Neue Werkstoffe bieten neue Eigenschaften - AG

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13. Keramiksymposium
18.01.2014
Bericht vom 13. Keramiksymposium
Neue Werkstoffe bieten neue Eigenschaften
Synthese von Keramik und Polymeren – Computer-gestützte
Implantatprothetik.
Klinische Erfahrungen mit neuen Keramikwerkstoffen und der digital gestützte Behandlungsprozess in der Implantologie – das waren die herausragenden Themen auf
dem 13. Keramiksymposium der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik), das zusammen mit dem Kongress der Deutschen Gesellschaft
für Implantologie (DGI) stattfand. Eingebunden in das Symposium waren die Verleihung des „Videofilm-Preises“ an junge Kliniker und Wissenschaftler.
Vollkeramische Restaurationen haben seit den 80er Jahre des letzten Jahrhunderts
eine beständige Indikationserweiterung erfahren. Neue keramische Materialien mit
einer verbesserten Dauerfestigkeit, aber auch Innovationen im Bereich der Befestigungsverfahren waren treibende Kräfte für die rasante Entwicklung und Verbreitung
der Vollkeramik. Heute stehen mehrere Verfahren und Techniken für die Anfertigung
vollkeramischer Arbeiten im Front- und Seitenzahngebiet zur Verfügung. Diese Versorgungsart war in den letzten Jahrzehnten neben der Implantatprothetik eines der
am schnellsten wachsenden Behandlungsfelder. Die klinischen Erfahrungen der vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass für Keramikwerkstoffe eine differenzierte Anwendung erforderlich ist, um sie langfristig klinisch erfolgreich nutzen zu können. Dr. Jan Hajto, Praxisinhaber in München und Spezialist für ästhetische sowie
vollkeramische Restaurationen (Abb. 1), erläuterte unter den Thema „Übersicht Materialien und Indikationen – ein Praxiskonzept“ seine Kriterien bei der Werkstoffauswahl.
Abb. 1: Dr. Jan Hajto, München. Quelle: Hajto
Eine sogenannte „Universalkeramik“, einsetzbar für alle Indikationsklassen, gibt es
nicht. Biegebruchfestigkeit, Risszähigkeit, Werkstoffmindeststärke zusammen mit
dem klinischen Platzbedarf, Chroma, Lichtleitfähigkeit und Transluzenz, Retentionsverhalten und Befestigungsbedingungen – alle Spezifikationen und Vorgaben beeinflussen maßgeblich die Auswahl des geeigneten Werkstoffs und dessen Verarbeitung. Das ist eine Herausforderung, die Praxis und Labor gleichermaßen betreffen.
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Zahnarzt und Zahntechniker haben die Aufgabe, den Überblick zu behalten und das
jeweils optimale Material für die individuelle Patientenversorgung zu bestimmen. Für
den Patienten spielen neben dem Aspekt der natürlichen Ästhetik auch Fragen der
Langzeitbewährung und die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle.
Im Prinzip geht es immer um die Entscheidung, ob die Keramik im konkreten Fall
ausgeprägte ästhetische Eigenschaften oder eine Festigkeit für hohe Kaudruckbelastungen bieten muss – jeweils abhängig von der Lage der Restauration im Kieferbogen, vom ästhetischen Anspruch und von funktionellen Gegebenheiten. Dentalkeramik weist eine umso höhere Festigkeit auf, je höher der kristalline Anteil ist. Eine
eventuelle Rissausbreitung wird von den Kristallen gebremst oder umgelenkt. Dabei
wird durch die kristalline Phase Rissenergie aufgenommen. Dies verhindert oder verlangsamt einen weiteren Rissfortschritt. Von dieser Eigenschaft profitieren besonders
Oxidkeramiken (Zirkoniumdioxid). Die hohe Strukturdichte gibt der Oxidkeramik jedoch ein opakes Aussehen und muss aufbrennkeramisch verblendet (Feldspat) oder
mit Colourliquid eingefärbt werden. Silikatkeramiken hingegen haben eine
leuzitverstärkte Glasphase. Durch die Semitransparenz und Transluzenz bieten sie
Eigenschaften, die sie besonders für ästhetische Frontzahnversorgungen empfehlen.
