Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern Thomas Deiters Es gilt das gesprochene Wort! II. Einführung in den Tag Familienfreundlichkeit als strategisches Thema für die Kommunalpolitik in Mecklenburg-Vorpommern - Vorstellung der Schwerpunktthemen und Workshops Anrede (Begrüßung – Dank für Teilnahme, Dank an Servicebüro, Dank an Mitarbeiterinnen SM für hilfreiche Anregungen und für Stand ….) Als wir die heutige Veranstaltung geplant haben, sind wir gefragt worden: - Warum die Veranstaltung zu dem Thema? (Gab doch schon – SM, Lke, IHK, ). Schwingen wir uns nur auf eine neue Modewelle, die entstanden ist, weil die Bundespolitik erkannt hat, dass man mit diesem Thema Wählerstimmen gewinnen kann? - Andere kritische Stimmen im Vorfeld aus dem Kreise unserer Mitglieder hörten sich so an: „Das machen wir doch schon längst. Was soll uns das noch bringen? Schon wieder eine neue Aufgabe, die uns nur Geld und Zeit kostet, …“ Ich möchte Ihnen als Einführung berichten, was mich dazu bewogen hat, mich für diese Veranstaltung einzusetzen, damit auch in MV mehr lokale Bündnisse für Familien entstehen. Im letzten Jahr im Mai, kurz vor den Landtagswahlen in NRW hat unser Bundesverband, der DStGB, einen Kongress zum Thema Lokale Bündnisse für Familien durchgeführt. Die Veranstaltung – obwohl lange geplant – sorgte so kurz vor 2 den wichtigen Wahlen in NRW für richtigen Zündstoff im Vorfeld: Ein geschicktes Wahlkampfmanöver der Regierungspartei? Zumindest wurde es als solches befürchtet. – Die Bedenken konnten aber zerstreut werden – und am Ende kam alles anders! Schließlich hatte auch die Opposition im Wahlkampf stark auf die Themen Familie und Bildung gesetzt und damit gepunktet. Die Veranstaltung selbst war alles andere als dass, was man bislang von familienpolitischen Tagungen kannte. Zwar fehlten die üblichen Verdächtigen aus den Wohlfahrtsorganisationen, Kommunen, Wissenschaft und die Wohlfahrtsorganisationen nicht. Aber: die überwiegende Zahl der Teilnehmer stammte aus dem Bereich der Wirtschaft. Die Bundesstiftung Lokale Bündnisse entpuppte sich als beeindruckend lebendiges Netzwerk, das vor allem von hochrangigen Adressen der deutschen Wirtschaft mit Leben erfüllt wurde. Im Vordergrund stand dort die Frage: Wie halten wir qualifizierte Arbeitskräfte in der Region oder wie gewinnen wir solche Menschen? – Eine Frage, die sich auch MV an Hand der Abwanderung bereits heute stellen muss! Besonders interessant waren die Beiträge der Bertelsmann-Stiftung; aber auch von Arbeitgebern, die sich in die Gemeindepolitik einmischten, um für ihre Arbeitnehmer gute Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sichern. Diesen Rahmenbedingungen wurde teilweise sogar ein höherer Stellenwert beigemessen als die höhere Bezahlung, die aus Wettbewerbsgründen teilweise nicht möglich war. Eines allerdings war allen Initiativen bei diesem Kongress gemeinsam – sie funktionierten ausschließlich auf der örtlichen Ebene; meistens mit den Städten gemeinsam. Ein Blick auf die Karte über die lokalen Bündnisse in Deutschland wies zu der Zeit für M-V nur auf der Insel Rügen ein Bündnisstandort aus. – Deshalb freue ich mich 3 besonders mit Frau Christine Wenmakers vom Verein Rügen tut gut eine Vertreterin für einen Vortrag heute gewonnen zu haben. Bei den Referaten fiel mir weiter auf, dass vor allem Kommunalpolitiker durch viele Beispiele zu berichten wussten, dass sich durch die Bündnisarbeit nicht nur familienpolitisch interessante Projekte entwickelt haben. – Auch wir wollen heute von den Referentinnen und Referenten und in den Workshops solche Beispiele diskutieren -. Besonders interessant war: Durch den intensiven aber ungezwungenen Kontakt mit den wichtigen Akteuren vor Ort wie der Wirtschaft, der Kirchen, der Vereine wurden auch andere Ideen geboren, das gegenseitige Verständnis verbessert, Probleme gelöst und – alles in allem – das Miteinander, das Wir-Gefühl in der Gemeinde gestärkt. Heimgekehrt musste ich