Struktur von synaptischen Vesikeln beschrieben

Werbung
Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie
Göttingen
Pressemitteilung
21. November 2006
Struktur von synaptischen Vesikeln beschrieben
Jahrzehnte intensiver Forschung lassen jetzt den molekularen Aufbau von
kleinsten Organellen in der Zelle erkennen
Mit quantitativen Analysen unter anderem der Proteindichte von
synaptischen Vesikeln hat jetzt eine internationale Forschungsgruppe
deren molekulare Struktur erforscht. In einer langen Serie von
Experimenten haben 22 Wissenschaftler um Reinhard Jahn am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie über viele Jahre hinweg Daten
gesammelt und analysiert. Die Ergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift
"Cell" veröffentlich wurden, geben einen Einblick in den Aufbau dieser
kleinen, aber sehr wichtigen Bauteile von biologischen Zellen. (Cell, 16.
November 2006).
Wenn Nervenzellen miteinander
kommunizieren und Signale weiterleiten,
geschieht dies über kleinste Schaltstellen, die
sog. Synapsen. Dabei werden durch die
Signale in der einen Zelle Botenstoffe
("Neurotransmitter") freigesetzt, die in der
nachgeschalteten Zelle erneut ein Signal
auslösen können. Durch die Aufschaltung
verschiedener Signale und die Kombination
von erregenden oder hemmenden
Neurotransmittern werden die Signale an
jeder Schaltstelle verstärkt oder
abgeschwächt, und diese "Verarbeitung" in
vielen Schritten bildet die Grundlage für die
enormen komplexen Leistungen unseres
Gehirns.
Obwohl das Prinzip der synaptischen
Signalübertragung seit Jahrzehnten bekannt
ist, sind die zugrundeliegenden molekularen
Mechanismen bis heute noch nicht
vollständig aufgeklärt. Die Neurotransmitter
sind in kleinen Vorratsbehältern ("Vesikeln")
in der Zelle gespeichert, die sich bei Bedarf
Teilschnitt durch ein synaptisches Vesikel.
Die Membranhülle (gelb-grün) ist von vielen
verschiedenen Proteinkomplexen durchsetzt.
Im Inneren ist der Neurotransmitter
Glutamat gespeichert (rot).
(Quelle: MPI für biophysikalische Chemie)
mit der Zellwand verbinden und nach außen hin öffnen und entleeren. Zahl und
Verfügbarkeit der Vesikel sind für die Schaltprozesse von entscheidender Bedeutung,
genauso wie die Schnelligkeit, mit der die Vesikel ihren Inhalt freigeben. Wie das im
einzelnen geschieht, ist nicht bekannt, aber man hat in den letzten Jahren
entscheidende molekulare Schritte in diesem Ablaufs identifiziert. Eine besondere
Rolle spielen dabei sog. "SNARE"-Proteine, die dafür sorgen, dass sich die Vesikel an
die Zellwand anlagern, dass sich Vesikelhülle und Zellhülle verbinden und sich
schließlich auch nach außen hin öffnen.
Alle diese Schritte sind nicht direkt sichtbar; die beteiligten Strukturen sind zu klein, als
dass man sie mit herkömmlichen Lichtmikroskopen betrachten könnte. Um trotzdem
Licht in das Dunkel zu bringen, hat Prof. Reinhard Jahn seit vielen Jahren die
quantitative Analyse der molekularen Bestandteile von Vesikeln vorangetrieben, um
daraus Rückschlüsse auf deren Aufbau ziehen zu können. Das ist jetzt gelungen; die
jahrzehntelange Geduld hat sich ausgezahlt. Aus vielen verschiedenen
Untersuchungen mit über 20 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
Molekulares Modell eines synaptischen Vesikels, von außen betrachtet.
Die Darstellung basiert auf atomaren Raummodellen aller Makromoleküle, wobei die Lipidmembran
gelb-grün, die Proteine in anderen Farben dargestellt sind. Die großen blauen Komplexe stellen das
für das Füllen der Vesikel notwendige Energie liefernde System (eine ATPase) dar. Die häufig auf
dem Vesikel anzutreffenden langgestreckten Strukturen (hier rot gezeichnet) entsprechen dem
SNARE Protein "Synaptobrevin". Es verbindet sich mit Partnern auf der Zellmembran und
ermöglicht so die Fusion der Vesikelmembran mit der Zellmembran und damit die Freisetzung von
Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. (Quelle: R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie)
-2-
weltweit ergibt sich jetzt ein Bild, wie Vesikel aufgebaut sind, welche Proteine in
welcher Menge auf ihrer Oberfläche gelagert sind und wie sich die SNARE-Proteine
dazwischen verteilen.
Das Ergebnis ist faszinierend. Dies sei das erste atomare Modell einer zellulären
Struktur (Organelle) überhaupt, betont Prof. Thomas C. Südhof von der University of
Texas. Überraschend war vor allem die unerwartet hohe Dichte von Proteinen auf der
Vesikel-Oberfläche. "Bisher hat man sich Membranen als glatte Lipid-Doppelschichten
vorgestellt, in denen Proteine umherschwimmen wie Eisberge im Meer," kommentierte
Reinhard Jahn seine Befunde. "Tatsächlich ist aber ein Viertel der Membran von
Bereichen mit Vesikelproteinen ausgefüllt, die durch die Membran hindurchreichen.
Und die Oberfläche ist nahezu vollständig mit Proteinen bedeckt." Das sind nicht nur
SNARE-Proteine, die in großer Zahl vorkommen, sondern auch viele Varianten mit
ganz anderen Funktionen und möglichen Aufgaben.
Die Experimente haben neue Fragen aufgeworfen, die Prof. Jahn jetzt angehen will.
Eine davon ist: Wie unterscheiden sich Vesikel mit verschiedenen, erregenden oder
hemmenden Neurotransmittern? Der Erfolg der bisherigen Messungen lässt hoffen,
dass auch diese Fragen irgendwann einmal beantwortet werden können – spätestens
in weiteren 15 Jahren.
Originalveröffentlichung:
Shigeo Takamori et al.: Molecular Anatomy of a Trafficking Organelle, Cell 127, 831846 (2006).
Preview dazu: Thomas C. Südhof: Synaptic Vesicles: An Organelle Comes of Age,
Cell 127, 671-673 (2006).
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Reinhard Jahn, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Abteilung
Neurobiologie, Am Fassberg 11, 37077 Göttingen, Tel: 0551 201-1634, Fax: -1639,
eMail: [email protected]
Hinweise für Redaktionen:
Sie finden Text und Bilder in elektronischer Form unter www.mpibpc.mpg.de/PR/2006/06_24/.
Beides darf im Rahmen der Berichterstattung mit dem angegebenen Quellennachweis verwendet
werden.
Herausgegeben von:
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Christoph Nothdurft
37070 Göttingen
Tel: 0551 201 - 1641
Fax: 0551 201 - 1151
eMail: [email protected]
-3-
Herunterladen