1 18. Sonntag nach Trinitatis mit Taufen 25.9.16 / 10.00 Uhr / Verden / St. Johannis Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Predigttext: Römer 14,17-19 (Epistel) Liebe Gemeinde, gemeinsam am Tisch sitzen, miteinander essen und trinken, gesellig sein, das kann schön sein. Und dann außer dem Essen auch Zeit, Worte und Gedanken teilen, auf‘s gemeinsame Wohl anstoßen, miteinander lachen – das ist nicht nur etwas Schönes, es verbindet auch. Sie als Tauffamilien werden nach dem Gottesdienst sicher irgendwo miteinander sitzen, essen und feiern. Und im Mittelpunkt der Gespräche steht dann jeweils der Täufling, Lukas Sebastian hier und Sophia dort. Und es soll richtig schön werden. So eine Taufe ist etwas ganz Besonderes, ein kirchliches Fest und eine Familienfeier. Gemeinsam am Tisch sitzen … Es gibt übrigens auch Gemeinden, in denen im Winter die ganze Kirche für ein paar Wochen zum Gasthaus wird und sich die unterschiedlichsten 2 Menschen bei Tisch treffen, gemeinsam essen und miteinander ins Gespräch kommen. Gemeinsam am Tisch sitzen … Wie oft lesen wir auch in den Evangelien von Jesus, wie er Gast bei jemandem war und mit den Leuten zu Tisch saß. Miteinander essen, ja, das kann echt schön sein! Aber es kann – leider – auch ganz schwierig sein. Denn am Essen scheiden sich nicht selten die Geister und Gemüter. Essen ist nämlich weit mehr als nur Geschmackssache. Essen ist auch Einstellungssache: Ob mit oder ohne Fleisch oder gar vegan. Ob bio oder konventionell. Ob frisch zubereitet oder aus der Packung. Ob koscher oder halal oder weder noch. Ob Slowfood oder Fastfood. Wir sehen also: So sehr Essen Menschen verbinden kann, so sehr kann es auch trennen. Was wurde und wird über das Essen nicht überall diskutiert und gestritten! Von solchen Tisch- oder Kühlschrankgesprächen wüsste sicher jede und jeder von uns zu erzählen. Heute, am Sonntag vor Erntedank, hören wir als Text für die Predigt einen Abschnitt aus dem Römerbrief, Kapitel 14. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer 3 darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.“ (Römer 14,1719) Streit ums Essen, ums richtige Essen, das gab es auch schon damals vor zweitausend Jahren in den ersten christlichen Gemeinden. Auch wenn die Hintergründe andere waren als heute. Damals ging es darum, dass es Fleisch ausschließlich als „den Götzen oder dem Kaiser geopfertes Fleisch“ gab. Darf man das als Christ essen oder nicht? Die einen sagten: „Götzen – was gehen mich die Götzen an? Die gibt es doch sowieso nicht! Oder der Kaiser, der sich als Gott aufspielt? Ha! Ich kenne nur einen Gott, den Unsichtbaren und Lebendigen!“ – und aßen munter drauf los. Die anderen aber machten sich einen Kopf, ob ja oder nein, und entschieden sich dann dagegen. Das hieß: ab jetzt lebten sie vegetarisch. Sie fanden es falsch, Fleisch zu essen, das jemandem geopfert worden war. Deshalb verzichteten sie lieber darauf. Dass diese unterschiedlichen Einschätzungen zu heißen Diskussionen in der Gemeinde in Rom – und nicht nur dort – führten, das kann man sich lebhaft vorstellen. Denn beide Gruppen hatten ja einleuchtende Argumente und triftige Gründe für ihr Essen bzw. nicht-Essen. Und beide fühlten sich aus ihrer Sicht „zurecht im Recht“. Und wenn sich zwei „zurecht im 4 Recht“ fühlen, dann fliegen einfach die Fetzten. Das war damals nicht anders als heute. Und in diesen Streit hinein schreibt der Apostel seinen Brief und erinnert die Gemeindeglieder von Rom: He, liebe Leute, das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken! Essen und Trinken, ja, das braucht der Mensch. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Und es kann auch Menschen zusammenführen. Aber das Reich Gottes ist es deshalb noch lange nicht! Denn das ist mehr. Das ist Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Der Apostel lenkt also den Blick weg vom Essen und dem Konflikt darum. Es geht ihm nicht um das richtige oder falsche Essen, auch nicht um das richtige oder falsche Leben überhaupt, nicht um Prinzipien, es geht ihm auch nicht darum, wer recht hat im Glauben. Es geht ihm um etwas Größeres. Es geht ihm darum, geistlich zu leben statt gesetzlich. Er schreibt: Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander. Mir fällt dazu ein Beispiel ein, eine Erfahrung: Wir haben in dieser Woche zusammen mit geflüchtete Mitbürgerinnen und Mitbürger einigen Gemeindegliedern zu einem Internationalen Abendtreff ins Stadtkirchenzentrum eingeladen. Hauptsächlich Afrikaner waren es, Eritreer und Sudanesen. Gläubige Christen und auch Muslime. Wir saßen bunt gemischt 5 an Tischen, die mit Obst, Tee und Knabbereien gedeckt waren. Dazu auf jedem Tisch ein Gesellschaftsspiel, ganz einfache und bekannte Brettspiele. Und dann entwickelte sich ein wunderbarer Abend. Es wurde herzhaft gelacht, ehrgeizig gespielt, zwischendrin mit dem Handy übersetzt, gegessen und getrunken. Am Ende, zum Abschied wurde sogar ein Gebet gesprochen ... Es war eine richtige BEGEGNUNG, unser Internationaler Abendtreff. Die unterschiedlichen Glaubenshaltungen blieben dabei im Hintergrund. Die Begegnung und das Miteinander standen im Vordergrund. Alles war von großer Herzlichkeit und Freude geprägt. Es war ein Abend, der dem Frieden diente und zur Erbauung untereinander. Das Verbindende stand über dem Trennenden. Vielleicht war der Heilige Geist unter uns, vielleicht war der Herr Jesus Christus Gast an unseren Tischen. Ich habe für mich gelernt, wie ein Raum entstehen kann. Ein Raum, der viel Offenheit lässt für das, was dann tatsächlich geschieht: Wo gelacht und gespielt werden kann, aber auch gegessen und gefeiert. Ich habe für mich gelernt: Sucht das, was Euch untereinander verbindet! Schaut nach dem, wo Ihr zusammengehört, wo Ihr Euch gegenseitig tragen und stärken könnt. Helft Euch gegenseitig, als Gemeinschaft zu leben: als Gemeinschaft von Christen und als Gemeinschaft Menschen, auch solcher mit einer anderen Religion. aller 6 Sucht das Euch Verbindende! Immer neu und immer wieder. Das Trennende, das entdecken wir ja meistens ganz leicht und total schnell: die andere Hautfarbe, das ungewohnte Verhalten, die fremde Sprache, das andere Essen. Und unbewusst geht man dann auch auf Distanz, ist kritisch und skeptisch: Das sieht aber komisch aus - ob das schmeckt? Sich distanzieren, voneinander abrücken, wegschauen oder sich aus dem Weg gehen: das sind Verhaltensweisen, die oft unser Leben prägen im Umgang miteinander. Sucht das Euch Verbindende! Daran erinnert uns die Bibel. Das, was einen mit dem anderen verbindet, das liegt nicht immer auf der Hand. Da muss man genauer hinschauen. Und nachfragen und zuhören. Da hat man nicht von vorneherein immer nur recht. Doch das uns Verbindende zu suchen, das brauchen wir dringender denn je in unserer Zeit, wo der Bau von Mauern und Zäunen wieder so normal geworden ist. Und wo die Zahl der Kinder, die in armen Verhältnissen aufwachsen, auch hier bei uns von Jahr zu Jahr zunimmt. Darum ist es heute vielleicht aktueller denn je, was der Apostel damals sagte: Tut, was zum Frieden dient und euch untereinander verbindet und aufbaut. Wir brauchen es in unseren Familien und Häusern, damit wir miteinander und nicht nur nebeneinander her leben. Wir brauchen es in unserer Gemeinde, damit wir auch wirklich Gemeinde sind. 7 Wir brauchen es als Menschheitsfamilie, wenn wir mit- und füreinander Menschen bleiben wollen. Deshalb ist auch die Taufe etwas Besonderes und ganz wichtig, liebe Familien von Lukas Sebastian und Sophia. Durch die Taufe ist Ihr Kind mit Gott verbunden. Gott begleitet es durch sein weiteres Leben. Und mit der Taufe beginnt das Leben als Christ bzw. als Christin. Ihr Kind ist verbunden in einer großen Gemeinschaft und verwurzelt in einem Glauben, der dann auch anderen Religionen begegnen kann. Und in dieser Begegnung mit anderen Religionen in Zukunft, gerade auch in unserem Land, wird es dann nicht um das Rechthaben gehen, sondern darum, zu tun, was zum Frieden dient und euch untereinander verbindet und aufbaut. Sie mit Ihrer Familie sind ein Teil dieser Menschheitsfamilie und wir wünschen Ihnen Gottes guten Segen auf Ihrem Weg. Und uns allen zusammen wünsche ich, dass sich in unserem Miteinander Gottes Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist schon jetzt widerspiegeln. Amen.