Bewertung von Unternehmen in Krisen- situationen

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Allerts Brief 02|2009
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Fachbeitr ag
Bewertung von
Unternehmen in Krisensituationen
Spezifische Denk- und Bewertungsweisen für den erfolgreichen Verkaufsprozess vor und während des Insolvenzverfahrens.
Von Arnd Allert, geschäftsführender
Gesellschafter von Allert & Co., Mannheim
Jeder Wert ist eine abstrakte Größe. Er entsteht, wenn ein zu bewertendes Objekt „getauscht“ werden soll: Man gibt etwas und
bekommt etwas anderes dafür. Bei der Bewertung von Unternehmen in der Krise
tauschen quasi Verkäufer und Käufer bewertete Risiken gegen die Aussicht auf eine
bessere Zukunft.
Vor Antragstellung:
Dieses Prinzip des DCF-Ansatzes hat bei
negativen Cashflows den umgekehrten
Effekt: Je höher der Diskontierungszinssatz, desto geringer die (negativen) Auswirkungen eines negativen Cashflows
auf den Barwert und damit den Unternehmenswert. Werden negative Cashflows
ausgewiesen und es erfolgt trotzdem eine
Diskontierung mit einem einheitlichen
Zinssatz, so ist davon auszugehen, dass
der berechnete Unternehmenswert zu
hoch ist. Insbesondere bei länger andauernden Verlustphasen ist dies ein Problem,
mit dem umgegangen werden muss.
Going-Concern-Prämisse nicht gegeben
Planungs- und Prognoserechnungen
Bei Unternehmensbewertungen nach Ertragswert- oder DCF-Verfahren geht man
von der sogenannten „Going-ConcernPrämisse“ aus, d. h. dem unveränderten
Bestehen des Unternehmens. Bei Unternehmenskrisen ist das nicht möglich. Ein
unverändertes Fortführen des Unternehmens würde zum Existenzwegfall führen. Die Feststellung und Anerkennung
dieser Tatsache ist die Grundlage des Erfolgs, erschwert aber systematisch die
Anwendung dieser Verfahren.
Beim Verkauf von Unternehmen spielt
die Qualität des Controllings für die zukünftige operative Steuerung durch einen
neuen Gesellschafter eine wesentliche
Rolle. Planungen brauchen aussagefähige betriebs- und finanzwirtschaftliche
Informationen. Die Schaffung belastbarer Kennzahlen für die Bewertung ist
deshalb von elementarer Bedeutung.
Spätestens seit „Basel II“ fordern Fremdkapitalgeber Szenariorechnungen zur
zukünftigen Entwicklung. Diese Szenariorechnungen („Base-Case“/„Best-Case“/
„Worst-Case“) sind für den Investor aber
nur dann belastbar, wenn sie notwendige
Restrukturierungsaufwendungen wirklich exakt aufzeigen. Risiken, die zur Wertminderung beitragen, müssen gezeigt
und wenn möglich monetär bewertet
werden. Damit wird die Basis für ein kreatives Risikomanagement mit internen
Hier wird nicht nur möglicher Gewinn,
sondern auch Verlust und Risiko getauscht. Das hat auch für die Bewertung
Konsequenzen. Je nach Status des Unternehmens – vor und nach Insolvenzantragstellung – ergeben sich spezifische
Sichtweisen.
(Gewährleistungen im Kaufvertrag) und
externen Instrumenten (Übernahme
von Einzelrisiken durch Versicherer
oder andere komplementäre Interessensgruppen wie z. B. Hauptkunden bzw.
Übernahme von Risiken durch öffentliche Stellen im Rahmen von u. a. Landesbürgschaften) geschaffen. Eine wertorientierte Vorgehensweise bringt alle
Risikoansichten zusammen und schafft
im Laufe der Verhandlungen einen
Einigungsraum, der eine preisadäquate
Risikoverteilung sichert.
Wertbeitrag steuerlicher Verlustvorträge
Diskontierung negativer Cashflows im
Rahmen der DCF-Bewertung
Werden positive Cashflows mit einem
Zinssatz diskontiert, in dem eine (positive) Risikoprämie enthalten ist, führt ein
höheres Risiko zu einem niedrigeren Unternehmenswert.
Können gewerbe- und körperschaftssteuerliche Verlustvorträge steuerlich
genutzt werden, führen sie zu einer Erhöhung des Unternehmenswertes. Über
eine Verrechnung mit künftigen Gewinnen reduzieren sie Steuerzahlungen in
künftigen Perioden. Der Wert der Verlustvorträge kann dann als Barwert der
erzielten Steuerersparnis berechnet werden. So kann ein aktueller Verlustvortrag
wegen verminderter Steuerzahlungen
bei Wiedererlangen der Ertragskraft
einen Wert darstellen. Allerdings hat
dies klare Grenzen (siehe § 8c KStG). Bei
einer Veräußerung des Geschäftsbetriebes geht die steuerliche Nutzbarkeit
i.d.R. verloren.
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen
Finanz- und Wirtschaftskrise wurde im
Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes in
§ 8c KStG eine neue, zeitlich befristete > > >
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Allerts Brief 02|2009
> > > Sanierungsklausel eingefügt, die für Er-
werbe von krisenbehafteten Unternehmen in den Jahren 2008 und 2009 gilt.
