Natürliche Grenzen erneuerbarer Energien im Erdsystem

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Sonne, Wind und Wellen – Natürliche Grenzen erneuerbarer Energien im Erdsystem
Sonne, Wind und Wellen –
Natürliche Grenzen erneuerbarer Energien im Erdsystem
Axel Kleidon, Fabian Gans, Lee Miller und Ryan Pavlick
1.
Erneuerbare Energien im Erdsystemkontext................................................. 463
2.
Die Erde als Kraftwerk...................................................................................... 464
3.
Natürliche Grenzen von erneuerbaren Energien........................................... 467
4.
Potentielle Auswirkungen durch Nutzung erneuerbarer Energien............. 469
5.
Schlussfolgerungen und Ausblick.................................................................... 470
6.
Referenzen.......................................................................................................... 470
Wir ermitteln die natürlichen Grenzen von erneuerbaren Energien, indem wir die
Thermodynamik auf die natürlichen Prozesse des Erdsystems anwenden und somit die
Erzeugungs-, Übertragungs- und Verbrauchsraten von freier Energie berechnen. Was wir
damit letztendlich tun ist, dass wir den Planeten Erde als Kraftwerk betrachten, welches
unter Verwendung von den drei Kraftstoffen Solarstrahlung, Erdwärme, und Gravitation
verschiedene Umwandlungsketten betreibt, die mit der Erzeugung verschiedener Formen von freier Energie verbunden ist. Dieser Ansatz führt zu drei Einsichten: (1) Trotz
des immensen Flusses solarer Einstrahlung von 175.000 TW sind Erzeugungsraten von
natürlichen Wärmekraftmaschinen, wie der atmosphärischen Zirkulation, stark begrenzt
auf eine Größenordnung von etwa 1.000 TW. Die geringe, aber maximierte, Effizienz der
Umwandlung liegt daran, dass Solarstrahlung lediglich als Wärmequelle genutzt wird und
nicht die geringe Entropie, die mit der Komposition der Strahlung verbunden ist; (2) Der
menschliche Bedarf an freier Energie in Form von Primärenergie und Nahrungsmittelproduktion von etwa 50 TW ist von der Größenordnung her mit natürlichen Prozessen
vergleichbar; (3) Die erzeugte freie Energie im Erdsystem wird nicht nutzlos verschwendet,
sondern repräsentiert die Dynamik des Systems. Deshalb wird eine massive Nutzung von
erneuerbaren Energiequellen die Dynamik des Erdsystems verändern. Eine langfristig
ausgelegte, nachhaltige Gestaltung des menschlichen Energiebedarfs erfordert daher, dass
durch menschliches Wirken die Effizienz der Erzeugung von freier Energie im Erdsystem
erhöht wird, statt die Dynamik durch den Entzug von freier Energie zu schwächen. Dies
kann nachhaltig nur durch die effizientere Nutzung der freien Energie der Solarstrahlung
bewerkstelligt werden, bevor diese in Wärme umgewandelt wird, also durch technische
Nutzung der Solarenergie oder durch Photosynthese.
1. Erneuerbare Energien im Erdsystemkontext
Erneuerbare Energien werden als unerschöpfliche Energiequellen gesehen, die ohne große
Kosten und Nebenwirkungen den menschlichen Energiehunger in Zukunft befriedigen können. Sie sind aber nicht unbegrenzt. Die Erzeugung der verschiedenen Formen von freier
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Energie in der Natur, die umgangssprachlich als erneuerbare Energie bezeichnet werden,
unterliegt den gleichen Gesetzen der Thermodynamik und den damit verbundenen Grenzen
wie bei technischen Wärmekraftmaschinen. Während die gegenwärtige Nutzung von freier
Energie aus der Umwelt fern von diesen Grenzen liegt, wird der erwartete Wachstum des
menschlichen Energiebedarfs in der Zukunft und die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen den Gebrauch dieser Formen von freier Energie durch den Menschen steigern.
Dies wirft die Frage auf, wie dies nachhaltig bewerkstelligt werden kann, ohne das System
als Ganzes durch den Entzug freier Energie zu schwächen.
