Übertragungsverhalten geregelter Asynchronmaschinen für die Prüfstandsanwendung von Pierre Köhring und Torsten Wichert Gewidmet Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Hans Kuß zur Emeritierung Abstract: In diesem Artikel wird das dynamische Verhalten der feldorientiert geregelten Asynchronmaschine für den Einsatz im Prüffeldsektor untersucht. Zunächst wird hierfür ein Funktionsmodell der feldorientiert geregelten Asynchronmaschine abgeleitet und hinsichtlich seiner statischen und dynamischen Grenzwertparameter untersucht. Im Einzelnen wird eine Methode zur analytischen Berechnung von maximal erzielbaren Drehmomenten und von maximalen Drehmomentdifferentialen gezeigt und die Berechnungsergebnisse abschließend kritisch ausgewertet. 1 Einführung und Motivation Der Anstoß zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens feldorientiert geregelter Asynchronmaschinen entsteht aus den hohen Anforderungen, welche heute an hochdynamische Prüfstandsmotoren gestellt wird. Zum Verhalten des Elektromotors als solches, ist ein umfassendes Theoriemodell vorhanden, welches sowohl das stationäre, das quasistationäre als auch das dynamische Verhalten umfassend beschreibt. Der hohe Entwicklungsgrad der Stromrichtertechnik führt nun dazu, dass auch jene Antriebssektoren, welche bisher den Gleichstrommaschinen vorbehalten waBild 1: Elektromotoren in der Prüfstandsanwendung ren, durch adäquate Drehstromantriebe ersetzt werden können. Hierunter zählen drehzahlgeregelte Antriebe, an welche ein Höchstmaß an Drehzahlstabilität und Drehmomentstabilität gestellt wird, wie Antriebe von Hebezeugen in der Schwerindustrie oder Prüfstandsantriebe in der Automobilindustrie. Der Einsatz von Drehstrommaschinen ist vor allem im Prüffeldsektor den trägeren und wartungsaufwendigeren Gleichstrommaschinen vorzuziehen. Die Drehstrommaschinen sind aufgrund ihrer höheren Ausnutzung [11] kleiner und billiger als vergleichbare Gleichstrommaschinen, weiterhin besteht in der Prüfstandsanwendung häufig die Forderung nach einem möglichst kleinen Massenträgheitsmoment um die Drehmomentoberschwingungen von Verbrennungsmotoren möglichst real zu simulieren, was durch die Drehstromantriebstechnik wesentlich einfacher zu bewältigen ist. 2 Mathematische Beschreibung des Maschinenverhaltens 2.1 Allgemeines Die mathematische Beschreibung des Verhaltens einer Asynchronmaschine mit Kurzschlussläufer und vernachlässigbarer Läufer- und Ständerstromverdrängung wurde bereits in [2], [3], [4], [7] und [10] hinreichend beschrieben. Ziel dieses Abschnittes soll daher lediglich die Zusammenstellung der einzelnen Ansätze mit einer Bewertung der Einsatzbereiche sein. 1 Für alle hier vorgestellten Berechnungsansätze des Maschinenverhaltens bedient