Ziel der Neuregelung in § 8c Abs. 1 KStG
ist, die Krisen verschärfende Wirkung der
Verlustvernichtungsregelung für Sanierungsfälle zu vermeiden, da der anteilige
oder gesamte Untergang der bisherigen
Verlustvorträge die Suche nach sanierungswilligen Investoren erschwert. Die
Kriterien zur Nutzung vorhandener Verlustvorträge sind sanierungsfördernde
Maßnahmen, die die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vermeiden und
zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen erhalten. § 8c Abs. 1a KStG beschreibt u. a. die Zuführung von Ein lagen
wesentlichen Betriebsvermögens und
bestimmte Lohnsummenrelationen.
Nach der Antragstellung:
Was bereits vor Antragstellung spezifische Denkweisen erfordert, wird nach
Antragstellung noch komplexer. Meist
muss innerhalb extrem kurzer Zeiträume
agiert werden.
Bewertung zwischen Insolvenzverwalter,
Kaufinteressenten und anderen Interessengruppen
Das Insolvenzrecht sieht Sanierung, Liquidation, übertragende Sanierung und Insolvenzplanverfahren als gleichberechtigte Alternativen. Insolvenzverwalter
lassen deshalb bei Verfahrensbeginn als
Untergrenze für weitere Verwertungsüberlegungen eine Schätzung des Substanzwertes u. a unter Liquidationsgesichtspunkten anfertigen. Die unterschiedliche Betrachtungsweise der Verfahren
„aktuell positiver Substanz-(Liquidations-)
wert vs. aktuell negativer Ertragswert“
birgt Konfliktpotenzial bei Preisverhandlungen im Insolvenzverfahren. Aus Sicht
des Insolvenzverwalters sieht eine Mindestkaufpreisermittlung wie folgt aus:
Häufig erschließt sich dem Kaufinteressenten nicht, warum der höhere Wert an-
zusetzen ist: Grundsätzlich verkauft
auch der Verwalter immer zum Ertragswert. Da jedoch unter Umständen der Ertragswert niedriger ist als der Liquidationswert und das Insolvenzrecht die genannten Verwertungsalternativen als
gleichwertig ansieht, ist der Verwalter in
einer solchen Situation zur Wahrung der
Interessen der Insolvenzgläubiger regelmäßig gehalten, das Schuldnerunternehmen zu liquidieren. Möchte ein Käufer
das operative Geschäft aufgrund erwarteter Synergien/Potenziale dennoch erwerben, muss die erwartete Wertsteigerung in die Insolvenzmasse gezahlt werden. Nur so kann dem Insolvenzverwalter der grundsätzlich gesetzliche Zwang
der Liquidation genommen werden.
Marktwert der Verbindlichkeiten
Entsprechen die für das Fremdkapital
vereinbarten Zinssätze den am Markt
geltenden Konditionen, ist der Marktwert
des Fremdkapitals gleich dem Buchwert.
Weichen die Zinssätze von den Marktkonditionen stark ab, ist eine separate
Berechnung erforderlich. Dabei wird der
Marktwert durch Abzinsung der Zahlungsströme an Fremdkapitalgeber berechnet.
Der Diskontierungszinssatz sollte das
Mindestkaufpreisermittlung
Fortführungswert
(mind. Liquidationswert)
> Ertragswert
Kaufpreis =
Fortführungswert
(mind. Liquidationswert)
Fortführungswert
(mind. Liquidationswert)
< Ertragswert
Kaufpreis =
Ertragswert
Risikopotential der Zahlungsströme
widerspiegeln. Für Unternehmen in der
Krise ist jeweils ein höherer Zinssatz für
die Diskontierung anzusetzen. Ergo fällt
der Wert der Verbindlichkeiten meist
drastisch. Die unterschiedliche Sichtweise
zwischen dem Wert des Fremdkapitals
als – eventuell noch nicht adäquat wertberichtigte – Forderung in den Bilanzen
der Banken und dem vom Investor beizulegenden Marktwert muss also geglättet
werden.
Fazit:
Gerade bei M&A-Transaktionen in der
Krise engagieren sich Käufer und Verkäufer für ein Objekt, das keinen ausreichenden Ertrag erwirtschaftete. Dennoch
nehmen beide Kontrahenten an, dass die
Erwirtschaftung positiver Erträge durch
entsprechende Maßnahmen möglich ist.
Ihr gemeinsames Interesse muss die Fortführung des Unternehmens sein. Regelmäßig wird der Verkäufer die Chancen des
restrukturierten Unternehmens in seine
Bewertung einfließen lassen, während der
Käufer die Kosten und Risiken der Sanierung berücksichtigen muss. Auch bei Unternehmenstransaktionen gilt also, dass
der Wert des betrachteten Unternehmens
u. a. von subjektiven Komponenten der
Bewertenden bestimmt ist und der Preis
sich letztlich als das Ergebnis der Verhandlungen im Rahmen eines bestimmten
Wertkorridors ergibt. Dieser ist oftmals
enger als bei Unternehmenstransaktionen
„gesunder“ Unternehmen, kann aber im
Rahmen von Verhandlungen durch geschicktes Risikomanagement und -bepreisung für werterhaltende Transaktionen
genutzt werden. ]
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