KONSTANTIN PRESLAVSKY ШУМЕНСКИ УНИВЕРСИТЕТ UNIVERSITY “ЕПИСКОП КОНСТАНТИН ПРЕСЛАВСКИ” SHUMEN ФАКУЛТЕТ ПО ХУМАНИТАРНИ НАУКИ 2016 ERWERB VON LESEKOMPETENZEN IM GERMANISTIKSTUDIUM (ANHAND VON BELEGEN AUS WISSENSCHAFTLICHEN TEXTEN IM BEREICH DER LINGUISTIK) DENITSA MICHAILOVA ACQUISITION OF READING COMPETENCES BY STUDENTS OF GERMAN STUDIES (BASED ON SCIENTIFIC TEXTS IN THE FIELD OF LINGUISTICS) DENITSA MICHAILOVA Abstract: This paper presents the results of my bachelor thesis "Аcquisition of reading competences by students of German studies". It discusses the concept of the reading competences, marks out the difficulties by reading of scientific texts and summarizes the reading strategies and techniques. In this article are also presented the results of a research, made by students of two different study directions. Key words: reading competences, difficulties by reading of scientific texts, reading strategies, reading techniques. Der vorliegende Artikel stellt die Ergebnisse meiner Diplomarbeit zum Thema "Erwerb von Lesekompetenzen im Germanistikstudium". Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte des Themas in solcher Folge geschildert, wie sie in der Arbeit vorkommen. Besondere Aufmerksamkeit widme ich einem Experiment, das große Bedeutung in meiner Arbeit hat. Mein Ziel ist, die unterschiedlichen Aspekte der Arbeit zu beschreiben und gleichzeitig meine eigene Perspektive zum Thema zu zeigen. Heutzutage wohnen wir in einer globalisierten Welt, wo alles und jeder sich schnell entwickeln muss. Dazu sollten in der wissenschaftlichen Arbeit solche Fähigkeiten und Fertigkeiten herausgebildet werden, die jedem mehrere Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten werden unter dem Begriff Kompetenzen zusammengefasst. Der Erwerb von Kompetenzen hat das Ziel, das Studium, die Praxis, das Berufsleben, sogar das Privatleben zu erleichtern. Es geht um Kompetenzen, die jeder gegenwärtige Mensch beherrschen muss. Diese Kompetenzen können nicht mit einem Wort oder Satz geschildert bzw. definiert werden, weil sie ein Komplex von Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen, Wissen, Erfahrungen, Motivationen usw. darstellen, die jede Person besitzen soll. In der Wissenschaft gibt es keine einzelne Definition für diese Kompetenzen. Manche Wissenschaftler sind der Ansicht, dass sie „genetisch“ sind, andere meinen, dass sie „anthropologisch“ sind und dritte betrachten die Kompetenzen als „funktional“ (vgl. dazu Kamburova-Milanova 2013, 23). Trotz des Unvermögens, eine allgemeingültige Definition zu geben, wird die Bedeutung der Kompetenzen nicht nur in der wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch im Berufsleben bzw. auf dem Arbeitsmarkt immer relevanter. Deshalb wird im Folgenden versucht, den Begriff „Kompetenz“ mit einigen Definitionen zu erklären. Als Basisdefinition kann die Definition des Kompetenzbegriffs von Franz Weinert gelten: „Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27). Im Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) wird der Begriff „Kompetenz“ definiert als die „nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung zu nutzen. Im Europäischen Qualifikationsrahmen wird Kompetenz im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit beschrieben” (EQR 2008, 11). Ivanka Kamburova-Milanova definiert Kompetenzen als „mehrfach dimensionierte Bereitschaften eines Menschen, die gleichermaßen Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, Einstellungen, Motivation, Absichten, Können, Handeln und soziale Aspekte umfassen“ (Kamburova-Milanova 2013, 24). Weinberg erklärt den Begriff folgendermaßen: Kompetenz umfasst, was ein Mensch wirklich kann und weiß, das heißt alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und