Die Erzeugung von erneuerbarer Energie im Erdsystem, deren Grenzen, und deren Verwendung im System ist eine Frage der Erdsystemwissenschaft. Die natürlichen Erzeugungsraten
von freier Energie setzen die absolute Obergrenze möglicher Nutzung der damit verbundenen Form von erneuerbarer Energie fest. So ist z.B. die Obergrenze für Windenergie gegeben
durch die natürlichen Erzeugungsraten von Wind, und die der Wasserkraft durch die Stärke
des kontinentalen Wasserkreislaufs. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über unsere Forschungsergebnisse und Zusammenfassungen, in denen wir diese Fragen mit Hilfe
der Thermodynamik angegangen sind. Die ausführlicheren Erklärungen, Abschätzungen,
und Zusammenfassungen der Literatur sind in [1, 2, 3, 4] zu finden.
Im Folgenden beschreiben wir zunächst, wie der Planet Erde als Wärmekraftmaschine
funktioniert, wie verschiedene Formen von freier Energie in Umwandlungsketten erzeugt
werden, und erklären, warum der maximale Wirkungsgrad von natürlichen Prozessen sehr
viel geringer als die Carnot-Effizienz sein muss. Darauf folgt eine Abschätzung der globalen
Erzeugungsraten freier Energie und der Bezug dieser Raten zu Erdsystemprozessen und
Formen von erneuerbarer Energie. Wenn diesen natürlichen Umwandlungsketten freie
Energie durch die menschliche Nutzung als Quelle von erneuerbarer Energie entzogen wird,
wird zwangsläufig die Dynamik des Systems verändert, was somit Auswirkungen auf das
Erdsystem haben wird. Die Auswirkungen diskutieren wir qualitativ, bevor wir mit einer
Zusammenfassung und einem Ausblick schließen.
2. Die Erde als Kraftwerk
Das Kraftwerk Erde erzeugt die verschiedenen Formen von freier Energie durch Energieumwandlungen, verbunden mit natürlichen Prozessen im Erdsystem, und benutzt letztendlich
drei Kraftstoffe, um diese Umwandlungsprozesse zu betreiben:
(i) Solarantrieb: Der Austausch von Strahlung verschiedener Frequenz und Intensität
durch die Geometrie des Planeten am Oberrand der Atmosphäre führt zu dem weitaus
stärksten Austausch von Energie und Entropie zwischen Erdsystem und Weltall. Von den
175.000 TW Einstrahlung werden etwa 30 % reflektiert. Strahlung im sichtbaren (und
kurzwelligen) Frequenzbereich kann durch elektronische Absorption direkt freie Energie
erzeugen. Dies ist der Fall bei der Photosynthese, die in etwa 215 TW an chemischer freier
Energie aus elektronischer Absorption der Solarstrahlung erzeugt. Der Großteil von den
70 % der Einstrahlung wird jedoch absorbiert und direkt in Wärme umgewandelt. Nun
können lediglich Erwärmungsunterschiede durch Wärmekraftmaschinen genutzt werden,
um freie Energie zu erzeugen. Die damit verbundenen Erzeugungsraten sind wegen der
geringen Temperaturunterschiede sehr viel geringer. Diese Leistung treibt physikalische
Klimasystemprozesse an, insbesondere die großskalige Zirkulation der Atmosphäre;
(ii) Innerer Antrieb: Erwärmung durch radioaktiven Zerfall, Kristallisierung des Erdkerns
und die Abkühlung des Erdinneren führt der Erdoberfläche Wärme zu von < 50 TW. Im
geringen Maß sind in diesem Wert auch Flüsse freier Energie enthalten, die von der Geologie
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erzeugt wurden und der Oberfläche zugeführt werden, z.B. in Form von kinetischer Energie verbunden mit Plattentektonik, potentielle Energie, die durch Hebung von Erdkruste
erzeugt wird, der Erhalt des Magnetfeldes und chemische Energie durch geochemische
Umwandlungen. Diese Beiträge sind von der Größenordnung deutlich geringer als der
Wärmefluß von < 50 TW;
(iii) Gravitationsantrieb: Die Gravitationswechselwirkungen mit Mond und Sonne führt zur
Erzeugung potentieller Energie in der Größenordnung von 5 TW, die sich in den Gezeiten
niederschlägt.
