis auf die Utopie einer gesellschaftlich aufgehobenen Sozialen
Arbeit, sondern primär auf eine qualitativ gute Soziale Arbeit (vgl. Wyss, 2014).
Ein Dilemma zeigt sich, wenn davon ausgegangen wird, dass jede Soziale Arbeit
systemstabilisierend ist und es daher keinen Zweck hat, Verbesserungen anzustreben. Da
jede Form der Sozialen Arbeit von den gesellschaftlichen Grundwidersprüchen ablenke und so
zur Stabilisierung des Bestehenden beiträgt. Dem entgegnet Wyss, dass gesellschaftliche
Widersprüche auch unabhängig davon kritisiert werden können, ob in einem Bereich der
Sozialen Arbeit für Reformen gekämpft wird oder nicht. Umgekehrt ist festzuhalten, dass nicht
unterschätzt werden darf, dass jeder eingenommene Standpunkt kritischer Sozialer Arbeit ein
gesellschaftlich durchdrungener ist und in jedem Moment zu einem festen Moment des
allgemein Vorherrschenden werden kann (vgl. Wyss, 2014).
Eine grosse Gefahr besteht gemäss Wyss darin, dass diese beiden Verständnisse
gegeneinander ausgespielt werden. Es ist jedoch unumgänglich, dass kritische Sozialer Arbeit
beide Verständnisse berücksichtigt, beide gleichzeitig betreibt. Mit dem Wissen, dass das eine
Verständnis das andere immer auch in Frage stellt. Es gilt, den Zwang eines solchen
Widerspruches auszuhalten (vgl. Wyss, 2014).
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Dieser Benennung der Grundlegenden Verständnisse kritischer Sozialer Arbeit folgen
ergänzende Angaben von Anhorn, Bettinger, Horlach & Rathgeb (2012) zu dem Verhältnis von
Theorie und Tradition. Sie betonen, dass eine Theorie Sozialer Arbeit zunächst negativ als
bedingungslose Kritik der Sozialen Arbeit zu formulieren sei. Dieser Anspruch beinhaltet eine
Absage an eine «naive» – wenn auch in der Sozialen Arbeit weit verbreitete – Vorstellung
eines bruchlosen Verhältnisses von Theorie und Praxis. Wissenschaftlich-theoretisches
Wissen kann keine Anleitung zu sozialtechnischen Anwendungen und handlungsleitendem
sozialarbeiterischem Nutzen anbieten. Vielmehr geht es um die Untersuchung sozialer Praxen
(vgl. S.9). Steinert (1998) wird folgendermassen in Anhorn et al. (2012) zitiert: «(...) nicht das
Hervorbringen von Grundwissen, auf das sich die Praxis in der Anwendung stützen könnte,
sondern umgekehrt die Untersuchung der Praxis und die Analyse ihrer Voraussetzungen und
Selbstverständlichkeiten (...) Nicht die Wissenschaft wird auf eine soziale Praxis angewendet,
sondern die Praxis wird wissenschaftlich untersucht und reflektiert» (S.9).
Zum Schluss soll hier die Problematik festgehalten werden, dass die – verständliche –
Ungeduld, welche der Wille zum «Praktisch werden» antreibt, die Gefahr mit sich bringt, das
Potenzial der Kritik, ihrer Grundsätzlichkeit und ihrer Reichweite aus pragmatischer Haltung
heraus nicht auszuschöpfen oder zu beschneiden (vgl. Anhorn et al., 2012, S.9). Die
Anforderungen an Professionelle der Sozialen Arbeit sind gross, diesen Widerspruch vor
Augen zu halten, zu analysieren und in seiner Konsequenz auch auszuhalten. Daher ist es
von besonderer Bedeutung sich immer wieder beide Verständnisse kritischer Sozialer Arbeit
vor Augen zu halten. Dies gerade in Zeiten verstärkten Legitimationsdrucks und schwindender
(Zeit-) Ressourcen.
Im Folgenden soll auf den Begriff der Kritik, der einer kritischen Soziale Arbeit zugrunde liegt,
eingegangen werden.
1.3
Kritik
Autor_innen, welche sich in ihrer Position auf «Kritik» beziehen, greifen nicht auf eine einzige
Traditionslinie zurück. Vielmehr zeichnen sich die Arbeiten aus durch eine Vielfalt an Bezügen.
Cremer-Schäfer, Kessl, May & Scherr nennen etwa die Denktradition der Frankfurter Schule
(Adorno, Horkheimer), des Neomarxismus, Interaktionismus-Theorien, Etikettierungsansatz
und Denker wie Ernst Bloch, Peter Brückner, Pierre Bourdieu, Michel Foucault und weitere.
Ausschlaggebend ist für Cremer-Schäfer das Potential, welches eine Denktradition mitbringt,
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/ 14
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
um zur Selbstaufklärung von Wissenschaft beizutragen (vgl. Cremer-Schäfer et al., 2014,
S.32-36).
Scherr (2012) hält fest: «Die grundlegende Zielsetzung, die gegebenen gesellschaftlichen
Verhältnisse kritisch, d.h. als Ursache von Ungleichheit und Ungerechtigkeit, von
Einschränkungen
individueller
Autonomie,
Beschädigungen
und
Verletzungen
von
Menschenwürde und Menschenrechten und damit als Ursache sozialer Probleme und
individuellen Leidens in den Blick zu nehmen, wird in den Sozialwissenschaften von höchst
unterschiedlichen Theorien geteilt, die mit uneinheitlichen theoretischen und normativen
Grundannahmen operieren» (S.107).
Daher sollen im nächsten Abschnitt zunächst verschiedene Formen der Kritik aufgezeigt
werden um anschliessend eine Eingrenzung im Hinblick auf die vorliegende Arbeit
vorzunehmen.
1.3.1
Formen der Kritik
Unterschieden werden kann zwischen einer wissenschaftsinternen Erkenntniskritik, einer Kritik
von Alltagswissen, Dogmen, Mythen, Diskursen und Ideologien, einer politischen Kritik und
einer Gesellschaftskritik (vgl. Scherr, 2012, S.112-113). Alle vier Formen sind für eine kritische
Soziale Arbeit relevant, von besonderer Bedeutung für die vorliegende Arbeit erweist sich die
Gesellschaftskritik.
In Bezug auf eine Gesellschaftskritik hält Scherr fest, dass der kleinste gemeinsame Nenner
darin gesehen werden kann, dass Struktur und Dynamik gesellschaftlicher Ordnung
umfassend problematisiert werden. In den Blick geraten Bedingungszusammenhänge
vielfältiger sozialer Missstände, individuelles Leiden und Einschränkung individueller
Entfaltungsmöglichkeiten (vgl. Scherr, 2012, S.113).
Cremer-Schäfer hält fest, dass «soziale Ordnung», gerne als neutraler Begriff verwendet wird,
als notwendiger gesellschaftlicher Zustand. Sie weist darauf hin, dass das Wort jedoch auf
historisch spezifische Muster einer Herrschaftsordnung verweist und auf die damit
durchgesetzten Bedingungen der Zugehörigkeit, Möglichkeiten des sozialen Ausschlusses,
auf (mehr oder weniger) legitimierte Formen der sozioökonomischen Ungleichheit oder auf
umkämpfte oder als selbstverständlich hingenommene Herrschaftsverhältnisse. Zu diesen
gehören benützte oder abgewehrte Herrschaftstechniken, welche Institutionen verwalten und
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/ 15
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
anwenden (Strafe, Kontrolle, disziplinierende Investitionen in die Arbeitskraft). Selten, so hält
Cremer-Schäfer weiter fest, drehen sich Fragen zur Befreiung um «alles oder nichts», sondern
um unterschiedliche Formen der (begrenzten) Teilnahme an (verbesserter) Herrschaft und um
Möglichkeiten der Nicht-Teilhabe (dazu mehr unter Kapitel 1.3.3) (vgl. Cremer-Schäfer et. al.,
2012, S.81-82). Diese Vorstellung von Ordnung ist für die weitere Auseinandersetzung von
zentraler Bedeutung. Denn die Soziale Arbeit ist in diese Prozesse stets eingebunden und Teil
der Entwicklungen. Eine Reflexion der Herrschaftsordnung und der damit einhergehenden
Bedingungen ist unabdingbar, wenn sich kritische Soziale Arbeit mit dem Ziel einer mündigen
Gesellschaft identifizieren will.
Scherr (2012) betont, dass sich die heterogenen Varianten der Gesellschaftskritik nebst der
theoretischen Grundlage auch dahingehend unterscheiden, welche normativen Massstäbe sie
der Kritik anlegen (vgl. S.113). Dies wird im Kapitel 1.4 Thema sein.
1.3.2
Die Kunst nicht dermassen regiert zu werden.
Wenn eine Gesellschaftskritik auf die Kritik der vorherrschenden sozialen Ordnung abzielt und
diese, wie oben beschrieben, nicht als neutrale Gegebenheit, sondern als Herrschaftsordnung
betrachtet wird, rückt die Frage nach der Erzeugung von Herrschaft in den Mittelpunkt. Im
Folgenden soll daher auf Foucaults Analysen moderner Macht- und Herrschaftsformen
eingegangen werden.
In seinen Analysen wird ein Bezugsrahmen von Kritik verwendet, in dem sich keine
Beurteilungskriterien eines «Besseren» oder «Schlechteren» finden; es kann bestenfalls die
Rede von einer Veränderung zum «Anderen» sein. Dieses kritische Verschieben der
Veränderungsperspektive vom wertenden «Besseren» zum unbestimmten «Anderen» zeigt
sich spezifisch im Begriff von «Regierung». Kunstreich (2013) zitiert Foucault (1992)
folgendermassen: «Wenn man diese Bewegung der Regierbarmachung der Gesellschaft und
der Individuen historisch angemessen einschätzt und einordnet, dann kann man ihr (...) das
zur Seite stellen, was ich eine kritische Haltung nenne. Als Gegenstück zu den
Regierungskünsten4 (...) ist (...) eine Kulturform entstanden, eine moralische und politische
Haltung, eine Denkungsart, welche ich nenne: (...) die Kunst, nicht dermassen regiert zu
werden» (S.83-84). Eine solche Entschlüsselung von Kritik als Verhalten, als Haltung, als
4 Foucault setzte sich ausführlich mit der Frage auseinander, «wie man reagiert» (Kinder, Alte,
Familien, Staaten, den eigenen Körper usw.). Auf diese Frage habe die Vervielfältigung aller
Regierungskünste, sowie die Vervielfältigung aller Regierungseinrichtungen geantwortet (vgl.
Kunstreich, 2013, S.83).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 16
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Praxis ist nicht einfach, so Kunstreich. Er beschreibt, dass sie sich oft in stummen Protesten
äussert («psychisch Kranke», Rebellion Jugendlicher usw.), in Verhaltensweisen, welche die
Regierungskunst der Sozialen Arbeit zum Beispiel als Auffälligkeiten, Defizite und Störungen
beschreibt (vgl. Kunstreich, 2013, S.84).
In diesem Verständnis von Kritik sind es gerade auch die Adressat_innen Sozialer Arbeit die
durch ihr Verhalten bestehende Herrschaftsformen in Frage stellen. Die Frage stellt sich, in
welchem Verhältnis die Professionellen der Sozialen Arbeit zu dieser «praktischen Kritik»
stehen. Eine mögliche Antwort bietet Cremer-Schäfer an, wenn sie kritische Praxen als
«Distanzierung von Herrschaftsarbeit» beschreibt.
1.3.3
Distanzierung von Herrschaftsarbeit
Cremer-Schäfer votiert für eine Trennung von Kritikformen und Formen widerständiger
Praktiken welche Menschen im Alltag und der Arbeit in gesellschaftlichen Institutionen
entwickeln. Ein solcher Ober-Begriff wirke zwar abstrakt, jedoch bringe er den Vorteil mit sich,
Hierarchien zwischen widerständigen Praktiken des Alltags, skandalisierender/politischer Kritik
von Protestbewegungen und wissenschaftlicher Kritik zu vermeiden. Wenn nun Akteur_innen
der Sozialen Arbeit Vorstellungen entwickeln (aufgrund von Erfahrungen und Wissen), wie
sich Soziale Arbeit gegen herrschende Prinzipien und Logiken der Institutionen organisieren
lässt – und damit dem, was Menschen als Ressourcen brauchen würden näher kämen – sieht
sie dies als Möglichkeit einer kritischen Sozialen Arbeit (vgl. Cremer-Schäfer et al., 2014,
S.28).
Sie benennt weiter, dass es in gesellschaftlichen Institutionen selten um gänzliche Befreiung
und Abschaffung von Herrschaft geht, sondern um verschiedene Formen der begrenzten
Mitarbeit (Reformation, Modernisierung, verbesserte Praxis). Es geht bei Betroffenen wie bei
Akteur_innen laut Cremer-Schäfer um die Möglichkeit einer erweiterten Nicht-Teilnahme: «um
Widerspenstigkeit, Aufsässigkeit, Ausbruchversuche bis hin zur Widerständigkeit, zu Protest
und Kritik von Einrichtungen, die erziehen und disziplinieren, helfen und konformieren, strafen
und reglementieren usw.» (vgl. Cremer-Schäfer et al., S.28-29).
Damit benennt die Autorin eine Position, welche es ermöglicht, unterschiedliche Formen der
Kritik zu erkennen, zu benennen und auf ihr Potential hin zu prüfen. Mit der Annahme, dass
alle drei Formen (widerständige Praktiken des Alltags, skandalisierende/politische Kritik von
Protestbewegungen und wissenschaftliche Kritik) dasselbe Ziel verfolgen, eröffnen sich für
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen Möglichkeiten, ihre Analyse und ihre
Tätigkeiten einzuordnen und handlungsfähig zu werden.
1.4
Normative Begründung
Wie unter Kapitel 1.3.1 bereits angesprochen, kommt kritische Soziale Arbeit nicht um eine
Auseinandersetzung mit normativen Begründungen umher. Wie geht eine kritische Soziale
Arbeit, respektive eine kritische Theorie Sozialer Arbeit mit normativen Massstäben um?
Kritik, so Cremer-Schäfer, setzt nicht voraus, dass man über unangreifbare und universelle
Massstäbe des Guten, Wahren und Schönen verfügt. Die Ausrichtung von Kritik an
Emanzipation (negativ bestimmt als Herrschaftskritik), die Gleichsetzung von kritischer mit
Befreiungstheorie ist alles, was ihrer Ansicht nach an Grundsätzen nötig ist. Darüber hinaus
braucht es keine weiteren Massstäbe, weil es nicht die Aufgabe ist, die «befreite Gesellschaft»
inhaltlich zu bestimmen. Deren Aussehen wird sich historisch entwickeln, indem um Befreiung
gekämpft und dabei gelernt wird (vgl. Cremer-Schäfer & Resch, 2012, S.99-100).
Entlang eines Beispiels soll diese Aussage weiter verdeutlicht werden. Die Soziale Arbeit
bezeichnet sich in ihrem Selbstverständnis oft als eine «Menschenrechtsprofession». Die
Berufung auf die Menschenrechte bildet wohl den grössten Konsens hinsichtlich einer
normativen Orientierung in der Sozialen Arbeit (vgl. Anhorn et al., 2012, S.18).
Aus der Perspektive einer kritischen Theorie Sozialer Arbeit wird nun eine so gelagerte,
normative Begründung verweigert. Dies heisst jedoch nicht, dass ein nicht-normatives
Verständnis vorhanden ist (vgl. Anhorn et al., 2012, S.18).