zur Verfügung hat. Damit impliziert der Begriff auch ein individuelles Vermögen, Befähigung und Potenzial (BMBF 2004, 42). Erpenbeck und Rosenstiel sehen Kompetenzen als „nicht beliebige Handlungsfähigkeiten in allen nur denkbaren Lern- und Handlungsgebieten (Domänen), sondern solche Fähigkeiten oder Dispositionen, die ein sinnvolles und fruchtbares Handeln in offenen, komplexen, manchmal auch chaotischen Situationen erlauben, die also ein selbstorganisiertes Handeln unter gedanklicher und gegenständlicher Unsicherheit ermöglichen“. „Kompetenzen sind Selbstorganisationsdispositionen des gedanklichen und gegenständlichen Handelns“ (Erpenbeck/Rosenstiel 2003, XI). Aus diesen Definitionen wird klar, was eigentlich der Hauptvorteil der Kompetenzen ist, nämlich, dass sie kein statisches, bloßes Wissen oder Kenntnisse sind, sondern „sich auf ein Können beziehen, das den Umgang mit den erworbenen Kenntnissen einschließt“ (Schluss 2010, 5). Der Begriff Lesekompetenz setzt sich aus den zwei Begriffen Lesen und Kompetenz. Der zweite Begriff des Kompositums wurde bereits erläutert. Was wird aber unter Lesen und was unter Verstehen in der Fachliteratur verstanden, wird im Folgenden kurz dargelegt. Im Anschluss daran wird auf Definitionen von „Lesekompetenz“ eingegangen. Auch der Prozess des Lesens wird kurz beschrieben. Man versteht unter dem Begriff Lesen „eine Kulturtechnik, eine vom Menschen zum Zwecke der Kommunikation geschaffene Kunstform, die von Mitgliedern unserer Gesellschaft erworben werden muss, um am gesellschaftlichen Handeln gleichberechtigt teilnehmen zu können" (Fritz/Suess. 1986, 12). Eine andere Definition bezeichnet das Lesen als „eine eher passive Rezeption dessen, was in dem jeweiligen Text an Bedeutung, Information oder Botschaft enthalten ist“ (Christmann/Groeben 2001, 145). Das Lesen wird außerdem als „visuelles […] Wahrnehmen und Verstehen von Schriftzeichen“ definiert (Häcker/Stapf/Dorsch 2004, 555, zit. nach McElvany 2008, 13). Alle diese unterschiedlichen Bestimmungen vom Lesen erklären die Bedeutung des Lesens als sozialer, individueller und kultureller Prozess. Verpflichtend muss aber betont werden, dass das Lesen ohne Verstehen keinen Sinn hat, bzw. wenn wir über Lesen sprechen, wird das Leseverstehen verstanden. Das Leseverständnis bezeichnet die Kompetenz, die es ermöglicht „aus Geschriebenem den Sinngehalt zu entnehmen und damit auch die Verarbeitung von ganzen Sätzen und Texten“ (vgl. Rost 2001, 449). Die Lesekompetenz ist zweifellos eine Basiskompetenz, die in der heutigen Gesellschaft nicht nur für den Erfolg im Studium, sondern auch für „eine in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht erfolgreiche Lebensführung unerlässlich“ ist. Die Lesekompetenz wird als „ein basales Kulturwerkzeug“ verstanden, das „erforderlich ist für die Bewältigung der charakteristischen durchschnittlicher Kommunikations- und Gesellschaftsteilnehmer in Handlungsanforderungen, seinem Alltag und denen Beruf ein begegnet“ (Hurrelmann 2007, 21). Nach wie vor gibt es aber keine einzelne Definition von Lesekompetenzen, weil sie einen komplexen Model aus persönlichen Eigenschaften, Motivation, Wissensniveau, Erfahrungen u.a. bilden. Nach dem PISA-Konsortium bezeichnet Lesekompetenz die Fähigkeit, „geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen" (Deutsches PISA-Konsortium 2001, 23). Laut Nele McElvany wird die Lesekompetenz durch unterschiedliche Teilfähigkeiten konstruiert, „die miteinander interagieren und im Lese- und Verstehensprozess teilweise automatisiert und teilweise bewusst gesteuert ablaufen. Neben den kognitiven Merkmalen der Kompetenz (z.B. Fertigeiten, Wissen) werden manchmal auch motivationale und