Die von der solaren Einstrahlung betriebenen Wärmekraftmaschinen sind die vorrangigen
abiotischen Antreiber des Klimasystems. Diese Wärmekraftmaschinen erzeugen die meisten
Formen von freier Energie, die wir als erneuerbar bezeichnen, insbesondere Wind, Wellen
und Wasserkraft. Diese Erzeugung findet in verschiedenen Umwandlungsketten statt,
wie in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Erwärmungsunterschiede führen direkt zur
Strahlungsaustausch
mit dem Weltall
atmosphärische
Zirkulation
globaler
Wasserkreislauf
kontinentale
Flußsysteme
atmosphärische
Wärmekraftmaschine
Luftentfeuchter
Wellengenerator
kontinentaler
Transporter
Strömungsgenerator
Ozeanwellen
windgetriebene
Ozeanströmungen
Transformation
Durchmischung
kontinentaler Kruste
des Ozeans
geochemische
Zusammensetzung
der Atmosphäre
Abb. 1:
Stark vereinfachtes Diagramm zur Darstellung der Energieumwandlungen von Solarstrahlung in verschiedene Formen von freier Energie (kinetische und potentielle Energie),
und damit verbundene Prozesse und Rückkopplungen im Erdsystem. Der Strahlungsaustausch mit dem Weltall dient als Wärme- und Kühlquelle, die die atmosphärische
Wärmekraftmaschine antreibt, die mit der atmosphärischen Zirkulation verbunden
ist. Die Bewegungsenergie der Atmosphäre treibt dann zum einen durch Hebung die
Entfeuchtung der Luft an, agiert also als Luftentfeuchter, und treibt damit den globalen
Wasserkreislauf an. Dieser wiederum bringt Wasser an Land, welches über Flußsysteme
Sediment transportieren kann und damit die Transformation der kontinentalen Kruste.
Zum anderen treibt der Wind Wellenbildung an (ein Wellengenerator), der wiederum
Ozeanströme antreibt sowie die Durchmischung des Ozeans. Beide Beispiele für Umwandlungsketten beeinflussen letztendlich die geochemische Zusammensetzung der
Atmosphäre und damit deren Strahlungseigenschaften, was wiederum den Strahlungsantrieb beeinflußt. Nach Kleidon (2010).
Quelle: Kleidon, A. (2010): Life, hierarchy, and the thermodynamic machinery of planet Earth. Physics of Life Reviews 7:
424-460. doi:10.1016/j.plrev.2010.10.002., bearbeitet
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Erzeugung von Gradienten im Geopotential, welches in der Atmosphäre in Bewegungsenergie umgesetzt wird. Während der vertikale Temperaturgradient zwischen Oberfläche und
der Atmosphäre max. 5.000 TW an Bewegungsenergie in Form von Konvektion erzeugen
kann, können horizontale Gradienten in der Einstrahlung lediglich max. 1.000 TW an
Bewegungsenergie erzeugen, die sich in der großskaligen atmosphärischen Zirkulation
niederschlägt.
Die Bewegungsenergie der Atmosphäre treibt weitere Umwandlungsprozesse an. Zum
einen führen Vertikalbewegungen in der Atmosphäre zur Abkühlung der Luft und damit
zur Kondensation von Wasser und Niederschlag. So wirkt die vertikale Luftbewegung
als effektiver Luftentfeuchter, welcher direkt mit der Niederschlagsbildung verbunden ist
und die Verdunstung an der Oberfläche ermöglicht. Dieser Luftentfeuchter betreibt den
globalen Wasserkreislauf und leistet in etwa 560 TW. Diese Leistung ist verbunden mit der
Hebung von Wasserdampf auf das Kondensationsniveau, bevor diese potentielle Energie
durch den Fall des Niederschlags abgebaut wird. Ein Teil dieser Leistung treibt den Abfluß
von Flußsystemen an, die mit etwa 13 TW verbunden ist. Diese Leistung treibt wiederum
den Sedimenttransport zum Ozean an und trägt zur Transformation der Kontinentalkruste
bei, welches letztendlich die geochemische Zusammensetzung der Atmosphäre beeinflußt
und damit ihre Strahlungseigenschaften.
