Todesfälle im Rettungsdienst Umgang mit Todesfällen im Rettungsdienst: Wie jeder weiß, ist das Ziel eines jeden Rettungsdienstes, durch entsprechende Maßnahmen die Vitalfunktionen von Patienten zu sichern, so deren Leben und Gesundheit zu schützen bzw. deren Überlebenschancen zu verbessern. Jedoch ist der Tod ein fester Bestandteil des Rettungsdienstes. Sei es, dass alle Maßnahmen vergeblich waren, die Einsatzkräfte vielleicht zu spät eingetroffen sind oder wurden Maßnahmen gar unterlassen, da eine fortgeschrittene Erkrankung dies nicht zu lässt, so stellen sich viele Rettungssanitäter die Frage, was sie weiter unternehmen können. Man erkennt bei näherer Betrachtung, dass es drei Problemfelder gibt: - Die Unterlassung von Maßnahmen der Wiederbelebung Die Feststellung des Todes Und die Information der Angehörigen über den weiteren Verlauf Unterlassung der Wiederbelebung Laut dem Strafgesetzbuch1 besteht für jede Person die Verpflichtung zur Hilfeleistung. Dies beschränkt sich jedoch auf die Zumutbarkeit ein. Also muss sich der Helfer zu einem nicht selbst in Gefahr bringen und zum anderen muss ihm die Hilfeleistung zumutbar sein. Da ein Rettungssanitäter aufgrund seiner Ausbildung, dem Ziel seiner Tätigkeit sowie der Ausrüstung seines Rettungsdienstfahrzeuges kann ein Sanitäter letztere Einschränkung für sich nicht geltend machen. Die Unterlassung von Maßnahmen der Wiederbelebung kann daher für den Sanitäter den Tatbestand der „Unterlassenen Hilfeleistung“ erfüllen. Auch das Sanitätergesetz sieht die Maßnahmen der Reanimation und den Einsatz eines halbautomatischen Defibrillators als wesentlichen Bestandteil der Ausbildung von Sanitätern2 vor und verlangt eine zweijährige Rezertifizierung. Grundsätzlich kann ein Sanitäter jegliche sanitätsdienstliche Maßnahmen unterlassen bei - sicheren Todeszeichen - vorliegen einer schriftlichen Anweisung zur Unterlassung von Wiederbelebungsversuchen durch einen Arzt, oder - einer verbindlichen Patientenverfügung Weiters gibt es Fälle, in denen CPR(Cardio[Herz]- Pulmonale[Lunge] Reanimation)-Maßnahmen zwar vorübergehend erfolgreich sein könnten, aber ethisch nicht gerechtfertigt sind. In solchen Situationen können schriftliche Anweisungen für das Rettungspersonal aufliegen. Zu diesen Dokumenten zählen die schriftliche Anweisung eines Arztes, im Falle eines AtemKreislaufstillstandes, aufgrund des Krankheitsbildes des Patienten, keine CPR durchzuführen und die verbindliche Patientenverfügung nach dem Patientenverfügungsgesetz3. 1 Strafgesetzbuch (StGB) §94 Imstichlassen eines Verletzten und §95 Unterlassene Hilfeleistung Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz –SanG), BGBL 30 I/2002, §9, Abs 2, Zi 2 bzw. §51, Abs 1 SanG§9, Tätigkeitsbereich des Rettungssanitäters 3 Bundesgesetz über Patientenverfügung (Patientenverfügungs-Gesetz-PatVG),BGBL 55/2006, 2.Abschnitt 2 Schriftliche Anweisungen zur Unterlassung der Wiederbelebung Für solch eine Anweisung wird meist die Abkürzung „DNR“ (Do Not Resuscitate -> Führe keine Wiederbelebung durch) verwendet. Sie kann nur in schriftlicher Form durch einen Arzt erfolgen und ist Teil der Patientendokumentation des Transportes. Da diese Vermerke in den Krankenhäusern zwar in der Krankengeschichte festgehalten, für die Sanitäter meist aber keine schriftlichen Anweisungen vorgesehen sind, hat das Steirische Rote Kreuz zum Schutz seiner Mitarbeiter ein eigenes Formular entworfen, das in allen Fahrzeugen mitgeführt wird. Werden Patienten nach Hause entlassen, um in einer vertrauten Umgebung ihrem Lebensende entgegenzugehen, wird von den Sanitätern das Vorgehen, für den Fall des Atem-Kreislaufstillstandes des Patienten am Heimtransport, mit dem behandelnden Arzt geklärt und im Falle der Anweisung „DNR“ das Formular zur Unterschrift vorgelegt. Verstirbt der Patient am Transport, wird innerhalb Österreichs die Fahrt fortgesetzt und der Patient am Zielort übergeben. Verstirbt jedoch ein Patient am Heimtransport ins Ausland vor dem Grenzübertritt, muss der