Zwischen den Silikatkeramiken mit ihren naturgemäß begrenzten Festigkeiten (80 bis
200 MegaPascal, MPa) und den Oxidkeramiken (500 bis 1200 MPa) ist ein Korridor,
der von der Lithiumdisilikatkeramik (LS2) besetzt wird. Mit initialen Biegefestigkeiten
von 360 bis 420 MPa vereint sie eine natürliche Transluzenz, die variierbar ist (Typ
HT, LT, MO, HO), mit einer indikationsadäquaten Festigkeit, die sie für Veneers,
Teilkronen, Kronen, dreigliedrige Brücken (bis zum zweiten Prämolaren) sowie für
Abutments und implantatgetragene Kronen qualifiziert. Das Risiko kohäsiver Frakturen als Folge von Gefügedefekten ist gegenüber der reinen Schichttechnik deutlich
verringert. Kronen können entweder monolithisch angefertigt – optional mit Malfarben
charakterisiert, im Cutback-Verfahren oberflächlich um Schmelzdicke zurückgeschliffen und mit Schichtkeramik individualisiert – oder auf LS2-Gerüsten komplett verblendet werden (Abb. 2). Dies ermöglicht eine jeweils der klinischen Situation angepasste Materialauswahl. Mittlere und gesteigerte Opazitäten kommen bei verfärbten
Zahnstümpfen zum Einsatz.
Abb. 2: FZ-Kronen im CutbackVerfahren zurückgeschliffen zur Verblendung. Quelle: Seger/Ivoclar
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Ästhetik und Festigkeit im Fokus
Der Referent hat in seiner Praxis das Werkstoffkonzept dahingehend optimiert, dass
für vollkeramische Restaurationen nur noch Zirkoniumdioxid und Lithiumdisilikat in
angezeigten Fällen zum Einsatz kommen. Damit lässt sich laut Hajto die gesamte
Bandbreite der festsitzenden Versorgungen – vom Inlay bis zur mehrgliedrigen Brücke sowie Implantatkomponenten - abdecken. Die pragmatisch gesammelten Erfahrungen mit diesen Keramiken spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Nachuntersuchungen des Referenten. So zeigten sich bei 398 Verblendkronen und -Brücken
aus ZrO2 keine Gerüstfrakturen und lediglich 1,2 Prozent Chippings auf Verblendungen pro Jahr. Bei 3000 monolithischen LS2-Restaurationen im Seitenzahnbereich
(Kunden von Fa. Absolute Ceramics) betrug die Frakturrate 1,8 Prozent bei Kronen
und 0,8 Prozent bei Teilkronen im Zeitraum von 18 Monaten. Eine gute Prognose
gab Hajto den Sinterverbundkronen und -Brücken, die in seiner Praxis seit mehr als
drei Jahren standardmäßig im Einsatz sind. Entwickelt und erprobt wurde diese
Technologie an der Universitätszahnklinik München (Beuer et al., 2008). Hierbei wird
der digital generierte Datensatz des virtuellen Modells aufgespalten, d.h. die Gerüstform wird vom Verblendteil getrennt. Die Verblendung wird aus Silikatkeramik im
CAD/CAM-Verfahren ausgefräst oder gepresst und auf das ZrO2-Gerüst aufgesintert
(Abb. 3). Durch den homogenen Verbund können damit sehr hohe Kaudruckbelastungen provoziert (bis 1700 Newton Bruchlast) und Verblendfrakturen praktisch ausgeschlossen werden (Tinschert et al., 2011).
Abb. 3: Sinterverblendkronen auf ZrO2-Gerüst mit gepresster LS2-Verblendung. Ein
Keramiklot (DCM Hotbond) verbindet die Keramikkörper. Quelle: Absolute Ceramics/Hajto
Hajto bewertete die aktuelle Werkstoffentwicklung auch aus der Sicht der Biomimetik.
