Auszug aus: Heilpraktiker-Recht von Dr. René Sasse, Rechtsanwalt Hrsg. Freie Heilpraktiker e.V. Düsseldorf Anwendung bedenklicher Arzneimittel und Wirkstoffe Strafrechtliche Sanktionen Im Teil zum Werberecht wurden die zivilrechtlichen Sanktionen im Falle von Verstößen gegen das Heilmittelwerberecht erörtert. Im Folgenden gebe ich Ihnen einen kurzen Überblick über die strafrechtlichen Konsequenzen bei Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetz und das Arzneimittelgesetz. Diese Bestimmungen sollten Ihnen bekannt sein: - § 95 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 AMG Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 5 Abs. 1 vorsätzlich ein (bedenkliches) Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei anderen anwendet. § 4 (17) AMG definiert Inverkehrbringen als „das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere“. Feilhalten ist ein nach außen erkennbares Vorrätighalten zum Verkauf. Feilbieten ist der an potentielle Erwerber gerichtete Hinweis auf feilgehaltene Ware. Eine Abgabe an andere setzt die Einräumung der Verfügungsgewalt an einen anderen durch körperliche Überlassung des Arzneimittels voraus. Erforderlich ist, dass das Arzneimittel gebrauchs- und verbrauchsfähig ist. Die Anwendung eines Arzneimittels durch einen Heilpraktiker am Patienten ist keine Abgabe, weil der Patient keine Verfügungsgewalt über das Arzneimittel erhält. Allerdings dürfte hier das Tatbestandsmerkmal „bei einem anderen anwendet“ erfüllt sein. Dieses erfasst Fälle einer direkten Behandlung des Patienten, unabhängig davon, ob durch die Anwendung ein Schaden eintritt. Nicht erfasst wird jedoch die Anwendung durch die anwendende Person an sich selbst. Sofern ein Behandler fälschlicherweise davon ausgeht, dass ein Arzneimittel nicht bedenklich ist, kann ein fahrlässiger Verstoß in Betracht kommen. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Nach § 5 AMG ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden. Bedenklich sind solche Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Jedes von Ihnen beim Patienten angewendete Arzneimittel ist wie folgt zu kontrollieren: - Wie ist der „bestimmungsgemäße Gebrauch“ des Mittels? - Können bei bestimmungsmäßigem Gebrauch „schädliche Wirkungen“ eintreten? - Gehen diese über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus? Im Rahmen einer Abwägung müssen Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen mit dem therapeutischen Zweck und Wert des Mittels abgewogen werden. (Nutzen-/Risikoabwägung). Ein Schädlichkeitsverdacht setzt voraus, dass der Zusammenhang zwischen Anwendung und schädlicher Wirkung wissenschaftlich plausibel erklärbar ist. Auszug aus: Heilpraktiker-Recht von Dr. René Sasse, Rechtsanwalt Hrsg. Freie Heilpraktiker e.V. Düsseldorf Nach § 8 AMG gilt Folgendes: (1) Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die 1. durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder 2. mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn a) Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, b) fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder dass nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, c) zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind. (2) Es ist verboten, gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe herzustellen, in den Verkehr zu bringen oder sonst mit ihnen Handel zu treiben. (3) Es ist verboten, Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr zu bringen. Nach § 96 AMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2, Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt. Das Irreführungsverbot aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gilt nur für Herstellung und Inverkehrbringen, nicht aber für die Werbung oder sonstiges Anbieten. Ein Arzneimittel wird gem. § 4 Abs. 17 AMG durch bloßes Anbieten nicht in den Verkehr gebracht, sondern nur durch Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, durch Feilhalten, Feilbieten und Abgabe an andere. Das jeweilige Arzneimittel muss bereits existieren und sich im Gewahrsam des Anbieters befinden. Bei fahrlässigen Verstößen kommt eine Ahnung als Ordnungswidrigkeit in Betracht. §§ 14, 15 HWG sanktionieren Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz. Gemäß § 14, § 3 Abs. 1 Nr. 1 HWG wird derjenige, der dem (oben ausführlich erörterten) Verbot der irreführenden Werbung zuwider handelt mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Allerdings erfasst diese Norm lediglich vorsätzliche Verstöße. Da der werbende Heilpraktiker in der Regel darauf vertrauen wird, dass seine Aussagen zutreffen, dürfte diese Voraussetzung zumeist nicht vorliegen. Sofern der Heilpraktiker eine Irreführung oder Täuschung der Patienten für ausgeschlossen hält, kann jedoch eine fahrlässige Begehungsweise gemäß § 15 Abs. 2 HWG in Betracht gezogen werden. Nach § 15 HWG gilt Folgendes: (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 3a eine Werbung für ein Arzneimittel betreibt, das der Pflicht zur Zulassung unterliegt und das nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen ist oder als zugelassen gilt, 2. eine Werbung betreibt, die die nach § 4 vorgeschriebenen Angaben nicht enthält oder entgegen § 5 mit der Angabe von Anwendungsgebieten wirbt, 3. in einer nach § 6 unzulässigen Weise mit Gutachten, Zeugnissen oder Bezugnahmen auf Veröffentlichungen wirbt, Auszug aus: Heilpraktiker-Recht von Dr. René Sasse, Rechtsanwalt Hrsg. Freie Heilpraktiker e.V. Düsseldorf 4. entgegen § 7 Abs. 1 und 3 eine mit Zuwendungen oder sonstigen Werbegaben verbundene Werbung betreibt, 4a. entgegen § 7 Abs. 1 als Angehöriger der Fachkreise eine Zuwendung oder sonstige Werbegabe annimmt, 5. entgegen § 8 eine dort genannte Werbung betreibt, 6. entgegen § 9 für eine Fernbehandlung wirbt, 7. entgegen § 10 für die dort bezeichneten Arzneimittel wirbt, 8. auf eine durch § 11 verbotene Weise außerhalb der Fachkreise wirbt, 9. entgegen § 12 eine Werbung betreibt, die sich auf die in der Anlage zu § 12 aufgeführten Krankheiten oder Leiden bezieht, 10. eine nach § 13 unzulässige Werbung betreibt. (2) Ordnungswidrig handelt ferner, wer fahrlässig dem Verbot der irreführenden Werbung (§ 3) zuwiderhandelt. (3) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 mit einer Geldbuße bis zu zwanzigtausend Euro geahndet werden. Weitere für Heilpraktiker relevante Strafnormen finden sich insbesondere im Strafgesetzbuch, dem Urheberrrechtsgesetz, dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, dem Bundesdatenschutzgesetz sowie dem Infektionsschutzgesetz.