Transport abgebrochen und der Verstorbene an das Krankenhaus, von dem der Transport seinen Ausgang genommen hat, zurücküberstellt werden. Verstirbt der Patient nach dem Grenzübertritt, ist der geplante Zielort anzufahren. Für den Beschauarzt wird die übliche Dokumentation mit dem Todeszeitpunkt und dem Vermerk „Am Heimtransport verstorben“ hinterlegt. Die Patientenverfügung Oft wird wenn man von einer Patientenverfügung spricht, von einem Patiententestament gesprochen. Jedoch verfolgt die Verfügung das Ziel, ein Sterben in „Würde“ zu ermöglichen, sobald der Patient in einer aussichtslosen Situation befindet (z.B. er kann sich nicht mehr artikulieren). Unter anderem kann mit einer Patientenverfügung die Ablehnung von Herz-Lungen-Wiederbelebung erfolgen. Im Rahmen des Patientenverfügungsgesetzes wird zwischen einer verbindlichen und einer beachtlichen Patientenverfügung unterschieden. Eine verbindliche Patientenverfügung ist für ihre Gültigkeit an zwingende Formvorschriften gebunden und gilt auch für Sanitäter u.a. in Hinblick auf die Unterlassung von Wiederbelebungsmaßnahmen. Eine solche verbindliche Patientenverfügung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: - Die medizinische Behandlung, die Gegenstand der Ablehnung ist, muss konkret beschrieben sein - Die Aufklärung über die Folgen der Ablehnung durch einen Arzt muss dokumentiert und von diesem unterschrieben sein - Die Verfügung muss schriftlich, unter Angabe des Datums, vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem Mitarbeiter der Patientenvertretung errichtet worden sein. - Eine Patientenverfügung ist ab dem Datum der Errichtung fünf Jahre gültig und kann unter Einhaltung der angeführten Formvorschriften um weitere fünf Jahre verlängert werden Von dieser Regelung sind nach dem Gesetz Maßnahmen einer Notfallversorgung unberührt, sofern die Suche nach der Patientenverfügung oder deren Prüfung das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet4. Die Unterlassung von Maßnahmen aufgrund einer 4 PatGVG, §12 Patientenverfügung ist am Transportprotokoll zu vermerken. Zusätzlich werden das Errichtungsdatum und die Namen der Zeugen der Verfügung im Bericht festgehalten. Todesfeststellung durch Sanitäter Ein Sanitäter ist befähigt unter bestimmten Umständen den „vorläufigen“ Tod eines Patienten festzustellen und darf damit weitere sanitätshilfliche Maßnahmen unterlassen. Sowas darf man nur im Falle vom Auftreten der sicheren Todeszeichen machen. Dazu gehören: Totenflecken, Totenstarre, Verwesungserscheinungen und absolut tödliche Verletzungen (-> Verletzungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind).5 - Totenflecken (Livores) entstehen durch das Absinken des Blutes in die tiefer gelegenen Teile des Körpers, mit Ausnahme an den Aufliegestellen (z.B. Schulterblätter und Gesäß) des Verstorbenen. Sie treten ca. 1 ½ Stunden nach Eintritt des Todes auf, sind rot/bläulich, und bleiben in den ersten 6 Stunden wegdrückbar. Voll ausgeprägt sind sie nach ca. 4 Stunden. Bei starkem Blutverlust finden sich nur schwache oder gar keine Totenflecken. - Totenstarre (Rigor Mortis) entsteht durch das Erstarren der quergestreiften Muskulatur und setzt ca. 2 Stunden nach dem Todeseintritt, beginnend an den Kiefergelenken, ein. Ausgeprägt ist sie nach 6-8 Stunden und löst sich wieder nach ca. 76 Stunden. - Verwesungserscheinungen treten je nach Witterung und Temperatur nach ca. 24-36 Stunden ein.6 Als unsichere Todeszeichen gelten Blässe, Kälte, weite Pupillen, Pulslosigkeit, die mögliche vergangene Zeit seit Eintritt des Atem-Kreislaufstillstandes bis zum Eintreffen der Rettungskräfte, oder das Alter des Patienten. In jedem dieser Fälle sind, im Gegensatz zu den sicheren Todeszeichen, die Wiederbelebungsversuche einzuleiten und ein Notarzt muss angefordert werden. Vorgehen bei Todesfällen Die „Vorläufige Feststellung des Todes“ bedeutet für den Sanitäter, dass er keine Maßnahmen der Wiederbelebung beginnt und auch keinen Notarzt anfordern muss. Ist der Notarzt