Medienworkshop: Patentierung biotechnologischer Erfindungen

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Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
Institut Fédéral de la Propriété Intellectuelle
Istituto Federale della Proprietà Intellettuale
Swiss Federal Institute of Intellectual Property
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Medien-Workshop Biotechnologie und Patente
Bern, den 22. November 2001
Patentierung biotechnologischer Erfindungen:
Teufelswerk oder Wundermittel?
Das Patentrecht ist weder Teufelswerk noch Wundermittel! Es bezweckt die
Förderung der Forschung in allen Gebieten der Technik zum Nutzen der Gesellschaft – und es hat sich hierbei seit Jahrzehnten bewährt.
Felix Addor, Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, Bern
Patente auf technische Erfindungen gibt es in Europa seit rund 500 Jahren. Bereits
1873 wurde sodann das erste Patent auf einen lebenden Organismus ausgestellt: Louis
Pasteur erhielt ein Patent für gereinigte Hefe. Vor gut 20 Jahren schliesslich wurden die
ersten Patente auf menschlichen Genkodierungen erteilt (z.B. für Insulin). Im Zuge der
rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der modernen Bio- und Gentechnologie gerät die
Erteilung von Patenten auf dem Gebiet der belebten Materie zunehmend in die Schlagzeilen. Dabei wird insbesondere vorgebracht, die Patentierung biotechnologischer Erfi ndungen sei rechtlich nicht klar abgestützt, ethisch nicht vertretbar und sie würde zudem
die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich behindern. Hier tut Aufklärung über
die Grundlagen und Mechanismen des Patentwesens not:
Ein Schutztitel ...
Ein schweizerisches Patent ist ein Schutztitel, der seinen Inhaber während längstens 20
Jahren davor schützt, dass ein Dritter die patentierte Erfindung innerhalb der Schweiz
für gewerbliche Zwecke verwendet. Das Patent schliesst also Drittpersonen von der
kommerziellen Nutzung einer Erfindung aus.
... aber kein Nutzungsrecht
Ein Patent gibt seinem Inhaber indessen keine Erlaubnis, die patentierte Erfindung
selbst kommerziell zu nutzen. Das Recht zur Benutzung einer Erfindung wird durch andere Gesetze als das Patentgesetz – z.B. das Heilmittelgesetz, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Tierschutzgesetz – geregelt; es erfordert gerade im sensitiven Bereich der Biotechnologie eine behördliche Bewilligung.
Für die Einhaltung der entsprechenden Bewilligungsvoraussetzungen sind nicht die
Patentprüfer, sondern andere Behörden zuständig, so z.B. das künftige Heilmittelinstitut,
das Bundesamt für Gesundheit oder das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.
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Bei Patentprüfung Anwendung noch nicht absehbar
Im Zeitpunkt der Patentanmeldung bzw. –erteilung steht die Anwendung einer Erfindung
bzw. deren kommerzielle Nutzungsmöglichkeiten in aller Regel nicht fest. Eine Erfindung
lässt sich oft sowohl für sinnvolle als auch für weniger sinnvolle Dinge einsetzen: So
kann eine Klinge aus einem neuartigem Stoff (z.B. Keramik) ebenso gut als Arbeitswerkzeug gebraucht wie als Mordwaffe missbraucht werden. Es ist nicht möglich, im
Rahmen der Prüfung einer Patentanmeldung zu überprüfen, in welchem Umfang eine
Erfindung künftig benutzt werden kann und darf. Patentrechtlich lässt sich deshalb nicht
zwischen erwünschten und unerwünschten Anwendungen von Erfindungen unterscheiden. Das Patentrecht ist ungeeignet, die Forschung zu lenken oder gar deren negativen
Auswüchse zu bekämpfen. Wer versucht, dies über eine Einschränkung des Patentschutzes zu tun, schlägt den Sack und meint den Esel!
Patentschutz als Pfeiler des technischen Fortschritts
Die Investitionen für die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Biotechnologie
sind hoch und die entsprechenden Forschungsresultate verhältnismässig einfach nachzumachen. Im Forschungszeitpunkt ist zudem nicht absehbar, ob es je zu einem verwertbaren Ergebnis kommt. Die in der Biotechnologie tätigen Unternehmen gehen somit
erhebliche finanzielle Risiken ein. Als Stimulans zur Fortführung der entsprechenden
Forschung braucht es u.a. einen effektiven Patentschutz. Andernfalls liesse sich nicht
verhindern, dass die Forschungsresultate von Dritten wirtschaftlich genutzt werden, o hne dass sich jene an den Forschungs- und Entwicklungskosten beteiligen oder selbst
etwas zur Forschung beitragen. Der Anreiz, in Forschung und Entwicklung zu investieren, würde dadurch geschmälert.