feststellen, dass hier die familienpolitische Diskussion geprägt wird von der Landespolitik, allenfalls von Initiativen auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte – abgesehen von ganz wenigen zarten Pflänzchen auf wirklich örtlicher, auf gemeindlicher Ebene. Dies soll sich ändern und wir haben nach Diskussion im Fachausschuss in unserem Verband und im Vorstand Unterstützung für die Organisation der heutigen Veranstaltung erhalten. Ich möchte deshalb die Überschrift konkretisieren: Nicht strategisches Thema für die Kommunalpolitik, weil da schon die ersten abwinken können und sagen – na klar, soll/kann sich ja der Landkreis drum kümmern! Nein, es muss heißen: Familienpolitik als strategisches Thema für die Politik der Gemeinden! Denn die wirklichen Anknüpfungspunkte für eine familienfreundlichere Politik finden sich vorrangig auf der Ebene der Städte und Gemeinden. Mit ihrer Allzuständigkeit in 4 allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft halten die Gemeinden den Schlüssel in der Hand, um die verschiedenen – oft vor allen Dingen vor Ort wirkenden Akteure des gesellschaftlichen Lebens an einen Tisch zu bringen und eine Abstimmung der vielfältigen Maßnahmen zu ermöglichen wie mit den Schulen mit ihren Lehrern, Eltern und Kindern, Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen, Tagesstätten, Jugendclubs, Sportvereine, örtlichen Unternehmer und Dienstleister wie die ambulanten Betreuungssysteme, die Seniorenwohnheime; den Kontakt zu den Krankenhäusern, Ärzten und Krankenkassen oder dem Nahverkehrsunternehmen herzustellen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Möglichkeit der bürgernahen gemeindlichen Verwaltungen, solche Dinge anzuregen oder auch nur professionell zu unterstützen sind überaus wichtig, wie sich an der Liste der überall in Deutschland gegründeten Lokalen Bündnisse für Familien leicht ablesen lässt. Herr Josef Eich von der Familienbund AG in Lichtenau im Erzbistum Paderborn wird uns in seinem Referat zum gemeinschaftlichen Engagement weitere Beispiele geben, mit welchen – nicht in erster Linie finanziellen Maßnahmen – Familien effektive Unterstützung erhalten können. Dass Familienfreundlichkeit als wichtiger Standortfaktor einer Stadt/Gemeinde oder eines Landkreises begriffen werden muss, wird uns von Frau Christine Wenmakers vom Verein Rügen tut gut und von Herrn Jan Christian Büchner vom Reha-Zentrum Lübben im ersten Vortrag aufgezeigt. Familienpolitik als strategisches Thema für die Stadt bzw. die Gemeinde zu begreifen, heißt auch die Tatsache anzuerkennen, dass die Gemeinden sich nicht nur im Bereich der niedrigsten Gewerbesteuerhebesätze, attraktivsten Arbeitsplätze 5 oder besten Einkaufs- oder Urlaubsmöglichkeiten im Wettbewerb befinden. Gerade angesichts allgemein rückläufiger Bevölkerungsentwicklung wird doch bereits heute hinterfragt, ob in Zukunft noch genügend Schüler in der Gemeinde leben werden, die eine Sanierung der Schule rechtfertigen. Handelsketten fragen sich, ob auf Dauer genügend Menschen in der Stadt wohnen, die ihre Produkte kaufen. Unternehmen informieren sich sehr genau, ob genügend qualifizierte Arbeitskräfte in der Region vorhanden sind, bevor über eine Ansiedlung entschieden wird. Und schließlich entscheiden sich auch junge Familien bei der Auswahl eines Baugrundstückes nicht nur nach dem Preis, sondern zunehmend auch nach der Erreichbarkeit und Qualität z.B. von Schule, Kindergarten oder auch der Betreuungsmöglichkeiten für ältere Familienmitglieder. Auch wenn uns das Finanzausgleichssystem in Deutschland noch vor einem Rating der Gebietskörperschaften durch Kreditinstitute schützt: Die Entwicklung der Bevölkerung in einer Gemeinde, die Geburtenrate und die Belastbarkeit der sozialen Sicherungssysteme sind nach Auskunft einer internationalen Rating-Agentur bereits heute Standardkriterien, nach denen international auch die Bonität von Gebietskörperschaften bei Kreditvergaben geprüft wird. Für einige