Neue Bilder vom Herzen - NCCR Co-Me

Werbung
MEDIZIN
Neue Bilder vom Herzen
WILHELM KONRAD RÖNTGEN präsentierte sich
Zürich. Eine potenzielle Alternative ist die Unter-
das Organ vor rund hundert Jahren noch als mehr
suchung im Computertomographen (CT), denn
oder weniger grosser schwarzer Schatten. Seither
dieser «unblutige Herzkatheter» birgt praktisch
wurde die Bildgebung des Herzens immer prä-
keine Komplikationsrisiken. «Eine Herz-CT-Unter-
ziser: Heute arbeiten Wissenschaftler weltweit
suchung kann auch ambulant durchgeführt wer-
daran, allerkleinste Strukturen und den ganzen
den, sie dauert mit Vor- und Nachbereitung aller
verästelten Baum der Herzkranzgefässe darzu-
Daten zirka eine Stunde, die eigentliche Untersu-
stellen. Auch die Bewegungen und Funktionen
chung im Tomographen dauert zirka neun Se-
des Herzens sowie metabolische Details wie etwa
kunden», argumentiert Radiologe Alkadhi. Auch
den ganz lokalen Zuckerstoffwechsel in einem
den Kostenvergleich braucht die Computertomo-
Herzmuskelareal versuchen Forscherinnen und
graphie nicht zu scheuen: Eine CT-Untersuchung
Forscher mit Hilfe ihrer zwei- oder dreidimen-
kostet derzeit rund 600 Franken und ist damit im
sionalen Hightech-Bilder möglichst präzise und
Vergleich zu anderen Methoden relativ preiswert.
Die koronare Herzkrankheit ist das wichtigste
treffsicher abzulesen.
In der Herzdiagnostik findet derzeit unter
Krankheitsbild in der Kardiologie. Täglich werden
Radiologen, Nuklearmedizinern, Kardiologen und
Patienten mit Verdacht auf diese Krankheit, bei der
biomedizinischen
ein
sich die Herzkranzgefässe verengen, ins Univer-
Wettrennen in der Erforschung von bildgebenden
sitätsspital Zürich eingeliefert, oft auf Grund eines
Verfahren statt. Mehrere Gruppen des Universi-
drückenden Schmerzes im Brustkorb. Um abzu-
tätsspitals Zürich mischen ganz vorne mit: Die
schätzen, ob ein Herzinfarkt oder ein plötzlicher
Wissenschaftler wollen die Methoden der Com-
Herztod droht, untersuchen die Ärzte nun neuer-
putertomographie, der Nuklearmedizin und der
dings immer mehr Patienten im Computertomo-
Magnetresonanztomographie weiter optimieren.
graphen, wenn ein Herzkatheter nicht zwingend
Welches bildgebende Verfahren sich künftig in den
erscheint. Die neueste Generation von Computer-
Krankenhäusern bei der Abklärung von Herz- und
tomographen ist der Dual-Source-CT. Als eines
Herzkranzgefässkrankheiten durchsetzen wird, ist
der ersten Geräte weltweit ist es im Frühling 2007
noch nicht entschieden. Denn jede Methode hat
im Universitätsspital Zürich installiert worden.
Vor- und Nachteile und einen optimalen Einsatz-
Der Dual-Source-CT, der mit zwei Röntgenstrah-
bereich. Was aber wahrscheinlich ist: Die Dia-
lern und zwei Detektoren arbeitet, erreicht eine
gnosetools der neuesten Generation könnten den
hohe räumliche und zeitliche Auflösung.
Ingenieuren
weltweit
gängigen diagnostischen Herzkatheteruntersuchungen bald den Rang ablaufen.
