Raumgestaltung SS 2016

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Raumgestaltung SS 2016 - MB 12.1
DECKE
WAND
BODEN
Raum ist für das menschliche Dasein bestimmend, und ein Großteil dieser räumlichen Umgebung ist von
Menschen gestaltet. Das menschliche Leben spielt sich immer in Räumen ab, sei es in einer Landschaft,
einer Stadt, einem Haus oder einem Zimmer. Fast selbstverständlich verlassen sich Menschen darauf, dass
ihre gebaute und natürliche räum- liche Umgebung beständig ist, obwohl Erdbeben oder Kriege Räume
plötzlich zerstören können. Mit ihren Sinnen nehmen Menschen Räume unmittelbar, individuell und immer
wieder auf neue Art und Weise wahr. In bestimmten Räumen wird gern oder ungern spaziert, geruht,
geträumt oder gearbeitet. Ein Wald oder eine Straße können morgens einladend und nachts bedrohlich
wirken. Innerhalb von Sekunden wird eine räumliche Situation als eng oder weit, sicher oder bedrohlich,
einladend oder abstoßend wahrgenommen und beeinflusst entsprechend das Verhalten. Auf einer
Wanderung wird für die Rast zielsicher ein Ort ausgesucht, an dem die Sonne scheint und der Wind nicht
zu stark ist, aber ausreichend kühlt, an dem sich ein schöner Ausblick bietet und die Klänge aus der
Umgebung so gut absorbiert werden, dass sie die gewünschte Ruhe nicht stören. Die Atmosphäre eines
solchen Platzes detailliert zu beschreiben bereitet Mühe, weil mehrere Aspekte gleichzeitig den
Gesamteindruck bestimmen und einzeln nicht bewusst wahrgenommen und analysiert werden.
Menschen gestalten ihre räumliche Umgebung, um sich vor Naturgewalten zu schützen und ihren
unterschiedlichen Verhaltens-, Arbeits- und Lebensweisen, Bedürfnissen und Vorstellungen Ausdruck zu
geben. Ein Großteil der räumlichen Umgebung ist fremdbestimmt und vorgegeben, häufig nach den
Vorstellungen und privaten Interessen anderer, nach natürlichen Gegebenheiten oder dem Willen einer
politischen Mehrheit. Gebaute Räume können durch ihre Form, Materialität, durch Licht oder Farben die
Sinne und den Kopf stimulieren, durch ihren Maßstab Schutz oder Geborgenheit bieten und mit ihrer
Gestalt Überraschung, Staunen, Freude oder Wohlbefinden auslösen. Die Erfindung eines räumlichen
Behälters ermöglicht zugleich immer die Erfindung seiner Bespielung. Die Raumgestalt kann als gebaute
Umsetzung der kulturell-weltanschaulichen, ortsspezifischen, ökonomischen, politischen, sozial oder durch
Nutzung bedingten Parameter beschrieben werden, die die menschliche Existenz bestimmen. Diese
Parameter sind ständigen Veränderungen unterworfen und prägen die gebauten Räume immer wieder neu.
Sowohl die für einzelne Individuen maßgeblichen als auch die für Gruppen relevanten Anforderungen und
Vorstellungen sind in der Raumgestalt zu erkennen – gelegentlich für Jahrtausende und manchmal nur für
wenige Stunden.
Raumgestaltung lässt sich allgemein als jede Form aktiver Raumaneignung definieren, unabhängig davon, ob
es sich um ein Zimmer oder eine Landschaft handelt. Raum steht als sinnlich und kognitiv wahrnehmbare
Beziehung zwischen Dingen, Körpern oder Elementen der belebten Natur im Mittelpunkt dieses Bandes. Im
Folgenden werden die menschliche Wahrnehmung der gebauten und natürlichen Umwelt, die für Räume
charakteristischen Phänomene und die für deren Gestaltung zur Verfügung stehenden Mittel und Elemente
vorgestellt.
Voraussetzung für jede Raumgestaltung und deren Wirkung ist die menschliche Wahrnehmung des
umgebenden Raums mit den Sinnen und dem kognitiven Apparat. Alle vom Raum ausgehenden Sinnesreize
werden im Gehirn verarbeitet. Das Empfinden, Verhalten und die Bewegungen im Raum sind hiervon
unmittelbar beeinflusst.
Man geht davon aus, dass der Mensch bis zu dreizehn Sinne besitzt, darunter die fünf Hauptsinne Sehen,
Hören, Tasten, Riechen, Schmecken und der Gleichgewichtssinn. Manche Menschen verfügen nicht über
alle Sinne oder können bestimmte Sinnesreize, wie zum Beispiel Licht oder Geräusche, nur in sehr
geringem Umfang aufnehmen. Mit Hilfe des Gleichgewichtsorgans wird zum Beispiel die Erdanziehung und
hierdurch die vertikale Richtung als ständige Orientierungsrichtung im Raum wahrgenommen.
