Elgin Gorissen-van Hoek -1- Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der neueren Rechtsprechung Dipl.-Kauffrau Elgin Gorissen-van Hoek / Puchheim bei München, Finanzsachverständige und Mitglied des Bundesverbandes Bau-Finanz-Berater e.V. Nach den Grundsatzurteilen des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 1. Juli 1997 (AZ XI ZR 267/96 und XI ZR 197/96) zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung haben vielfältige Publikationen zu einer großen Aufmerksamkeit bei Verbrauchern und Kreditinstituten geführt. Obwohl nach den BGHUrteilen eine gewisse Rechtssicherheit herrscht, interpretieren Banken und Sparkassen auf der einen und Kunden auf der anderen Seite die Urteile teilweise noch recht unterschiedlich. Wann darf ein langfristiger Kredit vorzeitig vom Kreditnehmer beendet werden? Zu den Kernaussagen des BGH-Urteils zählt, daß ein Kreditnehmer in bestimmten Fällen ein Recht auf eine vorzeitige Ablösung seines Kredites hat, da er in seiner „wirtschaftlichen Handlungsfreiheit“ nicht eingeschränkt werden darf. Will ein Kreditnehmer sein Grundstück verkaufen, hat er einen Anspruch darauf, die Verbindlichkeiten abzulösen, um das Grundstück belastungsfrei verkaufen zu können. Welche Gründe für den Verkauf ausschlaggebend sind, wie Ehescheidung, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Umzug oder Wahrnehmung einer günstigen Verkaufsgelegenheit, sind unerheblich. Die Bank hat dem Kreditnehmer die Möglichkeit einzuräumen, seine Darlehensverpflichtungen vorzuverlegen und das bedeutet nichts anderes als die Möglichkeit einer vorzeitigen Darlehenstilgung. Wer das Darlehen lediglich ablösen will, um die Bank zu wechseln oder um auf einen günstigeren Zins umzusteigen, hat keinen Anspruch auf eine vorzeitige Vertragsauflösung. Hier ist nach wie vor die Zustimmung der Bank erforderlich. Erklärt die Bank jedoch ihr Einverständnis zu einer vorzeitigen Ablösung, muß sie die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung alternativ nach einer der zwei BGH-Methoden vornehmen. Nach welchen Methoden ist die Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen? Der BGH führt in seinen Urteilen aus, daß die Bank mit einer Vorfälligkeitsentschädigung nur den Ausgleich ihres tatsächlichen Schadens verlangen kann. Der Nachteil umfaßt dabei regelmäßig sowohl den Zinsverschlechterungsschaden als auch den Zinsmargenschaden für die Dauer ihrer rechtlich geschützten Zinserwartung. Die Bank kann alternativ nach zwei Methoden rechnen. Bei der Aktiv-/Aktiv-Methode ist von der Wiederausleihe des vorzeitig zurückerhaltenen Darlehenskapitals auszugehen. Die Bank kann für die Restlaufzeit den Zinsverschlechterungsschaden als Differenz des alten Darlehenszinses zum aktuellen Hypothekenzins geltend machen. Darüber hinaus steht ihr der einkalkulierte Gewinn, die sogenannte Zinsmarge zu. Diese Zinsmarge hat sie um die Beträge für das entfallende Risiko und die eingesparten Verwaltungskosten zu kürzen. Bei der Aktiv-/Passiv-Methode wird von der Wiederanlage des zurückgezahlten Darlehens auf dem Kapitalmarkt ausgegangen. Hier hat der BGH allerdings eine Einschränkung gemacht: Als Untergrenze für den Vergleichszinssatz gilt der laufzeitkongruente Zinssatz für öffentliche Anleihen. Bei beiden Methoden ist der Schaden mit dem aktiven Wiederanlagezins auf den Ablösetermin abzuzinsen. Bei der Schadensberechnung ist eine laufende Tilgung zu berücksichtigen. Bei einem Darlehen mit Tilgung darf die Vorfälligkeitsentschädigung nicht prozentual von der Darlehenssumme berechnet werden. Vertraglich vereinbarte Sondertilgungen sind ebenfalls in Abzug zu bringen. Welche Zinssätze sind als Vergleichszinssätze heranzuziehen? Dazu schreibt das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) vom 8.1.1998 (AZ 5U 124/95) vor, daß vom Nominalzins des Darlehens auszugehen sei, da „die Restzinsen des Darlehens nur mit dem Nominalzinssatz berechnet werden und der Effektivzinssatz lediglich eine Vergleichszahl nach der Preisangabenverordnung ist“. Mit diesem Urteil ist die Berechnungsmethode der Banken, die fast Elgin Gorissen-van Hoek -2- immer den Effektivzins ansetzten und damit höhere Vorfälligkeitsentschädigungen erzielten, als überholt zu bezeichnen. Bei dem Aktiv-Passiv-Vergleich ist als Untergrenze die Rendite öffentlicher Anleihen anzusetzen. Die nach Restlaufzeit gestaffelten Renditen sind täglich in großen Tageszeitungen, wie z.B. der FAZ, nachzulesen. Für zurückliegende Ablösezeitpunkte kann auf die Kapitalmarktsätze öffentlicher Schuldner in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank zurück gegriffen werden. In welcher Höhe sind Risiko- und Verwaltungskosten in Abzug zu bringen? Das OLG Schleswig schätzt für das entfallende Risiko einen Betrag von DM 140 pro angefangene