man sich des Raumzeigermodells der Drehstrommaschine. Es besagt, dass die Überlagerung von drei räumlich- sinusförmig verteilten Feldern beliebiger Amplituden wieder ein räumlich- sinusförmiges Feld im Luftspalt der Maschine erzeugt. Dieses Feld kann eindeutig durch einen Lagewinkel und eine Amplitude beschrieben werden, dem sog. Raumzeiger. Im Umkehrschluss lässt sich dieses Feld auch mit einer zweisträngigen Wicklung erzeugen. Jede mehrsträngige Wicklungsanordnung, so sie eine sinusförmige Durchflutungsverteilung im Luftspalt erzeugt, kann mit einer solchen zweisträngigen Ersatzwicklung beschrieben werden. Die Umrechnung von Strömen und Spannungen kann mittels der Gleichung (2.1) von der originalen zur Modellwicklung bzw. mit (2.2) umgekehrt erfolgen. Die Größe g ist hier als Platzhalter für die zutreffende Größe zu verstehen. Die Größe g0 beschreibt das Nullsystem einer Drehstromwicklung, welches eine stehende pulsierende Luftspaltdurchflutung zur Folge hat. Diese Nullkomponente wird bei einer Sternschaltung nur relevant, wenn die Summe der drei Strangströme nicht null ergibt. Für eine Dreieckschaltung ergeben sich relativ komplizierte Zusammenhänge für die Beschreibung dieser Nullkomponentengrößen. Ihre Beschreibung wird jedoch fast ausschließlich für die Beschreibung von Havariefällen notwendig, und bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt. ⎛ gα ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ gβ ⎟ ⎜g ⎟ ⎝ 0⎠ ∠S ⎛ ⎜1 ⎜ 2⎜ = 0 3⎜ ⎜1 ⎜ ⎝2 ⎛ ⎜ ⎛ ga ⎞ ⎜ 1 ⎜ ⎟ 1 ⎜ gb ⎟ = ⎜− ⎜g ⎟ ⎜ 2 ⎝ c⎠ ⎜ 1 ⎜− ⎝ 2 1 ⎞ ⎟ 2 ⎟⎛ g a ⎞ ⎜ ⎟ 1 1 3 − 3 ⎟⎜ g b ⎟ ⎟ 2 2 ⎜ ⎟ 1 1 ⎟⎝ g c ⎠ ⎟ 2 2 ⎠ − 1 2 − ⎞ ⎟ ∠S 0 1⎟⎛ g α ⎞ ⎜ ⎟ 1 3 1⎟⎜ g β ⎟ ⎟⎜ ⎟ 2 ⎟⎝ g 0 ⎠ 1 3 1⎟ 2 ⎠ (2.1) (2.2) Ein weiterer Schritt ist es, die beiden Wicklungen gemäß der Zeigervorstellung zu einer komplexen Größe zusammenzufassen. Die Größe der β- Achse repräsentiert dabei den Imaginär- und die α- Achse den Realteil des Zeigers. Es können somit Ströme und Spannungen als ortsabhängige Zeiger aufgefasst werden. Die Rotation dieser Zeiger erfolgt gemäß den zeitlich veränderlichen Stranggrößen. Darüber hinaus kann die Wirkung der Feldgrößen der Wicklungsanordnung des Ständers auf die des Läufers und umgekehrt, auch bei sich ändernder Rotorposition, beschrieben werden. Hierzu müssen die Größen des Ständers im Läufer und die des Läufers im Ständer dargestellt werden, wie mit dem Zusammenhang (2.3) und (2.4) gezeigt wird. Der Winkel γ entsprich hierbei dem relativen Lagewinkel der Wicklungen. Er kann auch mit Gleichung (2.5) aus dem Verlauf der mechanischen Läuferwinkelgeschwindigkeit berechnet werden. Für den Sonderfall einer konstanten Winkelgeschwindigkeit gilt die Gleichung (2.5a). ∠S ∠R ∠R ∠S ∠R ∠S g 2 = g 2 ⋅ e jγ ⇒ g 2 = g 2 ⋅ e − jγ ∠S ∠R (2.3) g 1 = g 1 ⋅ e − jγ ⇒ g 1 = g 1 ⋅ e jγ (2.4) γ (t ) = γ 0 + p ∫ ϖ L (t )dt (2.5) γ (t ) = γ 0 + pϖ L t (2.5a) 2 Für die Spannungsgleichung der Ständerstränge kann allgemein die Gleichung (2.6) angegeben werden. Für die Läuferstränge gilt die Gleichung (2.7). ∠S u ∠S 1 u ∠R 2 =i ∠S 1 =i ∠R 2 ⋅ R1 + dψ 1 (2.6) dt ∠R ⋅ R2 + dψ 2 (2.7) dt Für die Berechnung der Flussverkettungen ergibt sich die Besonderheit, dass jeweils ein Strom nicht in seinem ursprünglichen Koordinatensystem als Faktor auftritt. Diese Ströme müssen nach den Gleichungen (2.3) und (2.4) umgerechnet werden. ψ ∠2 R = i ∠2 R L2 + i 1∠R Lh (2.8) ψ 1∠S = i 1∠S L1 + i ∠2 S Lh (2.9) 2.2 Das Gleichungssystem der Asynchronmaschine in einem mit beliebiger Kreisfrequenz umlaufenden Koordinatensystem Die Grundlage für die mathematische Beschreibung der feldorientierten Regelung bildet das Gleichungssystem in einem mit einer willkürlich festgelegten Kreisfrequenz umlaufenden Koordinatensystem. Es bewegt sich relativ zu Läufer und Ständer mit der Winkelgeschwindigkeit ωK zum Ständer und mit ω2 zum Läufer. Mit ωK = pωL + ω2 kann auch der Schlupf zum mit ωK umlaufenden System nach Gleichung (2.10) definiert werden. ϖ 2 = s ⋅ϖ K (2.10) Die Winkelgeschwindigkeit des frei umlaufenden Systems ergibt sich durch die Änderung des Winkels ϑ nach der Zeit. Sinnvoll ist es, die Umlaufgeschwindigkeit an die des rotierenden Feldes anzupassen, welche im motorischen Betriebsfall schneller und im generatorischen langsamer als der Läufer ist. Es ergibt mit der Ständerfrequenz f1 für ωK: ϖ K = 2π ⋅ f1 = d ϑ dt (2.11) Die Spannungsgleichungen können im Einzelnen der Tafel 2.1 entnommen werden Tafel 2.1–Das mitϖK umlaufende Gleichungssystem der Kurzschlussläuferasynchronmaschine d ψ 1α − ϖ K ⋅ψ 1β ; dt d u1β = R1 ⋅ i1β + ψ 1β + ϖ K ⋅ψ 1α ; dt d 0 = R2 ⋅ i2α + ψ 2α − ϖ 2 ⋅ψ 2 β ; dt u1α = R1 ⋅ i1α + ψ 1α = i1α ⋅ L1 + i2α ⋅ Lh ψ 1β = i1β ⋅ L1 + i2 β ⋅ Lh ψ 2α = i2α ⋅ L2 + i1α ⋅ Lh 3 0 = R2 ⋅ i 2 β + d ψ 2 β + ϖ 2 ⋅ψ 2α ; dt ψ 2 β = i2 β ⋅ L2 + i1β ⋅ Lh Die Umrechnung der Stranggrößen der originalen Ständerwicklung in das mit ωK umlaufende System erfolgt mit Gleichung (2.12). ⎛ uα ⎞ ⎜ ⎟ ⎜uβ ⎟ ⎜u ⎟ ⎝ 0⎠ ∠K ⎞ ⎛ ∠S ⎜ cos(ϑ ) cos(ϑ − 120°) cos(ϑ + 120°) ⎟⎛ u a ⎞ 2⎜ ⎟⎜ ⎟ = ⎜ − sin (ϑ ) − sin (ϑ − 120°) − sin (ϑ + 120°)⎟⎜ u b ⎟ 3 1 1 ⎟⎜⎝ u c ⎟⎠ ⎜ 1 ⎟ ⎜ 2 2 ⎠ ⎝ 2 (2.12) Fasst man die ohmschen Spannungsabfälle und die Bewegungsspannungen zusammen, so ergibt sich die Spannungsgleichung der Kurzschlussläuferasynchronmaschine zu: ⎛ uα ⎜ ⎜uβ ⎜ 0 ⎜ ⎜ 0 ⎝ 2.3 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ ∠K ⎛ R1 ⎜ ⎜ϖ L =⎜ k 1 0 ⎜ ⎜ϖ L ⎝ 2 h − ϖ k L1 R1 − ϖ 2 Lh 0 0 ϖ k Lh R2 ϖ 2 L2 − ϖ k L h ⎞⎛ i1α ⎟⎜ 0 ⎟⎜ i1β − ϖ 2 L2 ⎟⎜ i 2α ⎟⎜ R 2 ⎟⎠⎜⎝ i 2 β ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ ∠K ⎡⎛ L ⎢⎜ 1 d ⎢⎜ 0 + ⎢⎜ dt L h ⎢⎜ ⎢⎜⎝ 0 ⎣ 0 L1 0 Lh Lh 0 L2 0 0 ⎞⎛ i1α ⎟⎜ L h ⎟⎜ i1β 0 ⎟⎜ i 2α ⎟⎜ L 2 ⎟⎠⎜⎝ i 2 β ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ ∠K ⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦ (2.13) Das Gleichungssystem der Asynchronmaschine in gemischten Koordinaten Stellt man alle Größen in ihren eigenen Bezugssystemen dar, so gelangt man zu einem Gleichungssystem entsprechend (2.14): ⎡uα ⎤ ⎡ R1 ⎢u ⎥ ⎢ ⎢ β⎥=⎢0 ⎢u d ⎥ ⎢ 0 ⎢ ⎥ ⎢ ⎢⎣ u q ⎥⎦ ⎣ 0 0 R1 0 0 0 0 R2 0 ⎡⎡ L1 0 ⎤ ⎡iα ⎤ ⎢ ⎢i ⎥ ⎥ 0 0 ⎥ ⎢ β ⎥ d ⎢⎢⎢ + ⎢ 0 ⎥ ⎢id ⎥ dt ⎢ Lh cos γ ⎢⎢ ⎥⎢ ⎥ R2 ⎦ ⎢⎣ iq ⎥⎦ ⎢⎣⎣− Lh sin γ 0 L1 Lh cos γ Lh sin γ Lh sin γ Lh cos γ L2 0 − Lh sin γ ⎤ ⎡iα ⎤ ⎤ ⎢ ⎥⎥ Lh cos γ ⎥⎥ ⎢i β ⎥ ⎥ ⎥ ⎢id ⎥ ⎥ 0 ⎥ ⎢ ⎥⎥ L2 ⎦ ⎢⎣ iq ⎥⎦ ⎥⎦ (2.14) t Der Winkel γ entspricht dabei dem Lagewinkel des Rotors vgl. γ = ∫ pϖ L (t )dt . 0 Dieses Gleichungssystem ist für die numerische Lösung ungeeignet, da es mit einer variablen Induktivitätsmatrix arbeitet. Es eignet sich aber durchaus für eine analytische Näherungslösung quasistationärer Vorgänge, wie der Untersuchung des elektrodynamischen Verhaltens der Drehstromasynchronmaschine bei sprunghafter Änderung der Strangspannungen, welches im nachfolgenden Abschnitt behandelt wird. 3 Rotorflussorientierte Regelung der Asynchronmaschine Mathematische Methoden erlauben es, Drehstrommaschinen ähnlich einfach einer fremderregten Gleichstrommaschine zu steuern. Es wird jedoch ein höherer Aufwand an Mess- und Auswertelektronik notwendig. Um diesen so gering wie möglich zu halten, wurden verschiedene Steuerverfahren entwickelt, um die notwendigen Parameter zur Berechnung der einzuspeisenden Ströme bereitzustellen. Es kann damit umgangen werden, die Lage der Hauptflussverkettung im Luftspalt oder die Lage des Rotors zu messen. In [6] und [9] wird eine ganze Reihe von Model4 len beschrieben, welche es ermöglichen, aus der Messung der Ständerströme und der Winkelgeschwindigkeit des Läufers alle fehlenden Parameter zu berechnen oder zu schätzen. Das Aufzählen dieser Modelle soll jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Ziel des folgenden Abschnittes ist es, die Regelstrecke Frequenzumrichter und Maschine näher zu beleuchten. Um eine mit einer Gleichstrommaschine vergleichbare magnetische Anordnung zu erreichen, legt man den Fluss auf eine synchron mit dem Drehfeld umlaufende Achse. Es wird definiert, dass der Rotorfluß keinen imaginären Anteil enthält, es gilt Gleichung (3.1). Hierbei werden alle Größen in einem mit der Winkelgeschwindigkeit ωK rotierendem Koordinatensystem nach Abschnitt 2.2 dargestellt. Die erste Steuerbedingung lautet: ψ 2 = ψ 2α ⇒ ψ 2 β = 0 (3.1) Es kann somit der Rotorstrom in der β- Achse durch den Statorstrom dargestellt