Suche nach dem Standardmodell-Higgs-Boson bei CMS mit 2010 und 2011 aufgezeichneten LHC-Daten CERN, 13. Dezember 2011 Das Higgs-Boson ist das einzige vom Standardmodell (SM) der Teilchenphysik vorhergesagte Teilchen, das noch nicht experimentell gefunden wurde. Seine Entdeckung würde unser Verständnis, wie Teilchen Masse erhalten, sprunghaft erweitern. Falls aber kein Higgs-Boson am LHC gefunden würde, wäre dies äußerst bedeutsam, da dann mehr Augenmerk auf alternative, über das Standardmodell hinausgehende Theorien mit assoziierten Higgs-ähnlichen Teilchen gelegt werden müsste. Heute hat die CMS-Kollaboration ihre neuesten Resultate zur Suche nach dem Higgs-Boson des Standardmodells vorgestellt. Alle bis Ende 2011 aufgezeichneten Proton-ProtonKollisionen wurden analysiert. Die Daten entsprechen einer integrierten Luminosität von 4,7 fb-1 [REF: FB], was bedeutet, dass CMS die Erzeugung des Higgs-Teilchens fast im gesamten Massenbereich oberhalb der vom LEP-Beschleuniger (Large Electron Positron Collider) gesetzten unteren Grenze von 114 GeV/c2 (oder 114 GeV in natürlichen Einheiten [REF: GEV]) bis hinauf zu 600 GeV/c2 untersuchen kann. Unsere Ergebnisse wurden durch Kombination von Suchen in mehreren vorhergesagten Zerfallskanälen des Higgs-Teilchens gewonnen. Darunter sind Zerfälle in W- oder Z-Bosonpaare, die ihrerseits in vier Leptonen zerfallen, sowie in Paare von schweren Quarks, Paare von Tau-Leptonen, und Photonpaare (Abbildung 1). Abbildung 1 Ein typischer Higgs-Kandidat mit Zerfall in zwei hochenergetische Photonen, deren Energie (dargestellt durch rote Balken) im elektromagnetischen Kalorimeter von CMS gemessen wurde. Die gelben Kurven sind Spuren von anderen Teilchen, die bei der Kollision entstanden sind. Unsere vorläufigen Resultate, für verschiedene statistische Konfidenzniveaus [REF: CL], schließen die Existenz des SM-Higgs-Bosons in einem weiten Bereich von möglichen Higgs-Boson-Massen aus: 127 – 600 GeV mit einem Konfidenzniveau von 95%, wie in Abbildung 2a gezeigt; 128 – 525 GeV mit einem Konfidenzniveau von 99%. Eine Masse ist dann “mit einem Konfidenzniveau von 95% ausgeschlossen”, wenn das SMHiggs-Boson mit dieser bestimmten Masse in mindestens 95% der Fälle, bei mehrfacher Wiederholung des Experiments, mehr Evidenz erzeugen würde als die in unseren Daten beobachtete. Abbildung 2a: Ausschlussgrenze des SM-Higgs-Teilchens mit einem Konfidenzniveau von 95% (unterhalb der roten Linie). Die Analyse beruht auf 4,7 fb-1 an Proton-Proton-Daten, welche 2010 und 2011 von CMS aufgezeichnet wurden. Daten, bei denen einzelne Teile des Detektors ausgeschaltet oder nur teilweise in Betrieb waren, sind darin nicht enthalten. Die schraffierten Bereiche zeigen die von LEP, dem Tevatron des Fermilab und die neu von CMS bereits ausgeschlossenen Massenbereiche. Die strichlierte Linie und die grünen und gelben Bänder zeigen die mittlere erwartete Empfindlichkeit von CMS entsprechend der bislang analysierten Datenmenge. Wir können ein SM-Higgs-Boson mit einer Masse zwischen 115 GeV und 127 GeV mit einem Konfidenzniveau von 95% nicht ausschließen. Verglichen mit den Vorhersagen des Standardmodells ohne Berücksichtigung eines Higgs-Teilchens gibt es, wie in Abbildung 2b gezeigt, einen Überschuss an Ereignissen in diesem Massenbereich, der übereinstimmend in fünf unabhängigen Kanälen auftritt. Abbildung 2b: Ausschlussgrenze des SM-Higgs-Teilchens mit einem Konfidenzniveau von 95% für 4,7 fb-1 an 2010 und 2011 aufgezeichneten und zertifizierten Proton-ProtonDaten. Gezeigt ist der Bereich niedriger Massen. Mit der bis jetzt aufgezeichneten Datenmenge ist es schwierig, zwischen den beiden Hypothesen Existenz und Nichtexistenz eines Higgs-Signals im Bereich dieser niedrigen Massen zu unterscheiden. Der beobachtete Ereignisüberschuss könnte eine statistische Fluktuation von bekannten Untergrundprozessen sein, entweder mit oder ohne Beitrag eines SM-Higgs-Bosons. Die größeren Datenmengen, die 2012 aufgezeichnet werden sollen, werden die statistischen Unsicherheiten verkleinern, was eine klare Aussage über die Existenz oder Nichtexistenz des SM-Higgs-Bosons in diesem Massenbereich ermöglichen wird. Der Überschuss ist kompatibel mit der Hypothese eines SM-Higgs-Bosons mit einer Masse um 124 GeV. Die statistische Signifikanz dieses Überschusses, verglichen mit dem bekannten Untergrund, beträgt jedoch weniger als zwei Standardabweichungen (2), sobald der “Look Elsewhere Effect” [REF: LEE] berücksichtigt wurde. Sie liegt beträchtlich unter dem Signifikanzgrad, der normalerweise mit Überschüssen assoziiert wird, die dem Lauf der Zeit standhalten. Wenn wir der Hypothese nachgehen, dass unser beobachteter Überschuss das erste Anzeichen für die Existenz des SM-Higgs-Bosons sein könnte, stellt sich heraus, dass die Erzeugungsrate (der „Wirkungsquerschnitt“ relativ zum SM, /SM) für jeden Zerfallskanal etwa mit den Erwartungen übereinstimmt, wenn auch mit großen Unsicherheiten. Jedoch bedeutet die niedrige statistische Signifikanz, dass dieser Überschuss auch als Fluktuation des Untergrunds interpretiert werden kann. Die 2012 aufzuzeichnenden Daten werden beitragen, den Ursprung des Überschusses schlüssig zu erklären. Literatur [REF: FB] http://news.stanford.edu/news/2004/july21/femtobarn-721.html [REF: GEV] Das Elektronvolt (eV) ist eine Energieeinheit. In der Teilchenphysik, wo Masse und Energie oft gleichberechtigt verwendet werden, ist es üblich, eV/c2 als Masseneinheit zu verwenden (wegen E = mc2, wobei c die Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum ist). Noch üblicher ist die Verwendung eines Systems mit natürlichen Einheiten, in dem c als eins gesetzt wird (also E = m), und somit eV auch eine Masseneinheit ist. [REF: CL] Das Konfidenzniveau ist ein statistisches Maß, das besagt, wie oft Testergebnisse bei 100 Messungen in einem bestimmten Bereich erwartet werden können. So bedeutet zum Beispiel ein Konfidenzniveau von 95%, dass das Resultat einer Messung in 95% der Fälle mit den Erwartungen übereinstimmt. (Quelle: NADbank) [REF: LEE] http://cms.web.cern.ch/news/should-you-get-excited-your-data-let-lookelsewhere-effect-decide