international tätige Banken spielen diese Faktoren aber bereits heute schon eine Rolle bei der Entscheidung, zu welchem Zinssatz sie ihr Geld an welche Kommune verleihen. Eins muss aber auch klar sein: Sicherlich spielt für ein familienfreundliches Umfeld auch die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen, in denen Familie gelebt werden kann, eine große Rolle und dabei auch die Verlässlichkeit des Arbeitsplatzes und nicht zuletzt die Einkommensbedingungen, um eine Familie ernähren zu können. Nicht umsonst verlassen gerade junge, gut qualifizierte Menschen trotz der guten 6 Betreuungsangebote zunehmend auf Grund der mangelnden beruflichen Perspektiven dieses Land – und wir sind scheinbar nicht attraktiv genug, neue zu gewinnen. Dieses durch kommunale Maßnahmen allein wirklich nachhaltig beeinflussen zu können – über die umfangreichen Maßnahmen der örtlichen Wirtschaftsförderung hinaus, erscheint gerade für die neuen Bundesländer allzu illusorisch. Wir wissen – um wieder zum Positiven zu kommen, dass die Städte und Gemeinden, die Landkreise und das Land z.B. mit dem Versorgungsgrad an und der Qualität bei Kinderbetreuungsplätzen in unserem Land weit Überdurchschnittliches leisten, um die Vereinbarkeit vom Familie und Beruf zu fördern. Denken wir nur an die flächendeckende Einführung der vorschulischen Bildung. Uns darauf aber auszuruhen, erscheint mir dennoch gewagt: Auch das System der Kindertagesbetreuung muss wie jede Maschine regelmäßig geschmiert und überprüft werden. Wenn wir gelernt haben, die verwaltungsintensiven neuen Steuerungsmechanismen, die uns das KiföG bietet, richtig zu handhaben, werden wir dabei auch klären müssen, ob z.B. die Öffnungszeiten stärker nach den Bedarfen variiert werden müssen. Eine Kita in einer Vorstadtgemeinde, in der viele Eltern in die Stadt zur Arbeit pendeln, in der die Kinder Schulen in der Stadt besuchen, braucht vielleicht andere Öffnungszeiten als in einer Gemeinde, in der sich Schule und Arbeitsplätze der Eltern befinden. Zur Zeitpolitik für Familien wird uns Frau Dr. Martina Heitkötter vom Deutschen Jugendinstitut weitere Anregungen in ihrem Vortrag geben. Zum Themenkomplex von Frau Karin Gruhlke vom Parchimer Jugend- und Familienzentrum fällt mir sofort ein Beispiel ein: 7 Wenn z.B. ein Hotel in Boltenhagen damit wirbt, dass die Familie ihre pflegebedürftige Oma mit in die Ferien nehmen kann, die im Hotel fachmännisch betreut wird, während die Familie gerade Baden geht, zeigt dies, dass Familienfreundlichkeit sich auch bezahlt machen kann. Auch der Ausbau der Kitas als Familienzentren, oder neudeutsch: Mehrgenerationenhäuser, wo also neben der Kinderförderung und –betreuung noch weitere, auf die gesamte Familie ausgerichtete Angebote bereitgehalten werden, kann eine sinnvolle Erweiterung sein. Schließlich sind mit Familienfreundlichkeit nicht nur die Familien mit Kindern angesprochen, sondern auch – und vielleicht wegen der zunehmenden Zahl von Älteren und auf Hilfe angewiesenen Menschen sogar gerade die Familien mit hilfsbedürftigen Angehörigen, seien es nun Senioren oder Menschen mit Behinderungen. Bei allem in Punkto Erreichtem in Sachen Familienfreundlichkeit wird an diesem Beispiel aber auch deutlich, woran wir im bundesweiten Vergleich m.E. wirklich noch arbeiten müssen: Ohne das Marketing, ohne die Information der Öffentlichkeit über die besonderen Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit werden diese nicht zum Standortfaktor. Wenn z.B. keiner weiß, dass die Mehrgenerationenhäuser – um ein aktuelles Schlagwort zu benutzen – in Mecklenburg-Vorpommern z.B. unter dem Namen „Familienzentren“ bereits seit Jahren existieren, oder wenn z.B. die Familien diese Zentren nicht kennen, werden wir hier nachbessern müssen. Auch wenn es stimmt, dass wir in unseren Städten und Gemeinden ohnehin schon sehr viel für die Familien tun, müssen wir dies doch auch nach außen tragen, getreu dem alten Pfandfindermotto: Tue Gutes und sprich