Unter diesem Begriff wird das Übertragen von in der Natur bewährten Konstruktionsund Funktionsprinzipien auf technische Anwendungen zusammengefasst. Das älteste bekannte Beispiel dafür ist Leonardi da Vincis Idee, den Vogelflug auf Flugma3
schinen zu übertragen. Während technische Lösungen im Hinblick auf Präzision, Geschwindigkeit oder Reproduzierbarkeit natürlichen Systemen häufig überlegen sind,
besticht die Natur durch Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Redundanz und Störungstoleranz. Aus diesem Blickwinkel stellte Hajto zur Diskussion, ob vollkeramische Restaurationen immer fester und härter werden müssen - oder ob es nicht sinnvoller sei,
das biomechanische Verhalten des intakten Zahns zu reproduzieren. Damit zielte der
Referent auf die neuen Hybrid- und Nanoresin-Keramiken, deren E-Modul zwischen
jenem von Schmelz und Dentin liegt. Daraus resultiert ein „zahnschonender“ Nutzen,
dass z.B. ein Inlay oder Onlay langfristig in situ eine schmelzähnliche Abrasion zeigt.
Die Attrition der Okklusalfläche verläuft „parallel“ mit der natürlichen Zahnhartsubstanz – nach dem Vorbild der Natur. Waren bisher verblendete, implantatgetragene
Kronen auf ZrO2-Gerüst einem verhältnismäßig hohen Chippingrisiko ausgesetzt –
ausgelöst durch die fehlende Eigenbeweglichkeit und die verminderte Taktilität der
osseointegrierten Implantatpfeiler - eignen sich die „stoßdämpfenden“ Hybrid- und
Nanoresin-Keramiken laut Hajto für diese Indikation. Aufgrund der elastischen Eigenschaften sind diese Werkstoffe möglicherweise auch für Versorgungen bei Bruxismus
geeignet.
Der Referent resümierte, dass die Konzentration auf zwei vollkeramische Werkstoffklassen (LS2 und ZrO2) sich in der Praxis bewährt hat. Die pragmatisch gesammelten, klinischen Erfahrungen mit diesen Materialien sowie die eingespielte Zusammenarbeit mit dem Zahntechniklabor bei der Erfüllung der vielfältigen Anforderungen
haben bewirkt, dass die Misserfolgsrate unter ein Prozent gebracht wurde und damit
dem Niveau von Goldguss- und VMK-Restaurationen entspricht.
Abb. 4: PD Dr. Petra Güß, Oberärztin, Universität Freiburg, referierte über „Innovative Werkstoffe und Verarbeitung“. Foto: Güß
CAD/CAM-Werkstoffe bieten neue Perspektiven
Die Referentin, Priv.-Doz. Dr. Petra C. Güß, Oberärztin an der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Freiburg (Abb. 4), hatte schon vor einigen Jahren
bei der Literaturdurchsicht festgestellt, dass verblendete Einzelkronen auf ZrO2 Gerüsten eine Chippingrate von 2-9 Prozent der berichteten Fälle nach 2-3 Jahren
Tragedauer aufwies. Bei verblendeten ZrO2-Brücken lag die Chipping-Rate zwischen
3 und 36 Prozent im Zeitfenster von 1-5 Jahren. In Kausimulationen hatte die Referentin die Belastbarkeit von Kronen aus monolithischem Lithiumdisilikat (LS2) und
ZrO2 mit Verblendung unter 1100 Newton Kaudruck gemessen. Während alle LS2Kronen frakturfrei blieben, zeigten 49 Prozent der handgeschichteten Verblendungen