Die Besonderheit liegt in der folgenden Prämisse, welche Anhorn et al. (2012) als Differenz zu
Begründungsanstrengungen, welche ein Fundament zentraler und verbindlicher ethischer
Prinzipien zu festigen versuchen, benennen: «Die normative Orientierung einer kritischen
Sozialen Arbeit kann nicht aus abstrakten Normen wie z.B. den Menschenrechten abgeleitet
werden. Vielmehr bedarf es für eine kritische Soziale Arbeit „lediglich“ der eingehenden
Darstellung und Analyse der spezifischen, historisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit, die
innerhalb der konkreten individuellen und kollektiven Erfahrungen der Unterdrückung und
Ausbeutung, der Ausschliessung und Degradierung, der Widersprüche, Interessenskonflikte
und Machtungleichgewichte die Möglichkeiten der Emanzipation, der Autonomie, der sozialen
Gleichheit, der Partizipation sichtbar machen und in die Reichweite politisch-praktischer
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 18
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Realisierung rücken lassen» (S.18). In den Mittelpunkt rückt also der konkrete Mensch in
seinen historisch-gesellschaftlich bestimmten Verhältnissen und Erfahrungen. Und nicht der
abstrakte Mensch mit seinen universalen, unveräusserlichen Rechten (vgl. Anhorn et al.,
2012, S.18-19).
Mit dieser Prämisse beziehen die Autor_innen eine Position, welche eine Analyse von
weitverbreitet akzeptierten, verfestigten Normen ermöglicht. Sie weisen auf die Problematik
hin, dass zwischen «hochherzigen Absichtserklärungen» (wie den Menschenrechten) und der
Wirklichkeit (gesellschaftliche Realität) oft Diskrepanzen bestehen (vgl. Anhorn et al., S.19).
1.5
Fazit
Es kann festgehalten werden, dass sich kritische Soziale Arbeit auf unterschiedliche
Theorietraditionen bezieht. Dies hat zur Folge, dass die Autor_innen unterschiedliche
Analysen in Bezug auf Gesellschaft oder auf die Funktion von Kritik beschreiben und es stellt
eine besondere Herausforderung dar, sich innerhalb der Diskussionen zurechtzufinden. Hinzu
kommt eine vermutete inflationäre Verwendung des Begriffs der Kritik, welche es weiter
erschwert, Arbeiten einzuordnen. Was jedoch deutlich herausgearbeitet werden konnte, ist
das spezifische Merkmal kritischer Sozialer Arbeit, nämlich den Blick auf Diskrepanzen
zwischen dem Ziel einer mündigen Gesellschaft und den real vorzufindenden Zuständen zu
richten.
Im
Sinne
einer
Gesellschaftskritik
rücken
gesellschaftliche
Bedingungen
(Bedingungszusammenhänge vielfältiger sozialer Missstände, individuelles Leiden und
Einschränkung individueller Entfaltungsmöglichkeiten) in den Fokus, welche eine kritische
Soziale Arbeit analysiert, problematisiert und Veränderungen anstrebt. Somit nimmt eine
Kritische Soziale Arbeit eine Position ein, welche sich distanziert von individualisierenden
Theorien und Konzepten 5 , von Interesse sind vielmehr gesellschaftliche Verhältnisse und
Dynamiken.
Dass es in den Analysen und sozialen Praxen nicht darum geht, ein wertendes «Besseres» zu
benennen, sondern ein unbestimmtes «Anderes», zeigt eine weitere Charakteristik kritischer
Sozialer Arbeit auf. Gerade mit der Annahme, dass die Orientierung von Kritik an
Emanzipation als Grundsatz genüge, bringt sich kritische Soziale Arbeit in eine Position, in
welcher sie scharf kritisiert wird. Jedoch zeigt sich auch hier die Diskrepanz zwischen
5 Zu dieser Annahme folgend in Kapitel 2.1.2 weitere Erläuterungen.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 19
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
normativen Massstäben und der vorgefundenen Wirklichkeit als das Merkmal, worauf sich
kritische Soziale Arbeit fokussiert.
Weiter ist das Theorie-Praxisverhältnis im Kontext kritischer Sozialer Arbeit von einem schwer
auszuhaltenden Widerspruch geprägt. Die Annahme, dass aus Theorie keine Anleitungen zu
sozialtechnischem, sozialarbeiterischem Handeln erfolgen kann, bedeutet ein sich Einlassen
auf
Prozesse,
um
sich
in
einer
Haltung
wiederzufinden,
welche
dazu
ermutigt,
gesellschaftliche Entwicklungen zu prüfen und zu problematisieren. Dies bedeutet ein
Innehalten, und zwar in einer Zeit in welcher wenige Ressourcen dazu vorhanden sind. Den
Fokus zu wechseln und soziale Praxen als Ausgangspunkt der Analysen zu nehmen, bedeutet
für Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen eine aktive Auseinandersetzung mit der
eigenen Tätigkeit und nicht rein eine Anwendung vorgeschlagener Handlungsoptionen.
Das dies zu einer Überforderung und Frustration führen kann, ist verständlich. Und es kann,
wie von Kunstreich angesprochen, dazu führen, dass sich Kritik zu einer wissenschaftlichen
Position entwickelt und eine praktische Kritik verloren geht. Das Angebot von Cremer-Schäfer,
Kritik als «Distanzierung von Herrschaftsarbeit» zu betrachten, kann dem entgegen wirken.
Die
Benennung
der
Kritik
als
widerständige
Praktiken
des
Alltags,
als
skandalisierende/politische Kritik von Protestbewegungen und als wissenschaftliche Kritik
benennt unterschiedliche Formen und Qualitäten von Kritik. Werden diese drei Formen in
Konkurrenz zueinander gesehen, berauben sie sich ihrem innewohnenden Potential. Mit der
Einladung, alle drei Formen in der Funktion, nämlich in der «Distanzierung von
Herrschaftsarbeit» zu sehen, erzeugt eine Idee einer Handhabung des Widerspruches.
Eine Form der «Distanzierung von Herrschaftsarbeit» zeigt sich in der Auseinandersetzung mit
einer Nicht-Teilnahme als einer Form des Widerstands. Damit ist ein Fokus gesetzt, welcher
wenig diskutiert wird in aktuellen Diskursen Sozialer Arbeit. Die Frage stellt sich: Was wäre,
wenn die Soziale Arbeit nicht mitmacht in dem Moment, wo sie feststellt, dass die Tätigkeiten
nicht auf die Emanzipation der Menschen ausgerichtet sind6? Prozesse und soziale Praxen in
der Sozialen Arbeit aufgrund dieser erweiterten Perspektive zu analysieren und die Wirkung
einer Nicht-Teilnahme zu prüfen, könnte eine grosse Chance bilden.
6 Wenn sie denn Emanzipation als Ziel ihr Tätigkeiten hat. Dies ist nicht grundsätzlich anzunehmen,
sondern zeichnet sich als ein Merkmal kritischer Sozialer Arbeit aus.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 20
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
2 Hilfe in der Sozialen Arbeit
Gegenseitige Hilfe, wie auch materielle Unterstützung, Begleitung oder Betreuung waren stets
feste Bestandteile aller Gesellschaften und Kulturkreise und sind so alt wie die Geschichte der
Menschheit. Daraus lässt sich schliessen, dass Soziale Arbeit als ein universelles Phänomen
betrachtet werden kann, welches es seit jeher gegeben hat. Nicht unter dieser Bezeichnung,
jedoch mit demselben Inhalt («Hilfe») und derselben Form («persönliche Beziehung») (vgl.
Anhorn, 2012, S. 265).
Der Begriff der Hilfe ist in der Sozialen Arbeit weit verbreitet und findet sich in verschiedenen
Formen, Wortkombinationen oder Beschreibungen wieder, wenn es um die Tätigkeiten
Sozialer Arbeit geht. Thole (2011) benennt Hilfe denn auch als Kernaufgabe der Sozialen
Arbeit. Er hält fest: «Soziale Arbeit ist – vereinfacht formuliert – ein gesellschaftlich
vorgehaltenes Angebot an Hilfe, Unterstützung, Begleitung und Betreuung vornehmlich für
diejenigen Gesellschaftsmitglieder, denen autonom die Ressourcen für ein «gelungenes» und
«zufriedenstellendes» Leben nicht hinreichend zur Verfügung stehen oder denen diese
Ressourcen vorenthalten wurden (...)» (S.563).
Allerdings fehlt eine systematische Analyse des Begriffes, welche ihn zu einem theoretischen
Grundbegriff der Sozialen Arbeit ausbauen würde. Den Grund sieht der Autor darin, dass sich
der Begriff schwer abgrenzen lässt. Die Frage stellt sich zum einen, was ist sozialarbeiterische
oder sozialpädagogische Hilfe und was nicht. Und zum anderen, was ist professionelle und
was ist ehrenamtliche Hilfe (vgl. Thole, 2011, S.609).
Ein zentraler Aspekt im Zusammenhang mit Hilfe in der Sozialen Arbeit ist das Spannungsfeld
von Hilfe und Kontrolle. Laut Böllert (2011) geht es darum zu klären, wer oder was durch die
Soziale Arbeit kontrolliert wird, respektive, wem Soziale Arbeit als Hilfe hilft (vgl. S. 436).
2.1
Verortung des Begriffs der Hilfe
Das Wort Hilfe wird als ein altruistisches (selbstloses oder uneigennütziges) Verhalten
verstanden. Der Begriff geht etymologisch auf das Verb «helfen» zurück, das im semantischen
Umfeld von «stützen, unterstützen, fördern, beschirmen» anzusiedeln ist, so wird Kluge (2002)
in Gängler (2011) zitiert (vgl. S.609). Hilfe als Begriff ist alltagssprachlich stark präsent.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 21
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
2.1.1
Formen von Hilfe
Die Hilfe wandelte sich aufgrund von Strukturen und wechselseitigen Erwartungen. Von einer
reziproken persönlichen Hilfe mit dem Grundsatz «do ut des 7 », über eine moralisch
generalisierte Hilfe mit dem Grundsatz der religiösen Verpflichtung, hin zur Hilfe in modernen
Gesellschaften, namentlich zu gesetzlich definierten Hilfen, mit dem Grundsatz der
sozialstaatlichen Garantie (vgl. Mühlum, Bartholomeyczik & Göpel, 1997, S.27-28).
Nebst diesen Wandlungen, welche sich aufgrund sozialstruktureller Veränderungen – wie
räumliche Ausdehnung, Grösse, Unübersichtlichkeit oder Gefährdung des jeweiligen
Soziallebens – vollzogen, sind zwei weitere Kategorien in Bezug auf die Entwicklung des
Helfens zu berücksichtigen. Nämlich die der Motivation (Bereitschaft, sich den in Not
Geratenen zuzuwenden) und die der Ressourcen (verfügbaren Mittel). Diese Formen der
Hilfe, wie auch die Kategorien der Motivation und der Ressourcen sind nicht als objektive
Tatbestände alleine anzusehen. Denn «Hilfebedürftigkeit», wie auch «Hilfe» sind immer auch
subjektiv bestimmt (vgl. Mühlum et al., 1997, S.30).
Jede Gesellschaft entwickelt zudem einen eigenen Umgang mit «Hilfebedürftigkeit»
(verstanden als Unvermögen, den Massstäben der Gesellschaft zu entsprechen). Historisch
begann dies mit der Austilgung (Liquidation, Deportation) der Betroffenen. Diese wurde
abgelöst von der Zuweisung in Sonderpositionen (Kerker, Ächtung, Hospital), welche
schliesslich in einer Dynamisierung der Sonderpositionen mündete (Formen wie Bussen oder
Bewährung,
(Re)Sozialisierung
und
Therapie).
Diese
Entwicklung
ist
jedoch
nicht
kontinuierlich oder linear. Auch in der jüngeren Geschichte finden sich Beispiele, in welchen
Betroffene mit «Aussonderung, Sterilisation oder Liquidation» rechnen mussten. Es finden
sich bis heute widersprüchliche Reaktionen darauf, wie mit dem «Unvollkommenen»
umgegangen werden soll (vgl. Mühlum et al., 1997, S.30-31).
Folgende Abbildung zeigt unterschiedliche Orte fürsorglichen Handelns und der damit in
Zusammenhang gebrachten Motivation und Form des Helfens. Dies ist von Interesse, um die
Soziale Arbeit in diesen höchst unterschiedlichen Hilfeverständnissen zu verorten.
7 «Do ut des»; lateinisch = ich gebe, damit du gibst; steht im Ausdruck dafür, dass mit einer
Gegengabe oder einem Gegendienst gerechnet wird (vgl. Duden, 2015).
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/ 22
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Abbildung 1: Stufen der Entwicklung fürsorglichen Handelns (Quelle: Mühlum et al., 1997, S.31)
Wird die Soziale Arbeit nun in der oben aufgeführten Abbildung verortet, lässt sich festhalten,
dass der Staat den «Ort des fürsorglichen Handelns» bildet. Motivation und Form des Helfens
sind sozialstaatlich und es gilt der Grundsatz der sozialstaatlichen Garantie. Charakteristisch
ist weiter die Herausbildung von spezialisierten Sicherungssystemen.
2.1.2
Hilfe in der Sozialen Arbeit
Anhorn (2012) hält fest, dass Soziale Arbeit – und mit ihr ihre Formen der Hilfe – stets als ein
Produkt von gesellschaftlichen Entwicklungen zu verstehen ist, deren Geschichte mit einer
bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung verbunden ist, welche sich in Westeuropa
und Nordamerika seit Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzte. Aus der sich durchsetzenden
liberal-kapitalistischen Marktgesellschaft bildete sich ein personenbezogenes soziales
Hilfesystems heraus mit privaten und öffentlichen Institutionen und Initiativen, rechtlichpolitischen Regelungen, bürokratischen Verfahrensweisen, wissenschaftlichen Diskursen und
professionellen Praxen (vgl. S.225).
Die Soziale Arbeit – als institutionalisierte Reaktion auf die Konflikte und Widersprüche dieser
kapitalistischen Gesellschaftsform – stellte von Anfang an das Moment der individuellen,
persönlichen und erzieherischen Hilfe in den Mittelpunkt ihres Selbstverständnisses. Eine
Konzentration auf Einzelne und Familien bedingte spezifische individualisierende und
pädagogisierende Formen und Methoden zur Bearbeitung und Bewältigung der Konflikte (vgl.
Anhorn, 2012, S.225-226).
Diese Form der Hilfe, eine individualisierende und pädagogisierende «Abhilfe sozialer
Mängellagen» konnte sich, so der Autor weiter, nur im Rahmen des sozialstaatlichen
Arrangements so erfolgreich etablieren. Als Teil dieses Ensembles von sozialstaatlichen
Institutionen machte sich die Soziale Arbeit gesellschaftliche Regulierung – in Form von Hilfe
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
und
Unterstützung
und
gleichzeitig
Kontrolle
und
Disziplinierung
–
spezifischer
gesellschaftlicher Gruppen, welche die sozialstaatliche Sicherung nicht erreichte, zur Aufgabe.
Diese Gruppen – die «Verwahrlosten», die «Irren», die «Kriminellen» – wurden und werden
zum Gegenstand einer besonderen «Befürsorgung». Eine hegemoniale Tradition einer
individualisierenden und pädagogisierenden Sozialen Arbeit entstand, welche soziale Konflikte
und Widersprüche in individuelle und familiäre Probleme transformierte und weiterhin
transformiert. Diese «gängige» Form der Sozialen Arbeit erfordert zur Bearbeitung der
Problematik Kompetenzen der Beziehungsgestaltung, Initiierung von Verhaltens- und
Bewusstseinsveränderungen, Erziehung, Ressourcenerschliessung usw. (vgl. Anhorn, 2012,
S.226).
