ETHERNET AUTOSAR lernt Ethernet Mit Ethernet hält eine neue und doch altbekannte Netzwerktechnologie Einzug ins Fahrzeug. Zuerst nur für Diagnoseanwendungen und intelligentes Laden von Elek­ trofahrzeugen verwendet, sind inzwischen fahrzeuginterne Ethernet-Netzwerke im Einsatz. Dieser Artikel beschreibt Eigenschaften und Vorteile sowie die Besonder­ heiten bei der Integration der Technologie in AUTOSAR. Zum Schluss werden nütz­ liche Erweiterungen für einen AUTOSAR-Ethernet-Stack vorgestellt, mit denen sich B is vor einigen Jahren waren CAN und LIN die einzigen Bussysteme, die im Fahrzeug eingesetzt wurden. Der Wunsch nach mehr Bandbreite und gestiegene Anforderungen im Safety-Umfeld, vor allem im Hinblick auf X-by-Wire-Systeme, führten zur Entwicklung und Einführung von Flex- 30 Ray. Im Multimediabereich hat sich für High-End-Anwendungen zusätzlich der MOST-Standard etabliert. FlexRay und MOST sind im Vergleich zu CAN komplexe und teure Bussysteme. Daher und aufgrund der fehlenden WerkstattInfrastruktur wurde bei der Fahrzeug­ diagnose weiterhin CAN für den exter- HANSER automotive networks / Special 2013 nen Zugang verwendet. Durch die eingeschränkte Bandbreite von CAN und die immer umfangreichere Software stieg die benötigte Zeit für die Steuergeräteprogrammierung schnell dramatisch an. Um dieses Problem zu beheben, wurde vor einigen Jahren mit der Entwicklung von Diagnostics over Inter© Carl Hanser Verlag, München Alle Bilder: Vector Informatik GmbH neue Anwendungen realisieren lassen. ETHERNET net Protocol (DoIP) begonnen. Das Protokoll setzt erstmals auf Ethernet als Netzwerktechnologie im Fahrzeugumfeld und ist in der ISO 13400 standardisiert. Ethernet bietet den Vorteil der großen Bandbreite und hat sich vor allem in der Büro- und Internet-Welt etabliert. Daher lässt sich ein DoIP-basierter Diagnosetester beispielsweise einfach in ein Werkstattnetz einbinden. Mit DoIP war der Grundstein für das Verwenden von Ethernet im Fahrzeug gelegt. Als kurze Zeit später das Thema Elektromobilität aufkam, verschob sich der Fokus in Richtung Ethernet-basierter Vehicle-to-GridAnwendungen. Beim Ladevorgang kommuniziert das Elektro- oder Hybridfahrzeug auf Basis von TCP/IPv6 und über ein eigenes Smart Charge Communication (SCC)-Protokoll mit der Ladesäule eines Energieanbieters, um zum Beispiel Ladeart (AC/DC), Ladezeitpunkt, Ladedauer sowie Tarif- und Zahlungsinformationen auszutauschen. Die geschirmten Standard-EthernetKabel und die damit verbundenen hohen Verkabelungskosten verhinderten den breiten Einsatz der Technologie für fahrzeuginterne Netzwerke. Mit der Einführung der neuen physikalischen Schicht » Bild 1: Mögliche Domänenarchitektur zukünftiger Kraftfahrzeuge mit EthernetNetzwerken. trol Protocol (TCP) und User Datagram Protocol (UDP) ermöglicht auch den Übergang von einem daten- zu einem serviceorientierten Kommunikationsschema. BMW entwickelte das Serialisierungsprotokoll Service Oriented Middleware over Internet Protocol (SOME/IP), das unter anderem Remote-Procedure-Calls ausführen kann. Aufgrund der Architektur von MICROSAR IP können kundenspezifische Erweiterungen ohne Probleme integriert werden. MARC WEBER, Vector Informatik BroadR-Reach ist Ethernet nun auch für die fahrzeuginterne Kommunikation interessant. BroadR-Reach bietet eine Bandbreite von 100 Mbit/s über verdrillte Zweidraht-Leitungen, also eine im Vergleich zu CAN hundertfach höhere Geschwindigkeit bei gleichbleibenden Verkabelungskosten. Ebenso bietet es zusätzlich noch die Vorteile