handlungsbezogene Merkmale in die Definition eingeschlossen“ (McElvany 2008, 14). Zusammen mit Artelt et. al. versteht McElvaniy unter Lesekompetenz „eine Eigenschaft, die Personen befähigt, bestimmte Arten von text- und lesebezogenen Anforderungen erfolgreich zu bewältigen“ (Artelt et al., 2005; McElvany 2008, 14). Lesekompetenz wird von Groeben und Hurrelmann als „Ergebnis der Sozialisation“ definiert, „in der interindividuell unterschiedliche Dispositionen (Persönlichkeitseigenschaften), bereits erworbene (schrift-)sprachliche Rezeptionsfähigkeiten und neue Situationsanforderungen der Lektüre miteinander interagieren“ (Groeben/Hurrelmann 2002, 276). Auch für sie setzt sich die Lesekompetenz aus unterschiedlichen Dimensionen: „[…] zur Lesekompetenz [gehören] nicht nur bestimmte kognitive Leistungen, sondern auch emotionale und motivationale Fähigkeiten, außerdem Fähigkeiten zur Reflexion und zur Weiterverarbeitung des Verstandenen in Anschlusskommunikationen im Rahmen sozialer Interaktion” (Groeben/Hurrelmann 2002, 276). Lesekompetenzen haben eine wachsende Bedeutung im Studium. Das Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Fachtexten ist ein wesentlicher Bestandteil des Studiums. Im Unterschied zu den Texten, die die Studenten bisher in ihrer Schule gelesen haben, ist das Lesen von Fachliteratur im Studium oft ein ernsthaftes Problem für sie. Ein Hauptproblem für die Studierenden im Umgang mit Fachliteratur ist, die wesentlichen Aussagen zu erfassen oder die Ansicht des Autors zu verstehen. Noch schwieriger ist es für sie, Fachtexte in einer Fremdsprache zu lesen (vgl. Miteva 2015, 103). Um das Verstehen zu erleichtern, werden Techniken und Strategien beim Lesen angewendet, die zur erfolgreichen Auseinandersetzung mit einem komplexen wissenschaftlichen Text wichtig sind (vgl. Stary/Kretschmer 1994, 7). Oft werden folgende Schwierigkeiten beim Fachlesen und Textverständnis im Studium genannt: Aufschieben des Lesens; fehlende Motivation; schnelle Ermüdung beim Lesen; schnelles Vergessen des Gelesenen; kein Verstehen; fehlende Hintergrundkenntnisse über das Thema; unsystematisches Lesen; keine oder wenig Geduld, die Logik des Textes nachzuvollziehen; Vorhandensein von Barrieren für die Aufnahme von neuen Ideen; die Fachbegriffe im Text nicht entschlüsseln können; zu langsames Lesen, viel Zeit zum Lesen investieren müssen; zu wenig Zeit zur Verfügung haben; sehr ausführliches Exzerpieren der Informationen aus dem Text (vgl. Kruse 2010, 12; vgl. auch Stary/Kretschmer 1994, 38 f.) In Bezug auf die Art und Weise, wie man einen Text liest, spricht man von effektiven und uneffektiven Leser/innen. In der Wissenschaft existieren verschiedene Meinungen, wer ein effektiver Leser, und wer ein uneffektiver Leser ist. Nach Stefanova zum Beispiel seien die effektiven Leser jene, die richtige Erwartungen an den Text haben, sowie diese, die fähig sind, diese Erwartungen an den Text zu überprüfen. Die effektiven Leser haben ein sehr gutes Verhältnis zwischen Erwartung/Hypothese und Überprüfung. Das Formulieren von richtigen Erwartungen an den Text verbessere das Leseverstehen (vgl. Stefanova 2007, 103). Nach der Ansicht von Martha Böeglin unterscheiden sich die effektiven Leser von den uneffektiven durch folgende Handlungen: Uneffektive Leser Effektive Leser Haben sprunghafte Augenbewegung, Lesen das Material etwa 3 bis 5 Mal schneller besonders wenn sie ermüden als durchschnittliche Leser Bewegen unnötigerweise die Augen haben eine kontinuierlichr Augenbewegung, während sie fortlesen Gehen langsam zur nächsten Seite über Gleiten beim Lesen selten mit den Augen zurück Kehren unnötigerweise zurück, um bereits Lesen selten noch einmal bereits Gelesenes Gelesenes nochmal zu