2.2
Inhalt, Modus und Ziel von Hilfe in der Sozialen Arbeit
Wie eingangs erwähnt, fehlt eine systematische Analyse des Begriffs der Hilfe, welche ihn zu
einem theoretischen Grundbegriff Sozialer Arbeit machen würde. In einer Analyse von älteren
Theorien des Helfens8 im Kontext der Sozialen Arbeit hält Gängler (2011) jedoch fest, dass
sich folgende drei relevanten Fragen in Bezug auf den Hilfebegriff festhalten lassen:
1) Wodurch wird geholfen?
2) Wie wird geholfen?
3) Unter welchen Bedingungen und mit welchen Absichten wird geholfen? (vgl. S.613-614)
1) Inhalte (Wodurch wird geholfen?)
Hier lässt sich materielle und psychosoziale Hilfe unterschieden. Beide Formen sind
Gegenstand der Sozialen Arbeit. Materielle Hilfen sind meist unmittelbar auf den Ver- oder
Gebrauch von Gegenständen und Lebensmitteln ausgerichtet oder haben eine die
Güterproduktion ergänzende Funktion. Personenbezogene Hilfen beziehen sich auf die
Person und kommen ohne das Zutun der bedürftigen Person nicht zu Stande. Diese Form der
Hilfe macht heute den grössten Teil aus. Es geht um Beratungs-, Bildungs- und
Erziehungsaufgaben mit dem Ziel der Veränderung der betroffenen Personen und ihren
Handlungsstrategien (vgl. Gängler, 2011, S.613-614).
8 Gängler untersuchte Konzepte von Nohl, Salomon und Scherpner auf den Hilfebegriff hin (vgl. 2011,
S.612-613)
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/ 24
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
2) Modus (Wie wird geholfen?)
Ein zentraler Modus des Helfens ist der persönliche Bezug zwischen Helfenden und
Hilfsbedürftigen und die Form der Organisationen welche beteiligt sind in modernen
Hilfssystemen (vgl. Gängler, 2011, S.613).
Das sozialpädagogische und sozialarbeiterische Handeln zeichnet sich seit den Anfängen des
19. Jahrhunderts durch eine zunehmende Strukturierung und Rationalisierung aus. Waren die
Anfänge geprägt von einer Betonung des persönlichen Bezugs, der Intensität der helfenden
Beziehung, entwickelte sich das Handeln aufgrund der Professionalisierung Sozialer Arbeit hin
zu handhabbaren Techniken. Die zunehmende Verberuflichung des sozialpädagogischen und
sozialarbeiterischen Handelns brachte und bringt ambivalente Konsequenzen für die helfende
Beziehung
mit
sich.
Es
kommt
zu
einem
Spannungsfeld
von
Entpersönlichung,
Anonymisierung, Herrschaft durch Experten versus Anstrengungen zur Verbesserung des
methodischen Instrumentariums der Hilfeleistungen (vgl. Gängler, 2011, S.614-615).
3) Ziel von Hilfe (Unter welchen Bedingungen und mit welchen Absichten wird geholfen?)
Hierzu gehört das Ethos des Helfens (Orientierung am Ideal eines humanen Umgangs
zwischen Menschen). Hilfe erfolgt immer kultur- und gesellschaftsabhängig. Ein zentrales
Thema ist das Verhältnis von Hilfe und Herrschaft/Kontrolle (vgl. Gängler, 2011, S.613-614).
Das Stichwort des «Doppelten Mandates» verdeutlicht die Paradoxie der sozialen Tätigkeiten.
Auf der einen Seite steht die Soziale Arbeit in der Verpflichtung gegenüber ihren
Auftraggebern, auf der anderen Seite in der Verpflichtung gegenüber den hilfsbedürftigen
Personen als Anwältin und Interessensvertretung. Eine grundlegende Thematik ist die
Anerkennung der strukturellen Asymmetrie innerhalb helfender Beziehungen und die Frage,
wie diese Asymmetrie gegebenenfalls aufgelöst werden kann (vgl. Gängler, 2011, S.615).
Die Unterteilung in Inhalt, Modus und Ziel ermöglicht eine Differenzierung des Begriffs der
Hilfe. Es geht zum einen um Güter, welche Adressat_innen Sozialer Arbeit direkt erhalten
(z.B. Sozialhilfe) und um welche zum Teil höchst kontroverse Diskussionen geführt werden.
Wie viel Hilfe (in Form von Geld) ist angebracht? Wie und was muss eine Person dazu
beitragen (zugewiesene und zumutbare Arbeit)? Weiter lässt sich festhalten, dass der grösste
Teil der Hilfe nur durch das Zutun der Adressat_innen Sozialer Arbeit zustande kommt. Im
Hinblick darauf stellen sich folgende Fragen: Wie gestaltet sich die Form der Beziehung?
Handelt es sich um eine helfende oder um eine kooperative Beziehung? Wie zeigt sich das
Spannungsfeld von Entpersönlichung, Anonymisierung und Herrschaft durch Experten?
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/ 25
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Verschiedene Fragen geraten in den Blick, die aus der Sicht einer kritischen Sozialen Arbeit
zu beleuchten sein werden. Im nächsten Schritt soll zuerst auf die aktuelle Bedeutung von
Hilfe in der Sozialen Arbeit eingegangen werden.
2.3
Aktuelle Bedeutung von Hilfe in der Sozialen Arbeit
B. Müller (2012) sieht den Begriff der Hilfe in institutionalisierten Formen Sozialer Arbeit
verankert 9 , erachtet ihn jedoch kaum mehr als geeigneten Leitbegriff für das, was
Sozialarbeiter_innen
und Sozialpädagog_innen tun (vgl. S.7). Im Fachdiskurs kommt er
aktuell zum einen in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie der Adressat_innen
vor (1), und zum anderen in der Rede vom Doppelmandat (2) (vgl. B. Müller, 2012, S.11).
1) Hilfe in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie der Adressat_innen
Diese Verbindung findet sich z.B. in der Maxime der «Hilfe zur Selbsthilfe» wieder. Es lässt
sich ein normativer Anspruch erkennen, Entmündigung durch Hilfe vorzubeugen. Dem Begriff
«Hilfe zur Selbsthilfe» liegt zugrunde, dass die Autonomie der Lebenspraxis von
Adressat_innen der Sozialen Arbeit zu achten ist. Vage bleibt hierbei, wie der Graben
zwischen einem von aussen betrachteten, evidenten Bedarf an Hilfe und der Akzeptanz
solcher Hilfe überwunden werden kann (vgl. B. Müller, 2012, S.11).
2) Hilfe im Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle
Andererseits, so der Autor, wird Hilfe in der Rede vom Doppelmandat (Hilfe und Kontrolle)
eingeschränkt. Wird das Doppelmandat als sinnvoll zu gestaltender Auftrag verstanden – und
nicht lediglich als widersprüchliche Rollenzuweisung – so kann darin der normative Kern
gesehen werden, Grenzen 10 nicht zu vernebeln, sondern den sozial-moralischen Konflikt
zwischen Kontrolle und Hilfe auszutragen und zu vermitteln. Wie aber diese doppelte
Vermittlerfunktion zu bewältigen wäre, bleibt vage und unbestimmt (vgl. B. Müller, 2012, S.12).
Mit diesen beiden charakteristischen Verbindungen sind höchst aktuelle Themen der Sozialen
Arbeit benannt.
2.4
Fazit
Die starke alltagssprachliche Präsenz des Begriffs Hilfe und das Fehlen einer systematischen
Analyse, welche ihn zu einem theoretischen Grundbegriff der Sozialen Arbeit ausbauen
9 «Sozialhilfe», «Hilfe zum Lebensunterhalt», «humanitäre Hilfe» und weitere (vgl. B. Müller, 2012, S.7).
10Hilfewünsche im Konflikt mit Rechten und Ansprüchen anderer, Zwänge der Lebensverhältnisse (vgl.
B. Müller, 2012, S.12).
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
würde, erschwert es den Begriff zu fassen und zu konkretisieren. Obwohl der Begriff der Hilfe
den (vagen und unbestimmten) normativen Kern der Sozialen Arbeit darstellt («die guten
Absichten des Helfen Wollens») ist Hilfe kein Spezifikum Sozialer Arbeit und es stellt sich als
problematisch dar, wenn der Begriff der Hilfe nicht analysiert und reflektiert, sondern als
normativer Kern in seiner Vag- und Unbestimmtheit übernommen wird.
Die Soziale Arbeit kommt nicht darum, sich der Frage zu stellen, was ihr normativer Kern ist
und welche Aufgaben und Funktionen daraus erwachsen. Stellt sie sich diesen Anforderungen
nicht, läuft sie Gefahr, dass ihre Motivationen, Absichten und Ziele verschleiert bleiben und sie
Hand bietet, Interessen von Akteuren umzusetzen, welche nicht mit sozialpädagogischen oder
sozialarbeiterischen Grundsätzen vereinbar sind. Wenn unklar bleibt, was den Gegenstand
Sozialer Arbeit darstellt, kann dies zur Folge haben, dass in unzulässigen Verkürzungen – vor
allem in politischen Diskursen – Fremdzuweisungen erfolgen. Etwa die verkürzte Sicht, dass
es Soziale Arbeit im Wesentlichen mit der Bearbeitung sozialer Probleme zu tun habe und die
sich daraus ergebenden Funktionen und Aufgaben unter anderem Hilfe und Kontrolle seien.
(vgl. Bettinger, 2012, S.165-166).
Charakteristisch für den Begriff der Hilfe in der Sozialen Arbeit (als Akteur_in im
sozialstaatlichen Arrangement) ist weiter, dass er von einem Unvermögen von Einzelnen oder
Gruppen ausgeht, nicht den Massstäben der Gesellschaft zu entsprechen. Damit haftet dem
Begriff
eine
zutiefst
verankerte
Asymmetrie
zwischen
«Hilfegebenden»
und
«Hilfeempfangenden» an. Diese Annahme eröffnet für die Soziale Arbeit Chancen, sich
grundsätzlich mit ihrem Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Welche Vorstellungen
prägen das Verhältnis Individuum und Gesellschaft? Wie soll mit dieser Asymmetrie
umgegangen werden? Welche Funktionen übernimmt die Soziale Arbeit aufgrund welcher
Annahmen von Vermögen oder Unvermögen von Individuen oder Gesellschaft? In wieweit
sind diese reflektiert und problematisiert oder als gegeben übernommen? Die Beantwortung
der Fragen fällt, aus Sicht von Bettinger deutlich aus. Soziale Arbeit funktioniert aktuell vor
allem in einer traditionellen Form einer individualisierenden und pädagogisierenden «Abhilfe
sozialer Mängellage», in welcher sie sich hegemonialen Vorstellungen von Ordnung (siehe
Kapitel 1.3.1), Funktionszuweisungen (wie oben erwähnt vor allem politischen) und
objektivistischen, entpolitisierten, quasi naturwissenschaftlichen Wissensbeständen von
Bezugsdisziplinen unterwirft (vgl. Bettinger, 2012, S.169).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Eine kritische Soziale Arbeit wird sich mit Selbstverständnis Sozialer Arbeit und mit den
Funktionszuweisungen die sie erhält, auseinandersetzen müssen. Im folgenden Kapitel wird
daher auf die handlungsleitenden Ansätze in der Sozialen Arbeit eingegangen.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 28
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
3 Handlungsleitende Ansätze
Soziale Arbeit kommt in der Bewältigung ihrer Aufgaben in die Notwendigkeit zu Handeln.
Dieses gilt es zu begründen.
3.1
Theoretische Grundlagen professionellen Handelns
Wie lässt sich professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit differenzieren und begründen?
Stimmer (2000) hält fest, dass die Grundlage Sozialer Arbeit und damit Basis jeden Handelns
in der Sozialen Arbeit in der Anthropologie, Sozialphilosophie und Ethik zu sehen sind (siehe
Abbildung unten). Weiter ergeben sich je nach Tradition oder «Schule», wie er es nennt,
unterschiedliche Konsequenzen (vgl. S.28).
Abbildung 2: Kriterienraster zur Beurteilung von Methoden und Handlungsleitenden Konzepten
(Quelle: Stimmer, 2000, S.28)
Unter dem Kriterium Theorie («Warum handle ich so und nicht anders?») werden
psychologische, soziologische, pädagogische und methodenimmanente Theoriebezüge
verstanden, welche herangezogen werden, um Konzepte sowie einzelne Schritte zu
begründen. Unter dem Kriterium Axiologie («Wozu dient mein Handeln?», «Wohin soll mein
Handeln führen?») werden Fragen nach den Zielen bearbeitet. Fragen zum Menschenbild
oder der Ethik sind hier von Interesse. Unter dem Kriterium Wissenschaftstheorie («Woher
kommt mein Wissen?») geht es um die Frage, auf welchen Wegen Erkenntnisse gewonnen
werden. Unter dem Kriterium Forschungsmethoden («Was bewirkt mein Handeln?») geht es
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 29
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
um Fragen zu der Überprüfung von Folgen und Nebenwirkungen praktischen Handelns (vgl.
Stimmer, 2000, S.27-28).
Als letztes wird das Kriterium der Praxeologie («Wie kann ich handeln»?) genannt. Hier stellt
sich die Frage, wie unterschiedliche Praxiskonzepte in methodisches Handeln umgesetzt
werden und wie gemachte Erfahrungen in die Konzepte zurückfliessen. Ebenfalls werden
Umweltfaktoren professionellen Handelns, etwa Politik, Ökonomie und Recht, berücksichtigt
(vgl. Stimmer, 2000, S.27). Professionelles Handeln
wird so reflektiert, begründet und
überprüfbar.
Die theoretischen Konzepte bilden zusammen mit Praxiserfahrungen die Basis für
Handlungsleitende Konzepte. Darunter versteht Stimmer einen Entwurf, einen Plan, ein Modell
in welchem einzelne Inhalte in einen sinnhaften Zusammenhang gestellt werden. Als
Arbeitsprinzipien benennt er zu begründende Handlungsnormen, Grundsätze des Handelns,
die zur Lösung von Problemen beitragen. In ihnen sind, so Stimmer weiter, wesentliche Ziele
spezifischen Handelns verdeutlicht und sie leiten sich aus sozialphilosophischen und
ethischen Überlegungen ab. Weiter sind die Arbeitsformen zu nennen. Darunter sind
unterschiedliche Sozialformen zu verstehen, mit jeweils eigenen Voraussetzungen, in denen
handlungsleitende
Konzepte
umgesetzt
werden
(Interaktionsmodi,
Handlungsarten).
Spezifische Methoden wiederum beinhalten mehr oder weniger differenziert geregelte
Verfahren(sweisen) und Techniken (vgl. Stimmer, 2000, S.23-25).
Es gilt, diese Kriterien mitzudenken, wenn kompetent und professionell gearbeitet werden will.
Folgendes Beispiel verdeutlicht dies. Wenn als Arbeitsprinzip «Hilfe zur Selbsthilfe» gelten
soll, ist im Rahmen eines passenden Handlungsleitenden Konzeptes die Arbeitsform
begründet zu wählen (z.B. Gruppenarbeit, um den Austausch unter den Betroffenen zu
fördern). Erst im Rahmen einer solchen Verordnung wird professionelles Handeln den
geforderten Ansprüchen gerecht (vgl. Stimmer, 2000, S.26).