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auf ZrO2 Anzeichen von initialen Mikrorissen (Güß, 2010). Weitere klinische Studien
mit LS2-Kronen zeigten nach 2 Jahren eine 100 prozentige Überlebensrate
(Fasbinder, 2010; Reich, 2010). In weiteren Untersuchungen stellte Güß fest, dass
monolithisch gefertigte, verblendfreie Kronen aus LS2 eine ernsthafte Alternative
gegenüber Verblendkronen auf Gerüsten aus ZrO2 sind - auch im Molarenbereich
und als Implantatkronen. Obwohl ZrO2-Kronen und -Brücken eine hohe
Biegebruchfestigkeit haben (initial bis 1400 MPa), bietet die manuell geschichtete,
gesinterte Verblendkeramik eine deutlich geringere Festigkeit (80-100 MPa). Risiken
für kohäsive Verblendfrakturen und Chippings ergeben sich besonders dann, wenn
das Kronengerüst nicht anatoform gestaltet und die Höcker nicht vom Gerüst
unterstützt werden (Sailer et al., 2007; Tinschert et al., 2008) (Abb. 5). Ferner tragen
dicke Verblendschichten (über 1,5 mm) dazu bei, dass Zugspannungen am Interface
zum ZrO2-Gerüst entstehen (Raigrodski et al., 2006; Schmitt et al., 2009). Auch bei
der zahntechnischen Bearbeitung des ZrO2-Gerüsts ist Zurückhaltung angesagt;
extensives Beschleifen kann eine Phasenverschiebung (von tetragonal zu monoklin)
auslösen und damit die Keramikmatrix schwächen (Swain 2009; Rekow et al., 2011).
Da ZrO2 grundsätzlich ein schlechter Wärmeleiter ist, muss die Brandführung beim
Verblendsintern zeitlich gestreckt und die Abkühlphase verlängert werden, um
Strukturspannungen zu vermeiden. Bei monolithischen LS2-Kronen muss kein Platz
für die Verblendung geschaffen werden. Dadurch kann der Substanzabtrag
defektorientiert und die Präparationstiefe substanzschonend erfolgen. Eine klinische
Studie hat gezeigt, dass nach zwei Jahren Beobachtungszeit keine Mikrorisse und
Chippings an LS2-Molarenkronen festzustellen waren (Güß et al., 2013).
Abb. 5: Höckerunterstützendes
ZrO2-Kronengerüst zur Vermeidung von Verblendfrakturen. Quelle: AG Keramik
Unter dem Thema “Innovative CAD/CAM-Werkstoffe in Klinik und Wissenschaft“ wies
die Referentin darauf hin, dass die Kombination von monolithischen LS2-Kronen und
Abutments aus ZrO2 der Implantatprothetik neue Perspektiven geben. Dadurch kann
bei dünner Gingiva der grau durchschimmernde Titan-Enossalpfeiler mit der ZrO2Mesiostruktur maskiert, die “rote Ästhetik” unterstützt und ein zahnfarbiger Übergang
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zur LS2-Vollkrone in der iso- oder supragingivalen Zone erzielt werden (Abb. 6).
Kausimulationen mit ZrO2-Abutments für implantatgetragene Prämolaren zeigten,
dass CAD/CAM-gefräste Mesiostrukturen und LS2-Kronen Kaubelastungen bis zu
1875 Newton standhielten – ein Wert, der den habituellen Kaudruck im
Molarenbereich um das Dreifache übertrifft (Albrecht et al., 2011).
