STATEMENT DES APOSTOLISCHEN NUNTIUS ERZBISCHOF DR.GIOVANNI LAJOLO ZUR ERÖFFNUNG DER PRESSEKONFERENZ IM PAVILLON DER HEILGEN STUHLS AUF DER EXPO 2000 IN HANNOVER AM 5. JUNI 2000 Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Ich danke Ihnen, daß Sie unserer Einladung zu dieser Pressekonferenz gefolgt sind, und heiße Sie im Pavillon des Heiligen Stuhles auf der EXPO 2000 willkommen. Ich werde mich zunächst darauf beschränken, zu zwei grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen. Anschließend stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne für die Fragen zur Verfügung, die Sie mir stellen möchten. Die erste Frage, auf die ich vorweg eingehen möchte: Warum ist der Heilige Stuhl auf der EXPO 2000 mit einem eigenen Pavillon vertreten? Die Frage ist sehr einfach zu beantworten: Der Heilige Stuhl wurde 1995 von der Bundesregierung dazu eingeladen und hat in einem Brief des Kardinalstaatssekretärs vom April 1996 seine positive Antwort mitgeteilt. Das ist die formale und einfachste Antwort. Sie soll aber ein wenig inhaltlich begründet werden. Der Heilige Stuhl ist, wie Sie wissen, ein Subjekt des Völkerrecht auf der Ebene der Staaten, und als solches wird er auf der Basis des Pariser Abkommens über die Weltausstellungen zur Teilnahme eingeladen. Es ist nicht das erste Mal, daß der Heilige Stuhl an einer Weltausstellung teilnimmt. Er legt großen Wert darauf, im Rahmen des ihm Möglichen an Weltausstellungen 2 teilzunehmen. Denn eine Weltausstellung ist ja nicht einfach eine bunte Schau der Erzeugnisse, die als letzte auf den Weltmarkt gekommen sind, sie will vielmehr Ausdruck des schöpferischen Geistes des Menschen sein. Dahinter verbergen sich die unermüdlichen Wissenschaftler, Arbeitgeber der und Bemühungen Erfinder, der der Arbeitnehmer seitens der Unternehmer, - dahinter der stehen beachtenswerte Bemühungen auf der Ebene des Völkerrechts, Staaten aus verschiedenen Teilen der Welt an einem Ort zusammenzubringen, damit sie die besten Ergebnisse des kulturellen Schaffens in ihrem Land zur Ausstellung bringen und auch mögliche neue gemeinsame Wege zu einer besseren Zivilisation für die ganze Menschheit aufzeigen. Es ist wohl verständlich, daß der Heilige Stuhl bei dieser großartigen Begegnung nicht fehlen möchte. Zwar hat die Kirche als solche auf dem Gebiet der technischen Entwicklung nichts beizutragen. Doch geht es hier um mehr als um etwas rein Technisches, es geht um konkrete Möglichkeiten in der praktischen Gestaltung des menschlichen Lebens. Und so ist die Kirche - wie es die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Ausdruck bringt - anwesend, um Hochschätzung, Anteilnahme und Sympathie zu bezeugen, aber auch, um einen originären Beitrag auf der Ebene der ihr eigenen Kompetenz zu leisten. Damit komme ich zur zweiten Frage: Was will dieser Pavillon des Heiligen Stuhls auf der EXPO 2000 Besonderes bieten? Wie Sie wissen, lautet das Generalthema der EXPO 2000: Mensch - Natur - Technik. Ohne die Bereiche Natur und Technik geringzuschätzen, die ja in verschiedener Weise auch hier im Raum zur Geltung kommen, konzentriert sich der Pavillon des Heiligen Stuhls auf das erste Element der Trias: den Menschen. Er will die Aufmerksamkeit sowohl auf die 3 Gefahren als auch auf die positiven Möglichkeiten lenken, denen sich der Mensch in der gegenwärtigen Phase seiner Geschichte gegenübersieht. Das geschieht, indem der neue Mensch, d. h. Christus, in die Mitte gestellt wird und der Besucher auf einige Grundaussagen der Soziallehre der Kirche hingewiesen wird. Es handelt sich dabei um Elemente, die im Evangelium dargelegt werden und im kirchlichen Lehramt, besonders in den Sozialenzykliken des Papstes, klar zum Ausdruck kommen. - Ausführlich wird darüber Herr Dr. Ilgner sprechen. Der Pavillon des Heiligen Stuhls wird also sehr klar, eine realistische Botschaft übermitteln, die auf den Menschen Bezug nimmt, so wie er ist, aber auch, wie er sein kann. Deswegen ist es eine grundsätzlich positive und zuversichtlich stimmende Botschaft. Der Besucher wird, noch bevor er den Pavillon betritt, von einer Plastik des bekannten Bildhauer Cecco Bonanotte empfangen, die zum Thema hat: Die Kirche erklärt den Menschen die Gründe ihrer Hoffnung. Es ist verständlich und begründet, daß sich die Medien bisher in besonderer