Nach diesen Grundlagen wird im folgenden Kapitel professionelles Handeln im Kontext
kritischer Sozialer Arbeit thematisiert.
3.2
Die Arbeit am Sozialen
Welche Angaben finden sich in Bezug auf Methoden, Vorgehen oder Techniken kritischer
Sozialer Arbeit? Es lässt sich festhalten, dass es auch hier keine homogene Vorstellung gibt.
Vielmehr ist eine kritische Soziale Arbeit seit ihren Anfängen geprägt von einem Misstrauen
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 30
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
gegenüber
starren
Techniken
oder
Vorgaben,
von
wissenschaftlich
ambitionierten
Systematisierungs- und Rationalisierungsanstrengungen von «Hilfeplanungen». Eher kann
von einem Prozess eines kreativen Lernens gesprochen werden (vgl. Anhorn, 2012, S.250).
In den Arbeiten von Kunstreich wird der Anspruch, Soziale Arbeit als eine «kritische
Handlungswissenschaft» zu begründen, deutlich formuliert. Das Prinzip der Gesellschaftskritik
ist Voraussetzung für ein kritisches Verständnis Sozialer Arbeit. Kunstreich bezieht sich darin
auf Foucault («die Kunst, nicht dermassen regiert zu werden», Kapitel 1.3.2). Mit Blick auf den
gesellschaftlichen Funktionszusammenhang gehört die institutionalisierte Soziale Arbeit in das
Zusammenspiel der Regierungskünste, die vorherrschende Machtverhältnisse verfestigen. Die
Frage stellt sich, wenn Kritik die Kunst ist, nicht dermassen regiert zu werden, können
Professionelle der Sozialen Arbeit gegen die Regierungskünste aufbegehren, welche sie
selber repräsentieren, und wenn ja, wie? Kunstreich verweist auf die historische Tatsache,
dass sich Soziale Arbeit immer wieder mit Betroffenen solidarisierte, welche darum kämpften,
nicht dermassen (ungerecht) regiert zu werden. Seine Anstrengung gilt dem Nachweis, dass
es neben und im Widerspruch zu herrschaftskonformen, hegemonialen Grundstrukturen
Sozialer Arbeit (Disziplinierung, Normalisierung und Kontrolle) bereits früh andere Traditionen
Sozialer Arbeit gab. Diese waren und sind geprägt von einem demokratischen und
partizipativen Selbstverständnis, welches auf Solidarisierung und Selbstregulierung setzt.
Kunstreich nennt diese Form die Arbeit am Sozialen (vgl. Stender, 2013, S.103-104).
Als Arbeit am Sozialen wird eine Wirklichkeitsebene angesprochen, welche «weder aus
psychischen Prozessen noch gesellschaftlichen Strukturen» ableitbar ist. Vielmehr geht es um
ein aktuelles Beziehungsgeflecht, wie es sich aus der Perspektive der handelnden
Akteur_innen darstellt. Jede_r Akteur_in entscheidet sich in jedem Augenblick für oder gegen
eine Gruppe. Das so entstandene Netz von Gruppenzugehörigkeiten, welches quer zu den
hegemonialen Institutionen einer Gesellschaft steht, zeigt gleichwohl sozialisierende, bildende
und individualisierende Qualitäten auf. Für die Kunst, nicht dermassen regiert zu werden, ist
diese Wirklichkeitsebene der «transversalen Sozialitäten» wie sie Kunstreich nennt,
bestimmend (vgl. Stender, 2013, S.104).
Kunstreich (1998) wird dazu folgendermassen von Stender (2013) zitiert: «Vernetzt durch die
vielfältigen Mitgliedschaften einzelner in unterschiedlichen Sozialitäten und Milieus entwickeln
die Subjekte in ihren alltäglichen Handlungen ein eigenes Koordinatensystem, das der
hegemonialen „Landkarte von Bedeutung“ (...) in vielfältiger Weise widerspricht und diese
unterläuft, aber eben doch mit den gossen Strukturen bis zu einem gewissen Grad – eben an
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 31
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
der Oberfläche – in Übereinstimmung stehen muss» (S.104). Kennzeichnend für die
transversalen Sozialitäten ihrer Mitglieder sind die Freiwilligkeit und ihre solidarische, auf
Interessengleichheit basierende innere Struktur. Transversale Sozialitäten funktionieren
selbstregulierend oder sie zerfallen. Hier findet sich der Ausgangs- und Bezugspunkt kritischer
Sozialer
Arbeit,
indem
sie
Sozialitäten
in
ihren
«transversalen
Mustern
von
Lebensbewältigung» und in ihrem Streben nach einer gerechteren sozialen Positionierung
unterstützt (vgl. Stender, 2013, S.104-105).
In Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit zeigt sich für die Arbeit am Sozialen eine
grundlegende Weichenstellung. Wenn Kritik, so Kunstreich, das Bestreben ist, nicht
dermassen
ungerecht
regiert
zu
werden,
wird
darin
ebenfalls
der
«normative»
Orientierungspunkt kritischer Sozialer Arbeit deutlich: Er heisst nicht Hilfe, sondern soziale
Gerechtigkeit, welche auf Egalität basiert (vgl. Stender, 2013, S.105). Diese Annahme
verdeutlicht eine Möglichkeit, welche Position Soziale Arbeit in Bezug auf den normativen
Kern ihrer Tätigkeiten einnehmen könnte. Dies bedingt jedoch einen fundamentalen
Perspektivenwechsel.
Als radikal egalitär kann indes bereits der Prozess der Arbeit am Sozialen gesehen werden.
Kunstreich geht von einer grundsätzlichen Gleichberechtigung von wissenschaftlichem Wissen
und Alltagswissen aus. Praxis versteht er als Dialog in einem schöpferischen, generativen
Sinne wie ihn Paulo Freire beschreibt. Dass die Fähigkeit zur Reflexion eine «Potenz aller
Subjekte» ist, wird in einem monologisch ausgerichteten Selbstverständnis traditioneller
Sozialer Arbeit prinzipiell missachtet (vgl. Stender, 2013, S.105).
Demgegenüber überlässt es ein dialogisches Modell Sozialer Arbeit den Akteur_innen selbst,
was in einer konkreten Handlungssituation als Problem beschrieben
und formuliert wird.
Professionelle der Sozialen Arbeit und Adressat_innen formulieren gemeinsam ein Thema,
eine Problemsetzung oder wie Kunstreich es nennt, ein «gemeinsames Drittes» und gewinnen
so eine Handlungsorientierung und kommen im besten Fall zu einer gemeinsam, solidarischen
Praxis der Weltveränderung (vgl. Stender, 2013, S.105).
Somit ist ein handlungsleitender Ansatz beschrieben, welcher sich klar abgrenzt von
traditionellen Ansätzen. Im Folgenden wird der Arbeit am Sozialen das Arbeitsprinzip der
Partizipation als handlungsleitende Option zur Seite gestellt.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 32
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
3.3
Arbeitsprinzip Partizipation
Unter dem Arbeitsprinzip Partizipation ist eine von Kunstreich thematisierte, spezifische Form
der Partizipation zu verstehen, welche er in die Tradition einer Praxis als Dialog stellt (vgl.
Kunstreich, 2013, S.88).
Kunstreich (2013) beschreibt, dass er davon ausgeht, dass die grossen generativen Themen
der heutigen Zeit die der Herrschaft und Befreiung sind und zitiert Freire (1973)
folgendermassen: «Ich habe diese Themen „generativ“ genannt, weil sie (...) die Möglichkeit
entfalten, in viele möglichen Themen weiter entfaltet zu werden, die ihrerseits nach
Durchführungen neuer Aufgaben verlangen» (S.89).
Kunstreich beschreibt vier Komponenten des Arbeitsprinzips Partizipation. Es geht zum einen
darum, anzuerkennen, dass die Wissens- und Erfahrungsdomänen aller in einer Situation
Beteiligten gleichwertig, jedoch zweifelslos unterschiedlich sind. Sie können in ihrer
Unterschiedlichkeit erst hervortreten, wenn sie als gleichwertig anerkannt sind. In der
Handlungsentscheidung kommt es weiter entscheidend darauf an, sich auf ein gemeinsames
Drittes zu verständigen. Dieses gemeinsame Dritte ist die verhandelte Grundlage, auf welcher
der nächste Handlungsschritt aufbaut. Aus dieser gemeinsam entwickelten Problemsetzung
wird von den Professionellen eine Handlungsorientierung generiert (vgl. Kunstreich, 2013,
S.90).
Zentrale Annahme ist, dass jede Situation eine Grenzsituation darstellt, in welcher es
wiederum darum geht, gemeinsam eine Option zu finden, was jenseits der jeweiligen Grenze
liegt, vermutet wird oder angestrebt wird. Folgendes Zitat von Freire (1973) verdeutlicht dies:
«In Grenzsituationen ist die Existenz von Menschen mitgesetzt, denen diese Situation direkt
oder indirekt dient, und von solchen, deren Existenzrecht durch sie bestritten wird und die man
an die Leine gelegt hat. Begreifen letztere eines Tages diese Situation als Grenze zwischen
Sein und Menschlicher-Sein, und nicht mehr als Grenze zwischen Sein und Nichts, dann
beginnen sie ihre zunehmend kritischer Aktionen darauf abzustellen, die unerprobten
Möglichkeiten, die mit diesem Begreifen verbunden sind, in Tat umzusetzen» (vgl. Kunstreich,
2013, S.90).
Es wird noch einmal deutlich, dass Kunstreich eine deutlich andere Position einnimmt als dies
traditionell-diagnostische Ansätze tun. Dem «Klienten Grenzen setzen, verdeutlichen,
aufzeigen usw.» zeigen den Anspruch auf, nicht in den Dialog treten zu müssen, nicht
auszuhandeln, sich nicht verständigen zu müssen. Sondern aufgrund eines professionellen,
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 33
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
beruflichen Wissens in Überlegenheit entscheiden zu können. Was, wenn nun diese einseitige
Grenzsetzung nicht eingehalten wird? Den traditionellen Theorie- und Praxismodellen bleiben
nur Sanktionsdrohungen. Der pädagogische Bezug löst sich in dem Moment auf und wird
damit
als
blosses
Legitimationsinstrument
des
hegemonialen
Definitionsanspruches
offensichtlich. Eine Spirale entsteht, in welcher widerstehende Adressat_innen und
Professionelle in ein Kräftemessen geraten, in welchem weder die Adressat_innen ihre
Deutungen als «wahr» durchsetzen können, noch Professionelle «wahre» Pädagog_innen
sein können (vgl. Kunstreich, 2013, S.90).
Ein kritischer und dialogischer Ansatz versucht dem zu entgehen. Ziel ist in erster Linie das
gemeinsame Dritte. Als Aktion der gemeinsam verantworteten Grenzüberschreitung, als
begrenzte Regelverletzung im angedeuteten Sinn. Ziel ist es, dass diese Aktionen von
Adressat_innen als nützliche Assistenz erfahren und bewertet werden. Ziel ist der Versuch
einer gemeinsamen Praxis, einer Praxis des Dialoges und der Aufklärung. Dafür, dass dies
gelingen kann, können Professionelle keine Garantie geben. Weder gegenüber den
Adressat_innen, noch gegenüber den Auftraggeber_innen. Der kritische und dialogische
Ansatz ist stets ein Versuch und bleibt in seinem Ausgang stets ungewiss. Und gerade in
dieser Ungewissheit, in diesem steten Versuch hinter die Grenze zu kommen, liegt seine
Chance (vgl. Kunstreich, 2013, S.91).
3.4
Fazit
Mit dem Modell vom Stimmer wird ersichtlich, dass Handeln in der Sozialen Arbeit stets
unterschiedliche Dimensionen einbeziehen muss. Diese können nicht einfach ausgeblendet
werden, sie entfalten stets ihre Wirkung. Der Kriterienraster ermöglicht, Konzepte
einzuordnen, oder das eigene Handeln zu überprüfen.
Für eine kritische Soziale Arbeit zeigt sich die Gesellschaftskritik als Grundlage sowohl der
theoretischen Analyse wie auch der handlungsleitenden Ansätze. Das Ziel, nicht dermassen
regiert zu werden, leitet die Annahmen, das Modell, das der Handlung grundgelegt wird und
diese selber. Dies wird im von Kunstreich beschriebenen Ansatz der Arbeit am Sozialen und
einer Praxis als Dialog deutlich. Dieser Ansatz grenzt sich klar ab von herrschaftskonformen,
hegemonialen Traditionslinien und zeigt eine Soziale Arbeit auf, welche in der Tradition eines
demokratischen,
partizipativen
Selbstverständnisses
steht
und
auf
Solidarität
und
Selbstregulierung setzt.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 34
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Der Autor hält weiter fest, dass einer Praxis als Dialog die Annahme zugrunde liegt, dass alle
Subjekte die Fähigkeit zur Reflexion besitzen. Diese Annahme ist die Grundlage einer
kritischen Sozialen Arbeit, deren Ziel eine mündige Gesellschaft ist, und kann als Kriterium
einer kontinuierlichen Prüfung in Theorie und Praxis dienen.
Die Arbeit am Sozialen und das Arbeitsprinzip Partizipation können dazu dienen, eine
Vorstellung zu entwickeln, wie sich Praxis gestalten könnte, ohne aber konkrete Anweisungen
aus der Theorie für die Praxis zu geben. Dies steht in Übereinstimmung mit dem im Kapitel 1.2
beschriebenen Verständnis, wie kritische Soziale Arbeit das Verhältnis von Theorie und Praxis
definiert. Diese Form der Arbeit am Sozialen stellt sich jedoch gerade dann als höchst
anspruchsvoll dar, wenn die Soziale Arbeit von Rationalisierungsanforderungen bestimmt wird
und
Forderungen
nach
erweiterter
Kontrolle,
Einschränkungen
der
«professionellen
Autonomie» oder Technokratisierung vorherrschende Themen sind (siehe Kapitel 1.1).
Der Erfolg einer so verstandenen Sozialen Arbeit (Praxis als Dialog) lässt sich nicht
garantieren. Dies kann eine Entlastung für Professionelle der Sozialen Arbeit bedeuten und
als Chance, offen in einen Prozess einzusteigen, gesehen werden. Jede Intervention (oder der
Verständigung auf ein gemeinsames Drittes) lässt offen, ob sie erfolgreich sein wird oder
nicht, und offen bleibt auch, wer dies bewertet. Auch diese Haltung stellt sich als höchst
anspruchsvoll dar angesichts der aktuellen Entwicklung, die durch einen verstärkten
Legitimationsdruck geprägt ist und von der Sozialen Arbeit einfordert, dass sie erfolgreich zu
agieren habe.
Im vorhergehenden Kapitel wurde Hilfe als normativer Kern Sozialer Arbeit thematisiert, der
jedoch sehr vage und unbestimmt blieb. Kunstreich fordert eine Abwendung von der Hilfe als
normativem Orientierungspunkt hin zur sozialen Gerechtigkeit. Wenn kritische Soziale Arbeit
Hilfe nicht länger als normativen Kern sozialer Arbeit versteht, stellt sich die Frage, wie Hilfe
aus ihrer Sicht zu konzeptionieren ist.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 35
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
4 Hilfe im Kontext kritischer Sozialer Arbeit
In diesem Kapitel soll die erste der beiden Fragen, welche dieser Arbeit zugrunde liegen
beantwortet werden.