Auf der anderen Seite treibt die Bewegung der unteren Atmosphäre die Wellenbildung mit
etwa 63 TW im Ozean an. Von diesen 63 TW werden in etwa 1 TW verwendet, um die
windgetriebene ozeanische Zirkulation der Deckschicht anzutreiben, welches wesentlich
zu den Ozeanströmen und der Durchmischung im Ozean beiträgt. Die Durchmischung
im Ozean spielt wiederum eine wichtige Rolle für den Austausch von Gasen mit der Atmosphäre und für den Nährstofftransport im Ozean und beeinflußt somit ebenfalls die
geochemische Zusammensetzung der Atmosphäre.
Wir erhalten somit Umwandlungsketten, in denen die freie Energie, die von der Wärmekraftmaschine erzeugt wurde, zum einen dissipiert wird, und zum anderen andere Prozesse
antreibt. Der maximale Wirkungsgrad, mit der diese Umwandlungen geschehen können,
ist allerdings erheblich geringer als die klassische Carnot Effizienz. Dies liegt zum einen
daran, dass natürliche Prozesse in der Regel so gerichtet sind, dass sie den treibenden
Gradienten abbauen, während die Carnot Effizienz von einem festen Gradienten ausgeht.
Zwei Beispiele seien hier genannt, die dies illustrieren: die großskalige Zirkulation der
Atmosphäre und Sedimenttransport von Flußsystemen. Die großskalige Zirkulation der
Atmosphäre wird angetrieben durch Erwärmungsunterschiede zwischen den Tropen und
den Extratropen. Diese Unterschiede werden durch den mit der Bewegung verbundenen
Wärmetransport abgebaut. Dieser Abbau schlägt sich darin nieder, dass die Einstrahlung
in den Tropen größer ist als die Ausstrahlung, während in den Extratropen das Gegenteil
der Fall ist. Der Abbau der Gradienten durch die atmosphärische Zirkulation ist also in
den Strahlungsflüssen am Oberrand der Atmosphäre zu beobachten. Dieses allgemeine
Phänomen, dass der Fluss den Gradienten abbaut, der ihn antreibt, trifft auch auf Flusssysteme auf Land zu. Flußsysteme werden durch den Niederschlag entlang topographischer
Gradienten angetrieben. Ihre kinetische Energie überträgt sich auf das Sediment, welches
folglich von höheren Lagen seewärts transportiert wird. So bauen auch Flußsysteme den
Gradienten ab, der sie antreibt. Zum anderen ist der Wirkungsgrad geringer als die Carnot
Effizienz, da andere Prozesse auch den Gradienten abbauen, während die Herleitung der
Carnot Effizienz annimmt, dass keine weiteren irreversiblen Prozesse im System stattfinden. Einfache Betrachtungen zeigen, dass der maximale Wirkungsgrad in etwa nur 1/4 der
Carnot Effizienz betragen kann.
Durch den geringeren, aber maximierten Wirkungsgrad sind physikalische Erdsystemprozesse stark limitiert in ihrer Erzeugung freier Energie. Mit einem Strahlungsgradienten
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Sonne, Wind und Wellen – Natürliche Grenzen erneuerbarer Energien im Erdsystem
zwischen Tropen und Extratropen von etwa 46.000 TW und einem maximalen Wirkungsgrad von 2 % (1/4 ΔTmax/T = 1/4 22.5 K/288 K, wobei 22.5 K der maximale mittlere Temperaturunterschied der Tropen/Extratropen zur globalen mittleren Oberflächentemperatur
von 288 K ist) kann die Atmosphäre nur maximal etwa 1.000 TW an freier Energie für die
großskalige Zirkulation erzeugen. Dieser Wert liegt in der Größenordnung von Abschätzungen aus Beobachtungen und lässt daher vermuten, dass Erdsystemprozesse in der Regel
nahe dem maximalen Wirkungsgrad operieren.