Die Raumwahrnehmung dient der für das tägliche Leben grundlegenden Orientierung, ohne dass alle
Raumeigenschaften vollständig registriert werden könnten. Im Alltag werden ständig neue und unbekannte
Räume genutzt. Viele Informationen im Raum werden mit den Sinnen und kognitiv so schnell verarbeitet,
dass sie ohne Einschaltung des Verstandes zu bestimmten Verhaltens- und Handlungsweisen führen. Die
menschliche Erkenntnis- und Informationsverarbeitung lässt einen Raum sehr schnell als behaglich,
unbehaglich, beklemmend oder schützend er- scheinen, ohne dass einzelne Raumeigenschaften bewusst
wahrgenommen werden: Bereits beim Betreten eines Cafés fällt die Entscheidung,
ob die Raumatmosphäre gefällt oder nicht.
Raumwahrnehmung ist immer individuell geprägt: Erwachsene erleben einen Ort, an dem sie sich in ihrer
Kindheit aufhielten und den sie als groß in Erinnerung behalten haben, viele Jahre später als klein.
Gleichzeitig gibt es aber viele Raumeigenschaften, die von mehreren Menschen ähnlich wahrgenommen
werden, anders könnten zum Beispiel räumliche Orientierungs- und Leitsysteme nicht funktionieren. Die
Wahrnehmung der räumlichen Umgebung findet meist in Bewegung statt, und die Beschaffenheit einer
räumlichen Situation kann dazu anregen.
Aufgabenstellung
Die Semesterübung beschäftigt sich mit einem beispielhaften Gebäude der Moderne, das unter dem Thema
Volumetrie, Raum und Körper untersucht werden soll. Wir bitten Sie, sich eines der vorgeschlagenen
Gebäude auszusuchen, um daran zeichnerisch die wesentlichen Merkmale der räumlichen
Gestaltungsqualitäten herauszuarbeiten.
Wie lässt sich das Konzept der Raumbildung beschreiben?
Was sind die Elemente, die den Raum konstituieren?
Welche Eigenschaften haben diese Elemente?
Wie sind sie gefügt?
Welche Raumwirkung wird erzeugt?
Sie werden bei dieser Auseinandersetzung die Themen finden, die Sie in den folgenden Arbeitsschritten
dann entwickeln und vertiefen werden. Versuchen Sie dabei auch immer das Gebäude in seinem Kontext zu
verstehen, das heißt, stadträumlich oder bezogen auf den Landschaftsraum aber auch im Hinblick auf die
gesellschaftlichen und historischen Randbedingungen seiner Entstehungszeit.
1. Teilaufgabe:
Wählen Sie aus den vorgegebenen Gebäuden dasjenige aus, das Sie besonders interessiert, von dem Sie
glauben, dass es Ihrer Vorstellung von Architektur am nächsten kommt. Notieren Sie in Ihrem Skizzenbuch
kurz, auf Grund welcher Kriterien und Eigenschaften Sie Ihre Entscheidung getroffen haben.
Analysieren Sie dieses Gebäude stichpunktartig unter Berücksichtigung folgender Aspekte: Verhältnis von
Körperform zu Raumform - Beziehung von Innenraum und Außenraum - Zusammenspiel von Grenzen und
Verknüpfungen (innen - außen, im Innenraum, oben - unten) - Prinzipien des räumlichen Aufbaus / Konzept
der Raumbildung. Benennen Sie dabei die prägenden Elemente und die Art ihrer Fügung. Beschreiben Sie
den Einfluss der Elemente auf die räumliche Disposition.
Gebäude zur Auswahl
Barcelona Pavillon (Architekt: Ludwig Mies van der Rohe)
Haus Müller (Architekt: Adolf Loos)
Villa Savoye (Architekt: Le Corbusier)
Vanna Venturi House (Architekt: Robert Venturi)
Singleton House (Architekt: Richard Neutra)
In den Saalübungen sollen die Isometrien auf den Grundlagen Ihrer Recherchen (Bibliothek, OnlineQuellen) zu den Gebäuden gezeichnet werden. Die Zeichnungen entstehen mit der Hand, aber mit
erlaubten Hilfsmitteln (siehe Materialliste).
In der Vorlesung am 26. April 2016 erhalten Sie Grundlagenwissen zu den Themen Axonometrien im
Allgemeinen und Isometrien im Speziellen.
Materialliste für die Saalübungen (mitzubringen ab dem 26. April 2016):
Geodreieck (gleichschenklig, 30 cm Hypotenuse)
Geodreieck (30°, 60°, 90°, ideal für die Darstellung von Isometrien)
Dreikant
Bleifstifte (versch. Härtegrade)
Anspitzer, weißer Radierer
Weißer Zeichenkarton DIN A2
Leistungen:
Schriftliche / bildliche Analyse des gewählten Baus im Skizzenbuch (Skizzen, Fotografien, Collagen, Text etc.)
2 Isometrische Darstellungen des gewählten Hauses als Hand-Strichzeichnungen im Maßstab 1:100 auf
Zeichenkarton DIN A2
Zeitraum: 3 Wochen, bis 10. Mai 2016
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