lesen Haben einen geringen Fixierungsbereich: Sie Haben einen breiten Lesefokus (5 Wörter oder nehmen höchstens bis vier Wörter wahr mehr) Subvokalisieren (sprechen beim Lesen stumm Subvokalisieren nicht mit) Lesen alles mit derselben Geschwindigkeit Passen die Lesegeschwindigkeit dem Schwierigkeitsgrad des Textes an Lesen Wort für Wort Lesen Wortgruppe für Wortgruppe Denken beim Lesen an etwas anderes Können sich gut konzentrieren Haben ein schwaches Gedächtnis Haben ein gutes Gedächtnis Tabelle 1: Effektive und uneffektive Leser im Vergleich (nach Böeglin 2007, 100) Die oben beschriebenen Schwierigkeiten und Probleme beim Lesen von wissenschaftlichen Texten kann man mit Hilfe von passenden Lesestrategien und Lesetechniken bewältigen. Ihre Anwendung wird aber von dem Leseziel, das man sich setzt, bestimmt. Deshalb wird im Folgenden kurz der Begriff „Leseziel“ erläutert. In Abhängigkeit davon, welche Leseziele bzw. welche Leseabsichten man im Umgang mit Fachliteratur folgt, muss man verschiedene Lesetechniken und Lesestrategien nutzen. Bevor aber diese eingesetzt werden, muss man zuerst das Ziel des Lesens bestimmen. Nach Kruse (2010, 22) dient das Lesen folgenden Zwecken: Lesen, um zu lernen – in den Fällen, wenn man für eine Prüfung lernen will und den Inhalt so einteilen muss, dass man später wiederholen und lernen kann. Man schreibt das Gelesene auf und prüft, wie viel man vom Gelesenen gelernt hat. Lesen, um zu diskutieren - in den Fällen, wenn man z.B. Thesen zu einem bestimmten Thema lesen muss, um an einer Diskussion teilzunehmen. Hier muss man eine eigene Meinung ausbauen, um für die Diskussion vorbereitet zu sein. Man soll die Fakten gut kennenlernen, um dadurch seinen Standpunkt unterstützen zu können. Dafür werden die Argumente und Belege ausführlich erforscht, damit man bereit ist, die anderen Meinungen zu stützen oder zu widerlegen. Lesen, um sich in ein Thema einzuarbeiten - in den Fällen, wenn man sich im Forschungsstand zu einem Thema befindet. Häufig weiß man nicht genau, worum es in einem Text geht, deshalb muss man, um sich einen Überblick über das Thema zu verschaffen, in den Inhaltsverzeichnissen, Abstracts, Einleitungen oder in den Klappentexten suchen. Lesen, um zu verstehen - Obwohl jede Art des Lesens mit Verstehen verbunden ist, verwendet man beim Lesen von schwierigen Texten solche Strategien, die dazu dienen, schwierige wissenschaftliche Fachtexte leichter zu erarbeiten. "Lesen heißt hier Nachvollziehen von komplexen Theorien, Gleichungen und Funktionsdarstellungen, aber auch Aufspüren von geistigen Strömungen, Traditionen, Diskursen" (Kruse, 2010, 22). Lesen, um zu schreiben - in den Fällen, wenn man eine wissenschaftliche Arbeit (Abschlussarbeit, Diplomarbeit u.a.) vorbereiten muss. Man hat die wichtigsten Texte besorgt und ist bereit zu exzerpieren. Kruse beschreibt diese Art des Lesens als „den Berg von Fotokopien langsam abzuarbeiten“ (Kruse, 2010, 22). Lesen, um zu genießen - Lesen zur Entspannung und Anregung. Ohne Druck, nur aufgrund des eigenen Interesses. Es fehlt hier ein bestimmtes Lesezweck. Ulrike Lange beschreibt die Ziele, mit denen wissenschaftliche Texte gelesen werden, folgendermaßen: Einen Text für eine Seminardiskussion vorbereiten. Einen Text zur Prüfungsvorbereitung verwenden. Prüfen, ob der Text zu einem Thema passt. Einen Text, der Untersuchungsgegenstand ist, analysieren und interpretieren. Sich einen Überblick über ein Thema verschaffen. Informationen für ein bestimmtes Thema aus einem Text ziehen. Einen theoretischen Grundlagentext gründlich verstehen und nachvollziehen. Sich kritisch mit einem Text auseinandersetzen. Einen Text als Modell für eine eigene Untersuchung verwenden. Eine Anleitung bekommen. Die (ästhetische) Wirkung eines Texts erleben. Spaß und Unterhaltung (Lange, 2013, 25). Aus der Sicht von Rost (2010) hängen die Auswahl und der Einsatz einer Lesetechnik davon ab, was man mit dem Lesen erreichen will, d.h. mit welchem Ziel ein Text gelesen wird. In diesem Zusammenhang beschreibt Rost die folgenden Ziele (vgl. Rost 2010, 182): Muss ein Text pflichtgemäß für ein Seminar/ für eine Prüfung (gründlich) gelesen werden? Handelt es sich um eine völlig neue Materie oder um ein vertrautes Sachgebiet? Will man sein Wissen aus einer Motivation vertiefen und einen wichtigen Text wirklich verstehen? Soll man zwei Texte unter bestimmten Aspekten vergleichen? Will/muss man den Text für eine schriftliche Ausarbeitung verwenden? Sucht man in Texten nur bestimmte Informationen, die einem noch helfen? Erst nachdem das Ziel des Lesens eines Fachtextes bestimmt wird, kann man den passenden Lesestil anwenden bzw. die passenden Lesetile miteinander kombinieren. Wie schon oben erwähnt wurde, bestimmt nämlich das Leseziel die Anwendung von unterschiedlichen Lesestilen, Lesestrategien und Lesetechniken. Im Wesentlichen unterscheidet man die folgenden vier Grundformen des Lesens: • Globales Lesen • Kursorisches Lesen • Selektives Lesen • Detailliertes Lesen Die nächste Tabelle zeigt die Abhängigkeit zwischen den Lesezielen und aufgezählten Lesestilen: Abb. 2: Leseziele und Lesestile Zum effektiven Lesen, muss man also die verschiedenen Lesestile kombinieren, welche den eigenen Leseinteressen, Lesezielen und Besonderheiten des Lesetextes entsprechen. Die richtige Kombination von Lesestilen ist eine gute Voraussetzung, um sich Zeit und Mühe zu sparen, um ein höheres Niveau der Auseinandersetzung mit dem Fachtext zu erreichen und um möglichst viele wichtige Information zu entnehmen (vgl. Miteva 2015, 119). Wie effektiv man sich mit einem Fachtext auseinandersetzt, hängt aber nicht nur von dem Lesestil und dem Leseziel ab, mit dem man an das Lesen herangeht, sondern auch von der Anwendung der passenden Lesestrategien und Lesetechniken. Sie sind vielfältig, deshalb werden hier nur einige von ihnen geschildert. Der Begriff "Lesestrategien" verbindet sich hauptsächlich mit der Verbesserung und Erleichterung des Leseprozesses. Hier fällt auf, dass man zuerst sie anzuwenden lernt, dann werden sie in seinem Bewusstsein automatisiert, aber ihr Anwenden bleibt immer bewusstseinsfähig (vgl. Schweblowski 2004, 25). Die Lesestrategien sind ein relevanter Teil des Leseprozesses, weil sie das Verstehen, Behalten und Erinnern von Information stimulieren und erleichtern. Es ist wichtig zu betonen, dass die Lesestrategien erlernt werden können. Wenn die Studierenden sie häufig einsetzen, machen sie die bewusste Wahl möglich, wann und wo die Strategien anzuwenden sind. Nach Christmann und Groeben (1999) gehen die meisten der heute bekannten Lesestrategien auf das SQ3RModell von Robinson (1946) zurück: • Survey: sich einen Überblick verschaffen; • Question: Fragen an den Text stellen; • Read: Lesen als aktiver Prozess der Informationsentnahme; • Recite: Mit eigenen Formulierungen den Inhalt rekapitulieren; • Review: Gedankliches Wiederholen der ersten vier Schritte, um einen Gesamtüberblick zu erhalten. Laut Becker-Mrotzek und Drommler (2006, 40) werden die Lesestrategien in zwei Gruppen eingeteilt: Einerseits in textgeleitete Strategie, anderseits in lesegeleitete Strategie. Außerdem unterscheidet man noch zwei Gruppen von Lesestrategien – die sogenannten Primär- und Stützstrategien, die weiter unterteilt werden (vgl. Miteva 2015, 123 ff.) Damit das Lesen zu den gewünschten Ergebnissen führen kann, werden die Lesestrategien mit Lesetechniken kombiniert. Wie schon oben