Das Gerät ermöglicht Aufnahmen von sehr
kleinen, sich schnell bewegenden Objekten – etwa
Heute legen Kardiologen in der Schweiz jedes
vom pumpenden Herz oder von feinsten Herz-
Jahr zirka 30 000 Herzkatheter zur Untersuchung
kranzarterien. Während ältere Tomographen nur
der Herzkranzgefässe, also der Arterien, die den
einzelne Abschnitte von Arterien sichtbar machen
Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen. Sie führen
konnten, kann der Dual-Source-CT den ganzen
einen kleinen Katheter über eine Beinarterie bis in
Koronarbaum mit seinen Verästelungen darstellen
die Abgänge der Herzkranzgefässe. Bei über der
– eine äusserst wichtige Information bei der
Hälfte der Patienten führt diese Prozedur jedoch
Diagnose der koronaren Herzkrankheit. Zudem
nicht zu einer medizinische Intervention, sondern
machen die Pumpbewegungen des Herzens den
dient vornehmlich der Diagnose. «Da stellt sich für
Radiologen keine Sorge mehr: «Noch vor wenigen
uns die Frage, ob nicht ein Teil dieser offenbar
Jahren mussten wir vor der CT-Untersuchung
rein diagnostischen Untersuchungen durch nicht-
die Herzfrequenz der Patienten jeweils mit Beta-
invasive bildgebende Verfahren ersetzt werden
blockern dämpfen, heute bewältigt das Gerät
könnte», sagt Hatem Alkadhi vom Institut für
sogar 120 Herzschläge pro Minute, ohne dass
Diagnostische Radiologie am Universitätsspital
diese rasche Bewegung ihm Mühe bereiten würde»,
UNIVERSITÄT ZÜRICH
UNIREPORT 2008
65
Die Bildgebung
des Herzens wird
derzeit neu
erfunden: Gleich
drei Wissenschaftsgruppen der
Universität Zürich
haben sich zum Ziel
gesetzt, genauere
und aussagekräftigere Bilder
zu liefern –
bei geringerem
Komplikationsrisiko,
geringeren Kosten
oder ganz ohne
Strahlenbelastung
für die Patienten.
MEDIZIN
so der Radiologe Alkadhi, dessen Forschungsar-
Details – etwa die Herzkranzgefässe im Quer-
beiten zur CT-Herzbildgebung mehrfach interna-
schnitt –, dank denen eine Verengung durch Kalk
tional prämiert wurden. Vor der eigentlichen CT-
oder auch cholesterinhaltige Ablagerungen ent-
Untersuchung wird den Patienten auf der Brust ein
deckt werden kann.
EKG angebracht. Dann legen sie sich mit den Füs-
Die SPECT- respektive PET-Untersuchungen
sen voran auf den CT-Tisch, ein Pfleger injiziert in
weisen auf minderdurchblutete Regionen des
eine Vene der Ellenbeuge jodhaltiges Kontrastmit-
Herzmuskels oder auf nicht mehr «vitale» Regio-
tel, sie atmen einmal ein, und nach ein paar Sekun-
nen mit herabgesetztem Zuckerstoffwechsel hin,
den ist die Untersuchung fertig. Aufgrund der
wie sie insbesondere nach einem Herzinfarkt ent-
Daten von CT und EKG rekonstruieren die Ärzte
stehen. Dies hilft den Kardiologen unter anderem,
dann verschiedene Herzphasen, meistens in der
zu entscheiden, wo ein Bypass angelegt oder
Diastole – jener Phase, in der sich die Herzkranz-
ein Stent implantiert werden muss respektive
gefässe erweitern und füllen.
welche Medikamente sie einem Herzpatienten
«Leider eignet sich die CT-Untersuchung der
verschreiben sollten. Der grosse Nachteil dieser
Herzkranzgefässe nicht für Patienten mit starker
Methoden und der Computertomographie ist die
Gefässverkalkung. Und ausserdem bleibt die
Belastung der Patienten mit radioaktiver Strah-
Methode funktionelle Daten schuldig», sagt Philipp
lung. Zukünftig kann sie, zumindest bei Patienten
A. Kaufmann vom Herzkreislaufzentrum des Uni-
mit niederer, regelmässiger Herzfrequenz, durch
versitätsspitals Zürich. Der Kardiologe und Nukle-
die «punktuelle Tomographie» wesentlich gesenkt
armediziner hat deshalb CT und SPECT (Single
werden, in dem das Gerät nur in der Herzphase der
Photon Emission Computed Tomography) respek-
Diastole strahlt.
tive CT und PET (Positron Emission Tomography)
Überhaupt keine potenziell schädliche radio-
kombiniert. Seine weltweit ersten Herzunter-
aktive Belastung entsteht für Herzpatienten im
suchungen mit dieser Hybridtechnik sorgten für
Magnetresonanztomographen. Auch bei der Wei-
Aufsehen: Kaufmanns Bilder vom Herzen wurden
terentwicklung dieses bildgebenden Verfahrens
etwa von der Amerikanischen Fachgesellschaft
sind Wissenschaftler der Universität Zürich welt-
für Nuklearmedizin als «Image of the year 2006»
weit führend. Peter Bösiger und sein Team vom
ausgezeichnet. Die Kombination der beiden Bild-
Institut für Biomedizinische Technik entwickeln
gebungsverfahren zu einem dreidimensionalen,
seit Jahren verschiedenste medizinische Anwen-
eventuell sogar bewegten Gesamtbild ist bislang
dungen der Magnetresonanztomographie (MRT),
nur an wenigen Zentren weltweit möglich. Sie ist
unter anderem auch zur anatomischen und funk-
aber die aussagekräftigste Methode in der Herz-
tionellen diagnostischen Abbildung des Herzens
bildgebung überhaupt: Das CT liefert anatomische
und der Herzkranzgefässe. Die Magnetresonanz-
Bildgebung des Herzens
PD Dr. Hatem
Alkadhi, Institut für
Diagnostische
Radiologie;
Prof. Philipp
A. Kaufmann,
Nuklearkardiologie;
Prof. Peter Bösiger,
Institut für
Biomedizinische
Technik (von oben
nach unten)
PROJEKTE:
ZUSAMMENARBEIT:
Innovative Weiterentwicklungen von
bildgebenden Verfahren
in der Herzdiagnostik.