Abb. 6: ZrO2-Abument mit stabilisierender Ti-Base und LS2-Krone. Quelle: Sirona
ZrO2-Monolithen ohne Verblendung
Das Risiko von Verblendfrakturen auf ZrO2-Gerüsten kann, wenn dieser Werkstoff
alternativlos angezeigt ist, durch die “Vollzirkon”-Restauration vermieden werden, die
monolithisch ausgeschliffen und nicht verblendet werden muss. Dafür mussten jedoch einige Parameter werkstofflicher und klinischer Art verändert werden, um ZrO2
für monolithische Kronen zu qualifizieren. Dies betrifft die Eigenfarbe und Opazität,
die Oberflächenbeschaffenheit der Restauration sowie die Kontaktpunktdurchdringung zum Antagonisten. Um die Opazität zugunsten einer Semi-Transparenz zu
vermindern, wurde der Anteil von Aluminiumoxid (Al2O3) im ZrO2 reduziert. Messungen mit dem Spectrophotometer an 0,6 mm dicken Proben haben gezeigt, dass die
Lichttransmission gegenüber dem konventionellen ZrO2 mit der Al2O2-Absenkung
verbessert werden konnte (Rosentritt et al., 2011). Die Al2O3-Dotierung ist prinzipiell
für die Stabilisierung der Keramikstruktur gegen Feuchtigkeit (Mundspeichel) verantwortlich. Demzufolge kann dieser Anteil nicht unbegrenzt gesenkt werden, ohne die
klinische Haltbarkeit zu riskieren. Die weiße Eigenfarbe des Werkstoffs kann dadurch
auf die Zahnfarbe getrimmt werden, in dem industriell bereits eingefärbte Blocks gemäß den bekannten Farb-Guides (VITA Classical, 3D-Master u.a.) Verwendung finden. Alternativ können die Gerüste im Grünzustand nach dem Ausfräsen mit
Colourliquids im Tauchverfahren eingefärbt und dann festigkeitssteigernd schrumpfgesintert werden. Bisher limitiert das farbliche Ergebnis den Einsatz der monolithischen ZrO2-Krone auf den Seitenzahnbereich (Abb. 7). Durch die Laborsinterung
wird zwar eine hohe Biegebruchfestigkeit (1200-1400 MPa) sowie eine harte Oberfläche erreicht, aber die beim Ausfräsen entstandenen Werkzeugspuren bleiben jedoch sichtbar. Der Abtrag dieser Rauhigkeit erfordert eine professionelle Politur, um
eine glatte, hochglänzende Oberfläche zu erzielen.
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Abb. 7: „Vollzirkon“Kronen bei der Einprobe, noch unpoliert. Quelle: Wiedhahn
Die Frage, wie der Antagonist auf die hochfeste ZrO2-Kronenoberfläche reagiert, ist
bisher nur mit Kausimulationen geklärt worden (Rosentritt et al., 2011; Güß et al.,
2013). In den Studien wurden monolithische ZrO2-Kronen gegen Schmelz,
Lithiumdisilikat und Feldspat-Verblendungen (VMK) geprüft. Die Resultate zeigten,
dass nicht die Härte des Werkstoffs, sondern eine mangelnde Oberflächengüte einen
schädigenden Einfluss auf seinen tribologischen Partner haben kann (Pospiech,
2011). Dies setzt voraus, dass die Oberfläche der ZrO2-Krone ausgiebig poliert werden muss, um Präzipitate sowie maschinierte Schleifriefen zu entfernen und um eine
glatt-glänzende Oberfläche zu erzielen (Preis et al., 2012). Eine Kausimulationsstudie zeigte, dass Zahnschmelz und poliertes ZrO2 nach 1,2 Millionen Kauzyklen mit
Temperaturwechseln ein ähnliches Abrasionsverhalten aufwies (Starwaczyk et al.,
2012). Stärkere Abradierungen zeigten Feldspat-Verblendungen und poliertes NEM
(Abb. 8). Dass die Oberflächenrauhigkeit von ZrO2 keinen Einfluss auf Kauflächen
aus Lithiumdisilikat hat, wurde in einer weiteren Studie festgestellt (Luangruaangrong
et al., 2012).
Abb. 8: Abrasionsverhalten verschiedener Werkstoffe am Schmelz im Kausimulator. Quelle:
Stawarczyk
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Die Bereitstellung glatter, hochglänzender ZrO2-Oberflächen sind laborseitig sicherlich zu gewährleisten. Sollte sich jedoch bei der intraoralen Eingliederung die Notwendigkeit des Einschleifens zeigen, wird dies zu einem Problem. Selbst feinstkörnige Diamantschleifer und diamantkorn-gefüllte Polierer – andere Medien werden
keinen Abtrag auf dem harten ZrO2 erzielen – rauhen die Oberfläche auf. Dadurch
steigt die Abrasionsfähigkeit der Krone erheblich an und können den Antagonisten
schädigen. Deshalb sollte die Anprobe mit okklusalen Schleifkorrekturen dergestalt
durchgeführt werden, dass die Restauration für die erneute Politur wieder ausgegliedert werden kann (Pröbster et al., 2012).