erwähnt, gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den Lesestrategien und de Lesetechniken, obwohl beide Begriffe ähnlich klingen. Die Differenz besteht darin, dass diese Techniken auf den technischen Teil des Lesens fokussieren. Das sind konkrete Aktionen, die den Leseprozess in einer bestimmten Situation fördern. Lesetechniken sind z. B. das Markieren von Schlüsselwörtern, das Unterstreichen wichtiger Passagen, das Finden von Überschriften für Abschnitte, das Nachschlagen unbekannter Wörter oder das Visualisieren der Textstruktur (vgl. Miteva 2015, 121). Eine Lesestrategie kann mehrere Lesetechniken beinhalten. Die Lesetechniken unterstützen den Leseprozess, indem sie darauf hinweisen, z.B. wie man das Lesens vorbereiten kann, wie Informationen aufgenommen werden können und was nach der Lesephase dokumentiert werden soll (vgl. Miteva 2015, 122). Zu den bekanntesten und oft verwendeten Lesetechniken gehören die Folgenden: den Text gliedern; Schaubilder und Mindmaps erstellen; Schlüsselwörter erkennen und unterstreichen; relevante Textpassagen abschreiben; sich Notizen am Textrand, in einem Heft oder einer Datei machen; das Vorwissen aktivieren; Überschriften formulieren; die Textstruktur darstellen; unbekannte Begriffe nachschlagen; Zusammenfassungen schreiben; mehrmaliges Lesen von Texten; Fragen an den Text stellen (Verständnisfragen); den Text visualisieren. Zweifellos ist der Schwerpunkt meiner Arbeit die Untersuchung der Lesekompetenzen von Germanistikstudenten. Durch ein Experiment wurde der Erwerb der Lesekompetenzen bei den Studenten untersucht. Zu diesem Zweck wurde ein Lesetext vorbereitet, der unterschiedliche Aufgaben enthält. Die Aufgaben sind so vorbeireitet, dass sie Probleme untersuchen, die oft bei dem Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Texten vorkommen. Der Lesetext wurde von Studenten aus zwei unterschiedlichen Studienrichtungen bearbeitet. Die eine Gruppe von Studenten studiert Angewandte Germanistik, die andere Gruppe (die Vergleichsgruppe) studiert Angewandte Linguistik. Es wurde vermutet, dass es bestimmte Unterschiede zwischen beiden Versuchsgruppen geben wird. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die erste Gruppe von Studenten, die „Angewandte Germanistik“ studieren, mehr Kenntnisse über die Arbeit mit Fachtexten haben. Die Studenten haben das Fach "Schlüsselkompetenzen in der wissenschaftlicher Arbeit" während des Studiums gehabt, wo sie sich sehr detailliert und intensiv mit Verarbeitung von Fachtexten beschäftigt haben, im Unterschied zu den anderen, die kein solches Fach hatten bzw. sie haben weniger Kenntnisse über die Textverarbeitung, aufgrund des Fehlens dieses Fachs in ihrem Studium. Da die intensive Arbeit mit Fachtexten zum Erwerb von Lesekompetenzen führt, konnte man vermuten, dass die Studenten der Fachrichtung Germanistik höhere Ergebnisse zeigen werden. Das Experiment stellte sich auch die Frage, inwieweit die Studenten mit wissenschaftlichen Texten arbeiten können und ob sie in ihrem Studium jeweilige Lesekompetenzen erworben haben. Das Ziel des Experiments war es festzustellen: o In wieweit Germanistikstudenten am Ende ihres Studiums ihre Lesekompetenzen entwickelt haben. o Wo die meisten Probleme beim Lesen, Verstehen und Bearbeiten von Fachtexten liegen. o Ob es Unterschiede zwischen beiden Gruppen von Studenten, die an dem Experiment teilnahmen, im Umgang mit Fachtexten gibt. o Wenn es Unterschiede gibt, wie können diese Unterschiede erklärt werden. Das experimentelle Handeln wurde auf Basis von sechs Aufgabentypen durchgeführt, die die Studenten aus den beiden Studienrichtungen verarbeiten mussten. Die Auswertung der Verarbeitung des Textes und die Aufgaben von den Studenten waren anonym. Um einen