2. Potentialströmungen Bei der Umströmung schlanker Körper ist Reibung oft nur in einer dünnen Schicht um den Körper signifikant groß. Erinnerung: Strömung um ein zweidimensionales Tragflügelprofil: Fluidmechanik II, N. A. Adams 1 2. Potentialströmungen Aufteilung des Gesamtwiderstands einiger Flugzeugtypen: • Reiseflug (%) • Start und Landung (%) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 auftriebsabhängiger Widerstand Reibungswiderstand, Druckwiderstand, Wellenwiderstand A300, Ma=0.8 Concorde Ma=2.2 B‐70, Ma=2.0 F‐14, Ma=2.0 100 90 80 70 auftriebsabhängiger Widerstand 60 50 Reibungswiderstand, Druckwiderstand, Wellenwiderstand 40 30 20 10 0 A300 Concorde Fluidmechanik II, N. A. Adams B‐70 F‐14 2 2. Potentialströmungen Nach Ludwig Prandtl (1875-1953) kann man eine Körperumströmung (anliegend) aufteilen in: • Einen rotationsbehafteten Anteil in unmittelbarer Körpernähe: Reibung verzögert oder beschleunigt das Fluid, bis auf der Körperoberfläche die Geschwindigkeit des Körpers erreicht wird. Fluidelemente haften bei reibungsbehafteter Strömung an der Wand, d.h. an der Wand ist die Fluidgeschwindigkeit gleich der Wandgeschwindigkeit. Die Schicht, über welche die Geschwindigkeitsdifferenz auf- oder abgebaut wird, nennt man Grenzschicht. • Einen rotationsfreien Anteil außerhalb der Grenzschicht Fluidmechanik II, N. A. Adams 3 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Die Druckverteilung wird der (anliegenden) Grenzschicht im Wesentlichen von der rotationsfreien Außenströmung aufgeprägt. Die Resultierende der Druckkräfte (Auftrieb, Druckwiderstand) kann daher mit sehr guter Genauigkeit anhand der rotationsfreien Außenströmung berechnet werden. Kann die rotationsfreie Außenströmung einfacher berechnet werden als durch Lösen der Navier-Stokes-Gleichungen ? Erinnerung: • Ein Geschwindigkeitsfeld kann in einen rotationsfreien und einen rotationsbehafteten Anteil zerlegt werden (Helmholtz-Zerlegung). • Ein rotationsfreies Vektorfeld (und damit auch ein rotationsfreies Geschwindigkeitsfeld) hat ein Potential (siehe Analysis). Für die rotationsfreie Außenströmung ist also u u u wobei u 0 . Also gilt: u u (2.1) Eine Strömung mit dieser Eigenschaft nennt man Potentialströmung. Fluidmechanik II, N. A. Adams 4 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Anstelle die drei Komponenten der Impulsgleichung zu lösen, um damit ein Vektorfeld (Geschwindigkeit) zu bestimmen, kann man also die Potentialfunktion berechnen, und dann anschließend die Geschwindigkeit durch Gradientenbildung finden. Wie kann man die Potentialfunktion berechnen ? Wir konzentrieren uns jetzt auf inkompressible Strömungen, also Damit ist aber u 0 u 0 woraus eine Laplace-Gleichung folgt: 2 2 2 2 2 2 0 x1 x2 x3 Fluidmechanik II, N. A. Adams (2.2) 5 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Zusammenfassung einiger mathematischer Eigenschaften der LaplaceGleichung: • Die Laplace-Gleichung ist eine lineare partielle Differentialgleichung, daher gilt das Superpositionsprinzip von Lösungen: 1 0 und 2 0 . Dann ist 1 2 auch eine Lösung der Laplace-Gleichung 0 1 2 1 2 • Die Laplace-Gleichung hat elliptischen Charakter, d.h. eine eindeutige Lösung auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet V ist unter folgenden Randbedingungen möglich: 1. Fall: V beschränkt mit Rand A Entweder muß eine Neumann-Randbedingung n auf A vorgegeben werden und an einem Punkt, n A oder es muß eine Dirichlet-Randbedingung A auf A vorgegeben werden. Fluidmechanik II, N. A. Adams A 6 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential 2. Fall: V unbeschränkt Es muß eine Bedingung werden. 