darüber, vor allen Dingen sprich darüber! – Und gerade hier bietet uns das Servicebüro Lokale Bündnisse eine gute bundesweite 8 Plattform, um mit unseren Initiativen und Ideen zu werben. Im Vergleich mit anderen Regionen sind wir da sicherlich noch zu zurückhaltend – vielleicht liegt das ja an unserer norddeutschen Art. Mit der heute unterzeichneten Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen dem Städte- und Gemeindetag MecklenburgVorpommern und dem Servicebüro Lokale Bündnisse für Familien sowie der heutigen Veranstaltung wollen wir den Impuls setzen, damit dies anders wird. Dies möchte ich auch anlässlich eines aktuellen Berichts in der heutigen Ausgabe der Schweriner Volkszeitung über die Fehlverwendung von Solidarpaktmitteln aus dem Westen für angeblichen Luxus bei uns unterstreichen: An diesen Beispielen wird deutlich, dass eine familienfreundliche Politik nicht mehr Geld kostet. Was gefragt ist, sind ehrenamtliches Engagement, Ideen und die Motivation, sich vor Ort zusammenzusetzen. Die Vergleiche mit anderen Staaten zeigen, dass Familienfreundlichkeit sich nicht nur in der Höhe der staatlichen Aufwendungen für Familienpolitik darstellt. Manche Vergleichszahlen erwecken sogar den Eindruck, dass die effektivste Familienpolitik nicht die mit den höchsten Unterstützungsleistungen an die Familien ist, sondern die, die den Familien öffentliche Leistungen und Verlässlichkeit bietet. Angesichts leerer öffentlicher Kassen – und eine zurückgehende und älter werdende Bevölkerung bedeutet sowohl für die Steuereinnahmen als auch für die Sozialversicherungskassen geringere Mittel – muss unsere Gesellschaft auch verstärkt auf andere Formen der Unterstützung setzen. Wer zwischenzeitlich noch einen Kaffee brauchen sollte, dem wird es sicher nicht übel genommen, wenn er einfach die Kaffeebar vor der Tür zwischendurch aufsucht. 9 Wenn das Gedränge allerdings zu groß werden sollte, werden wir noch eine kleine Pause einschieben. Nach den Inputs am Vormittag und der Mittagspause in der Kantine gegenüber, die allein auf Grund der Räumlichkeiten die Gelegenheit bieten wird, untereinander in Kontakt zu kommen, möchten wir mit Ihnen ab 13.15 Uhr in drei Workshops die Themen vertiefen. Zu den einzelnen Workshops: Herr Jan Christian Bücher kommt aus dem Reha Zentrum für Familien in Lübben und möchte mit Ihnen die Bedeutung der Familienfreundlichkeit als Standortfaktor mit interessanten Beiträgen aus Rügen, Buxtehude und Elmshorn diskutieren. Herr Carsten Wachholz vom Servicebüro Berlin will im 2. Workshop wichtige Hinweise für die Gründung eines lokalen Bündnisses, also z.B.: Wie stellt man es an, die örtlichen Akteure für das Thema zu motivieren? Welche attraktiven Zusammenarbeitsformen gibt es? Vielleicht auch: Kostet das ganze nur Zeit, oder wird das Bündnis eher ein positives Erlebnis, von den Beteiligten als Bereicherung empfunden? Wie schnell braucht man Ergebnisse, um die Motivation aufrecht zu erhalten? Und schließlich: Wo bekomme ich Unterstützung und Infos. Ich freue mich, für die Leitung des 3. Workshops den Fachdezernenten aus der der LHS Schwerin, Herrn Hermann Junghans gewonnen zu haben, der sofort zugesagt hat. Herr Junghans ist bekannt für sein Engagement, aber auch für teilweise provozierend wirkende aber im Kern am nachhaltigen Thesen zur Zukunft der Familienpolitik bekannt, die nicht nur in der FAZ, sondern auch in unserer Verbandszeitschrift abgedruckt wurden. 10 Ich hoffe, Sie haben sich in die ausliegenden Listen für die Workshops eingetragen. Wir werden ihnen dann vor dem Mittag bekannt geben, in welchem Raum auf dieser Ebene welcher Workshop stattfindet. Die Beiträge der Referenten, die Ergebnisse der Workshops und die weitere Arbeit werden wir unter unserer Homepage www.stgt-mv.de im Internet veröffentlichen. … In diesem Sinne darf ich Frau Christine Wenmakers vom Verein Rügen tut gut e.V. bitten, uns ihre Gedanken zum Thema Familienfreundlichkeit als Standortfaktor darzulegen.