Viehhandel 1- Mittelalter In röm. Zeit belieferten die zerstreuten Gutshöfe städt. Zentren und Militärlager vermutlich auch mit Nutz- und Schlachtvieh. Nach dem Niedergang der provinzialröm. Kultur erwachte der V. im HochMA mit dem Wiederaufblühen der städt. Wirtschaft. Im Alpenraum intensivierte sich die Viehwirtschaft , um die aufstrebenden Städte und klösterl. Zentren des Mittellandes sowie den urbanisierten lombard. Wirtschaftsraum mit Vieh zu versorgen. Schon um 1000 wurden aus dem Norden über die Zollstätten Bard (Aostatal), Bellinzona und Chiavenna Pferde in die Lombardei ausgeführt. Vom SpätMA an ist der Export aus den eidg. Orten deutlich fassbar. Die Rindviehhaltung verbreitete sich auf Kosten der Schafhaltung. Italiener dürften zusammen mit dem alpinen Adel, der im ital. Solddienst stand, den sog. Welschlandhandel, d.h. den Trieb von Grossvieh über die Pässe nach Italien, eingeleitet haben. In der Innerschweiz schalteten sich ab dem 14. Jh. in wachsendem Masse Angehörige der ländl. Ober- und oberen Mittelschicht ein, ebenso Luzerner Ratsherren. Im 14. und 15. Jh. nahm der V. besonders in der Zentralschweiz und in Graubünden stark zu. Das Vieh überwand grosse Höhen (Pässe bis 2'400 m) und legte weite Strecken zurück, wobei es unterwegs immer wieder ausreichend gefüttert werden musste. Auf den Seen wurde es mit Nauen transportiert. 2- Frühe Neuzeit Das Bevölkerungswachstum des Mittellandes war vom 16. Jh. an markant grösser als im Alpenraum. Auch der jährl. Pro-Kopf-Fleischkonsum der Städte erhöhte sich ständig ( Ernährung ). Dies führte zu einer Ausweitung der Viehhaltung in der Nähe der städt. Zentren. Dadurch wurde die viehwirtschaftl. Vorrangstellung des Voralpenund Alpenraumes langsam gebrochen, und der V. innerhalb der Eidgenossenschaft erhielt kleinräumigere Strukturen. Der Beruf des Viehhändlers dominierte im innereidg. Handel ähnlich wie beim Welschlandhandel. Letzterer blieb die ganze Frühneuzeit hindurch bedeutend und umfasste im 18. Jh. jährlich gegen 15'00020'000 Stück junges Rindvieh. Für die Berglandwirtschaft bildete der Viehexport nach Italien, aber auch nach Schwaben, Bayern, Tirol und Frankreich während Jahrhunderten die wichtigste Einkommensquelle. Der Viehexport war bis ins 19. Jh. grossen Konjunktur- und Transportrisiken ausgesetzt. Kamen Italiener im Ancien Régime zum Viehkauf in die Innerschweiz, so nahmen sie sog. Dolmetscher in ihren Dienst, die entweder in ihrem Auftrag einkauften oder als Makler fungierten. Diese einträgl. Tätigkeit entwickelte sich vom Neben- zum Hauptberuf. Die Händler waren mit dem V. nur z.T. ausgelastet, weshalb sie ihn mit Tuch-, Wein- und Spezereihandel kombinierten. Viele waren auch als Metzger, Wirte, Gross- oder Sentenbauern tätig. Im Mittelland und Jura traten vom 17. Jh. an zunehmend jüd. Viehhändler auf, die auch im Elsass, in Schwaben und Vorarlberg handelten und vielerlei Widerwärtigkeiten zu trotzen hatten. Im Aargau und der Nordwestschweiz erlangten im 18. und 19. Jh. die Viehhändler aus Langenbruck über Generationen hinweg eine fast marktbeherrschende Stellung. 3- 19. und 20. Jahrhundert Der V. nahm im 19. und 20. Jh. in der Schweiz in kräftigen Schüben zu. Die Ursachen waren vielfältig: starkes Bevölkerungswachstum und steigende Nachfrage nach tierischen Produkten, Vergrösserung der Viehbestände dank Agrarmodernisierung und Verlagerung des Mittellandes auf Vieh- und Milchwirtschaft, markanter Rückgang der Nutztierhalter besonders im 20. Jh. Diese und weitere Faktoren bestimmten Umfang und Strukturen des V.s und führten zu dessen Zunahme im Inland. Den Fleischbedarf der städt. Agglomerationen deckten die Landwirtschaftsbetriebe im Mittelland und Jura. Der Alpenraum wurde zunehmend zum Aufzuchtgebiet und Lieferanten von Zuchtvieh und Mastkälbern. Im Verkehr mit dem Ausland wurde um 1850 im Mittelland und im Jura mehr Vieh umgesetzt als im alpinen Welschlandhandel, wobei der Import von billigem Mastvieh gegenüber dem Export von Zuchtvieh deutlich überwog. Beim Export stand Frankreich an erster Stelle, gefolgt von Deutschland und Italien. Das Aufkommen der Eisenbahnen in der 2. Hälfte des 19. Jh. erleichterte die Viehtransporte und bewirkte nachhaltige Umwälzungen. Durch den Strassenschwerverkehr und die Möglichkeit der Kühltransporte verlagerte sich der V. im Exportgeschäft auf den Fleischhandel. 1957 traf der Bund erstmals Massnahmen zur Absatzförderung von Zucht- und Nutzvieh, v.a. aus Berggebieten. Als Folge des Rinderwahnsinns wurde ab 1996 die Ausfuhr von Rindvieh in die Nachbarländer - in der 1. Hälfte der 1990er Jahre etwa 10'000-15'000 Stück pro Jahr - durch Importsperren unterbunden (Deutschland und Frankreich hoben diese 2002 wieder auf). Die Viehhändler organisierten sich seit dem ausgehenden 19. Jh. in kant. Verbänden. 1917 entstand der Verband der Schweiz. Viehhändler (SVV). Das Viehhandelspatent wurde 1927 in einem interkant. Konkordat geregelt und ist seit 1941 obligatorisch. 1925 wurde die Schweiz. Schweineverwertungsgenossenschaft gegründet. Nach dem 2. Weltkrieg entstanden auf regionaler und nationaler Ebene zahlreiche weitere verwandte Organisationen. Aus ihnen ging u.a. 1949 die Schweiz. Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung hervor, die sich seit 2000 Proviande nennt. Sie bezweckt die Zusammenarbeit und Koordination zwischen Produzenten, Vermittlern und Verwertern von Schlachtvieh. Mit dem Aufkommen der Lebensmittelgrossverteiler traten in den letzten Jahrzehnten deren Einkäufer mit den Viehhändlern in Konkurrenz. © HLS: Alle Urheberrechte dieser elektronischen Publikation sind beim Historischen Lexikon der Schweiz, Bern. Für alle elektronisch publizierten Texte gelten dieselben Regeln wie für eine gedruckte Veröffentlichung.