Ein Jahr Mindestkurs des Schweizer Franken zum Euro

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Ein Jahr Mindestkurs des Schweizer Franken zum Euro: Unorthodoxer Eingriff
gegen heftige Kapitalflüsse
25. September 2012
Vor gut einem Jahr hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Notbremse gegen die drastische
Aufwertung des Schweizer Franken gezogen, indem sie einen expliziten Mindestkurs von CHF 1,20 pro
EUR festlegte. Mit dieser unorthodoxen und ordnungspolitisch fragwürdigen Maßnahme stemmt sich die
SNB gegen heftige Kapitalströme. Diese Politik ist daher auch eine interessante Parabel für die ebenfalls
zunehmend unorthodoxe Krisenpolitik in der Eurozone.
Seit Ausbruch der Eurokrise suchen viele Anleger Zuflucht in schweizerischen Vermögensanlagen.
Richtigerweise vermuteten viele Anleger außerdem, dass der Franken gegenüber dem Euro aufwerten würde und
wollten mit Anlagen in CHF von dieser Aufwertung profitieren. Die ursprüngliche Flucht in den sicheren Hafen
Schweiz wurde also durch spekulative Kapitalströme verstärkt. Als Konsequenz stieg der Kurs des Schweizer
Franken zeitweise um mehr als 30% gegenüber dem Euro und bedroht so die Wettbewerbsfähigkeit der
schweizerischen Exportindustrie.
Diese Kursbewegung ist sogar heftiger als der Prozentwert andeutet: Nimmt man den EUR/CHF-Kurs vor der
Eurokrise als Maßstab, so hat sich der Franken in der Krise um bis zu 9½ Standardabweichungen (SDs) von
seinem historischen Mittelwert entfernt. Selbst der gegenwärtige Mindestkurs ist noch 6½ SDs entfernt. Zum
Vergleich: Der (volatilere) EUR/USD-Kurs hat sich seit 2000 nie mehr als 2 SDs vom Mittelwert bewegt.
Die Konsequenzen lassen sich an der schweizerischen Leistungsbilanz ablesen: Während die Schweiz traditional
ihre Leistungsbilanzüberschüsse trotz eines real aufwertenden Franken steigern konnte, so entfaltet die
drastische Aufwertung seit 2010 deutliche Bremswirkung (siehe Abb. 1) und belastet die ohnehin schwache
Konjunktur in der Schweiz. Kein Wunder, dass sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) gegen diese
Entwicklung stemmt.
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Frühere Interventionen der SNB konnten die Aufwertung des CHF zwar abbremsen, aber nicht stoppen.
Schließlich erklärte die SNB im September 2011, unbegrenzt Euros zum Kurs von CHF 1,20 zu kaufen – also
einen Mindestkurs gegenüber dem Euro festzusetzen. „Unbegrenzt“ ist hier das entscheidende Wort: Wäre die
Intervention auf ein bestimmtes Volumen begrenzt gewesen, hätten Devisenhändler dieses schnell erschöpfen
und eine weitere Aufwertung erzwingen können. Mit der glaubwürdigen Ankündigung, unbegrenzt zu
intervenieren falls nötig, musste die SNB dagegen zunächst nur sehr wenig tun – die Marktteilnehmer haben die
neue Untergrenze schnell akzeptiert. Zwar kann die SNB nicht verhindern, dass Devisentransaktionen zu einem
Kurs von weniger als CHF 1,20 stattfinden, aber wer weniger akzeptiert als die SNB bietet, ist selbst schuld.
Tatsächlich dauerte es sieben Monate bis die SNB im Frühjahr 2012 ihren Worten ernsthaft Taten folgen lassen
musste. Erst die neuerliche Eskalation der Eurokrise – gut ablesbar an den explodierenden CDS-Prämien für
Spanien – provozierte eine neue Welle an Kapitalzuflüssen in die Schweiz. Infolge der dadurch nötigen
Devisenmarktinterventionen stiegen die Währungsreserven der SNB von CHF 296 Mrd. im April auf CHF 479
Mrd. im August (siehe Abb. 2). Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat die Schweiz inzwischen ein dickeres
Polster an Währungsreserven als China.
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Das zeigt, in welchem Ausmaß durch den Mindestkurs makroökonomische Risiken auf die Zentralbankbilanz
übertragen werden. Das ist beunruhigend, denn es entstehen mitunter Interessenkonflikte mit der allgemeinen
Geldpolitik. Zudem sind die Risiken in der Zentralbankbilanz weniger präsent und können zu leichtfertigen
Interventionen verführen. Vor allem geht eine Geldmengenerweiterung mit Inflationsrisiken einher. Zwar leidet die
Schweiz gegenwärtig unter sinkenden Konsumentenpreisen – Sorgen bereitet aber die Entwicklung einiger
Vermögenspreise, z.B. bei Immobilien.
Durch das neue Krisenmanagement der EZB sind die Risikoprämien in den Peripherieländern wieder deutlich
geschrumpft. CDS-Prämien für Spanien sind von 640 Bp. im Juli auf zuletzt 369 Bp. gesunken. Weniger Angst um
den Euro heißt auch weniger Nachfrage nach sicheren Häfen. Der Schweizer Franken notiert erstmals schwächer
– zuletzt bei rund CHF 1,21 pro Euro (Stand: 24. Sept.). Tatsächlich ertönen wieder Stimmen, die SNB möge den
Mindestkurs anheben, um schweizerische Exporte zu fördern. Dieser Schritt ist aber unwahrscheinlich, denn eine
Anpassung würde sofort Spekulationen über weitere Anpassungen auslösen. Die Glaubwürdigkeit und damit die
Wirksamkeit des Mindestkurses wären beschädigt. Wahrscheinlicher ist es, dass die SNB eine Normalisierung
des EUR/CHF-Wechselkurses abwartet und erst dann die Politik eines expliziten Mindestkurses aufgibt bzw.
gegenstandslos werden lässt. Im Moment ist es für Entwarnung aber noch zu früh.
Der CHF-Mindestkurs ist ein unorthodoxer und ordnungspolitisch fragwürdiger Eingriff. Er ist daher auch eine
interessante Parabel für die ebenfalls zunehmend unorthodoxe Krisenpolitik in der Eurozone. Der Mindestkurs der
SNB ist ein Beispiel dafür, dass angesichts heftiger und sich selbst verstärkender Kapitalströme, unorthodoxe
Maßnahmen durchaus angemessen und effektiv sein können. Bereits eine glaubwürdige Ankündigung kann
deutlich zur Stabilisierung der Kapitalströme beitragen. Diese Einschätzung ändert sich auch nicht dadurch, dass
die SNB ab dem Frühjahr dann doch erheblich intervenieren musste, um den Kurs zu halten, schließlich hatte
sich im Frühjahr auch die Risikolage erneut deutlich verschärft.
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