Wenn nun das monolithische ZrO2 verschleißarm ist und kaum abradiert, was passiert mit den Lateralzähnen, die noch Schmelz oder möglicherweise weniger belastbare Restaurationswerkstoffe tragen? Werden die Abrasionskräfte langfristig Höhendifferenzen auslösen und die Kiefergelenkmechanik beeinflussen? Es gibt Vermutungen, dass sich ZrO2 im Aufbissverhalten nicht anders verhält als eine VMK-Krone
(Pospiech, 2012). Klinische Studien zum Langzeitverhalten monolithischer ZrO2Kronen und -Brücken liegen bisher noch nicht vor. Deshalb sollte in der niedergelassenen Praxis die Restaurationen 1-2mal jährlich kontrolliert und poliert werden.
Die Referentin resümierte, dass monolithische ZrO2-Kronen und -Brücken sich aus
ästhetischen Gründen bisher nur für den Molarenbereich eignen. Es fehlt die Fluoreszenz, die Lichtbrechung der Glaskeramik, der Chamäleon-Effekt. Die SemiTransparenz wird mit der Senkung des Al2O3-Anteils erreicht; das kann die klinische
Haltbarkeit auf Dauer beeinflussen. Mehrgliedriger Zahnersatz aus ZrO2 im Oberkiefer kann bei nicht einwandfreien Bissverhältnissen Parafunktionen und Kiefergelenkbeschwerden auslösen. Aufgrund dieser Limitationen ist die Vollzirkon-Prothetik noch
keine Regelversorgung. Bewährt haben sich bisher vollanatomische LS2-Kronen,
auch in der Implantatprothetik. Damit spielt das Risiko der Verblendfraktur wegen der
fehlenden ossären Eigenbeweglichkeit des Enossalpfeilers und des taktilen Defizits
keine Rolle.
Keramik mit „Stoßdämpfer“ - Fraktur-Resistenz durch Elastizität?
Neben den bewährten Silikat- und Oxidkeramiken für die konservierende und prothetische Versorgung positionieren sich neuerdings die Hybridkeramik (Enamic, Vita
Zahnfab.) und die Nanoresin-Keramik (Ultimate, 3M Espe) mit einer dualen KeramikPolymerstruktur. Die Hybridkeramik besteht zu 86 Prozent aus einem gitterähnlichen,
dreidimensionalen Keramiknetzwerk aus Feldspatkeramik. In die offene KeramikStruktur werden werkseitig 14 Prozent Polymere unter Druck infundiert und thermisch
gehärtet, wobei sie mit der Keramik einen adhäsiven, interpenetrierenden Verbund
bilden. Mit einem Elastizitätsmodul von 30 GigaPascal (GPa) besitzt der Werkstoff
jene Elastizität, die zwischen der von Schmelz und Dentin liegt. Deshalb kann die
„elastische Keramik“ mit 160 MPa Festigkeit hohe Kaukräfte kompensieren, ohne
Frakturen auszulösen. Die Schichtstärke kann gegenüber dem Standard (Feldspat)
okklusal auf 1,0 mm, approximal auf 0,8 mm reduziert werden (Güß et al., 2013).
Kronenränder können feiner ausgefräst werden als bei Silikatkeramik; dadurch bleiben Restaurationsränder in situ unsichtbar. In Abrasionstests zeigte die Hybridkeramik einen „physiologischen“ Substanzverlust auf der Restauration sowie eine geringe
Attritionswirkung auf dem Zahnschmelz des Antagonisten. Kausimulationen, z.B. mit
Vita Enamic, zeigten nach 1,2 Millionen Zyklen Attritionsverluste von 46 µm auf der
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restaurierten Okklusionsfläche und 27 µm am Antagonisten (Mörmann et al., 2012).