0 für x vorgegeben Bemerkung: Bei einer instationären Strömung erfüllt x,t die zeitunabhängige Laplace-Gleichung x,t 0 zu jedem Zeitpunkt t . Instationarität folgt dann alleine aus den instationären Randbedingungen. Fluidmechanik II, N. A. Adams 7 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Beispiel für ein einfach zusammenhängendes Gebiet: Beispiel für ein nicht-einfach-zusammenhängendes Gebiet: Box 20: Gebeite Fluidmechanik II, N. A. Adams 8 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Für ein nicht-einfach-zusammenhängendes Gebiet ist die Lösung von 0 mit / n A gegeben auf dem Gebietsrand und / n 0 auf der Wand eines im Gebiet liegenden Körpers (typischer Fall der Körperumströmung) nicht eindeutig. Mögliche Lösungen: Box 21: Gebeite Fluidmechanik II, N. A. Adams 9 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Potentialströmung entlang von Wänden: Eine Potentialströmung folgt der Wandkontur (undurchlässige Wand), kann aber nicht an der Wand haften, da sie reibungsfrei ist: u n 0 n / n 0 Es gilt also eine Neumann-Bedingung an der Wand. Fluidmechanik II, N. A. Adams 10 2. Potentialströmungen – 2.1 Geschwindigkeitspotential Gemäß obigen Bemerkungen zu den mathematischen Eigenschaften der Laplace-Gleichung kann keine weitere Randbedingung aufgeprägt werden, da das Problem sonst überbestimmt wäre. Die Wandkontur ist für Potentialströmungen also immer eine Stromlinie. Daher kann auch eine Stromlinie für Potentialströmungen immer als mögliche Wandkontur aufgefaßt werden. Körperumströmungen können also „modelliert“ werden, indem man durch Superposition von Potentialfunktionen von Elementarströmungen ein Strömungsfeld erzeugt, bei dem eine Stromlinie mit der gewünschten Wandkontur zusammenfällt. Fluidmechanik II, N. A. Adams 11 2. Potentialströmungen – 2.2 Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen Bereits in FM I wurde gezeigt, daß die Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen im gesamten Strömungsfeld gilt. Dies wird zur Erinnerung hier nochmal kurz zusammengefaßt. Für eine inkompressible Potentialströmung gilt bei konstanter Dichte und Volumenkraft mit Potential: u u 0 u 0 const f G Die Impulsgleichung (siehe FM I) lautet in differentieller Form: 1 u u u p u f t 1 2 u u u 2 1 2 u 2 u u G 0 Fluidmechanik II, N. A. Adams 12 2. Potentialströmungen – 2.2 Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen Damit erhält man: 1 u 1 2 u p G t 2 p 1 2 G 0 2 t 1 p 2 G 0 t 2 1 p 2 G F t t 2 (2.3) Das ist die Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen. Fluidmechanik II, N. A. Adams 13 2. Potentialströmungen – 2.2 Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen Eigenschaften der Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen: 1. Gilt im gesamten Strömungsgebiet mit derselben (möglicherweise zeitabhängigen) Bernoulli-Konstanten F t 2. Gibt einen Zusammenhang zwischen Druck und Potentialfunktion, d.h. der Druck kann aus der Potentialfunktion, bzw. deren Gradienten, berechnet werden. 3. Da (2.3) nichtlinear in ist, sind die Druckbeiträge zweier superponierter Potentialströmungen nicht additiv. D.h. wenn man ein Strömungsfeld durch Überlagerung von Potentialfunktionen von Elementarströmungen erzeugt hat, kann man den Druck nicht einfach durch Addition der Drücke der Elementarströmungen berechnen. Fluidmechanik II, N. A. Adams 14 2. Potentialströmungen • Worin besteht die Prandtlsche Annahme bei Körperumströmungen ? • Was ist eine Potentialströmung ? • Was versteht man unter dem Superpositionsprinzip bei Potentialströmungen ? • Wie lautet die Randbedingung für die Potentialfunktion an einer Wand ? • Was sind die wesentlichen Eigenschaften der Bernoulli-Gleichung für Potentialströmungen ? Fluidmechanik II, N. A. Adams 15