Christus im Elend Breslau, um 1500 Holz, farbig gefasst, Höhe 117

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Christus im Elend
Breslau, um 1500
Holz, farbig gefasst, Höhe 117 cm
Herkunft: Breslau (Wrocław), Berhardinerkirche.
Inv. Nr. Śr. 105
Der Typ des Christus im Elend, der sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts herauszubilden begann,
erreichte in der Endzeit der gotischen Kunst größte Popularität. Er zeigt den auf einem Stein sitzenden Christus
in einer Pose, wie sie für Darstellungen eines erschöpften, in Gedanken versunkenen Menschen typisch ist.
Davon zeugen der gekrümmte Körper, der auf die Hand gestützte, geneigte Kopf und der Gesichtsausdruck voll
von Trauer und Resignation. Er ist völlig entblößt; ein nicht festgebundener Lendenschurz verhüllt lediglich den
Bereich der Hüfte. Seinen gesamten Körper bedecken – fast wie ein Muster – Ströme geronnenen Blutes, das
von den Wunden stammt, die ihm während der Geißelung zugefügt wurden. Sie sind nicht nur ein Zeichen des
physischen Leidens, sondern symbolisieren auch das gewaltige Ausmaß der Gräuel, die ihm von den Menschen
angetan wurden. In diesem Bildnis summiert sich somit die Gesamtheit seiner durchlittenen Qualen. Christus,
der physisch leidet, den das Böse schmerzt, das in der menschlichen Natur steckt.
Ein unerlässliches Element bei der Darstellung des Christus im Elend ist die Dornenkrone. Bei der Skulptur aus
der Sammlung des Warschauer Museums ist sie nicht erhalten geblieben, ebenso wenig die Perücke, die
ursprünglich den Kopf bedeckt haben muss. Davon zeugt das Fehlen einer plastischen Ausarbeitung der Haare.
Die Verwendung von Perücken war keine Eigentümlichkeit der Breslauer Bildhauerei. Beispiel hierfür sind
Figuren mit Perücken aus natürlichen Haaren von einer Passionsgruppe aus der St. Elisabeth-Kirche, die in etwa
zur Entstehungszeit des hier beschriebenen Werkes gegründet wurde. Ein solches Verfahren war auch den
Künstlern in Nürnberg bekannt; mit dieser Stadt unterhielt Breslau im 15. Jahrhundert sehr lebendige Kontakte,
auch künstlerischen Austausch. Vielleicht wurde die Idee von Figuren mit Haaren auch von dort übernommen,
obwohl sie eine Randerscheinung blieben.
Die Darstellungen des Christus im Elend können sich in einigen Details voneinander unterscheiden, unter
anderem durch das Vorhandensein von Spuren der Geißelung oder deren vollständiges Fehlen; demnach wird die
hier präsentierte Skulptur also durch die außergewöhnlich zahlreichen Blutströme charakterisiert. Bisweilen
konnte Christus in seiner Linken eine Geißel oder eine Rute der Geißelung halten. Bekannt sind auch Exemplare
einer völlig nackten Figur (zum Beispiel eine Skulptur aus dem Museum des Catharijneconvent in Utrecht von
etwa 1500). Eine andere Variante bildet die Darstellung eines nackten Christus, der auf einem Stein sitzt, dessen
Hände aber auf dem Kreuz gefesselten sind.
Die Gestalt des nackten Christus, der auf einem Stein oder auf einem liegenden Kreuz sitzt – in der Regel in der
Pose des Christus im Elend –, ist zentrales Element in Szenen, die die Vorbereitungen für die Kreuzigung
schildern. Dies soll als Anhaltspunkt dienen, die isolierte Darstellung des Christus im Elend in einem analogen
Kontext zu lokalisieren. Das bestätigen auch die Symbole, die auf den Ort der Kreuzigung Bezug nehmen
(Schädel, Schienbeine oder sogar ein Täfelchen mit der Aufschrift »Golgatha«), sowie das Fehlen von Wunden,
die von der Kreuzigung herrühren.
Diese Darstellung wurde in den Evangelien nicht beschrieben. Ihre Quelle bildeten vielmehr Passionstraktate,
die für die Kontemplation über die Qualen Jesu bestimmt waren. Unter dem Aspekt der Andacht ist die
Darstellung des Christus im Elend so konzipiert, dass sie im Betenden Mitgefühl für den leidenden Erlöser
hervorrufen, zugleich Dankbarkeit und Liebe erwecken für sein Opfer am Kreuze zum Wohle der Menschheit
und nicht zuletzt Schuldgefühle wegen der eigenen Sünden hervorrufen sollte, durch welche Christus unablässig
weitere Leiden bereitet werden.
In Polen habe sich Figuren dieser Art in der religiösen Volkskunst bis zum heutigen Tage erhalten; sie sind
traditionellerweise in Bildstöcken am Wegesrand untergebracht.
Malgorzata Kochanowska-Reiche
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