Mittwoch, 3 - Gesamtmetall

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Standort: Strommasten aus Neuwied
Die Winkelstahl-Spezialisten
Stahlgittermasten sind nicht unbedingt Produkte, mit
denen man als Laie hohe technische und logistische
Kompetenz verbindet. Zu Unrecht, zeigt die AGO
Stahlbau Neuwied GmbH. Das Unternehmen ist in
diesem Segment Marktführer in Deutschland und
behauptet sich seit Jahren erfolgreich gegen
europäische Konkurrenz.
Neuwied. Die AGO Stahlbau Neuwied GmbH ist
vergleichsweise wenigen Menschen bekannt. Die
Produkte allerdings kennt fast jeder. Sie stehen auf
Feldern, Wiesen, in Wäldern, auf Hügeln und sogar
im Gebirge. Nicht jeder mag sie, aber ohne sie
hätten die meisten keinen Strom in der eigenen
Steckdose: AGO ist in Deutschland Marktführer bei
der Produktion von Stahlgittermasten für
Freileitungen.
Das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen
Neuwied arbeitet für alle großen deutschen
Energieversorger und fertigt mit 75 Mitarbeitern
neben Freileitungsmasten auch
Stahlgitterkonstruktionen für Windkraft- und
Mobilfunkmasten, Antennentragewerke und
Umspannanlagen. Im Jahre 1877 als
Feuerverzinkerei durch Arnold Georg gegründet,
spezialisierte sich die Firma bereits 1927 auf die
Fertigung von Stahlgitterkonstruktionen für die Elek-
trizitätsversorgung. Diese lange Erfahrung und das
damit verbundene Firmen-Know-how bilden nach
Ansicht von Geschäftsführer Sándor Györy die Basis
für den heutigen Erfolg. „Mastbauer“, so der
gebürtige Ungar, „müssen nicht nur besonders gut
mit Winkelstahl und Blechen umgehen können,
sondern darüber hinaus auch noch umfassende
Fertigungs- und Logistikspezialisten sein.“
Was das heißt, lässt sich am Beispiel von
Stahlgitter-Windkraftmasten verdeutlichen. Diese
Masten sind mit 140 bis 160 Metern wesentlich
höher als die weit verbreiteten Rohrmasten. So eine
Stahlgitterkonstruktion besteht aus rund 10.000
Einzelteilen mit einem Gesamtgewicht von zirka 360
Tonnen. Nachdem all diese Teile nach den
jeweiligen Konstruktionsplänen zugeschnitten,
bearbeitet und verzinkt wurden, müssen sie
montagefertig auf Lkws gepackt und zum
entsprechenden Standort gefahren werden. Die
logistische Herausforderung besteht darin, jedes
Winkeleisen, Blech und jede Schraube auf jedem
Lkw so abzulegen, dass die Monteure vor Ort ohne
Suchen alle Einzelteile nacheinander
zusammenschrauben können. Wenn nur ein Teil
nicht stimmt oder fehlt, kann der Mast nicht
weitergebaut werden und es kommt zu kostspieligen
Verzögerungen. „Die Teile müssen ohne
Vormontage passen“, sagt Györy. „Dank unserer
Erfahrung klappt das bei uns immer – da kommen
die meisten Konkurrenten, vor allem aus dem
Ausland, einfach nicht mit.“
AGO produziert ausschließlich in Neuwied. Für den
Geschäftsführer gibt es auch keine sinnvolle
Alternative, da man in Neuwied hervorragend
qualifizierte, unverzichtbare Mitarbeiter habe. Györy
legt zudem Wert darauf, dass das Unternehmen
Mitglied im Arbeitgeberverband VEM (Verband der
Metall- und Elektroindustrie RheinlandRheinhessen) ist und seine Mitarbeiter in der Regel
sogar über Tarif bezahlt werden: „Gute und
zuverlässige Mitarbeiter müssen eben gut bezahlt
werden.“ Nur durch die hohen Qualifikationen der
Mitarbeiter, von denen manche schon in der dritten
Familiengeneration dabei sind, ließen sich die
notwendige Produktivität und Qualität sichern, die
von den Energieversorgern gefordert würden. Denn
preislich kann von deutschen Fertigungsstandorten
aus kaum mit ost- oder südeuropäischen
Wettbewerbern konkurriert werden. Wohl aber mit
„besonders guter Qualität, Flexibilität,
Zuverlässigkeit, Innovation, Termin- und
Liefertreue“, so der Geschäftsführer.