Basismodell der Aufgaben zu geben, wurde ein Spezialist im diesem Bereich gebeten, ein Muster der gestellten Aufgaben zu machen. Die erste Aufgabe richtet sich darauf aus, die Fertigkeit und Fähigkeit der Studenten zu untersuchen, die wichtigsten Schlüsselwörter zu markieren und am Rand des Textes die wichtigsten Begriffe und argumentativen Strukturen zu jedem Absatz zu notieren. In dem nächsten Teil, Aufgabe zwei, sollten die Versuchspersonen die passende Zwischenüberschrift zu jedem Abschnitt anlegen. Sie mussten keine eigenen Überschriften erfinden, sondern konnten zwischen den Antworten a, b oder c (im Voraus geschrieben) auswählen. Die dritte Aufgabe, die die Studenten machen mussten, war, stichwortartig die Informationen aus dem Text zu ergänzen. Es gab eine Tabelle mit Lücken, wo die Information ergänzt werden sollten. Durch diese Aufgabe wurd untersucht, inwieweit die Studenten Klarheit in Bezug auf den Text haben. Bezüglich der Schwierigkeit der gestellten Aufgaben war die nächste Aufgabe eine der schwierigsten im Experiment, nämlich die Entdeckung von einem neuen Teilthema, einer neuen These, einem neuen Aspekt eines Teilthemas im Text. Ein Beispiel zeigte die konkrete Funktion der farbig markierten Passagen. Die nächsten zwei Aufgaben waren mit dem Exzerpieren und Zusammenfassen des Textes verbunden. Die Versuchspersonen mussten ein Exzerpt anfertigen, dann basierend darauf und auf die Notizen aus der Aufgabe 3 eine Zusammenfassung des Textes schreiben. Schließlich wurde der Vergleich zwischen den beiden Versuchsgruppen analysiert und dann resümiert. Die Analyse wurde in zwei Richtungen ausgeführt. Auf der einen Seite wurden die Ergebnisse der Versuchspersonen im einen Parallelmodell verglichen, auf der anderen Seite wurde ein Verweis auf den Erwerb von Lesekompetenzen der Studenten der Angewandten Germanistik gemacht. Die Ergebnisse des Experiments zeigten, dass es Unterschiede zwischen den beiden Studentengruppen gibt. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen bestand darin, dass die AG-Studenten mehr analytisches Denken und gut entwickelte Fertigkeit bezüglich der Arbeit mit wissenschaftlichen Texten haben. Damit man Erfolg im Umgang mit wissenschaftlichen Texten hat, brauch man gut entwickelte Lesekompetenzen. Sehr wichtig sind die Kenntnisse, was für die Struktur von wissenschaftlichen Texten typisch ist und welche Strategien und Techniken helfen können, die wichtigsten Informationen zu finden. Nur dadurch kann man einen wissenschaftlichen Text mit Erfolg lesen und verstehen und für die eigene Arbeit weiter nutzen. Ich kam zu der Schlussfolgerung, dass sich der wissenschaftliche Text auf Grund der richtigen Verwendung von unterschiedlichen Lesetechniken und Lesestrategien, des geschickten Einsatzes von Textnotizen oder der adäquaten Fragestellungen schneller, übersichtlicher und verarbeitungsfähiger zeigt. Im Allgemeinen kann man zusammenfassen, dass in der wissenschaftlichen Arbeit zahlreiche Möglichkeiten zur Förderung, Verbesserung und Erleichterung des Lernprozesses existieren. Hier lässt sich die Frage stellen: wieviel und was will jeder von uns wissen und können. Es kann überhaupt nicht in Zweifel stehen, dass alles von den individuellen Ansichten, Vorlieben und Motivationen jedes Menschen hängt. Literaturverzeichnis Becker-Mrotzek, Drommler 2006: Becker-Mrotzek, M., Drommler, R. Texte lesen. In: Becker-Mrotzek, M., Kusch, E., Wehnert, B. (Hgg.): Leseförderung in der Berufsbildung. 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Автор: Деница Михайлова Шуменски университет „Епископ Константин Преславски” адрес за контакти: [email protected] Научен ръководител: доц. д-р Нели Митева Рецензент: доц. д-р Антоанета Димитрова