4.1
Zentrale Erkenntnisse und Beantwortung der ersten Frage
Die Beantwortung der Frage erschliesst sich aus Erkentnissen aus den Kapiteln eins bis drei
und wird zum Teil mit weiteren notwendigen Anhaltspunkten erweitert. Sie wird entlang von
vier Themenkreisen beantwortet.
Kritische
Soziale
Arbeit
nimmt
eine
paradigmatische
Haltung
ein
und
setzt
sich
individualisierenden und korrigierenden Selbstverständnissen Sozialer Arbeit entgegen. Sie
verwirklicht sich in partizipativen Kooperations-Modellen (z.B. bei Methoden wie der «Hilfe zur
Selbsthilfe»). Sie setzt auf gemeinschaftliche (Hilfs-)Prozesse und stellt dabei ihr Interesse in
die Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Problemlagen und einer Veränderung dieser.
Wenn sich die Soziale Arbeit in ihrem Selbstverständnis so verortet, dass es um die «Kunst,
nicht dermassen regiert zu werden», und um eine «Distanzierung von Herrschaftsarbeit» geht
(siehe Kapitel 1), nimmt eine kritische Soziale Arbeit eine paradigmatische Haltung ein. Denn,
Soziale Arbeit ist (und war) keineswegs notwendigerweise kritisch. Sie kann viel mehr als eine
Praxis beschrieben werden, welche darauf ausgerichtet ist, Individuen, Familien und soziale
Gruppen mittels Hilfe und Kontrolle zu einer Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen,
Strukturen, Normen und Zwänge zu veranlassen. Damit wird ein Verständnis von sozialer
Arbeit beschrieben, welches korrigierend auf Individuen, Familien und Gruppen einwirkt (vgl.
Scherr, 2012, S.108). Diese Aussage von Scherr, deckt sich mit den Erläuterungen von
Anhorn, dass die Geschichte der Sozialen Arbeit geprägt ist von einem personenbezogenen
sozialen Hilfesystems, in welchem individuelle, persönliche und erzieherische Hilfe im
Mittelpunkt des Selbstverständnisses steht (Kapitel 2.1.2).
Scherr hält weiter fest, dass es zu einer Verschärfung dieser disziplinierenden Funktion durch
die Soziale Arbeit gekommen ist. Grund sieht er in der Krise des fordistischen
Wohlfahrtsstaates. Im sozial- und gesellschaftspolitischen Diskurs hat sich eine Veränderung
vollzogen und zwar hin zu einem Aufruf zu mehr individueller Eigenverantwortlichkeit (vgl.
Scherr, 2012, S.108).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 36
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Diese kann in einer der beiden aktuell viel thematisierten charakteristischen Verbindungen von
Hilfe, nämlich in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie der Adressat_innen zur
Wirkung gelangen. Eine häufig verwendete Forderung in diesen Diskursen findet sich, wie im
Kapitel 2.3 angesprochen, in der «Hilfe zur Selbsthilfe». Anhorn (2012) betont, dass dieser
Begriff in der Sozialen Arbeit zu einer inhaltsleeren Floskel mutiert sei. Er setzt den Begriff
gleich mit dem Begriff der «aktivierenden Hilfe» im aktuellen (neoliberalen) Diskurs (vgl.
S.249).
Dem Konzept liegen seit den Ursprüngen Sozialer Arbeit unterschiedliche Selbstverständnisse
zugrunde. Während die einen Konzepte im Rahmen paternalistischer Experten-Modelle einen
Prozess einleiten, mit dem Ziel einer individuell zu bewerkstelligende (Selbst-)Veränderung
der Adressat_innen Sozialer Arbeit, geht es in partizipativen Kooperations-Modelle bei der
«Hilfe
um
Selbsthilfe»
um
gemeinschaftliche
Prozesse,
in
welchen
es
um
die
Sichtbarmachung von Problemlagen geht und einer Veränderung der beanstandeten
Verhältnisse (vgl. Anhorn, 2012, S.249). Somit liegen sehr unterschiedliche Verständnisse der
Hilfe, in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie, zugrunde. Der normative
Anspruch,
Entmündigung
durch
Hilfe
aufgrund
einer
präzisierenden
Einschränkung
vorzubeugen muss alleine durch eine methodische Absicherung nicht gelingen.
***
Kritische Soziale Arbeit geht davon aus, dass Inhalt, Form und Ziele von Hilfe gesellschaftlich
bedingt sind und in Diskursen verhandelt und verfestigt werden. Sie geht also davon aus, dass
es sich um gestaltbare und veränderbare Definitionen handelt. Dies hat zur Folge, dass es für
eine kritische Soziale Arbeit notwendig ist, sich mit Diskursen auseinanderzusetzen und sich
konfliktbereit in diese einzubringen.
Wird der Begriff der Hilfe aus der Perspektive einer kritischen Sozialen Arbeit heraus
betrachtet, so wird davon ausgegangen, dass Problemlagen von Adressat_innen Sozialer
Arbeit, Aufgabenstellungen und Interventionsformen der Sozialen Arbeit gesellschaftlich
bedingt sind: «Wem geholfen wird und wem nicht, welche Formen des Helfens möglich sind
und welche nicht, das ist abhängig von gesellschaftlichen Vorgaben, die sich in politischen
Festlegungen, Ressourcenerschliessungen und rechtlichen Regulierungen konkretisieren»
(Scherr, 2012, S.109). Der Autor macht deutlich, dass davon ausgegangen wird, dass
Problemlagen und Interventionsformen nicht objektiv gegeben sind, sondern gesellschaftlich
bedingt sind. Er erläutert weiter, dass diese Massstäbe welche zu den Vorgaben beitragen
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
aus politischen, moralischen, philosophischen oder religiösen Traditionen und Diskursen
entstehen (vgl. Scherr, 2012, S.109).
In Diskursen werden Sinn-Ordnungen sprachlich und kommunikativ erzeugt, stabilisiert und zu
kollektiv verbindlichem Wissen institutionalisiert. Äusserungen finden nicht in kontextfreiem
Raum statt, sondern innerhalb sozialer Kontexte durch welche sie determiniert werden,
respektive tragen sie dazu bei, dass die sozialen Kontexte weiter bestehen. Diskursen wohnt
also eine strukturierende Funktion inne, sie sind als symbolische Ordnung zu begreifen,
welche den Subjekten das gemeinsame Sprechen und Handeln erlaubt. Sie erschliessen
jedoch ebenfalls Wahrnehmung und Denken (vgl. Bettinger, 2012, S.171).
Soziale Arbeit ist nun nicht einfach Auftragsempfängerin und ausführendes Organ dieser aus
diesen Diskursen hervorgegangenen Vorgaben. Über notwendige Hilfen und angemessene
Formen des Helfens wird in Aushandlungsprozessen entschieden. Und an diesen beteiligt sich
die Soziale Arbeit (vgl. Scherr, 2012, S.109).
Damit ist hervorgehoben, dass sich Soziale Arbeit in den Diskursen beteiligt. Die Frage stellt
sich,
wie
geht
die
Soziale
Arbeit
damit
um.
Diskurse
können
einerseits
als
herrschaftslegitimierende Techniken der Wirklichkeitsproduktion und somit der sozialen
Ordnung in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gesehen werden. Anderseits lädt diese
Annahme ein, in die, wie es Bettinger nennt, Arenen einzutreten in denen um die
Durchsetzung von Wirklichkeit gekämpft wird. Dieser Annahme liegt wiederum zu Grunde,
dass Wissensbestände aus spezifischen Diskursen keine harmonische, ein für alle Mal
geltende Wahrheit bilden, sondern untereinander in Konkurrenz stehen können. Über jeweilige
Geltungen entscheiden ideologische, politische, ökonomische wie auch wissenschaftliche
Interessen bestimmter Personen(-Gruppen). Im Fokus steht die Durchsetzung von Welt,
Wirklichkeit, Wissenschaft oder Sozialer Probleme (vgl. Bettinger, 2012, S.175).
Somit ist beschrieben, dass um Inhalt, Form und Ziel von Hilfe stets Auseinandersetzungen im
Gange sind, und dass diese drei Bereiche nicht gesetzt und unveränderbar sind. Dies bedingt,
dass eine kritische Soziale Arbeit eine Vorstellung hat was sie in die Diskurse einbringen will
und dass Diskurse für die Soziale Arbeit wichtige Orte des Widerstandes sind.
***
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Kritische Soziale Arbeit geht von einer Gleichberechtigung des Wissens (wissenschaftliches
Wissen und Alltagswissen) aus, dass die Fähigkeit zur Reflexionen eine Potenz aller Subjekte
ist und dass die generativen Themen der heutigen Zeit die der Herrschaft und Befreiung sind.
Daraus formt sich eine Praxis des Dialoges, welche davon ausgeht, dass als Ausgangspunkt
ein gemeinsames Drittes und eine Vereinbarung darüber, wie eine gemeinsam zu
verantwortende Grenzüberschreitung aussieht.
Weiter
ist
es
notwendig,
die
Hilfe
in
Bezug
zu
den
historisch
einmaligen
Rationalisierungsschüben zu betrachten, welche die Soziale Arbeit in ihren Grundzügen
betreffen (siehe Kapitel 1.1). Eine geforderte Zergliederung, Standardisierung und Kontrolle
des «Produktionsprozesses von Hilfe» widerspricht fundamental der Vorstellung einer Arbeit
am Sozialen und eines Arbeitsprinzips der Partizipation wie dies Kunstreich in Kapitel 3
beschreibt. Die Annahme einer Gleichberechtigung des Wissens der Akteur_innen, einer
Verständigung auf ein gemeinsames Drittes widerspricht der oben beschriebenen Logik,
welche auf eine Planung von Hilfsprozessen setzt und damit eine monologe Position einnimmt
und so nicht in einen dialogischen Prozess eintreten kann und muss.
Die Annahme, dass es sich immer um Grenzsituationen handelt, in welcher es darum geht
eine Option zu finden was hinter der Grenze liegt, verdeutlicht eine Sprache und Haltung,
welche nicht konform ist mit den Forderungen nach erweiterter Kontrolle und einer
Einschränkung der professionellen Autonomie. Denn gerade diese wird mit einer solchen
Ausgangslage eingefordert.
Die Annahme von Kunstreich und Freire, das alle Subjekte die Fähigkeit zur Reflexion
besitzen und dass monologisch ausgerichtete Selbstverständnisse traditioneller Sozialer
Arbeit dies prinzipiell missachten, muss hier noch einmal erwähnt und hervorgehoben werden.
Denn die Annahme stellt eine Grundlage dar, auf welcher sich die Art und Weise der Form der
Beziehung und Zusammenarbeit zwischen Professionellen und Adressat_innen der Sozialen
Arbeit aufbaut.
Der Bogen schliesst sich mit der von Kunstreich und Freire geteilten Annahme, dass die
Themen der heutigen Zeit die Herrschaft und die Befreiung sind und dass diese denn auch
den Begriff der Hilfe oder der Hilfeplanung bestimmen.
***
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Der Begriff der Hilfe als normative Orientierung wird von Kunstreich – wenn denn das
Bestreben von Kritik ist, nicht dermassen regiert zu werden – verworfen. Er benennt
stattdessen die soziale Gerechtigkeit als normative Orientierung. Diese lässt sich in Bezug auf
ein Selbstverständnis Sozialer Arbeit, welches Emanzipation ins Zentrum ihrer Bestrebungen
stellt und auf Solidarität und Selbstregulierung zielt, schlüssig nachvollziehen.
Das Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle, welches als charakteristisch für die Soziale Arbeit
benannt wird, löst eine so genannte Orientierung, in Bezug auf die Verankerung im
Sozialstaat, nicht auf. Sie ermöglicht jedoch eine reflexive Auseinandersetzung damit, was
unter diesem vagen und unbestimmten Gegensatz verstanden werden kann und bietet
Ansätze zu Gunsten einer partizipativen Haltung auszulegen.
Als letzter Punkt wird die Aussage von Kunstreich thematisiert, dass der Bezugs- und
Ausgangspunkt kritischer Sozialer Arbeit in der Unterstützung von Sozialitäten in ihren
«transversalen Mustern von Lebensbewältigung» und im Streben nach einer gerechteren
sozialen Platzierung zu finden ist. Daraus ergibt sich – wenn das Bestreben von Kritik ist, nicht
dermassen (ungerecht) regiert zu werden – eine normative Orientierung an der sozialen
Gerechtigkeit, welche auf Egalität beruft (siehe Kapitel 3.2). Der Begriff der Hilfe, welcher
geprägt ist von einem zutiefst verankerten Asymmetrie zwischen «Hilfegebenden» und
«Hilfeempfangenden» und dem das Unvermögen von Einzelnen oder Gruppen anhaftet, den
Massstäben der Gesellschaft nicht zu entsprechen (siehe Kapitel 2.4), lässt sich nicht
vereinen mit den Werten eines demokratischen und partizipativen Selbstverständnisses einer
kritischen Sozialen Arbeit – einer Praxis des Dialoges – das auf Solidarität und
Selbstregulation zielt.
Der Fokus der Tätigkeit kritischer Sozialer Arbeit kann sich mit einer solchen normativen
Orientierung auf die Problematisierung von Struktur und Dynamik gesellschaftlicher Ordnung
richten und die so in den Blick geratenen Bedingungszusammenhänge, Leid und
Einschränkungen individueller Entfaltungsmöglichkeiten kritisieren und bearbeiten. Dies ist
dann legitim, wenn eine kritische Soziale Arbeit von einer radikalen Egalität ausgeht und sie
diese Ordnung nicht als einen neutralen Begriff ansieht, sondern als Ausgangspunkt für
Bedingungen der Zugehörigkeit, Möglichkeiten des sozialen Ausschlusses oder Formen der
sozioökonomischen Ungleichheit (siehe Kapitel 1.3.1.) und sie Sozialitäten darin unterstützt,
einen gerechteren sozialen Platz zu finden.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 40
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Was weiter thematisiert werden soll ist das Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle, welches als
zweite charakteristische Verbindung der Hilfe benannt wurde (siehe Kapitel 2.3). Dieses
Spannungsfeld ist nun mit Orientierung an sozialer Gerechtigkeit nicht einfach aufgelöst und
die Frage stellt sich, wie dieses Spannungsfeld weniger vage und unbestimmt bleibt.
Zurück zu führen ist dieses Doppelmandat auf die institutionellen Rahmenbedingungen
Sozialer Arbeit, die Verankerung im Sozialstaat. Hilfe wird nicht als unabhängig vom
gesellschaftlichen Kontext gesehen, sondern vielmehr in einer gesellschaftlichen Funktion mit
gesetzlichem Auftrag (siehe Kapitel 2.1.2). Hilfe kann also unmöglich allein der Zielgruppe
verpflichtet sein, sondern findet sich in einem widersprüchlichen Handlungsfeld von
Adressat_innen-, Ordnungs- und Eigeninteressen. Die Funktion welche der Soziale Arbeit
zugeschrieben wird, ist die einer «intermediären» Position. Sie soll vermitteln zwischen
«Individuum und Gesellschaft» (vgl. F. Müller, 2012, S.134-135). Diese soll im Weiteren
thematisiert werden.
Wird am Begriff der Hilfe im Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle festgehalten, eröffnet sich
die Frage, ob nur ein politisiertes und parteiliches Verständnis von Hilfe zulässig ist. Dies
aufgrund der Annahme, dass Bedingungen aufgrund von Strukturen und Dynamiken
gesellschaftlicher Ordnung entstehen. Ein solches Verständnis müsste davon ausgehen, dass
Notlagen der «Betroffenen» Ausdruck sozialer Konflikte sind und nicht individueller
Bedürftigkeit oder Abweichung, welche über materielle oder immaterielle Zuwendung gelöst
werden
könnten.
