Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft, Finanzen, Haushalt

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DIE LINKE. NRW| LAG WIRTSCHAFT | FINANZEN | HAUSHALT – Kritik der AfD
Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft, Finanzen, Haushalt
Argumente gegen die Wirtschaftspolitik der „Alternative für Deutschland“ (AfD)
Im Sommer 2014 erscheint es möglich, dass die AfD keine politische „Eintagsfliege“ bleiben, sondern sich dauerhaft
im Parteiensystem der Bundesrepublik etablieren können wird. Das betrachten wir mit Sorge, denn in der AfD
sammeln sich auch Leute, die menschenfeindliche (antisemitische, anti-muslimische, sexistische) und antidemokratische Ideologien verbreiten wollen. Von der LINKEN muss die AfD allerdings nicht nur wegen der
Ressentiments bekämpft werden, die zumindest Teile der Mitglieder schüren wollen, sondern auch wegen ihrer
Witschafts-, Finanz-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
Weil die AfD noch den Reiz des „Neuen“ besitzt und vielen ihrer WählerInnen das Programm gar nicht bekannt ist,
kann sich die AfD erfolgreich als „Protestpartei“ präsentieren. Insbesondere glauben viele, dass sie mit ihrer Stimme
für die AfD ihrer Kritik an einer EU Ausdruck verleihen können, die sie als undemokratisch, elitengesteuert und
einseitig wirtschaftlichen Lobby-Interessen gehorchend wahrnehmen. Wir liefern Argumente, warum die AfD keine
Option für WählerInnen ist, die eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und eine demokratischere EU wollen, die den
Sozialstaat und soziale Rechte der Beschäftigten schützt.
1. Die AfD will den Neoliberalismus in der EU nicht zurückdrängen, sondern verschärfen.
Die AfD vertritt eine wirtschaftsliberale Position. Sie traut sich zwar bislang nicht offen, wie die FDP, eine Abschaffung
von Kündigungsschutz, Tarifverträgen und die Schwächung der Gewerkschaften zu fordern. Eine weitere Absenkung
der Löhne am unteren Ende war bereits das Ziel des „Hamburger Appells“, den 2005 AfD-Vorsitzender Bernd Lucke
mit verfasste. Die AfD lehnt auch den gesetzlichen Mindestlohn ab, der jetzt nach jahrelanger Anstrengung der
LINKEN endlich eingeführt wird (wenn auch in unzureichender Höhe und mit Ausnahmen).
An der Europäischen Union (EU) kritisieren Linke, dass ihr aufgrund der Grundlagenverträge eine Tendenz zum
Neoliberalismus eingebaut ist. Wirtschaftliche Liberalisierung ist in der EU deutlich leichter durchzusetzen als eine
Regulierung im Interesse der Lohnabhängigen. Der EU-Kommission ist es mehrfach gelungen, die Mitgliedstaaten
gegeneinander auszuspielen, um Liberalisierungen zu erreichen. Im Zusammenhang mit dem Europäischen
Gerichtshof (EUGH) können die Kommission, ein Mitgliedstaat oder private KlägerInnen außerdem gegen jede
Mehrheit im Europäischen Rat und/ oder dem EU-Parlament den Vorrang des privaten Waren- und Kapitalverkehrs
gegen soziale Rechte erreichen, wie bei den kritisierten Urteilen Viking, Laval, Rüffert und Luxemburg geschehen.
Allerdings will die AfD nicht stärkeren Schutz sozialer Rechte gegen die Märkte. In ihrem Europawahlprogramm heißt
es: „Für die AfD bedarf jegliche Intervention des Staates in die Märkte einer transparenten, ökonomischen oder
gesellschaftspolitischen Begründung. Grundsätzlich sollen solche Interventionen zeitlich begrenzt sein.