Kurz zusammengefasst: Unterschiede in der Erwärmung durch Solarstrahlung liefern den
mit Abstand größten Beitrag für die Kraftstoffe, die die physikalischen Umwandlungsketten
von freier Energie und die damit verbundene Dynamik des Kraftwerks Erde antreiben. Die
Umwandlungen haben dabei jeweils geringe Wirkungsgrade, die auf einfache, thermodynamische Grenzen ähnlich zum Carnot Wirkungsgrad zurückgeführt werden können. Dies
ist insbesondere der Fall bei der Umwandlung von Solarstrahlung in Wärme, bei der viel
potentiell verfügbare freie Energie ungenutzt vernichtet wird.
3. Natürliche Grenzen von erneuerbaren Energien
Diese thermodynamischen Betrachtungen führen zu einem hierarchischem Bild, wie verschiedene Formen von freier Energie im Erdsystem erzeugt werden, wie sie mit den drei
Kraftstoffen, und miteinander, verbunden sind, und wie sie mit erneuerbaren Energiequellen
im Bezug stehen. Dies ist in Abbildung 2 zusammengefasst.
Der Ausgangspunkt für die Abschätzung sind die bereits erwähnten drei Kraftstoffe und
deren Stärke, die am Rand der Abbildung 2 dargestellt sind. Solare Einstrahlung ist um
mehrere Größenordnungen größer als der Wärmefluß aus dem Erdinneren oder die Leistung, die mit Gravitationskräften des Mondes und der Sonne verbunden ist. Daher sind
die meisten Formen von erneuerbarer Energie in indirekter Weise mit der Solarstrahlung
verbunden, insbesondere mit der Wärmekraftmaschine, die mit der atmosphärischen Zirkulation verbunden ist. So treibt die Zirkulation die Wellenbildung des Ozeans an, welche
wiederum die Ozeanströme antreiben, oder auch den Wasserkreislauf und den damit
verbundenen Formen an freier Energie (wie auch in Abbildung 1 dargestellt). Die Leistung
von etwa 1.000 TW, die mit der großskaligen, atmosphärischen Zirkulation verbunden ist,
setzt somit den Maßstab für die Umwandlungsketten an freier Energie. Die Gesamtleistung
aller anderen Formen von freier Energie, die der Wind erzeugt, kann dann natürlich nur
kleiner sein, als die Leistung der Atmosphärenzirkulation, da es die Leistung von 1.000
TW ist, die die Umwandlungen begrenzt, und durch Nutzungsgrade, die oft kleiner als 50
% sind, weiter die Umwandlungsraten begrenzen.
Zu dieser Abschätzung sei noch Folgendes bemerkt: Es ist nicht klar, ob alle der dargestellten
Prozesse am maximalen Wirkungsgrad operieren. Letztendlich wird aber die Hauptantriebsquelle von der Atmosphärischen Zirkulation angetrieben, für welche die Erzeugungsrate
nahe des maximalen Wirkungsgrads liegt. Ferner unterliegt der Entzug dieser Formen von
freier Energie ebenfalls maximalen Wirkungsgraden, sodass in der Regel bestenfalls nur in
etwa die Hälfte der angegebenen Zahlen tatsächlich in menschlich nutzbare Formen von
Energie, wie z.B. elektrischen Strom, umgewandelt werden kann.
Es gibt zwei Ausnahmen von erneuerbaren Energieformen, die nicht mit der Stärke der
atmosphärischen Zirkulation und den damit verbundenen thermodynamischen Grenzen
von Wärmekraftmaschinen zusammenhängen, und die nicht durch die externen Beschränkungen wie bei Erdwärme und Gravitation limitiert sind. Diese beiden Ausnahmen nutzen
Solarstrahlung direkt, bevor diese in Wärme umgewandelt wird.