eines geswitchten Netzwerks. Damit ist beispielsweise die Realisierung einer Backbone-Architektur möglich (Bild 1). Aber auch Themen wie Audio Video Bridging (AVB), Netzwerkmanagement und neue Konzepte für Gateway-Steuergeräte stehen inzwischen im Fokus der Fahrzeughersteller und deren Zulieferer. Ethernet in Kombination mit dem Internet Protocol (IP), Transmission Conwww.hanser-automotive.de Dazu passend wurde das Service Discovery (SD)-Protokoll spezifiziert. Über Service Discovery teilen Steuergeräte anderen Kommunikationspartnern die Verfügbarkeit ihrer Services mit. Zusätzlich können Steuergeräte nach Services suchen und sich für deren Events registrieren. Ethernet und AUTOSAR Seit der Version 4.0 ist Ethernet im AUTOSAR-Standard enthalten. Der Ethernet-Kommunikations-Stack ist in der AUTOSAR-Architektur parallel zum CAN-, LIN- und FlexRay-Stack angeordnet. Im Vergleich mit diesen weist er allerdings einige Besonderheiten auf – vor allem aufgrund der höheren Protokollschichten IP, UDP und TCP. Die Module Ethernet Transceiver Driver (EthTrcv und Ethernet Driver (Eth) sind vergleichbar mit denen der anderen Netzwerktechnologien. Das Modul Ethernet Interface (EthIf) ist hingegen unterschiedlich. Während die Interfaces für CAN, LIN und FlexRay direkt die AUTOSAR Protocol Data Unit (PDU)Schnittstelle umsetzen, gibt das Ethernet Interface Rohdaten an den TCP/IPStack weiter beziehungsweise nimmt diese entgegen. Das Verarbeiten der IP-, UDP- und TCP-Protokolle findet im TCP/ IP-Stack statt, der allerdings in AUTOSAR 4.0 nicht vollständig spezifiziert ist. Hier ist die Verwendung eines CommonOff-The-Shelf TCP/IP-Stacks vorgesehen. Ein Paradigma der TCP/IP-Protokollfamilie ist das Verwenden von Sockets. Ein Socket ist durch die Kombination von IP-Adresse und Port des entfernten sowie des lokalen Endknotens eindeutig identifizierbar. Über einen Socket werden paketorientierte UDP- und verbindungsorientierte TCPNutzdaten vom TCP/IP-Stack an die Applikation beziehungsweise von der Applikation an den TCP/IP-Stack übergeben. Dieses Paradigma passt nicht zum PDU-Konzept von AUTOSAR. Die Transformation der Socket-basierten in eine PDU-basierte Kommunikation und umgekehrt ist Aufgabe des Socket Adaptor Moduls (SoAd). Dieses stellt den darüber liegenden Modulen die bekannte PDU-Schnittstelle zur Verfü- HANSER automotive networks / Special 2013 31 » ETHERNET gung. Damit ist der EthernetStack vollständig in die AUTOSAR-Architektur integriert. Bild 2: Die Konfiguration eines Ethernet-Stacks erfolgt mit einer AUTOSAR 4.1-Beschreibungs­ datei. Ethernet-Stack in AUTOSAR 4.0 Mit dem in AUTOSAR 4.0 spezifizierten Ethernet-Stack wurde die Grundlage geschaffen, um PDUs über Ethernet zu empfangen und zu versenden. Zusätzlich ist der Anwendungsfall DoIP berücksichtigt. Die Umsetzung des DoIP-Protokolls ist als Socket Adaptor PlugIn vorgesehen. Des Weiteren unterstützt diese AUTOSAR-Version das Kalibrieren von Steuergeräten mittels XCP über Ethernet, das Netzwerkmanagement über UDP und bietet eine Schnittstelle zum Anbinden von AUTOSAR Complex Drivers (Cdd). Das automatisierte Bedaten des Ethernet-Stacks ist in AUTOSAR 4.0 nur teilweise möglich. Der Anwender kann Ethernet-Netzwerke, -Frames und -PDUs in der AUTOSAR System Description oder im ECU Extract of System Description abbilden. Eine Vorab-Bedatung der höheren Protokollschichten wie beispielsweise das Festlegen von IP-Adressen und Ports ist nicht spezifiziert. Erweiterte EthernetUnterstützung in AUTOSAR 4.1 Mit der