[…] In diesem Sinne ist die AfD dafür, auch bisher geschützte Wirtschaftsbereiche dem Wettbewerb zu öffnen. In
monopolistischen Sektoren (z.B. in infrastrukturbasierten Branchen wie der Kommunikation, der Versorgung oder des
Verkehrs) sollte das Monopol auf den unverzichtbaren Dienstleistungskern reduziert werden, während
wettbewerbsgeeignete Bereiche liberalisiert werden sollen“ (S. 12).
Mit einer AfD an der Macht drohte also ein enormer Wettlauf in Richtung weiter Deregulierung der Märkte und
Privatisierung öffentlicher Güter. Wohin Deregulierung führt, wissen wir durch die Finanzkrise von 2008ff nur zu gut.
Und dass Verkehrsinfrastruktur in öffentliche Hand gehört, bestätigt aktuell ein Gutachten des
Bundesrechnungshofes, demzufolge Autobahnen aus „öffentlich-privaten Partnerschaftsprojekten“ (ÖPP) die
SteuerzahlerInnen mehr kostet als ausschließlich öffentlich durchgeführte Vorhaben.
2. Die AfD schiebt die Verantwortung für die Eurokrise auf die notleidenden Länder.
Die AfD hat im Bundestagswahlkampf plakatiert: „Die Griechen leiden. Die Deutschen zahlen. Die Banken kassieren“.
Sie erwecken den Anschein, mit den Krisenländern Mittel- und Südeuropas freundlicher umgehen zu wollen als die
verhängnisvolle Krisenpolitik der Merkel-Regierungen. Aber dieser Eindruck täuscht. Die AfD sieht die Verantwortung
für die Krisenentwicklung bei den betroffenen Ländern selbst. In ihrem Europawahlprogramm heißt es: „Vorrangig ist
die Lösung dieses Problems eine nationale Aufgabe der Krisenstaaten, da die Ursachen oft in unzureichenden
Reformen der dortigen verkrusteten Arbeitsmärkte liegen“ (S. 14). Damit ist klar: Von der AfD ist keinerlei Kritik zu
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erwarten an den Maßnahmen der Troika – bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und
Internationalem Währungsfonds (IWF). Die Troika nutzt die aktuelle Krise, um in den betroffenen Staaten Tarifverträge
zu schwächen oder ganz abzuschaffen, die Arbeitsmärkte zu deregulieren und Privatisierungen durchzusetzen. Diese
Maßnahmen werden von der AfD inhaltlich nicht kritisiert.
3. Die Lösungsvorschläge der AfD würden den Krisenländern nicht nutzen, sondern schaden.
Die AfD behauptet, der Verbleib der Krisenländer im Euro sei das eigentliche Problem. Entsprechend schreiben sie in
ihrem Europawahlprogramm: „Die von der AfD angestrebte Neuordnung des Währungssystems wäre mit einer
Abwertung der Währungen der südlichen Länder Europas verbunden und könnte einen wichtigen Beitrag zur
Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und damit zu neuem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen besonders
für Jugendliche führen“ (S. 14f). Die AfD irrt darin zu glauben, ein Euro-Austritt Griechenlands, Spaniens, Italiens usw.