Die Nanoresin-Keramik enthält neben Silikatfüller (Korngröße 20 NanoMeter, nm)
auch Zirkonoxid-Feinstpartikel (4-11 nm) in einer Polymermatrix. Die Keramik ist
nicht HF-ätzbar, Retentionsflächen müssen sandgestrahlt und adhäsiv befestigt werden. In-vitro Ergebnisse bei Belastung bis zum Bruch belegen, dass die Fraktur im
Vergleich zur Silikatkeramik zeitverzögert eintritt. Eine 10jährige in-vivo Studie, die
auch Feldspat-Inlays enthielt (Vita Mark II), zeigte keine Unterschiede in der klinischen Performance (Fasbinder, 2012). Als Indikationen für die Hybrid- und
Nanoresin-Keramik empfehlen sich Inlays, Onlays, Kronen, Endo-Inlays und EndoKronen mit zirkulärer Hohlkehl-Fassung der Restzahnsubstanz (Fasbinder, 2012).
Die stoßdämpfende Eigenschaft indiziert die Werkstoffe auch für implantatgetragene
Kronen (Beuer et al., 2012).
Die neuen, zirkonoxidverstärkten Lithiumsilikat-Keramiken (Suprinity, Vita Zahnfab.,
Celtra Duo, Dentsply) basieren auf einer gemeinsamen Entwicklung der beiden Unternehmen, zusammen mit dem Fraunhofer-Institut, und haben eine sehr feine Mikrostruktur, die bei mittlerer Biegebruchfestigkeit einen hohen Glasanteil aufweist –
geeignet für ästhetische Restaurationen mit erhöhter Belastbarkeit. Celtra Duo ist
eine auskristallisierte, präfabrizierte Keramik; die Biegebruchfestigkeit und Risszähigkeit wurde durch eine 10-prozentige ZrO2-Dotierung deutlich angehoben,
Abb. 9: Inlays und Onlays
aus Lithiumsilikat (Celtra Duo) bei der Politur. Quelle: Rinke/Dentsply
ohne dass eine optische Trübung eingetreten ist. Die im Cerec-System (Sirona)
schleifbaren Blocks werden entweder chairside poliert und weisen dann eine Festigkeit von 210 MegaPascal (MPa) auf oder können mit einer Sinterglasur auf 370 MPa
gebracht werden (Abb. 9). Für das ZT-Labor steht Celtra CAD zur Verfügung, das
vorkristallisiert bearbeitet wird und, final kristallisiert, über 420 MPa Biegebruchfestigkeit verfügt. Suprinity verfügt über ein sehr feinkristallines Gefüge mit einer Kristallgröße von ca. 0,5 µm und hat ebenfalls eine ZrO2-Partikeldotierung (8 Prozent). Vorkristallisiert weist der Block eine Biegebruchfestigkeit von 190 MPa auf und erreicht
nach dem Ausschleifen durch einen finalen Kristallisationsbrand ebenfalls 420 MPa.
Alle Produkte haben damit eine höhere Festigkeit als Feldspatkeramik und eignen
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sich, adhäsiv befestigt, für Inlays, Onlays, Veneers, Teilkronen und verblendfreie
Front- und Seitenzahnkronen.
Abb. 10: Univ.-Prof. Dr. Daniel Edelhoff zu „Komplexen Versorgungen aus Vollkeramik mit Veränderung der Vertikaldimension der Okklusion“. Quelle:
Edelhoff
Okklusionsänderung mit Kauflächen-Veneers
Mit der fortschreitenden Alterung unserer Gesellschaft und den veränderten Nahrungsgewohnheiten zeigen sich als Begleiterscheinungen vermehrt ausgeprägte
funktionelle und chemische Destruktionen an der Zahnhartsubstanz. Die Verbreitung
von Erosionen an den Zähnen haben in der Bevölkerung westlicher Industriestaaten
inzwischen die Dimension einer „Volkskrankheit“ erreicht. Erosionen sind Zahnschäden, die durch den direkten Kontakt eines sauberen Zahnes mit Säuren entstehen.