Einführung von fahrzeuginternen Ethernet-Netzwerken entstanden neue Anforderungen, die ein EthernetStack nach AUTOSAR 4.0 nicht erfüllt. Das effiziente Übertragen von mehreren PDUs ist zum Beispiel nur sehr schwer umsetzbar. Daher wurde mit AUTOSAR 4.1.1 der Ethernet-Stack massiv überarbeitet: WW Der TCP/IP-Stack ist nun ein AUTOSAR-Modul. WW Neben der Internet Protokoll Version 4 wird auch Version 6 unterstützt. Beide IP-Versionen können sowohl einzeln als auch parallel in einem Steuergerät betrieben werden. WW Die Verwendung von virtuellen Netzwerken (VLANs) ist nun möglich. WW Die Datenübertragung auf PDU-Basis über den Socket Adaptor erfolgt deutlich effizienter. 32 WW Der Socket Adaptor bietet in der neuen Version eine generische Schnittstelle zu den darüber liegenden Modulen. WW Die Umsetzung des DoIP-Protokolls wurde aus dem Socket Adaptor entfernt und in ein separates DoIPModul ausgelagert. WW Das Service Discovery-Protokoll ist ebenfalls als neues AUTOSAR-Modul spezifiziert. Weiterhin nicht Bestandteil von AUTOSAR ist das Protokoll SOME/IP sowie die Anwendungsfälle SCC und AVB. Die Beschreibung einer beispielhaften Umsetzung von SOME/IP ist als Ergänzungsdokument zum aktuellen Standard verfügbar. Als Beschreibungsformat für fahrzeug­ interne Ethernet-Netzwerke wurde in der Praxis bisher nur FIBEX 4.1 eingesetzt. Dieses ist mittlerweile mit AUTOSAR 4.1.1 harmonisiert. Das heißt, die beiden Beschreibungsformate sind zwar nicht identisch, die Inhalte können aber ohne Informationsverlust von einem ins andere Format transformiert werden. Damit lässt sich der EthernetStack nach AUTOSAR 4.1.1 zu großen Teilen automatisiert bedaten (Bild 2). Nützliche Ergänzungen aus der Praxis Wie bereits erwähnt, sind einige Anwendungsfälle des Ethernet-Stacks nicht durch die AUTOSAR-Spezifikationen abgedeckt. Dazu zählt beispielsweise Smart Charge Communication. Hierfür gibt es ISO- und DIN-Standards, an deren Erstellung Vector mitgearbei- HANSER automotive networks / Special 2013 tet hat. Die darin verwendeten Protokolle für das intelligente Laden benötigen die Hersteller und Zulieferer von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Idealerweise sind diese Protokolle nahtlos in einen AUTOSAR-Ethernet-Stack eingebunden. Laut Spezifikation ist das Universal Measurement and Calibration Protocol (XCP) nicht routingfähig. Wird Ethernet für den Fahrzeugzugang verwendet, ist es wünschenswert, auch alle Steuergeräte, die nicht direkt mit dem Ethernet-Netzwerk verbunden sind, über XCP zu kalibrieren. In Zusammenarbeit mit einem deutschen Fahrzeughersteller aus dem Premium-Segment hat Vector einen Mechanismus entwickelt, der dies ermöglicht. Das Routen von DoIP über ein Gateway auf ein Sub-Ethernet-Netzwerk ist in der ISO 13400-Spezifikation nicht standardisiert. Allerdings gibt es bereits Lösungskonzepte, die mit verschiedenen Fahrzeugherstellern erarbeitet wurden. Der in AUTOSAR definierte Ethernet-Stack ist unter dem Produktnamen MICROSAR IP als Steuergerätesoftware von Vector verfügbar (Bild 3). Er enthält die in AUTOSAR 4.0.3 und 4.1.1 spezifizierte Funktionalität und ist darüber hinaus auch für AUTOSAR 3.x-Projekte lieferbar. Die oben erwähnten Erweiterungen sind ebenso enthalten wie eine ressourcensparende Implementierung von SOME/IP. Aufgrund der Architektur von MICROSAR IP können kundenspezifische Erweiterungen ohne Probleme integriert werden. Ausblick Mittels AVB werden unter anderem Audio- und Video-Streams zeitsynchron über Ethernet übertragen. Das