Alkadhi: Klinik für Herzund Gefässchirurgie, Kardiovaskuläres Zentrum
und Nuklearkardiologie
am USZ, Computer Vision
Laboratory und Laboratory
of Thermodynamics in
Emerging Technologies an
der ETH Zürich, Clinical
Morphology & Biomedical
Engineering an der Universität Basel; Kaufmann:
Interdisziplinär im USZ
FINANZIERUNG:
Kaufmann: SNF-Professur,
Zentrum für Integrative
Humanphysiologie;
Bösiger: UZH und
ETH Zürich, KTI, Industrie
66
mit Kardiologie, Radiologie, Herzchirurgie.
National: Radiopharmazie
ETHZ/PSI sowie Universitäten Lausanne und Genf.
Bösiger: Klaas P.
Prüssmann (UZH/ETHZ),
Markus Rudin (UZH/
ETHZ), Beat Meier (ETHZ),
Borut Marincek (UZH),
Thomas Lüscher (UZH)
VERANTWORTLICH:
PD Dr. Hatem Alkadhi,
USZ; Prof. Philipp A.
Kaufmann, USZ, Prof.
Peter Bösiger, UZH/ETH
E-MAIL:
[email protected]
[email protected],
[email protected].
ethz.ch
WEBSITES:
www.radiologie.usz.ch,
www.nuk.usz.ch,
www.biomed.ethz.ch
UNIVERSITÄT ZÜRICH
UNIREPORT 2008
tomographie nutzt Radiowellen. Dem Patienten
eine Frage der Zeit. Strukturen im Submillimeter-
werden anstelle von strahlenden Molekülen «smar-
bereich sind aber noch einer der Schwachpunkte
te» Kontrastmittel gespritzt, die sich im Körper ver-
der Magnetresonanztomographie.
teilen und sich an Orten mit bestimmten Stoff-
Derzeit versucht Peter Bösiger mit seinem
wechselveränderungen vermehrt oder vermindert
Team unter anderem, im MRT das Blut zu verfol-
ansammeln. «Insbesondere interessieren uns Stoff-
gen, wie es durch die Gefässe strömt. So können die
wechselveränderungen, die für ein pathologisches
Forscher zum Beispiel herausfinden, wo ein Gefäss
Geschehen in einer Zelle charakteristisch sind und
allenfalls arteriosklerotische Veränderungen auf-
uns ermöglichen, Krankheiten in einem Frühsta-
weist. In einem weiteren Forschungsprojekt nutzt
dium zu erkennen», erläutert Bösiger.
Bösigers Gruppe Kontrastmittel, die nur in «vita-
Die Magnetresonanztomographie (MRT) gilt
len» Gewebestrukturen aufgenommen werden –
für manchen Kardiologen als die bildgebende
also nicht in durch ein verengtes Gefäss in Mit-
Diagnosemethode der Zukunft. An Kinderkliniken
leidenschaft gezogenes Herzgewebe. «So können
etwa hat sich die MRT, nicht nur der Ungefähr-
Ärzte zukünftig die Schäden eines Herzinfarkts
lichkeit wegen, längst etabliert. Ausserdem ist eine
abmessen», erklärt der Bio-Ingenieur, «auch solche,
MRT-Untersuchung mit rund 800 Franken ähnlich
die von so genannt stillen Infarkten herrühren,
günstig wie eine Computertomographie. Zudem
die unbemerkt geschehen. Denn: Der Stoffwechsel
macht die Methode auch bei funktionellen Unter-
der Zellen hat ein Gedächtnis. Wir brauchen dieses
suchungen nach einem Herzinfarkt der Nuklear-
nur sichtbar zu machen.»
Ruth Jahn
medizin Konkurrenz. Und dass auch feine Herzkranzarterien in ausreichender Bildqualität sichtbar gemacht werden können, ist für Bösiger nur
UNIVERSITÄT ZÜRICH
UNIREPORT 2008
67
Schonende Diagnose:
Mit innovativen bildgebenden Verfahren
können Herzkrankheiten auf nichtinvasivem Weg immer
detaillierter erfasst
werden.
Herunterladen