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solare
Strahlung
175 000 TW
Gravitationskräfte
von Mond und Sonne
5 TW
Erdinneres
Erneuerbare
Energien
Gezeitenkraft
Wellenkraft
Strömungskraft
Meereswärme
Land
Ozean
Atmosphäre
116 000 TW
Erw ärmung durch
Absorption
1000 TW
Zirkulation der
Atmosphäre
< 1 TW
Erzeugung
560 TW
atmosphärische
von Wellen
WasserElektrizität
3 TW
63 TW
63 TW
27 TW kreislauf
biotische
Versalzung
< 1 TW 13 TW
von Meerwasser
152 TW
Produktivit ät
kontinentaler
biotische
Abfluß
1 TW
Mischung
MeerwasserProduktivit ät
durch Gezeiten windgetriebene thermohaline entsalzung
Zirkulation
Zirkulation
WindWasserSolarkraft
kraft
kraft
BioElektrische
Geothermie
kraftstoffe
Energie
osmotische
Kraft
Plattentektonik
Mantelkonvektion
< 50 TW
kontinentale
Hebung
Erdbeben
Radioaktiver Zerfall
und Abkühlung
< 50 TW
Abb. 2:
Abschätzung von Erzeugungsraten freier Energie aus verschiedenen Quellen in Bezug
zu den drei Antriebskräften Solarstrahlung, Gravitation und Erdwärme. Der Bezug
dieser Formen von freier Energie zu Erdsystemprozessen und zu verschiedenen Arten
erneuerbarer Energie ist ebenfalls dargestellt.
Quelle: Kleidon, A. (eingereicht): How does the Earth system generate and maintain thermodynamic disequilibrium and what
does it imply for the future of the planet? Phil. Trans. A. Manuskript verfügbar auf arXiv: 1103.2014., bearbeitet
Dies ist zum einen Biokraftstoff. Diese Form von freier Energie wird durch die Photosynthese erzeugt. Da diese das Sonnenlicht direkt durch Photochemie nutzt statt der damit
verbundenen Wärme, kann Photosynthese mit relativ geringem Strahlungsfluß relativ viel
freier Energie erzeugen. Diese Rate könnte im Prinzip auch erheblich größer sein, aber sie
reflektiert die natürlichen Beschränkungen der Vegetationsproduktivität durch Wasserverfügbarkeit (auf Land) und Nährstoffverfügbarkeit (Land und Ozean). Zum anderen kann
Sonnenlicht durch Photovoltaik oder durch Nutzung des kleinen Raumwinkels mit erheblich
größerem Wirkungsgrad in freie Energie umgewandelt werden. Angesichts der Größe der
Solarstrahlungsflüsse in einer Größenordnung von 105 TW, die gegenwärtig zum größten
Teil lediglich in Wärme umgewandelt werden, gibt es hier ein erhebliches Potential zur
Erzeugung freier Energie, welches gegenwärtig fern von thermodynamischen Grenzen liegt.
Um diese Zahlen in Proportion zu dem Energiebedarf der Menschheit zu setzen sei hier
genannt, dass der primäre, globale Energieverbrauch gegenwärtig in etwa 17 TW beträgt,
und dass sich die Nutzung der Biosphärenproduktivität für die Produktion von Nahrungsmitteln in der Größenordnung von 15 - 70 TW bewegt. Also bewegt sich der gesamte Energiebedarf des Menschen in einer Größenordnung von natürlichen Prozessen, mit denen
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Sonne, Wind und Wellen – Natürliche Grenzen erneuerbarer Energien im Erdsystem
Erdsystemprozesse operieren. Eine nachhaltige Befriedigung dieser Bedürfnisse an freier
Energie, die ja in Zukunft durch Bevölkerungswachstum und Steigerung der Lebensstandards weiter nahezu unvermeidlich steigen werden, ist also eine gewaltige Herausforderung.
4. Potentielle Auswirkungen durch Nutzung erneuerbarer Energien
Wie bereits erläutert sind die Formen freier Energie, die potentiell als erneuerbare Energiequellen genutzt werden können, direkt mit der Dynamik von Erdsystemprozessen verbunden.
Wenn also der Mensch erneuerbare Energien in großem Stil nutzt, so wird dementsprechend
weniger freie Energie im System verbleiben. Mit anderen Worten, die Nutzung von erneuerbaren Energien ist unmittelbar mit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden.