Umgekehrt
könnte
auch
von
einer
reinen
Parteilichkeit
für
die
«Ordnungsseite» ausgegangen werden, welche die Gestaltbarkeit des Individuums und des
Verhaltens in den Vordergrund rückt und deren Interventionsform eine Tendenz zu Zwang und
Strafe charakterisiert (vgl. F. Müller, 2012S.136).
Ein beide Seiten gleichermassen verpflichtendes Selbstverständnis, wäre aufgrund der
Machtasymmetrie widersinnig und würde zugunsten der mächtigeren Seite ausfallen. Eine
finanzielle und rechtliche Bindung der Sozialen Arbeit an den Sozialstaat, nimmt der Funktion
der Hilfe zusätzlich an Plausibilität (vgl. F. Müller, 2012, S.135-136).
Das Dilemma wird nun mit einem «Ausbalancieren» versucht zu lösen. Die Problematik, so
der Autor, ist darin zu finden, dass Hilfe und Kontrolle als gleichzeitig gegebene Aspekte des
Handelns im Kontext Sozialer Arbeit gesehen werden. Das Handeln bedient – in
unterschiedlichen Gewichtungen – die sich gegenüberliegenden Interessen von «Individuum
und Gesellschaft». Diese gegenüberliegenden Interessen können als konflikthaft angesehen
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 41
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
werden. Hilfe und Kontrolle wird als ein situativ individuell ausgeprägtes «Mischverhältnis»
gesehen. Als Orientierung gelten Leitmotive wie zum Beispiel das «Allgemeinwohl». So
können kontrollierende Interventionen legitimiert werden, jedoch ist nicht geklärt, wie
Interventionen als Hilfe zu bewerten sind. Er hält fest, dass der (allgemein formulierte) Konflikt
zwischen Individuum und Gesellschaft als Konflikt des Individuums behandelt wird. Konflikte
werden zwar als gesellschaftlich bedingt gewertet (z.B. Ungleichverteilung von Ressourcen),
die Bearbeitung fokussiert sich jedoch in der Regel auf das Individuum. Hilfe und Kontrolle
richten sich somit an Einzelne und an Gruppen, es findet sich kein Auftrag auf der Ebene der
Strukturen.
Es
bleibt,
trotz
des
Wissens
um
strukturelle
Bedingungen
beim
individualisierenden Blick und damit bei einer Entpolitisierung sozialer Konflikte (vgl. F. Müller,
2012, S.136).
Um ein solches Verständnis von Hilfe aufrecht zu erhalten, bedarf es als Konsequenz ein
entpolitisiertes Selbstverständnis (individualisierende Perspektive) die den Anspruch der
Parteilichkeit nicht erfüllt (vgl. F. Müller, 2012, S.136-137).
Mit der Position der «Intermediarität», mit dem Auftrag eines Interessensausgleichs zwischen
«Individuum und Gesellschaft», geschieht eine Entwicklung mit einer Abkehr von einem
Selbstverständnis der solidarischen Parteilichkeit. Die Orientierung an einem «Allgemeinwohl»
ermöglich in der Abstraktion Interventionen immer als irgendwie im Interessen und zum Wohle
der Adressat_innen zu werten, solange sie an gängige Normalitätserwartungen ausgerichtet
sind. Diese Sichtweise beachtet Asymmetrien der Mitbestimmung allenfalls als zweitranging,
der Blick richtet sich stattdessen auf Ressourcen zur Anforderungsbewältigung der
Zugehörigkeitsbedingungen und Sozialverantwortlichkeit von Verwirklichungsbestrebungen.
Dabei wandelt sich die Kontrolle von einer zu legitimierenden Interventionsform in ein
Legitimationsargument. Diese Auslegung, so der Autor, scheint umso berechtigter, wenn man
den Hinweis von Meinhold (1990) aufgreift, welche das Dilemma weniger im Gegensatz von
Hilfe und Kontrolle sieht, sondern vielmehr «in einem Mangel an bedarfsgerechten
Hilfsangeboten» (vgl. F. Müller, 2012, S.143).
Die Allgemeinwohlorientierung bringt die Frage «wessen Norm» und damit Fragen nach
Zumutungen, Voraussetzungen und Bedingungen von Teilhabe zum Verschwinden und
entzieht
Differenzen,
Asymmetrien
und
Konflikte
von
sozialen
Platzierungen
einer
systematischen Auseinandersetzung (vgl. F. Müller, 2012, S.143).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 42
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Ansätze,
welche
sich
nun
nicht
am
Integrationsparadigma
(Erfüllung
von
Zugehörigkeitsbedingungen) orientieren, sondern ihren Blick auf Bedingungen sozialer
Ausschliessung richten, eröffnen die Möglichkeit, «Probleme» nicht von ihrer Lösung her zu
denken, sondern können eher auf dialogische Herangehensweisen setzen. Dies setzt voraus,
dass soziale Konflikte nicht in Bedürftigkeit uminterpretiert werden dürfte (welche in
gesetzlichen Anspruchsformulierungen bereits vordefiniert sind), sondern es muss Raum
geschaffen werden, für eine Artikulationen von Interessen und Selbstdefinitionen der
Konfliktparteien. Eine solche Öffnung für Selbstartikulation (wie sie dies z.B. Kunstreich
beschreibt), hätte zur Folge, dass sich Soziale Arbeit weder an Hilfe noch an Kontrolle
ausrichten muss, sondern als Gestalterin von Plattformen ausgerichteter Parteilichkeit zu
Legitimationszwecken emanzipieren kann. Dies setzt voraus, Normalitätserwartungen zur
Diskussion zu stellen. Dies nicht nur als Frage des «gesetzlichen Auftrages», sondern auch
als eine des disziplinären und professionellen Selbstverständnisses und der Gestaltung der
Strukturen von Angeboten und Partizipationsmöglichkeiten (der «Hilfeplanung») (vgl. F.
Müller, 2012, S.144-145).
Dies zu der Beantwortung der ersten Frage. Im nächsten Kapitel soll der Kindes- und
Erwachsenenschutz kurz umschrieben werden. Dies ist notwendig, um den zweiten Teil der
Arbeit beantworten zu können. Nämlich die Frage, welche Folgerungen sich aus den
erarbeiteten Erkenntnissen für dieses Tätigkeitsfeld ergeben.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 43
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
5 Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz
In diesem Kapitel wird thematisiert, was Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz
heisst (kurze Skizze) und welche Funktionen die Soziale Arbeit darin übernimmt.
5.1
Kindes- und Erwachsenenschutz in der Schweiz
Im Dezember 2008 wurde von den eidgenössischen Räten eine totale Revision des Kindesund Erwachsenenschutzes [KES] verabschiedet. Das Vormundschaftsrecht war, mit
Ausnahmen in Bestimmungen über einen Freiheitsentzug11 und des Kindesschutzrechtes12
seit 1912 in Kraft (vgl. Häfeli, 2010, S.15). Am 1. Januar 2013 trat, nach langjähriger
Vorbereitung, das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht [KESG] in der Schweiz in Kraft.
Eine Revision galt aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen, der Rechtsentwicklung in
Europa, der Grundrechtsprechung des Bundesgerichtes sowie der Bedürfnisse der Praxis als
unbestritten (vgl. Häfeli, 2014, S.10).
Fassbind (2012) hält fest, dass eine Anpassung des alten Vormundschaftsrechtes aufgrund
der Individualisierung, dem Aufbrechen hervorgebrachter Moral- und Wertvorstellungen
(«everything-goes-Menthalität»), eines sich ausbereitenden Hedonismus, der Pluralisierung,
Internationalisierung und Globalisierung der Gesellschaft notwendig wurde. Weiter zeigte sich
eine
veränderte
Einstellung
zum
Individuum
und
seinen
Rechten
(Gleichstellung,
Minderheitenrechte z.B. von Menschen mit einer Behinderung oder Kinderrechten), ein
stärkerer Fokus auf Verfahrensrechte, sowie eine Verrechtlichung (Regulierung) der
Lebensverhältnissen allgemein, als grundlegend für eine Modernisierung des Kindes- und
Erwachsenenschutzrechtes (vgl. S.28).
Im
Folgenden
werden
einige
zentrale
Neuerungen
des
Kindes-
und
Erwachsenenschutzrechtes benannt:
•
Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes (insbesondere durch die eigene Vorsorge,
Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung)
•
Verbesserter Schutz von urteilsunfähigen Personen in Einrichtungen (anlässlich FU auch
für urteilsfähige Personen)
•
Beistandschaften nach Mass
11 Revision der Bestimmungen über den Fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE) 1981.
Anpassungsbedarf aufgrund der für die Schweiz in Kraft tretenden EMRK (Europäische
Menschenrechtskonvention) (vgl. Fassbind, 2012, S.26).
12 Totalrevision des Kindesschutzrechtes 1978
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
•
Beseitigung
von
Stigmatisierung
(wegfallen
von
Veröffentlichung
von
handlungsfähigkeitseinschränkenden Massnahmen im Amtsblatt und stigmatisierenden
Begriffen wie «Vormundschaft», «Mündel» usw.)
•
Verbesserter Rechtsschutz allgemein, dies indem als erste Beschwerdeinstanz ein Gericht
vorgesehen ist, keine Verwaltungsbehörde dazwischen
•
Professionalisierung des Kindes- und Erwachsenenschutzes, durch organisatorische und
verfahrensrechtliche Vorgaben (interdisziplinäre Fachbehörden mit mindestens drei
Mitgliedern als KESB, zentrale Verfahrensgrundlagen bundesrechtlich geregelt) (vgl.
Fassbind, 2012, S.55-56).
Es handelt sich bei den Massnahmen einerseits um behördliche Massnahmen (z.B. die
Beistandschaften), aber auch um nicht-behördliche Massnahmen (z.B. die eigene Vorsorge).
Das neue KESG betrifft in dem Sinne die gesamte Gesellschaft durch die Form der
Selbstbestimmung durch Vorsorge. Es betrifft jedoch nur einen Teil der Gesellschaft in Form
von behördlichen Massnahmen (z.B. FU oder Beistandschaften nach Mass). Dabei kann es
sich um sanfte bis hin zu massiven Eingriffen in die Freiheit einer Person handeln.
Diese Änderungen und die Anforderungen an ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren
stellen höchste Ansprüche an alle Beteiligten. Häfeli (2014) hält fest, dass sich nach
Inkrafttreten des neuen Gesetzes unter anderen folgende Erfolgs- und Risikofaktoren
abzeichnen:
•
Mehr Selbstbestimmung zeigt sich als Prüfstein
•
Professionalität durch Interdisziplinarität (vgl. S.11).
In Bezug auf die Umsetzung des KESG in den Kantonen, hält Fassbind (2014) fest, dass die
Formulierungen im ZGB in Bezug auf die Umsetzung in den Kantonen, den kleinsten
gemeinsamen Nenner bilden. Er benennt denn auch weiter, dass die KESB-Landschaft von
einer kantonalen- und innerkantonalen Buntheit geprägt ist (vgl. S.15).
Zum Abschluss dieses Teiles noch einige Zahlen in Bezug auf die Massnahmen. Ende 2008
standen in der Schweiz fast 74 000 Erwachsene und knapp 40 000 Kinder unter einer
vormundschaftlichen Massnahme. Ende 2012 (aktuellste Zahlen) waren es bei den
Erwachsenen 83'335 Massnahmen, bei den Kindern 42'381 (vgl. Kokes, Konferenz für Kindesund Erwachsenenschutz, 2015).
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Sowohl bei den Erwachsenen- als auch den Kindesschutzmassnahme ist eine starke
Zunahme zu verzeichnen. Die Gründe dafür sind vielfältig, so der Autor. Bei den Erwachsenen
sind vorwiegend demografische Gründe verantwortlich (mehr hochbetagte Menschen,
fehlende Angehörige). Bei den Kindesschutzmassnahmen benennt er Überforderungen vieler
Eltern in der Erziehung, sowie Elternkonflikte in Zusammenhang mit Trennung und Scheidung
als zentrale Gründe (vgl. Häfeli, 2014, S.15).
5.2
Funktion der Sozialen Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz
Die Soziale Arbeit übernimmt unterschiedliche Funktionen im KES. Zum einen handelt es sich
um Funktionen welche bereits während der Zeit des Vormundschaftsrechtes Teil ihrer
Aufgaben war:
•
Beratung und Begleitung von Personen mit behördlichen Massnahmen (z.B. Kinder- und
Jugendheime,
Sozialpädagogische
Beschäftigungsplätze
für
Menschen
Familienbegleitungen,
mit
Behinderung
Wohnoder
und
psychischen
Beeinträchtigungen usw.)
•
Beratung und Begleitung von Personen ohne behördliche Massnahmen (z.B. Prävention)
•
Durchführung von Abklärungen (z.B. bei Gefährdungsmeldungen)
•
Beistandschaften, usw.
Eine
neue
Funktion
übernimmt
die
Soziale
Arbeit
in
der
neu
formierten
und
professionalisierten Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde [KESB]. Sie ist Teil einer
interdisziplinär zusammengesetzten Fachbehörde, welche ihre Entscheide in der Regel in
einer Dreierbesetzung trifft. Im Spruchkörper sollen die drei Kernkompetenzen Recht,
Sozialarbeit, Psychologie/Pädagogik vertreten sein. Weitere Spezialkompetenzen wie
Medizin/Psychiatrie, Treuhand, Versicherungswesen sollen im Bedarfsfall mobilisiert werden
(vgl. Häfeli, 2010, S.18).
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wird gefordert, da soziale Probleme, welche zu
zivilrechtlichen Massnahmen führen, sowohl in ihrer Ausprägung und Entstehung, wie auch
bei der professionellen Bewältigung und Interventionen zu vielschichtig seien, um nur durch
eine disziplinäre Betrachtungsweise umfassend verstanden und bearbeitet werden zu können.
Es geht also darum, dass es zu einem Zusammenführen von Erkenntnissen mehrerer
voneinander unabhängiger Einzelwissenschaften kommt. Von zentraler Bedeutung ist, dass
es zu einem Ganzen kommt, zu einer Kombination und Verknüpfung einzelner Erkenntnisse.
Ein Nebeneinander der Teilaspekte wird dem geforderten Anspruch der Interdisziplinarität
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
nicht gerecht. Es bedarf, so die Autoren weiter, dass sich die unterschiedlichen Disziplinen
Erkenntnisse und Handlungskompetenzen der jeweils anderen Disziplinen aneignen um in
einen konstruktiven Dialog treten zu können. Alle beteiligten Disziplinen seinen jedoch
zunächst der eigenen Fachlichkeit verpflichtet, denn die Interdisziplinarität entfaltet ihre
Wirkung primär im Zusammenfügen der jeweiligen Erkenntnisse (vgl. Hofer & Zingaro, 2010,
S.23-24).
Diese Zusammenarbeit zeigt sich jedoch als herausfordernd. Aus Befragungen von mehreren
Personen welche in der KESB tätig sind, stellte sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit als
(noch) nicht befriedigend heraus. Die Zusammenarbeit wird eher als multi-, anstelle
interdisziplinär empfunden. Es braucht viel Zeit und Energie, eine gemeinsame Haltung zu
entwickeln. Diese Zeit fehlt aufgrund hoher Arbeitsauslastung. Als positiv wird erlebt, dass
aufgrund von interdisziplinären Fallbesprechungen, Verantwortung gemeinsam getragen
werden kann. Als weiter schwierig wird der unterschiedliche Zugang zu den Arbeitsabläufen
beschrieben. Jurist_innen würden eher resultatorientiert arbeiten, Sozialarbeiter_innen eher
prozessorientiert. Alle befragten Personen hielten fest, dass die Soziale Arbeit in Vergleich zu
juristischen Aspekten zu wenig beachtet werde und die Gefahr bestehe, zu einer
«Hilfsprofession» zu werden (vgl. Eberli, 2014, S.29-30).