Million. Bezogen auf das Restdarlehen entsprach das einer Quote von 0,06%. In der Praxis wird für das entfallende Kreditausfallrisiko normalerweise mit einem jährlichen Abschlag von 0,1 bis 0,2% gerechnet. Für die eingesparten Verwaltungskosten führt das OLG Schleswig einen Abschlag von DM 40 bei vierteljährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung an. Bei monatlicher Zins- und Tilgungsverrechnung wären dann DM 120 pro Jahr in Abzug zu bringen. In der Praxis sind Werte zwischen 0,1 bis 0,3 % anzutreffen. Mit welchem Zinssatz sind die Zinseinbußen abzuzinsen? Da die Zinseinbußen sukkzessive über die restliche Darlehenslaufzeit anfallen, sind die jeweiligen Schadensbeträge auf den Ablösezeitpunkt mit dem Nominalzins der Wiederanlage abzuzinsen. Finanzmathematisch korrekt wäre die Abzinsung mit unterschiedlichen nach Restlaufzeit gestaffelten Zinsen. Der BGH schränkt diesen finanzmathematisch korrekten Ansatz jedoch im Sinne einer Abschätzung nach §252 BGB ein, die beim Aktiv-Passiv-Vergleich mit der Schadensabschätzung nach §287 ZPO auf der Grundlage statistischer Angaben in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank korrespondiert. Hier verschafft sich die Bank eine günstige Ausgangsposition zur Schadensermittlung und muß im Gegenzug auf den Ansatz der finanzmathematisch korrekten gestaffelten Wiederanlagerenditen verzichten. Bei dem Urteil des OLG München (AZ 31 U 6090/96 vom 30.3.1998) ist die Abzinsung mit gestaffelten Zinssätzen, die in der Bankberechnung mit dem KAPO-Programm vorgenommen wurde, explizit verurteilt worden. Wenn also mit unterschiedlichen Zinssätzen gearbeitet wird, ist diese Berechnung als nicht BGH-konform abzulehnen. Wie hoch kann die Bearbeitungsgebühr der Bank ausfallen? Grundsätzlich steht es der Bank frei, für den erhöhten Verwaltungsaufwand ein zusätzliches Bearbeitungsentgelt in Rechnung zu stellen. Diese Gebühr darf nicht als Prozentsatz der Darlehenssumme bestimmt werden. Das OLG Schleswig legte für die zwei abzulösenden Darlehen einen Betrag von DM 400 fest. In der Praxis werden Beträge zwischen DM 100 und DM 300 angesetzt. Wann wird ein Disagio erstattet? Dazu hat der BGH mit seinem Urteil vom 8.10.1996 (AZ XI ZR 283/95) eine klare Entscheidung getroffen. Grundsätzlich ist das Disagio nur noch in 4 Fällen zu erstatten: 1. Das Disagio wurde über die gesamte Laufzeit verteilt. Macht der Kunde von seinem Kündigungsrecht bei Ende der Zinsfestschreibung Gebrauch, so ist das anteilige Disagio herauzugeben. 2. Es wurde ein Darlehen mit einer Zinsfestschreibung von über 10 Jahren vereinbart und das Disagio auf die Zinsfestschreibungszeit verteilt. Wenn der Darlehensnehmer von seinem Kündigungsrecht nach §609a nach dem 10. Jahr Gebrauch macht, ist das nicht verbrauchte Disagio zu erstatten. 3. Wurde ein Vorfälligkeitsentschädigung nach einem Effektivzinsvergleich berechnet, so ist das unverbrauchte Disagio in Abzug zu bringen, da das Disagio im Effektivzins enthalten ist. 4. Ist das Zinsniveau zum Zeitpunkt der Aufhebung gestiegen, so daß die Bank den zurückfließenden Darlehensbetrag zu einem höheren Zinssatz wieder ausleihen kann, entsteht ihr kein Zinsverschlechterungsschaden. Sie hat vielmehr einen wirtschaftlichen Vorteil, der zu einer Erstattung des Disagios führen kann. In allen anderen Fällen, insbesondere, wenn das Darlehen auf Wunsch des Kreditnehmers vorzeitig zurüchgezahlt wird, verbleibt der Bank das anteilige Disagio als Teil ihrer rechtlich geschützten Zinserwartung. Nach welcher Methode ist die Disagio-Erstattung zu berechnen? Elgin Gorissen-van Hoek -3- Bei einem Darlehen mit endfälliger Tilgung werden über die Zinsfestschreibungszeit gleich hohe Zinsen gezahlt. Deshalb kann hier das Disagio entsprechend der verstrichenen Darlehenslaufzeit oder nach der Zinssummenmethode berechnet werden. Bei der Zinssummenmethode ist das Disagio nach dem Verhältnis der angefallenen zu den insgesamt geschuldeten Nominalzinsen zu erstatten. (BGH AZ XI ZR 158/97 vom 27.1.1998). Diese Methode ist laut BGH bei Annuitätendarlehen anzuwenden. Die finanzmathematisch korrekte Methode der effektivzinskonstanten Abgrenzung des Disagios hat sich bis jetzt in der Rechtsprechung noch nicht durchgesetzt. Da die Banken das Disagio in der GuV auch zinssummenproportional verbuchen, wird diese Methode weiterhin Bestand haben. War eine Vorfälligkeitsentschädigungszahlung des Kreditnehmers ohne Vorbehalt rechtens? Bei ungerechtfertigter Bereicherung hat ein Darlehensnehmer auch bei fehlendem Vorbehalt in einer Ablösevereinbarung noch nach 30 Jahren Anspruch auf Rückerstattung zuviel gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung. Dabei sind die Rückzahlungsbeträge auch linear zu verzinsen, nach dem BGH Urteil vom 27.1.1998 (AZ XI ZR 158/97) mit 7% p.a.