würde den betroffenen Ländern helfen. Erstens bliebe die Staatsschuld dieser Länder in Euro notiert und würde die
öffentlichen Haushalte dort noch deutlicher belasten. Zweitens würde dagegen auch kein Schuldenschnitt Abhilfe
verschaffen, sondern eher die Bankensysteme zum Einsturz bringen; darauf gab die Krise Zyperns Anfang 2013 als
Folge eines Teil-Schuldenschnitts in Griechenland im Jahr zuvor einen Vorgeschmack. Drittens würde eine größere
preisliche Wettbewerbsfähigkeit den Krisenländern wenig helfen, wenn sich Investitionsgüter aus dem Ausland für sie
aufgrund ihrer abgewerteten nationalen Währung massiv verteuerten. Viertens könnten die Länder dann in den
Strudel von Währungsspekulation kommen. Und schließlich: Wettbewerbsfähigkeit eine relative Größe, d.h. sie wird
durch das Verhältnis zwischen den Mitbewerbern bestimmt. Die AfD will aber gerade keine Veränderung der
deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die durch Lohndumping und unzureichende Investitionen die
wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Eurozone massiv angefeuert hat. So heißt es in ihrem Europawahlprogramm:
„Da die Reformen im Süden der Eurozone und in Frankreich bisher ungenügende Resultate erzielt haben, wird
zunehmender Druck auf Deutschland ausgeübt, seine Wettbewerbsvorteile abzubauen. So fordert Brüssel den Abbau
deutscher Exportüberschüsse, Frankreich die Erhöhung deutscher Arbeitskosten sowie die Einführung von
Mindestlöhnen in Deutschland und die Kommission die Zusammenlegung der Arbeitslosenversicherungen in der
Eurozone. Dies ist ein ökonomisch falscher Weg, der zu Stagnation und Arbeitslosigkeit in der ganzen Eurozone führen
wird. Handelsbilanzüberschüsse zwischen Mitgliedsstaaten der Eurozone sind das Ergebnis freien Wettbewerbs. Die
AfD lehnt jegliche Sanktionierung solcher Überschüsse ab“ (S. 4f). Die AfD will also den wirtschaftlichen
Ungleichgewichten freien Lauf lassen und behauptet, höhere Löhne in Deutschland schadeten der Eurozone
insgesamt. Aber wie sollen Beschäftigte in der Bundesrepublik sich von niedrigeren Löhnen Importe aus Griechenland,
Italien oder Spanien leisten können?
4. Mit ihrer Kritik an der Geldpolitik der EZB kritisiert die AfD den Falschen.
Die AfD schreibt in ihrem Europawahlprogramm: „Da sich die Geldpolitik für alle Mitgliedsstaaten aufgrund der
Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat an den Notwendigkeiten in den Krisenstaaten orientiert, werden die deutschen
Sparer bei Niedrigstzinsen systematisch enteignet“ (S. 4). Von der „Enteignung der Sparer“ sprechen auch BILD, FAZ
und viele andere. Sie gehen dabei aber einer wirtschaftlichen Irrlehre auf den Leim. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf
eine bestimmte Verzinsung der Sparguthaben, und es sollte sie auch nicht geben. Die SparerInnen sind die
GläubigerInnen ihrer Banken. Eine Verzinsung ihrer Guthaben kann aber nur erwirtschaftet werden, wenn sich
mindestens in gleicher Höhe Unternehmen verschulden, um zu investieren und dadurch Nachfrage und Arbeitsplätze
schaffen. Genau das ist aber in Deutschland und der Eurozone nicht der Fall. Warum sollten Unternehmen in neue
Anlagen oder Erweiterungen ihrer bestehenden Anlagen investieren, wenn sie ihre Güter und Dienstleistungen
zunehmend schwieriger absetzen können? Die Investition ist für die Unternehmen umso teurer, je höher die Zinsen
sind, daher ist die Zinssenkung durch die EZB richtig. Sie ist aber nicht ausreichend, weil sich niemand verschulden willauf eine fehlende Nachfrage kann man nicht mit Angeboten antworten. Auch die Beruhigung der Finanzmärkte durch
das sog. OMT-Programm der EZB ist zu begrüßen, weil damit ein zwangsweises Ausscheiden der Krisenländer aus dem
Euro verhindert wurde. Zu kritisieren ist, dass die EZB weiterhin Teil der sog. „Troika“ ist und als solche Lohn- und
Rentenkürzungen und Spardiktate in den Krisenländern durchsetzt. Erst eine Ablösung dieser Diktate durch
Aufbauprogramme kann das Wachstum in der Eurozone erzeugen, aus dem dann auch Zinsen für die SparerInnen in
Deutschland erwirtschaftet werden können.
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