Abschliessend lässt sich festhalten, dass die Soziale Arbeit ihre Position noch nicht gefunden
habe.
Jurist_innen
sei
zu
wenig
bekannt,
über
welche
fachlichen
Kompetenzen
Sozialarbeitende verfügen und wie diese eingesetzt werden können. Diese Feststellung wird
durch die Tatsache, dass alle Präsidien von Jurist_innen besetzt sind verstärkt. Es bedarf, so
der Autor weiter, nebst der Bereitschaft der einzelnen Personen genügen zeitliche Ressourcen
und geeignete strukturelle Rahmenbedingungen. Weiter hält der Autor fest, dass es
selbstbewusst auftretende Sozialarbeitende brauche, welche sich einbringen und einmischen
würden (vgl. Eberli, 2014, S.31).
5.3
Fazit
Es handelt sich bei der Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz um ein
Themenfeld, welches stark auf die Jurisprudenz verweist. Somit ist ebenfalls eine
Terminologie und Struktur vorherrschend, welche dieser Disziplin entspringt. Die im Kapitel
verwendeten Autoren sind denn auch vorwiegend dieser anzurechnen.
Eine Revision des Kinder- und Erwachsenenschutzgesetz war, so die einheitliche Meinung,
notwendig. Dies da das vorhergehende Recht in seiner Form z.T. seit hundert Jahren bestand
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
/ 47
Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
und da sich in den gesellschaftlichen Strukturen sowie in den rechtlichen Anforderungen viel
änderte. Diese Annahmen (Individualisierung, aufbrechen hervorgebrachter Moral- und
Wertevorstellungen usw.) wie auch die Aussagen bezüglich der Gründe für einen Anstieg an
Fällen (z.B. demografischer Wandel, Überforderung der Eltern) müssen aus Sicht der Sozialen
Arbeit geprüft werden und sind in dem Sinne auch steter Gegenstand in Analysen und
Diskursen Sozialer Arbeit.
Die Soziale Arbeit ist in unterschiedlichen Handlungsfeldern vom KESG betroffen und ist im
Freiwilligen- wie auch im Zwangskontext tätig. Eine zentrale Änderung für die Soziale Arbeit
findet sich in der neu gegründeten KESB. Die Herausforderung findet sich dabei in der
Interdisziplinären Zusammenarbeit. Eine solche bedingt zum einen eine starke Vertretung der
jeweiligen Disziplinen und ist zugleich auf die Bereitschaft angewiesen, gemeinsam neue
Deutungsformen zu erarbeiten. Die Rückmeldungen diesbezüglich sind wenig optimistisch.
Wie in Kapitel 5.2 festgehalten, stellt sich die Zusammenarbeit als schwierig dar. Es wird
allgemein beklagt, dass Aspekten aus der Sozialen Arbeit zu wenig Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Dies, da die Ressourcen der Sozialen Arbeit zu wenig bekannt sind.
Weiter gelten unterschiedliche Zugänge als erschwerend. Die Jurisprudenz arbeitet eher
ergebnisorientiert, die Soziale Arbeit prozessorientiert.
Im nächsten Kapitel soll das Leitmotiv des KESG mit dem darin enthaltenen Hilfeverständnis
thematisiert werden.
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
6 Hilfe im Kontext des Kindes- und Erwachsenenschutz
Leitmotiv des neuen Gesetzes ist das Wohl von hilfsbedürftigen, vulnerablen (leicht
verletzlichen und verwundbaren), aufgrund eines Schwächezustandes besonders hilfs- und
schutzbedürftigen Personen (vgl. Häfeli, 2014, S.11). Dem wird im Folgenden weiter
nachgegangen.
6.1
Hilfe im Kindes- und Erwachsenenschutz
Dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht liegt das Wohl des Schwachen als
tragender Leitgedanke zugrunde. Dieses hängt, so Häfeli (2013), aufs Engste mit der
Respektierung der Menschenwürde zusammen. Die Menschenwürde ist von unverfügbarem
Eigenwert der Person und findet ihren Ausdruck in der Selbstbestimmung der Person. In der
Menschenwürde liegt jedoch ebenfalls das Angewiesen sein auf den Mitmenschen. Daher hat
die Menschenwürde ein Doppelgesicht. Sie wird verletzt, wenn über den Menschen verfügt
wird wie über eine Sache. Sie wird jedoch auch verletzt, wenn dem Menschen in seinen
grundlegendsten Bedürfnissen Hilfe untersagt wird (vgl. S.25).
Der Autor hält weiter fest, dass die Wahrung der Menschenwürde im definitiven Gesetz nicht
ausdrücklich als Grundsatz verankert ist. Jedoch ist es die Sicherstellung von Wohl und
Schutz der hilfsbedürftigen Person. Der Mensch als Individuum und als soziales Wesen steht
als Träger_in von Grundrechten und dem Anspruch auf umfassenden Schutz bei bestimmten
Schwächezuständen im Mittelpunkt (vgl. Häfeli, 2013, S.25-26).
Im Folgenden wird dem Begriff des Schwächezustandes nachgegangen. Dieser ist als zu
erfüllen vorausgesetzt, damit der Kindes- und Erwachsenenschutz als Hilfe oder Kontrolle zur
Wirkung kommt. Der Begriff soll beitragen, Stigmatisierungen entgegenzuwirken (vgl. Häfeli,
2013, S. 36).
Wie bereits betont, bilden das Wohl und der Schutz hilfsbedürftiger Personen den
Leitgedanken. Zweck, Ziel und Aufgabe des Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes ist es,
Defizite und Schwächezustände, welche das Wohl einer betroffenen Person gefährden, zu
beseitigen, zu beheben, auszugleichen oder zu mildern. Dies um die Interessen der
Betroffenen Person dauerhaft und nachhaltig zu wahren (vgl. Fassbind, 2012, S.40).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Dies gilt jedoch erst, wenn der Schutz der betroffenen Person nicht durch private Hilfe
gewährleitet werden kann (Subsidiarität). Es gilt eine Eingriffsschwelle für jede Intervention der
KESB zum Wohl und Schutz einer Person. Das heisst, es ist eine erhebliche (ernstliche)
Gefährdung der Interessen, bzw. des Wohls der betroffenen Person festzustellen. Die
Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Gefährdung, werden sowohl im Kindesals auch im Erwachsenenschutzrecht nicht ausdrücklich erwähnt (vgl. Fassbind, 2012, S.41).
Ursachen von persönlichen oder wirtschaftlichen Gefährdungen, bzw. Hilfsbedürftigkeit (von
sogenannten Schwächezuständen) können vielfältiger Natur sein. Zum Beispiel physische und
psychische Beeinträchtigungen, Unerfahrenheit, Misswirtschaft, Unwilligkeit oder Unfähigkeit
einer Person. Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht bezweckt den Ausgleich solcher
Schwächezustände (vgl. Fassbind, 2012, S.41).
Ziel jeder Massnahme muss die Selbstbestimmung der betroffenen Person so weit wie
möglich erhalten und fördern, denn die Selbstbestimmung und die Würde sind, wie oben
beschrieben, die Leitgedanken des neuen Gesetzes. Es hat einen Ausgleich zwischen der
Freiheit und der Betreuung der hilfsbedürftigen Person zu schaffen. Dies soll gelingen, in dem
unter bestimmten Voraussetzungen eine Fremdbestimmung vorzusehen ist, welche aber
soweit wie möglich eine Hilfe zur Selbsthilfe darstellt (vgl. Fassbind, 2012, S.42).
6.2
Fazit
Als neu zentraler Begriff wird der Schwächezustand benannt, welcher als Grundlage dient,
dass der KES zum Tragen kommt. Damit wird klar betont, dass die betroffene Person in
irgendeiner Form nicht fähig ist, sich selber zu sorgen. Der Begriff erinnert an eine
Terminologie aus der Medizin.
Weiter wird der Schutz und das Wohl der hilfsbedürftigen Person als Ausgangspunkt von
Interventionen gesehen werden. Dabei handelt es sich um unbestimmte (Rechts-)Begriffe. Sie
sind abhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen. In Bezug auf das Kindswohl (als
spezifische Beschreibung bei Kindern) findet sich folgende Aussage einer KESB: «Dieser
unbestimmte Rechtsbegriff ist gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen und kann
deshalb in der Praxis auch mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden. Das gilt vor allem für
eine wertpluralistische Gesellschaft, in welcher den Eltern ein grosser Ermessenspielraum
überlassen bleibt, nach welchen ethischen oder religiösen Wertmassstäben sie ihre Kinder
erziehen» (KESB Bern, 2012).
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Aus den Erläuterungen wird weiter ersichtlich, dass es einer erheblichen Gefährdung bedarf,
welche ein Eingreifen legitimiert. Es wird konstatiert, dass auch Voraussetzungen für die
Annahme erheblicher Gefährdungen nicht ausdrücklich beschrieben sind.
Der KES kommt nun erst zur Wirkung, wenn private Hilfen den Schwächezustand von
Personen nicht genügend begleiten können.
Gründe, damit der KES zur Wirkung kommt sind höchst unterschiedlich. Ebenfalls die Settings
sind unterschiedlich (z.B. behördliche Massnahme, nicht-behördliche Massnahme). Die
Rahmenbedingungen, in welcher Hilfe stattfindet sind somit äusserst different.
Als letzter Punkt wird festgehalten, dass die beiden charakteristischen Verbindungen von Hilfe
– Hilfe in Verbindung mit Eigenverantwortung und Autonomie, sowie Hilfe in Verbindung vom
Doppelmandat – auch in den Erläuterungen des Kindes- und Erwachsenenschutzes eine
zentrale Rolle spielen.
Im KES kommt der Anspruch der Eigenverantwortung und Autonomie unter dem Begriff der
Selbstbestimmung zum Tragen. Dieses wird im revidierten Erwachsenenschutz als zentrales
Revisionsziel beschrieben. Insbesondere sind damit die behördlichen Massnahmen (eigene
Vorsorge, Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung) gemeint. Jedoch geht es nicht nur um
diese. Bei behördlichen Massnahmen ist vorgesehen, dass diese die Selbstbestimmung der
betroffenen Person(en) soweit wie möglich erhalten und fördern. Ebenfalls sind Beistände
aufgefordert, ihre Aufgaben im Interesse der betroffenen Person zu erfüllen und auf deren
Meinung Rücksicht zu nehmen (vgl. Rosch, 2015, S.218).
Der
Autor
geht
davon
aus,
dass
Selbstbestimmung
auch
für
Menschen
ohne
Schwächezustand als sehr anspruchsvoll gesehen werden muss und es eröffnet sich die
Frage, welche Massstäbe für Menschen mit einem Schwächezustand gelten sollen. Er hält
fest, dass Einigkeit darüber herrsche, die Fremdbestimmung möglichst zu minimieren und die
Menschen als aktive Subjekte zu sehen und zu befähigen. Einigkeit herrsche auch darüber,
dass Menschen mit Schwächezustand potenziell schutzbedürftig seien und der Staat
gegebenenfalls fremdbestimmend einschreiten müsse, um den Schwächezustand zu
minimieren oder auszugleichen (vgl. Rosch, 2015, S.218-219).
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
7 Folgerungen für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und
Erwachsenenschutzes
In diesem Kapitel soll es um die Beantwortung der zweiten Frage gehen, nämlich welche
Folgerungen sich für das Tätigkeitsfeld des Kindes- und Erwachsenenschutz aufgrund der
Erkenntnisse aus Kapitel 4 ergeben. Dazu werden die zentralsten Punkte noch einmal kurz
benannt.
Eine kritische Soziale Arbeit verwirklicht Hilfe entlang von partizipativen KooperationsModellen mit dem Ziel einer gerechteren Gesellschaft. Sie ist interessiert an der
Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Problemlagen und der Veränderung jener.
Sie geht davon aus, dass Inhalt, Form und Ziel von Hilfe gesellschaftlich bedingt sind und in
Diskursen umkämpft und gefestigt werden, welche wiederum für die Wahrnehmung dieser drei
Themenkreise verantwortlich sind.
Weiter zeichnet eine kritische Soziale Arbeit aus, dass sie von der Gleichberechtigung des
Wissens ausgeht und der Annahme, dass Reflexion eine Fähigkeit aller Subjekte ist. Sie sieht
die generativen Themen der heutigen Zeit in der Herrschaft und Befreiung. Eine kritische
Soziale Arbeit legt ihren Handlungen eine Praxis des Dialogs zugrunde.
In der Konsequenz sieht eine kritische Soziale Arbeit, soziale Gerechtigkeit und nicht Hilfe als
normativen Orientierungspunkt. Sie bleibt sich der Doppelfunktion von Hilfe und Kontrolle
aufgrund der Verankerung im Sozialstaat bewusst, versucht jedoch den Gegensatz
transparent zu machen und bietet Ansätze zu Gunsten einer partizipativen Haltung.
7.1
Zentrale Erkenntnisse und Beantwortung der zweiten Frage
Als
erste
und
wohl
zentralste
Erkenntnis
kann
festgehalten
werden,
dass
die
herausgearbeiteten Merkmale, in Bezug auf den Begriff der Hilfe aus der Perspektive einer
kritischen Sozialen Arbeit und dem Begriff der Hilfe wie er im KES benannt wird, in einem
grundsätzlichen Widerspruch stehen.
Im KES findet sich eine starke Betonung der Hilfebedürftigkeit. Der Begriff des
Schwächezustandes erinnert an eine medizinische Diagnose. Die Vermutung liegt nahe, dass
sich der Begriff an traditionell-diagnostischen Ansätzen orientiert und so legitimiert, zu wissen
FHS St.Gallen Soziale Arbeit, Bachelorarbeit HS 15, Claudia Caflisch
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
was für betroffene Personen wichtig und richtig ist. Kunstreich (2013) hält fest, dass sich die
bedeutsamen Ereignisse in der Sozialen Arbeit als Kampf um «soziale Zensuren» verstehen,
als Auseinandersetzung um eine gerechte Platzierung der Akteur_innen. «Soziale Zensuren»
wie z.B. «hilfsbedürftig» sagen meist wenig aus über die Praxen der benannten Personen,
stellen jedoch (meist unhinterfragte) eingriffsberechtigte Deutungen der Professionellen dar.
Eine so legitimierte Platzierungs-Zensur baut auf einem professionellen Monolog auf, der sich
in Anamnese und Diagnose als höheres Wissen kennzeichnet, welches zu einer
entsprechenden Behandlung berechtigt. Der Autor beschreibt eine solche Annahme weiter
folgendermassen: « Die „grossen Erzählungen“ von (...) Hilfe sind die Mythen, mit denen die
Professionellen ihrem Tun quasi religiöse Weihen verleihen und eine patriarchale Struktur von
sozialer Gerechtigkeit stabilisieren: „Ich weiss, welcher Platz in der Gesellschaft für dich gut
ist“» (S.87).
Demgegenüber steht die Annahme einer kritischen Sozialen Arbeit, welche von der
Gleichberechtigung der Wissensdomänen und Deutungsmustern ausgeht, mit der Annahme
der Gleichheit aller Subjekte. Darin manifestiert sich die Aussage, dass der normative
Orientierungspunkt kritischer Sozialer Arbeit nicht Hilfe, sondern soziale Gerechtigkeit ist (vgl.