werden. ψ 2 β = 0 = Lh ⋅ i1β + L2 ⋅ i2 β ⇒ i2 β = − Lh i1β L2 (3.2) Der Fluss in der α- Achse entspricht dem Magnetisierungsfluss, welcher allein durch den Stator bereitgestellt wird. Daraus resultiert die zweite Steuerbedingung: i2α = 0 ⇒ ψ 2α = i1α ⋅ Lh = I µ 2 ⋅ Lh (3.3) Darin ist Iµ der Magnetisierungsstrom. Es kann damit die Spannungsgleichung der β- Achse im Rotor dazu verwendet werden, die Winkelgeschwindigkeit ω2 der Rotorgrößen zu bestimmen. 0 = R2 ⋅ i 2 β + ϖ2 = − d d ψ 2 β + ω 2 ⋅ψ 2α , mit der Steuerbedingung ψ 2 β = 0 ⇒ ψ 2 β = 0 dt dt R2 ⋅ i 2 β ψ 2α = R2 ⋅ i1β L1 L2ψ 1α = R2 ⋅ i1β L2 i1α (3.4) Das von der Maschine erzeugte Drehmoment mi ergibt sich entsprechend Gleichung (3.5): mi = − L 3 p (ψ 2α ⋅ i2 β − ψ 2 β ⋅ i2α ) mit i2α = 0 und i2 β = − h i1β gilt also: L2 2 3 Lh p ψ 2α ⋅ i1β (3.5) 2 L2 Mit den Beziehungen aus den Steuerbedingungen lassen sich die Spannungsgleichungen nach Tafel 2.1 vereinfachen. Da die Magnetisierung unterhalb der Bemessungsdrehzahl als konstant dψ 1α = 0 gilt, lässt sich nach Einsetzen von (3.1) bis (3.4) für die betrachtet werden kann, also dt α-Komponente der Statorspannung schreiben: mi = u1α ⎛ L1 L2h ⎞ R2 ⎛ L2h ⎞ 2 ⎜ ⎟ = R1 ⋅ i1α − ⎜ L1 − ⎟ pϖ L ⋅ i1β − ⎜⎜ − 2 ⎟⎟ ⋅ i1β L2 ⎠ ⎝ ⎝ L2 L2 ⎠ i1α (3.6) 5 mit ϖ K = pϖ L + ϖ 2 = pϖ L + R 2 ⋅ i1β (3.7) L 2 i1α 2 ⎛ L ⎞ Analog ergibt sich mit der Statorflußverkettung ψ 1β = i1β ⋅ L1 + i2 β ⋅ Lh = ⎜⎜ L1 − h ⎟⎟i1β die GleiL2 ⎠ ⎝ chung für die β-Komponente der Statorspannung: 2 ⎛ ⎛ Lh ⎞ d L1 ⎞ ⎟ ⋅ i1β ⎟ ⋅ i1β + ⎜ L1 − u1β = p ⋅ ω L ⋅ L1 ⋅ i1α + ⎜⎜ R1 + R2 (3.8) ⎜ L2 ⎟⎠ L2 ⎟⎠ dt ⎝ ⎝ Für einen stationären Betriebspunkt kann mit (3.6) und (3.7) das Zeigerbild entsprechend Abbildung 3.1 konstruiert werden. α ⎛ L1 L2h ⎞ R2 ⎜ − 2 ⎟ ⋅ i1β 2 ⎟ ⎜L ⎝ 2 L2 ⎠ i1α ⎛ L⎞ ⎜⎜R1 + R2 1 ⎟⎟⋅ i1β L2 ⎠ ⎝ p ⋅ϖ L ⋅ L1 ⋅ i1α β Û1 ⎛ L2 ⎞ ⎜⎜ L1 − h ⎟⎟ pϖ L ⋅ i1β L2 ⎠ ⎝ R1 ⋅ i1α Bild3.1: Zeigerbild der feldorientiert gesteuerten Asynchronmaschine im stationären Betrieb 4 Das zustandsabhängige maximal erzeugbare Drehmoment des Antriebs unter Vernachlässigung der Läuferstromverdrängung Gelten im dynamischen Betrieb der Asynchronmaschine mit Kurzschlussläufer die Steuerbedingungen aus Kapitel 3, so wirkt sich das auch auf das dynamische Verhalten des kompletten Antriebsstranges aus. Im Folgenden soll das von der Zwischenkreisspannung abhängige maximal erzielbare Drehmoment berechnet werden. Diese Berechnung fällt streng genommen nicht in den Bereich des dynamischen Verhaltens des Antriebes, bereitet aber die Ermittlung des erzeugbaren Drehmomentdifferentials im späteren Abschnitt 5 vor. Für Prüfstandsantriebe ist es zumeist interessant, welche größtmöglichen Überlastdrehmomente abgegeben werden können. Da das Drehmoment direkt dem Strom i1β proportional