auf dem Weg zum Patienten, ist er mittels Funk über den Tod des Patienten und die Gründe für diese Entscheidung zu informieren. Ob der Notarzt dennoch zum Einsatzort fährt, liegt in dessen Ermessen. Da gemäß der Straßenverkehrsordnung7 keine Gefahr in Verzug mehr besteht, ist eine Fortsetzung der Fahrt als Einsatzfahrt nicht gerechtfertigt. Das Notartrettungsmittel ist damit auch für einen anderen Notfall wieder verfügbar. Wird der Patient vor Ort tot angetroffen, ist der Transport zu unterlassen; sollte der Tod des Patienten im Rettungsmittel festgestellt werden, wird das für den Patienten, als ob er noch Lebenszeichen aufweisen würde, zuständige Krankenhaus/Station angefahren.8 Das angefahrene Krankenhaus wird über das Eintreffen eines Verstorbenen vorinformiert und dieser unter Umgehung von Bereichen mit Patienten in das „Totenzimmer“ etc. gebracht. Hierbei fällt der Leitstelle die Aufgabe der Vorinformation des Krankenhauses und der Absprache des korrekten Ablaufes zu. Die Verständigung der Exekutive ist bei Todesfällen im Rettungsdienst nicht zwingend 5 Ausbildung Rettungssanitäter, Hrsg. Österreichisches Rotes Kreuz, 5. Auflage, Wien 2006, S.133 Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Version 2002, de Gruyter 7 Straßenverkehrsordnung (StVO), §26 (Bevorzugte Straßenbenützer, Einsatzfahrzeuge) 8 Erlass des BMfS Z1.51.133/1-39/1-69 6 vorgeschrieben. Wird sie jedoch verständigt, hat die Mannschaft ihr Eintreffen vor Ort abzuwarten und keine Veränderungen am Einsatzort vorzunehmen. Eine Verständigungspflicht liegt vor bei9 - Verdacht auf Fremdverschulden, - Todesfällen in Folge von Selbstmord, - Todesfällen in Folge eines Unfalls, - Todesfällen an öffentlichen Plätzen, - Wohnungsöffnungen mit Todesfällen ohne anwesende, direkte Angehörige, - Namenlosen Toten (N.N.), - Todesfällen von Minderjährigen und - Todesfällen von Ausländern Wird der Tod durch die Sanitäter festgestellt und befindet sich kein Arzt vor Ort, muss ein Durchschlag des Transportberichtes für den Beschauarzt hinterlassen werden. Dieser hat neben den üblichen Daten unbedingt die Eintreffzeit, die Fahrzeugkennung und den Namen des Sanitäters, der den Tod festgestellt hat, sowie die Art der Todeszeichen, ihre Ausprägung und Lokalisation zu enthalten. An die Möglichkeit eines KIT-Einsatzes ist zu denken. Dies ist meist bei einem plötzlichen und unerwarteten Tod von Menschen und insbesondere bei Todesfällen von Kindern der Fall. Sollten durch die Sanitäter Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet und in Folge abgebrochen werden, ist mit Rücksicht auf die Angehörigen folgendes zu beachten: - Mit Abbruch der Wiederbelebung sind die Spuren der Maßnahmen am Patienten zu beseitigen (Tubus, i.v. Zugang etc.) - Der medizinische Abfall wird nicht vor Ort entsorgt, sondern mitgenommen. - Dem Verstorbenen werden die Augen geschlossen und er wird zugedeckt. - Wenn kein Verdacht auf Fremdverschulden besteht, sollte der Verstorbene in sein Bett gelegt werden um den Angehörigen den Anblick zu erleichtern. - Der Notarzt oder – wenn dieser nicht vor Ort ist - der erfahrenste Sanitäter erklärt den Angehörigen die Gründe für den Abbruch der Maßnahmen, drückt ihnen auch im Namen seiner Kollegen sein Beileid aus und informiert sie über den weiteren Verlauf. - Wenn sie dies wünschen, werden die Angehörigen zum Verstorbenen geführt um Abschied nehmen zu können, hierbei wird dessen Kopf abgedeckt. - Nötigenfalls ist eine psychische Betreuung (Krisenintervention – KIT) anzufordern. - Der Einsatzort darf erst verlassen werden, wenn die psychische Verfassung der Hinterbliebenen dies gestattet, oder eine Betreuung gewährleistet ist. Nun wissen sie bescheid wie es mit Todesfällen im Rettungsbereich aussieht. Viel Erfolg im weiteren Bestehen als Helfer oder Retter. Rumpf Joachim 9 Rettungsdienste sind angehalten, so es im jeweiligen Bundesland keine landesrechtlichen Vorgaben gibt, mit dem zuständigen Polizeikommando entsprechend klare Regelungen zu vereinbaren.