Weise mit dem Mandylion beschäftigt haben, das in Europa hier erstmals außerhalb des Vatikans ausgestellt wird. Ich möchte aber kurz Ihre Aufmerksamkeit auch auf zwei andere Werke aus dem Vatikan lenken, die mir als sehr ausdrucksstark erscheinen. Die kleine Pietà für Vittoria Colonna ist wohl die letzte Skulptur, die Michelangelo geschaffen hat. Wenn auch die Ausmaße des Reliefs gering sind, so wird auf ihm doch etwas Übermächtiges dargestellt. Sie sehen zuerst den Leib des Gekreuzigten, der erschlafft zusammensinkt. Die Wucht der Gestalt kann wohl mit der des richtenden Christus in der Sixtinischen Kapelle verglichen werden - mit dem Unterschied, daß die gewaltige Gestalt Christi hier ohnmächtig unter der 4 Last dessen, was die Menschen ihm angetan haben, zusammenbricht. Nur seine Arme werden von zwei Engeln gehalten. Das entspricht einer traditionellen Darstellung des Leichnams Christi: Wenn auch keine irdische Macht ihm mehr helfen kann, so hat ihn der Himmel doch nicht verlassen. Im Hintergrund der Gestalt Christi ist die Gestalt seiner Mutter Maria sichtbar. Im Gegensatz zur Darstellung ihres Sohnes, dessen Gesicht zur Erde gerichtet ist, ist das Gesicht bei ihr zum Himmel gewandt. Mit ihren ausgebreiteten Armen wiederholt sie die Form des Kreuzes, wie sie sich auch bei dem Leichnam Christi mit seinen von den Engeln emporgehaltenen Armen findet. Die Haltung der Arme und der Hände Marias stellt einen Gestus der Hingabe, des Opfers und des Gebetes dar. Ihr Gesicht wirkt dabei wie verklärt. Derweil liegt der Tote zwischen ihren Beinen und seine Arme auf ihren Knien. Er ist ihr Kind, sie wie sein Thron. Ein kleines, aber sehr eindrucksvolles Werk Michelangelos, eines großen Glaubenden und eines großen Künstlers. Es wird wohl verständlich sein, daß diese Darstellung des Leidens Christi und seiner Mutter als Einführung zu dem Thema dient Die Würde des leidenden Menschen. Das zweite Bild, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die Darstellung des Ehepaares auf einem Grabmal, der sog. Cato und Porcia, das in der Zeit zwischen 10 vor Chr. und 10 nach Chr. entstanden ist, also in der Zeit unseres Herrn, als die römische Kunst unter Kaiser Augustus florierte. Die beiden Gestalten sind Ausdruck des römischen Realismus. Außer den edlen und schlichten Gesichtern, deren Blicke konvergieren, ist besonders die Haltung der Hände beeindruckend. Beide Gestalten halten einander zärtlich und vornehm-zurückhaltend die rechte Hand, während die linke Hand der Frau in einer Weise auf der Schulter ihres Mannes 5 liegt, die ein Element des Sichanlehnens, zugleich aber auch etwas Schützendes an sich hat. Ich finde es bewegend, daß dieses Bildnis der Treue und Liebe eines Ehepaares aus der Zeit Christi durch die Jahrhunderte auf uns gekommen ist. Hier führt es ein in die Abteilung, die der Familie gewidmet ist, die von der Kirche als natürliche Institution hoch geschätzt wird und in der Kirche durch das Sakrament der Ehe einen neuen Rang erhalten hat. Mein Wunsch ist es, daß die Besucher, wenn sie diesen Pavillon verlassen, um einige Anstöße und Gedanken reicher sind, aber auch - unter dem Licht des Antlitzes Christi und der Botschaft der Kirche - mit neuem Vertrauen erfüllt. (Auf einen anderen Aspekt dieses Pavillons möchte ich noch hinweisen: Entsprechend einer Forderung der Agenda 21 sollen die Objekte dieser Weltausstellung nach dem Willen ihrer Organisatoren das Merkmal der Nachhaltigkeit tragen. Dieser Pavillon wird, wenn er seine Aufgabe in Hannover erfüllt hat, als Pfarrzentrum einer Kirchengemeinde in Lettland dienen. So sind auch die für den Pavillon eingesetzten nicht geringen Mittel besser gerechtfertigt. Er wird also auch dort als ein Ort der Begegnung für viele Menschen und ein Zentrum neuer Hoffnung für unsere europäischen Mitbürger sein. Ich bin der Solidaritätsaktion Renovabis sehr dankbar, daß sie es ermöglicht, diese unsere Idee eines gemeinsamen Geschenkes des Papstes und der deutschen Katholiken an die Diözese Liepaja in die Tat umzusetzen. Herr P. Hillengass wird darüber berichten. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, mit der Sie mir zugehört haben. Wenn Sie Fragen an mich haben, stehe ich Ihnen nach den Einführungen 6 von Herrn Dr. Ilgner und Herrn Dr. Graf von Matuschka gerne zur Verfügung.)