Die Auswirkungen sind direkt in den in Abbildung 1 dargestellten Umwandlungsketten
ersichtlich. Wenn der Atmosphäre im großen Stil kinetische Energie durch Windparks
entzogen wird, so wird die Bewegungsenergie in der Atmosphäre reduziert werden und es
steht weniger freie Energie zur Verfügung, um die Umwandlungsketten anzutreiben. Die
damit verbundenen Klimaauswirkungen sind allerdings relativ komplex und räumlich und
zeitlich unterschiedlich. Dies liegt daran, dass sich der Strahlungsantrieb, der sich in den
Mittelwerten des Klimasystems niederschlägt, z.B. der Temperatur, relativ wenig ändert,
sondern vielmehr, dass die Dynamik durch den Entzug geschwächt wird und damit Gradienten weniger effizient abgebaut werden können. Dies, wiederum, schlägt sich nicht gut in
Mittelwerten nieder, die ja oft über Gradienten hinwegmitteln. Eine Auswirkung folgt direkt
aus dem Entzug von kinetischer Energie durch Windkraftnutzung. Ohne Entzug würde
die kinetische Energie überwiegend durch Turbulenz nahe der Erdoberfläche dissipiert
werden. Diese Turbulenz ist wiederum mit turbulenten Wärmeflüssen verbunden, die die
Oberfläche kühlen und Stoffaustauschflüsse, insbesondere Verdunstung, aufrecht erhalten.
Wird durch den Entzug kinetischer Energie die turbulente Dissipation geschwächt, so reduziert sich auch die turbulente Kühlung. Also sind mit dem Entzug von Bewegungsenergie
zwangsläufig Änderungen im Klima zu erwarten, ohne dass der Strahlungsantrieb direkt
geändert wurde, wie es bei der globalen Klimaerwärmung durch erhöhte Treibhausgaskonzentrationen der Fall ist.
Dass die Bewegungsenergie notwendigerweise reduziert sein muss folgt daraus, dass die
atmosphärische Wärmekraftmaschine bereits nahe dem maximalen Wirkungsgrad operiert.
Der Entzug von Leistung ließe sich also nur kompensieren, wenn der Strahlungsantrieb verstärkt werden würde. Wäre dies nicht der Fall, dann käme dies ja einem Perpetuum Mobile
gleich, dem man endlos freie Energie entziehen könnte, ohne Auswirkungen zu spüren.
Bei der Betrachtung der Klimaauswirkungen durch Nutzung erneuerbarer Energieformen
sollten wir natürlich im Auge behalten, dass auch nicht-erneuerbare Energiequellen mit
Auswirkungen verbunden sind. Insbesondere ist dies der Fall bei der Verbrennung fossiler
Brennstoffe, die zur Verstärkung des atmosphärischen Treibhauseffekts führt und, folglich,
zu der globalen Klimaerwärmung. Dass letztendlich jegliche Nutzung von Energiequellen
mit Auswirkungen verbunden ist liegt schlicht daran, dass der immense, menschliche
Energiebedarf zwangsläufig Spuren im Erdsystem hinterlässt.
Dementsprechend drängt sich folgende Frage auf: Wenn wir schon nicht den Einfluss
des Menschens auf das Erdsystem vermeiden können, wie sollten wir ihn dann gestalten?