ist, wird es ∧ durch die maximal mögliche Klemmenspannung U 1 entsprechend dem Zeigerbild 3.1 begrenzt. Die analytische Entwicklung dieses Problems führt zu einem Polynom 4. Ordnung. Eine allgemeine Lösung dieser Gleichung ist somit möglich, aber nicht mehr mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Es wird daher auf eine iterative Lösung in wenigen (meist zwei) Schritten zurückgegriffen. Die allgemeingültige Gleichung ergibt sich dem Zeigerbild 3.1: 6 2 ⎛⎛ L L2 ⎞ R 2 ⎛ L2 ⎞ ⎞ 2 Uˆ1 = ⎜⎜⎜ 1 − h2 ⎟⎟ 2 ⋅i1β +⎜⎜L1 − h ⎟⎟pϖL ⋅i1β −R1 ⋅i1α ⎟ ⎜ L L i ⎟ ⎝ L2 ⎠ ⎝⎝ 2 2 ⎠ 1α ⎠ 2 ⎞ ⎛⎛ L⎞ +⎜⎜⎜⎜R1 + R2 1 ⎟⎟⋅i1β + pϖLL1i1α ⎟⎟ L2 ⎠ ⎠ ⎝⎝ (4.1) Eine numerische Lösung dieser Gleichung kann mit konventionellen iterativen Verfahren erfolgen, wobei sich die Spannung Û1 als Funktion der Zwischenkreisspannung ergibt. Für die Dreieckschaltung der Statorstränge kann die Zwischenkreisspannung vermindert um die Spannungsabfälle über die Halbleiterventile und über die Zuleitungen eingesetzt werden. Bei einer Sternschaltung muss zusätzlich durch 3 geteilt werden. Für eine analytische Näherungslösung muss die Gleichung an geeigneter Stelle vereinfacht werden. Dies geschieht mit der Vernachlässigung der ohmschen Spannungsabfälle in Stator und Rotor. Der Maximalstrom ergibt sich damit als zu groß und muss unter Berücksichtigung der Randbedingungen korrigiert werden. Die Spannung in der β- Achse wird zur Konstanten, und es gilt Gleichung (4.2). 2 ⎛ ⎛ L1 L2h ⎞ R2 ⎞ ⎛ L2h ⎞ 2 2 ˆ ⎜ ⎟ ⎜ ⎜ ⋅ i1β + ⎜ L1 − ⎟⎟ pϖ L ⋅ i1β ⎟ + ( pϖ L L1i1α ) U1 * = ⎜ − 2 ⎟ ⎜ L2 L ⎟ i L2 ⎠ ⎝ 2 ⎠ 1α ⎝⎝ ⎠ 2 pϖ L L1 − pϖ L i1β = L2h L2 2 + L2h − L1 L2 i1α L2 ( (4.2) ) 2 2 2 2 p 2ϖ L i1α Lh − L1 L2 − 4 R2 Uˆ 1 * −( pϖ L L1i1α ) R 2 2 L2 i1α (4.3) ⎛ L2 ⎞ ⎜ L1 − h ⎟ ⎜ L2 ⎟⎠ ⎝ Die Gleichung (4.3) gibt den Näherungswert für den drehmomentbildenden Strom an. Es hat sich ∧ * praktisch bewährt, die Spannung Û1 um zehn Prozent reduziert in die Gleichung als U1 einzusetzen. Die Kontrolle wird anhand der Gleichung (4.1) vorgenommen. Falls es erforderlich ist, ∧ kann der Strom nochmals mit einer korrigierten Zwischenkreisspannung den. 5 * U1 abgeglichen wer- Das erzeugbare Drehmomentdifferential unter Vernachlässigung der Läuferstromverdrängung Sehr interessant für Maschinen in der Prüfstandsanwendung ist die maximal erreichbare Drehzahl- und Drehmomentänderung. Als Grundlage hierfür dient uns die Gleichung (3.8), welche, so man den maximal möglichen Strom i1β nach Gleichung (4.3) einsetzt, die maximale stationär erreichbare Spannung der β- Achse ergibt. So wird davon ausgegangen, dass ein Führungsgrößensprung zur sprunghaften Änderung der Spannungen führt. Der drehmomentbildende Strom stellt sich dann entsprechend der in seinem Stromkreis befindlichen Widerstände ein. Wichtig dabei ist, dass zu jedem Zeitpunkt die Steuerbedingungen erfüllt bleiben. Zum Zeitpunkt t=0 befindet sich die Maschine in einem stationären Zustand, in welchem die Spannung u1β den Wert u1β0 nach Gleichung (5.1) annehmen muss. Auch wenn die Maschine kein Drehmoment entwickelt, so ist in der β- Achse doch eine Bewegungsspannung vorhanden. 