Kunstreich, 2013, S.87). Dieser widerspricht sich mit dem Hilfeverständnis des KES
entscheidend.
Dies soll aufgrund eines Beispiels verdeutlicht werden. Diese genannten Grundbedingungen
kritischer Sozialer Arbeit spiegeln sich im Arbeitsprinzip der Partizipation von Kunstreich
wieder. Damit wird ein Begriff benannt, welcher im neuen KES ebenfalls eine wichtige Rolle
spielt (als Handlungsoption in Bezug auf die Selbstbestimmung). Beiden Formen der
Gestaltung der Zusammenarbeit, der Gestaltung des «Hilfsprozesses», liegen nun jedoch
grundsätzlich unterschiedliche Verständnisse zugrunde. Kunstreich geht davon aus, dass es
ein Aushandeln eines gemeinsamen Dritten bedingt um gemeinsam (Adressat_in Sozialer
Arbeit, Professionelle) eine Problemdefinition zu erhalten, aufgrund welcher durch die
Professionellen eine Handlungsorientierung generiert werden kann (siehe Kapitel 3.3).
Demgegenüber geht das (gängige) Partizipationsverständnis im KES davon aus, dass eine
gelingende Partizipation von der Teilnahmegewährung (formelle Rechte der Mitsprache, z.B.
Antrags- oder Rekursrecht oder informelle Mittel) und der Teilnahme (als aktiver Teil des
Gegenüber) gekennzeichnet ist. Dies, so die Autorin, bedinge eine Abkehr von der
Vorstellungsmacht als Fachpersonen (in angemessenem Rahmen) und die Einnahme einer
Prozessbegleitungsposition, da Partizipation stets ein gegenseitiger Lernprozess darstelle. Es
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
brauche somit Professionelle, welche Lernen ermöglichen, und nicht alles auf dem schnellsten
Weg für die Adressat_innen organisieren. Als weitere Bedingung sieht sie, dass die
Rahmenbedingungen geklärt werden müssen und zwar durch die Professionellen (vgl. ElMaawi, 2014, S.21). Dies verdeutlicht noch einmal, welch radikal egalitäre Position Kunstreich
in seinen Ausführungen zu dem Arbeitsprinzip Partizipation einnimmt. Es lässt vermuten, wie
gross
sich
der
Widerspruch
zur
Praxis
darstellen
muss,
wenn
bereits
ein
Partizipationsverständnis wie von El-Maawi benannt einen Kulturwandel bedeutet.
Der Begriff der Selbstbestimmung, welcher als ein zentrales Merkmal des neuen KES gilt,
muss aus der Perspektive einer kritischen Sozialen Arbeit denn auch analysiert werden. Gross
ist der Verdacht, dass auch darin Logiken einer neoliberalen Restrukturierung vorfindbar sind
und sich an Werten orientieren, welche auf die Eigenverantwortung des Individuums zielen
und so einen Leistungsabbau seitens des Staates legitimieren würde. Ebenfalls ist hier noch
einmal zu betonen, dass eine methodische Absicherung alleine noch keine Garantie darstellt,
der Entmündigung von Personen entgegenzuwirken. Dies kann lediglich über die
Voraussetzung einer grundsätzlich differenzierten Haltung ermöglicht werden.
Weiter ist die Annahme von zentraler Bedeutung, dass in Diskursen drüber entscheiden wird,
wie sich Hilfe definiert. Wie wird über das KES gesprochen, über Entscheide, Funktionen und
Legitimationen? Eine kritische Soziale Arbeit muss sich mit den ihr eigenen zentralen Werten
in die Diskurse einbringen.
Als letzte Folgerung soll noch die Hilfe im Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle benannt
werden. Dieser Verbindung fällt im KES eine tiefgreifende Rolle zu. Aus Sicht einer kritischen
Sozialen Arbeit geht es darum, Hilfe und Kontrolle in den Fokus struktureller Bedingungen zu
stellen.
Es
korrigierenden
ist
unzulässig,
Perspektive
Problemsituationen
zu
aus
interpretieren.
einer
individualisierenden
In
den
Fokus
und
rücken
Bedingungszusammenhänge, individuelles Leid und die Einschränkung der individuellen
Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist notwendig, dieses Verhältnis und jene Wirkmechanismen
zu analysieren. Das ein «Ausbalancieren» dieses Verhältnisses ein problematischer
Bewältigungsversuch darstellt, wurde in Kapitel 7.1 beleuchtet. Zudem konnte benannt
werden, wie sich Kontrolle legitimiert. Die Auseinandersetzung zu Normalitätsvorstellungen
zeigt sich hier als zentral.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Was jedoch zum Schluss hervorgehoben werden soll, ist die Feststellung von Meinhold, dass
sie das Dilemma weniger in Hilfe und Kontrolle sieht, sondern im Fehlen von Hilfsangeboten.
Das Doppelmandat Hilfe und Kontrolle muss stets Teil einer tiefgreifenden Analyse sein.
Es eröffnet sich die Frage, wie Prozesse initiiert und begleitet werden können, um wie von
Cremer-Schäfer beschrieben, dem näherzukommen, was Menschen als Ressourcen
brauchen.
Zum Schluss soll festgehalten werden, dass eine kritische Soziale Arbeit, auch im
Tätigkeitsfeld der KES, die Werte der Solidarität und Selbstregulation als Grundlage ihres
Handelns ansieht. Sie verfolgt das Ziel einer sozial gerechten Gesellschaft und problematisiert
daher Bedingungen, welche diesen Bestrebungen entgegenwirken.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Reflexion und eigene Positionierung
Die Erarbeitung des Begriffs der Hilfe zeigte auf, dass der Begriff schwierig zu fassen ist. Sein
Gebrauch in unterschiedlichen Formen und gesellschaftlichen Verhältnissen betont seine
Vagheit. Vieles kann Hilfe sein. Doch was ist er in der Sozialen Arbeit? Dies bleibt nach wie
vor schwierig zu fassen. Gerade in Bezug auf die Motivation und den Grundsätzen welche der
Hilfe zugrunde liegen. Es wurde klar ersichtlich, dass die Hilfe in der Sozialen Arbeit eng
angebunden ist an die Entwicklung des Sozialstaates, und das Hilfe dadurch rechtlich
verankert ist. Jedoch wirken wenig klare Mechanismen z.B. in Bezug auf die Motivation mit.
Anhorn (2012) hält fest, dass über viele Jahrhunderte die christliche Nächstenliebe zentrale
Motivation für die Hilfe war. Diese Vorstellung des Helfens wurde vor allem mit der Geschichte
des «Barmherzigen Samariters» genährt, welche: «historisch gewiss zur wirkmächtigsten,
prototypischen und kulturellen Repräsentation eines personalen Hilfehandelns geworden ist»
(S. 265). Mit den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen durch die industrielle
Revolution (Säkularisierung, Rationalisierung) verwandelte sich jedoch die Symbolik der
barmherzigen
freien
Liebestätigkeit.
An
ihre
Stelle
folgte
eine
professionalisierte,
personenbezogene soziale Dienstleistung. Jedoch, so erläutert Anhorn weiter, schöpfen –
auch unter säkularisierten Bedingungen – profitorientierte Konzerne, Prominente und die
politische Klasse zu Marketing-, Image-, oder Legitimationszwecken aus dem Fundus dieser
«Bilderwelt» (persönliche Hinwendung und Fürsorge, Opfer und Altruismus, Selbstlosigkeit
und Mitleid) (vgl. Anhorn, 2012, S.265).
Das Schöpfen aus diesem Bild kann, so Anhorn in keiner Weise als unproblematisch gesehen
werden. Dies da sich die Hilfe im Rahmen eines so verstandenen Beziehungsgefüges
(Statuspositionen des «Gebenden» und des «Nehmenden») über Hierarchien äussert. Die
Gefahr besteht, dass ein «moralisches Skript» entworfen wird, welches Hilfe zu einer Sache
der individuellen Verantwortung macht (vgl. Anhorn, 2012, S.265). Diese beiden Punkte
konnten in der Arbeit bereits angedeutet werden. Anhorn benennt jedoch noch einen weitern
Punkt, welcher so noch nicht thematisiert wurde. Es kann so eine gesellschaftliche Sphäre
geschaffen werden (durch die Abspaltung der «Selbstlosigkeit») welche von Markt und Politik
(scheinbar) losgelöst ist und sich dadurch Fragen zu Macht und Herrschaft entzieht. Dies hat
zur
Folge,
dass
von
Fragen
zu
ungleichen
Verteilung
von
Ressourcen
und
Partizipationsmöglichkeiten abgelenkt wird (vgl. Anhorn, 2012, S. 265-266). Anhorn hält fest,
dass ein solches Selbstverständnis Sozialer Arbeit eine unzulässige Verallgemeinerung
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
beschreibt, dies da es sich a-historisch und a-gesellschaftlich darstelle (vgl. Anhorn, 2011, S.
S.266).
Es zeigt noch einmal deutlich auf, welche Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem
normativen Kern Sozialer Arbeit zukommt. Denn der Begriff der Hilfe trägt viele Dimensionen
in sich. Er eröffnet, nebst Fragen dazu, was Soziale Arbeit denn tut, Reflexionsmöglichkeiten
zu elementaren Fragen des sozialen Gefüges. Denn der Begriff der Hilfe trifft uns alle in
unserem Kern. Wir sind als Menschen von anderen abhängig, denn unser Streben nach
Autarkie und Autonomie ist prinzipiell vom Scheitern bedroht (vgl. Mühlum et al., 1997, S.
S.30). Diese Annahme kann einladen, grundsätzlich darüber nachzudenken, wie sich unsere
Beziehungen und Bedürfnisse ausgestalten, was wir benötigen und welchen Stellenwert dem
zugesprochen wird.
Die Erarbeitung des Themenbereiches der Kritik stellte sich als höchst anfordernd heraus.
Dies aufgrund der Vielfallt an theoretischen Bezügen welche die Autor_innen wählen, jedoch
auch aufgrund des Bruches von Theorie und Praxis auf welchen in der Literatur immer wieder
verwiesen wird. Kritik als Distanzierung von Herrschaftsarbeit zu sehen zeigte einen Weg auf,
sich dem Widerspruch anzunähern. Sie lädt ein, Kritik in unterschiedlichen Formen mit dem je
eigenen Potential zu erkennen und nicht als eine alleinige Domäne der Wissenschaft zu
sehen. Dies ist dahingehend hilfreich, da den Texten eine starke sprachlichen Dominanz und
Distanziertheit
innewohnt.
Ebenfalls
kann
der
Verdacht
auf
disziplininterne
Profilierungsversuche- oder Notwendigkeiten nicht ganz abgewendet werden. Demgegenüber
hält Stender jedoch fest, dass die Theorien eine «Sperrigkeit» bedürfen, um die Gefahr einer
verflachten Adaption abzuwenden und um nicht als neue hegemoniale Deutungsmuster
verwendet zu werden (vgl. Stender, 2013, S.106). Es gilt also auch diesbezüglich einen
Widerspruch auszuhalten und Konzepte und Theorien immer wieder auf beide Argumente hin
zu prüfen.
Das herausarbeiten der Grundsätze eines dialogischen Konzeptes, einer Praxis als Dialog
stellte eine Besonderheit in der Arbeit dar. Die Arbeit am Sozialen stellt den Bezug her, um
kritische Soziale Arbeit in der Praxis zu versuchen. Es konnte deutlich gemacht werden,
welches Potential in dieser Form steckt, jedoch auch, auf welche Widersprüche sie stossen
wird. Denn die Soziale Arbeit, wie unsere Gesellschaft als Ganzes, ist vielmehr auf einem
Monolog aufgebaut.
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Hilfe aus der Perspektive kritischer Soziale Arbeit
Die Arbeit am Sozialen und das Arbeitsprinzip der Partizipation basieren auf radikal egalitären
Annahmen. Darin manifestiert sich ein zentraler Widerspruch z.B. zum KES, wie zu allen
anderen
Tätigkeitsfeldern
der
Sozialen
Arbeit.
Die
Versuchung
war
gross,
diese
fundamentalen Annahmen in Bezug zum KES zu relativieren. Den Menschen die Gleichheit im
Wissen abzusprechen, und eine Verantwortung lediglich in einem Teil zu gewähren, scheint
um ein vieles einfacher. Die Konsequenzen des Arbeitsprinzip Partizipation auszuhalten
bedeutet jedoch, sich auf gesellschaftlich wenig legitimierte Prinzipien zu berufen.
Jedoch ist gerade von diesen Prinzipien nicht abzurücken. Aus (eigenen) Erfahrungen aus der
Praxis lässt sich beschreiben, dass die Strukturen wie sie heute in der Sozialen Arbeit
vorhanden sind, sehr schnell an Grenzen stossen und in eine eigene Hilflosigkeit verfallen,
respektive keine anderen Antworten zur Verfügung haben als Ausschluss und Sanktion.
Bettinger (2012) hält fest, was eine kritische Soziale Arbeit – nebst der direkten Arbeit mit
Adressat_innen –zur Realisierung von Teilhabe, Chancengleichheit und Partizipation
beitragen kann. Folgende Aufzählung dienen als Abschluss und Abrundung dieser Arbeit,
bilden jedoch gleichzeitig den Ausgangspunkt vieler neuer Arbeiten und Projekte:
–
Macht-, Herrschafts- & Ungleichheitsverhältnisse (und die Reproduktion dieser)
thematisieren und skandalisieren
–
Sich als politische Akteurin verstehen
–
Bildungs- und Sozialisationsprozesse offerieren, welche sich
o
an den Prinzipien der Aufklärung und Emanzipation und
o
an den Bedürfnissen, Wünschen, Interessen und Willen der Adressat_innen
Sozialer Arbeit ausrichten
–
Diskurse als herrschaftslegitimierende Techniken der Wirklichkeitsproduktion – und
somit von gesellschaftlicher Ordnung in der kapitalistischen Gesellschaft – zu
erkennen und zu analysieren und in die Arenen einzutreten, in denen um die
Durchsetzung von Wirklichkeit gekämpft wird (vgl. S.187).
Zum Schluss ist festzuhalten, dass das Thema dieser Arbeit zu vielen neuen Erkentnissen und
zu Argumenten in Bezug auf die Tätigkeit von Sozialer Arbeit und auf ein kritisches
Selbstverständnis beitrug. Daher kann aus Sicht der Autorin das Ziel der Arbeit als erfüllt
gesehen werden.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Stufen der Entwicklung fürsorglichen Handelns (Quelle: Mühlum et al., 1997,
S.31) ................................................................................................................................... S. 24
Abbildung 2: Kriterienraster zur Beurteilung von Methoden und Handlungsleitenden Konzepten
(Quelle: Stimmer, 2000, S.28)............................................................................................. S. 29
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Schlussblatt
Ich erkläre hiermit:
dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benützung anderer als der
angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.
_______________________
St. Gallen, 6. Oktober 2015
Unterschrift
Veröffentlichung Bachelorarbeit
Ich bin damit einverstanden, dass meine Bachelor Thesis bei einer Bewertung mit der Note
5.5 oder höher, der Bibliothek für die Aufnahme ins Ausleiharchiv und für die Wissensplattform
Ephesos zur Verfügung gestellt wird. Sie darf auch an Aussenstehende verkauft werden.
x ja
□ nein
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St. Gallen, 6. Oktober 2015
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