Können wir Auswirkungen differenzierter betrachten und in solche einteilen, die potentiell
besser oder schlechter sind? Hier gibt die Thermodynamik eine klare Richtung vor. Wir
können die Auswirkungen von menschlicher Aktivität auf das Erdsystem unterteilen in
solche Auswirkungen, die die Fähigkeit des Systems reduzieren, freie Energie zu erzeugen
– dies wäre eine potentiell schlechte Auswirkung, die das Kraftwerk Erde schwächt indem
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man Sand in das Getriebe streut. Wenn wir freie Energie aus den Umwandlungsketten des
Erdsystems abgreifen, zum Beispiel durch Nutzung von Wind oder Wasserkraft, dann reduzieren wir freie Energie im System und schwächen somit die Dynamik des Systems. Mit der
Annahme, dass natürliche Prozesse schon so organisiert sind, dass sie nahe des maximalen
Wirkungsgrads operieren, können somit diese Eingriffe die Fähigkeit des Prozesses, freie
Energie zu erzeugen, nur reduzieren. Aber es gibt auch Auswirkungen, die das System
befähigt, mehr freie Energie zu erzeugen – dies wäre eine potentiell gute Auswirkung, die
das Kraftwerk Erde stärkt, indem es geschmiert wird und damit Umwandlungsverluste
reduziert werden. Dies wäre der Fall, wenn durch menschliche Aktivität der Wirkungsgrad
der Umsetzung der Kraftstoffe in freie Energie erhöht würde. Da Solarstrahlung den bei
weitem größten Anteil zum Kraftstoff beiträgt, würde eine Steigerung der Effizienz bei der
Umwandlung von Solarstrahlung in freie Energie insgesamt zu mehr Erzeugung freier
Energie führen. Dies ist insbesondere der Fall, bevor Sonnenlicht durch Absorption in
Wärme umgewandelt wird. Eine solche Steigerung der Effizienz wäre zu bewerkstelligen
durch eine stärkere Nutzung der Solarenergie (Photovoltaik und Nutzung der direkten
Solarstrahlung durch Solarthermie) oder der Photosynthese, insbesondere in Gebieten,
wo diese bislang nicht zur freien Energieerzeugung beiträgt, also z.B. in Wüstengebieten.
5. Schlussfolgerungen und Ausblick
In diesem Beitrag haben wir die natürlichen Grenzen der Erzeugung und Umsetzungen von freier Energie im Erdsystem beschrieben. Unser Ausgangspunkt dabei ist die
Thermodynamik, da die natürlichen Prozesse des Erdsystems ebenso den Gesetzen und
Grenzen der Thermodynamik, unterliegen wie auch technische Prozesse. Der maximale
Wirkungsgrad ist aber wegen der Komplexität des Systems wesentlich geringer, und die
Umwandlung von einer Form freier Energie in eine andere stellt eine zentrale Komponente
dar, die die Dynamik des Erdsystems am Laufen hält. Diese rein naturwissenschaftliche
Betrachtung bildet die Grundlage, die natürlichen Grenzen von erneuerbaren Energien zu
quantifizieren, sowie die Auswirkungen von massiver Nutzung erneuerbarer Energien auf
das Erdsystem zu verstehen.
Da sich der menschliche Energieverbrauch bereits in der gleichen Größenordnung bewegt
wie die Erzeugungsraten vieler natürlichen Prozesse auf planetarer Skala, ist ein spürbarer
Einfluss des Menschen auf das System Erde unvermeidbar. Die Herausforderung für eine
langfristig und nachhaltig ausgerichtete Energieversorgung besteht also darin, die Energieerzeugung so zu gestalten, dass die Fähigkeit des Erdsystems, freie Energie zu erzeugen,
nicht geschwächt wird. Dies scheint nur möglich zu sein durch eine effektivere Nutzung
der Solarstrahlung, bevor diese in Wärme umgewandelt wird.
6. Referenzen
[1] Gans, F.; Miller, L. M. and Kleidon, A. (2010): The problem of the second wind turbine – a note
on a common but flawed wind power estimation method, Earth Syst. Dynam. Discuss., 1, 103114, doi:10.5194/esdd-1-103-2010.
[2] Kleidon, A. (2010): Life, hierarchy, and the thermodynamic machinery of planet Earth. Physics
of Life Reviews 7: 424-460. doi:10.1016/j.plrev.2010.10.002.
[3] Kleidon, A. (eingereicht): How does the Earth system generate and maintain thermodynamic
disequilibrium and what does it imply for the future of the planet? Phil. Trans. A. Manuskript
verfügbar auf arXiv: 1103.2014.
[4] Miller, L. M.; Gans, F. and Kleidon, A. (2011): Estimating maximum global land surface
wind power extractability and associated climatic consequences, Earth Syst. Dynam., 2, 1-12,
doi:10.5194/esd-2-1-2011.
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