7 ⎛ L ⎞ u1β 0 = pϖ L L1 ⋅ i1α + ⎜⎜ R1 + R 2 1 ⎟⎟ ⋅ i1β 0 L2 ⎠ ⎝ (5.1) Zum Zeitpunkt t= 0 springt die Spannung u1β auf einen Wert u1β(0)+∆uβ. Die Spannung ∆uβ kann maximal auf einen Wert nach Gleichung (5.2) springen. ⎛ L ⎞ ∆u1β = ⎜⎜ R1 + R2 1 ⎟⎟ ⋅ (i1β max − i1β 0 ) L2 ⎠ ⎝ (5.2) Der Strom i1βmax ergibt sich als der maximal mögliche drehmomentbildende Strom nach Gleichung (4.3). Der Strom i1β0 berücksichtigt ein stationäres Drehmoment zum Zeitpunkt t=0. Zur Berechnung der Sprungantwort auf einen Spannungssprung wird die Gleichung (3.8) in den Laplace- Bereich transformiert und die Spannung u1β mit dem Faktor 1/s, wobei s den LaplaceOperator darstellt, multipliziert. u1β 2 ⎛ L ⎞ ⎜ L1 − h ⎟ ⎜ L2 ⎟⎠ ⎝ = p ⋅ ω L ⋅ L1 ⋅ i1α 2 ⎛ L ⎞ ⎜ L1 − h ⎟ ⎜ L2 ⎟⎠ ⎝ ⎛ L ⎞ ⎜⎜ R1 + R2 1 ⎟⎟ L2 ⎠ d +⎝ ⋅ i1β + i1β 2 dt ⎛ L ⎞ ⎜ L1 − h ⎟ ⎜ L2 ⎟⎠ ⎝ ⎛ L ⎞ ⎜⎜ R1 + R2 1 ⎟⎟ ∆u1β L2 ⎠ ⎝ = ⋅ i1β + s ⋅ i1β − i1β 0 ⎛ ⎛ L2h ⎞ L2h ⎞ ⎜⎜ L1 − ⎟⎟ s⎜⎜ L1 − ⎟⎟ L2 ⎠ L2 ⎠ ⎝ ⎝ (5.3) Zur Rücktransformation in den Zeitbereich werden die transiente Statorreaktanz L1’ und die transiente Rotorreaktanz L2’ eingeführt: L1 L2 − L2h L1 ' = L2 L2 ' = L1 L2 − L2h L , bzw. L2 ' = L1 ' 2 L1 L1 (5.4) (5.5) Mit den zugehörigen Widerständen ergeben sich die transienten Zeitkonstanten: T1 ' = L1 ' L1 L2 − L2h = R1 R1 L2 L2 ' L1 L2 − L2h L1 ' L2 L R T2 ' = = = = T1 ' 2 1 R2 R2 L1 R2 L1 L1 R2 (5.6) (5.7) 8 Die Zeitkonstante T’12, mit welcher der Strom i1β und damit das Drehmoment steigt, entspricht der Parallelschaltung der transienten Ersatzzweipole für Ständer und Läufer: ⎛1 1 ⎞ T12 ' = ⎜⎜ + ⎟⎟ ⎝ T1 ' T2 ' ⎠ −1 (5.8) Nach Einsetzen der Zeitkonstanten, Rücktransformation und Umstellung der Gleichung (5.3) in den Zeitbereich ergibt sich für den Ständerstrom i1β die Gleichung (5.9) bei einer sprungförmigen Änderung der Spannung u1β: t t − − ⎞ ⎛ T12 ' ⎟ T12 ' ⎜ 1− e +i e i1β (t ) = ⎟ 1β 0 R2 L1 + L2 R1 ⎜⎝ ⎠ ∆u1β L2 i1β 0 = (5.9) u1β ( 0 ) − p ⋅ ϖ L L1i1α R1 + R2 L1 L2 (5.10) Der Ansatz, mit einem Sprung der Spannung in der β- Achse den Drehmomentenanstieg zu berechnen, ist nicht wirklich exakt, da dynamisch eine Spannungsreserve in der α-Achse bestehen bleibt, wie Gleichung (5.1) zeigt. Es sind also theoretisch noch höhere Stromanstiege möglich, ohne dass die Steuerbedingungen verletzt werden. In der Praxis setzt man fast immer Trägheitsglieder erster Ordnung ein, um die Sollwerte zu glätten. Diese führen dann zu kleineren Drehmomentdifferentialen als sie nach Gleichung (5.8) zu berechnen wären. Für praktische Belange kann eine solche Berechnung damit nur ein Näherungslösung darstellen. Exakte Grenzwerte lassen sich nur nach einer Nachbildung der Übertragungsfunktion des Frequenzumrichters berechnen und sind damit vom Umrichtertyp und den eingestellten Parametern abhängig. 