Schutz von Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur
Patente können unter den generellen Voraussetzungen der Patentierbarkeit (Neuheit,
erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit) auch für Erfindungen erteilt werden,
deren Gegenstand Mikroorganismen, Zelllinien, Pflanzen oder Tiere sind. Patente auf
"Leben" werden damit aber nicht erteilt. Das Leben an sich ist nicht patentierbar, weder
in der Schweiz noch in Europa. Gegenstand eines Patents ist nämlich nicht das Lebewesen, sondern eine technische Lehre, so z.B. wie man bestimmte Merkmale eines Organismus verändern oder dem Organismus eine neue Eigenschaft geben kann.
Mit dem Aufkommen hocheffizienter Sequenziermethoden wurde die Gentechnologie in
den letzten Jahren jedoch zunehmend auf den Kopf gestellt. Mittels computergestützter
Analyse ist eine grosse Zahl an tatsächlichen und hypothetischen Genen identifiziert
und teilweise zur Patentierung angemeldet worden.
Erfindung oder Entdeckung?
Mit der Begründung, dass Gene bzw. Gensequenzen (egal ob menschlichen, tierischen
oder pflanzlichen Ursprungs) Stoffe sind, die bereits in der Natur vorkommen, wird der
Patentschutz in Frage gestellt. Gene und Gensequenzen können nicht erfunden, sondern nur entdeckt werden, lautete die Kritik.
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Was ist eine Entdeckung? Unter einer Entdeckung versteht man das blosse Auffinden
und Beschreiben von etwas bereits Existierendem. Eine Entdeckung ist nicht patentierbar. Was ist eine Erfindung? Eine Erfindung betrifft die Anwendung einer Erkenntnis auf
technischem Gebiet. Der Erfinder muss eine wiederholbare technische Lösung für ein
technisches Problem offenbaren. Die Beschreibung einer natürlich vorkommenden Gensequenz ohne Angabe einer Funktion und eines gewerblich anwendbaren Zwecks
(= Angabe, in welchem Sinn das aufgefundene Gen ein technisches Problem löst) kann
somit nicht patentiert werden. Die entsprechende Erkenntnis bereichert zwar das
menschliche Wissen, nicht aber die technischen Möglichkeiten. Eine patentierbare Erfindung liegt erst dann vor, wenn über die blosse Beschreibung der Gensequenz hinaus
dargelegt wird, wie man diese isolieren oder auf andere Art technisch herstellen kann,
und wenn überdies aufgezeigt wird, wie sie anschliessend verwendet we rden kann.
Keine spekulativen Patente
Das EU-Recht (Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfi ndungen) konkretisiert die Grenzziehung zwischen patentierbarer Erfindung und nicht
schützbarer Entdeckung in doppelter Hinsicht: Zum einen verlangt es die Angabe der
Funktion eines Gens bzw. einer Gensequenz als Begriffsmerkmal einer Erfindung. Zum
anderen fordert es eine konkrete Beschreibung der gewerblichen Anwendbarkeit der
DNA-Sequenz in der Patentanmeldung. Diese Anforderungen sind strenger als das
geltende schweizerische Recht. Sie sollen spekulativen Patentanmeldungen vorbeugen
und sicherstellen, dass die Patentierung biotechnologischer Erfindungen nicht zu einseitigen Monopolen oder Abhängigkeiten führt oder die Forschung behindert.
Diesen Interessen dienen weitere Mechanismen des Patentrechts:
Im Sinne einer Gegenleistung für das ihm eingeräumte Patentrecht ist der Inhaber
verpflichtet, die Erfindung bereits im Zeitpunkt der Patentanmeldung zu offenbaren
und für eine Fachperson nachvollziehbar zu erklären. Die interessierte Öffentlichkeit
besitzt also die Möglichkeit, den aktuellen Stand der Entwicklung in der Forschung
zu kennen und über Sinn und Unsinn einer allfälligen kommerziellen Nutzung einer
bestimmten Erfindungen zu diskutieren.
Die Benützung der Erfindung zu Forschungszwecken ist trotz Patentierung uneingeschränkt möglich (Forschungsprivileg). Gleiches gilt für den Privatgebrauch.
Die gesetzliche Massnahme der Zwangslizenz fördert die freiwillige Lizenzvergabe.
Nach Ablauf der Schutzdauer kann jedermann die Erfindung frei (kommerziell) benützen.
Das Patentrecht stellt somit ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Patentinhaber, den weiteren forschenden Kreisen und der Öffentlichkeit her.
Felix Addor
Leiter Abteilung Recht & Internationales sowie Mitglied der Direktion
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
Einsteinstrasse 2, CH-3003 Bern, [email protected]
Telefon:
+41 (0)31 325 25 25
Fax:
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