Auch RWE, einer der größten Energieversorger
Europas, weiß das zu schätzen. Der Konzern
zeichnete das Neuwieder Unternehmen Ende
vergangenen Jahres mit dem Quality Regional
Award aus. „Mit der Verleihung des Preises
dokumentiert RWE die Zuverlässigkeit und die hohe
Qualität unserer Produkte“, freut sich
Geschäftsführer Györy. Seine Firma sei damit einer
der drei ausgezeichneten und somit der besten
unter mehr als 16.000 Lieferanten des
Energiekonzerns.
AGO beliefert die für den Mastbau zuständigen
RWE-Gesellschaften seit Jahren mit
Stahlgittermasten. Nach Aussage von Györy schätzt
RWE besonders die ständige, auch kurzfristige,
Lieferbereitschaft. Dank der Nähe zu den meist
inländischen Baumaßnahmen könne AGO
zusätzlich vielseitige und intensive Dienstleistungen
für RWE übernehmen. Wichtig seien für RWE auch
die gemeinsamen Innovationen bei der ständigen
Weiterentwicklung der Gittermaste sowie die
„sichere, sach- und fachgerechte Fertigung“. Ein
Beispiel dafür ist laut Györy die von AGO seit Jahren
betriebene Disposition, Organisation und Verwaltung
der erforderlichen Maststahlmaterialien in einem
komplexen Lagersystem. Dort wird geprüfter
Maststahl stets in ausreichender Menge und Vielfalt
vorgehalten.
Diese umfangreiche Materiallagerung betreibt AGO
seit 2005. In verschiedenen Lagern befindet sich
ausschließlich Material, das durch eine unabhängige
Prüfungsgesellschaft geprüft und für eine so
genannte chargenreine Einlagerung freigegeben
wird. Für zwei RWE-Gesellschaften gibt es je ein
eigenes Lager in Neuwied, mit einer
Gesamtkapazität von rund 18.000 Tonnen. Nach
Aussage von Györy ist in der Freileitungsbranche
keine weitere Firma zu finden, die eine solche
Menge an Material lagert, was schließlich
beträchtliches Kapital bindet.
Für Györy, der für AGO den Stahl weltweit einkauft,
bietet ein großes Lager aber einen entscheidenden
Wettbewerbsvorteil. AGO betreibt zudem noch ein
eigenes Materiallager mit rund 6.000 Tonnen
Winkelstahl und Blechen, die ausschließlich für den
eigenen Bedarf bestimmt sind. Aus den beiden
RWE-Lagern entnimmt nicht nur AGO für seine
RWE-Aufträge die Materialien. Auch die anderen,
vor allem ausländischen Mastbauer, müssen aus
diesem Lager Maststahl kaufen und abholen, wenn
sie als Lieferanten für RWE Masten fertigen und
liefern.
Speziell geprüfter Stahl kam übrigens auch Ende
der 1990er Jahre zum Einsatz, als die AGO einen
Auftrag gewinnen konnte, der mit Strommasten erst
einmal wenig zu tun hat. Das Unternehmen fertigte
am heimischen Standort insgesamt 13,4 Kilometer
der Wuppertaler Schwebebahn, die erneuert werden
musste. Die einzelnen Komponenten, Stützen und
Brückenteile der Strecke, wurden in Neuwied
vormontiert und anschließend mit
Spezialtransportern nach Wuppertal gebracht. „Für
die Verbindungen der einzelnen Teile haben wir
teilweise neue Technologien entwickelt und
Prozesse ausgedacht, von denen wir heute noch
profitieren“, sagt Györy.
Was die Zukunft betrifft, ist der Geschäftsführer von
AGO recht optimistisch. So geht die staatliche
Deutsche Energieagentur (Dena) davon aus, dass
bis zum Jahre 2020 das deutsche Stromnetz
mindestens um 3.600 Kilometer wachsen muss,
damit die zunehmende Einspeisung von
erneuerbaren Energien bewältigt werden kann. Wie
Györy sagt: „Der Strom, der in der Nordsee mit
gigantischen Windkraftwerken erzeugt wird, muss
schließlich zu den Verbrauchern in den südlichen
Bundesländern gebracht werden. Gleiches gilt für
den Strom, den viele private Hausbesitzer per
Solaranlage produzieren. Ich gehe daher fest davon
aus, dass wir auch in Zukunft noch viele Masten in
unterschiedlichster Form und Größe bauen werden
in Neuwied.“
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