dafür benötigte Transportprotokoll nach IEEE 1722 ist bereits von Vector verfügbar. Momentan wird die AVB-Unterstützung weiter ausgebaut, wie zum Beispiel das Einbinden der Zeitsynchronisation durch das Generic Precision Time Protocol. © Carl Hanser Verlag, München ETHERNET Bild 3: Der AUTOSAR-Ethernet-Stack MICROSAR IP von Vector enthält die AUTOSAR-Module und nützliche Ergänzungen. Mit der AUTOSAR-Version 4.2.1 gibt es voraussichtlich noch einige Erweiterungen, die den Ethernet-Stack betreffen. Ein aktuelles Konzept sieht vor, die Datenserialisierung mittels SOME/IP in den Standard mit aufzunehmen. Im Zuge dessen ist auch geplant, die Datenserialisierung für die Sender-Receiver-Kommunikation zu unterstützen. Momentan ist dies nur für Client-Server-Verbindungen möglich. Ein weiteres Dokument beschreibt die Einführung eines zweiten Kommunikationsmoduls, das speziell für das effiziente Versenden und Empfangen von serialisierten Daten ausgelegt ist. Weitere Konzepte, die aktuell in der Diskussion sind, befassen sich mit der Vergabe von IP-Adressen und der globa- len Zeitsynchronisation über verschiedene Netzwerke hinweg. W (oe) » www.vector.com Marc Weber, M.Eng. ist bei Vector Informatik in der Produktlinie Embedded Software für das Produktmanagement des Ethernet-Stacks verantwortlich. Import für AUTOSAR XML 4.x mit Ethernet-Support Mit SymTA/S 3.4 unterstützt Symta­ vision nun auch das Timing-Design und die Timing-Analyse für LIN sowie verbesserte Analysemöglichkeiten für FlexRay, Import für AUTOSAR XML 4.x mit Ethernet-Support und schnelleres Laden von Gantt-Charts. Gleichzeitig kündigte Symtavision auch die neue Version von TraceAnalyzer 3.4 an, einer Lösung für die Visualisierung und Analyse von Timing-Daten aus Messungen und Simulationen. Die neue LIN-Bibliothek zu SymTA/S 3.4 unterstützt System Distribution und Worst-Case-Analyse mit mehreren Scheduling-Tabellen und Frame-Mappings und ermöglicht, Standardparameter wie beispielsweise Busgeschwindigkeiten, Zeitbasen und Jitter zu definieren. So können Ingenieure viele verschiedene LIN-Netzwerke parametrisieren und die jeweiligen Antwortzeiten der Frames analysieren. Zusätzlich ermöglicht ein LDF-Interface (LIN De- www.hanser-automotive.de scription File) den Import von LIN-Kommunikationsmatrizen. Eine Integration mit den etablierten SymTA/S-Analysen für CAN, Ethernet, FlexRay und auf OSEK oder AUTOSAR basierenden ECUs vereinfacht die Ende-zu-Ende-Timinganalyse für verteilte Funktionen über LIN sowie die Verbindung von LIN zu CAN, Ethernet- und FlexRay-Netzwerke über Gateways. Das SymTA/S-FlexRay-Modell unterstützt nun den FlexRay-2.x-Standard mit Cycle-Multiplexing im dynamischen Segment für System-Distribution und Worst-Case-Analysen und ermöglicht es, für vollsynchronisierte und für getriggerte Kommunikation das Echtzeitverhalten Ende-zu-Ende zu analysieren. Der automatisierte Import für EthernetNetzwerkbeschreibungen aus AUTOSAR XML 4.x verbessert die Effizienz der Ethernet-Analyse, da das Modell nun nicht mehr manuell definiert werden muss. Sowohl SymTA/S 3.4 als auch der TraceAnalyzer 3.4 bieten Verbesserungen beim Laden großer Gantt-Charts. Außerdem ist es nun auch möglich, Der automatisierte Import für Ethernet-Netzwerkbeschreibungen aus AUTOSAR XML 4.x vereinfacht die Ethernet-Analyse. ­ ibrary-Lizenzen einzeln auszuchecken L und zu definieren, welche Lizenzen oder welche Funktionalität während der Laufzeit benötigt werden. »» www.symtavision.com HANSER automotive networks / Special 2013 33