6 Zusammenfassung und Ausblick Mit dem hier vorgestellten Beitrag zum dynamischen Übergangsverhalten der feldorientiert geregelten Asynchronmaschine wurde eine Möglichkeit aufgezeigt, theoretische Grenzwerte, wie das maximal erzeugbare Drehmoment bzw. den maximal erzeugbaren Drehmomentanstieg, zu berechnen. Es wurde sich hierbei eines vereinfachten Maschinenmodells bemächtigt. In realen Maschinen kommen weitere Effekte des dynamischen Verhaltens hinzu. So wurde die Ständersowie die Läuferstromverdrängung vernachlässigt, die jedoch bei Maschinen höherer Baugrößen bemerkbar in Erscheinung tritt. Es sollte daher das Ziel anschließender Arbeiten sein, unter Berücksichtigung der transienten Stromverdrängung und der Maschinengeometrie die hier gefundenen Beziehungen zu verallgemeinern. 9 Literatur [1] Geisler, B.: Messungen an Induktionsmotoren mit Drehzahlen bis zu 80.000 min-1. VDI Verlag, Düsseldorf, 2003 [2] Kovacs, K. P.: Betriebsverhalten von Asynchronmaschinen. VEB Verlag Technik, Berlin, 1957 [3] Kovacs, K. P., Racz, I.: Transiente Vorgänge in Wechselstrommaschinen. Bd. I, II, Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, 1959 [4] Müller, G.: Theorie elektrischer Maschinen. VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, 1. Aufl., 1995 [5] Müller, G.: Grundlagen elektrischer Maschinen. VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, 1. Aufl., 1995 [6] Pfaff, G., Meier, C.: Methoden der Regelungs- und Automatisierungstechnik. R. Oldenbourg Verlag GmbH, München 1994 [7] Rebbereh, C.: Beitrag zur Modellbildung der Asynchronmaschine unter Berücksichtigung von Eisensättigung und Stromverdrängung. Dissertation der TU Erlangen-Nürnberg, 2000 [8] Sahin, F.: Design and development of a high speed axial-flux permanent-magnet machine. CIP-Data Library Technische Universität Eindhoven, 2001 [9] Schönfeld, R., Habiger, E.: Automatisierte Elektroantriebe. Verlag Technik, Berlin, 3. Aufl., 1990 [10] Schröder, D.: Elektrische Antriebe 2: Regelung von Antrieben. Springer- Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1. Aufl., 1995 [11] Vogt, K.: Elektrische Maschinen: Berechnung rotierender elektrischer Maschinen. VEB Verlag Technik, Berlin, 4. Aufl., 1988 Verfasser M.Sc. Pierre Köhring M.Sc. Torsten Wichert Zentrum für angewandte Forschung und Technologie ZAFT e.V. an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) 10