Die Säuren können Mineralien aus der Zahnoberfläche herauslösen, wodurch Zahnhartsubstanz abgetragen wird und Defekte in der Zahnoberfläche entstehen. Auch
Magensäure kann Zahnschäden verursachen, wenn sie häufig auf die Zähne einwirkt. Das kann beispielsweise der Fall sein bei Magenerkrankungen mit Reflux (z.B.
Sodbrennen) und bei regelmäßigem Erbrechen, beispielsweise bei Essstörungen.
Säuren kommen vor in Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln als Brause
oder Kautabletten (z.B. Vitamin C- oder Magnesium-Präparate) sowie in Obst, Säften, Erfrischungsgetränken und Zitrusfrüchten. Erste Anzeichen für Erosionen bleiben oft unbemerkt, da sie in der Regel keine Beschwerden verursachen. Wenn sich
kleine, muldenförmige Defekte auf den Kauflächen oder den Außenflächen der Zähne bemerkbar machen, kann es sich um Erosionen handeln. Im fortgeschrittenen
Stadium können Temperaturempfindlichkeit und Verfärbungen auftreten. Manchmal
erscheinen die Schneidekanten durchscheinend oder kürzer. Schließlich können die
Zähne wie „abgeschmolzen“ aussehen. Auch mastikative Dysfunktionen, Knirschen
und die Veränderung der Bisslage können Gründe sein mit der Folge, dass Schmelz
und Dentin in erheblichem Umfang abradiert werden. Wird eine umfangreiche Veränderung der Zahnoberflächen nicht therapeutisch behandelt, können daraus Störungen der Phonetik und Kaufunktion im stomatognathen System entstehen sowie Kiefergelenksbeschwerden ausgelöst werden.
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Unter dem Thema „Komplexe Versorgungen aus Vollkeramik mit Veränderung der
Vertikaldimension der Okklusion“ stellte Univ.-Prof. Daniel Edelhoff, Poliklinik für
Zahnärztliche Prothetik der Universität München (Abb. 10), die Restauration von
stark abradierten und erodierten Zähnen vor, in dem die Okklusalflächen mit bisserhöhenden Veneers versorgt wurden. Eine Rehabilitation ist meist komplex und oft nur
durch die Neugestaltung der Okklusalflächen aller Zähne möglich. Dazu bieten sich
relativ dünne, keramische Restaurationen an, die bei minimaler Präparation an der
noch verbliebenen Zahnhartsubstanz adhäsiv befestigt werden. Die Substitution einer kompletten, okklusalen Kaufläche kann je nach Ausdehnung durch Onlays,
Onlay-Veneers oder Teilkronen vorgenommen werden. Der Vorteil ist, dass die relevanten Kauflächenanteile des Zahns ersetzt werden können, ohne die invasive Präparation für eine Vollkrone. Die Verwendung einer defektorientierten, keramischen
Kaufläche in Form einer adhäsiv befestigten Okklusionsschale gewährleistet eine
ästhetische Adaptation an die Restzahnhartsubstanz sowie eine gute chemische und
mechanische Beständigkeit.
Angezeigt sind Kauflächen-Veneers, auch Table Tops genannt, im Abrasions- oder
Erosionsgebiss zur Wiederherstellung von anatomischen Kauflächen nach funktionsmorphologischen Prinzipien. Sie dienen ebenso zur Bisshebung, bei Bisslageänderungen und zur Wiederherstellung einer adäquaten statischen und dynamischen
Okklusion. Kontraindiziert sind Kauflächen-Veneers im kariesanfälligen Gebiss, bei
endodontischen Komplikationen oder bei noch aktiven erosiven Einwirkungen, da die
Gefahr einer Sekundärkaries, eines Rezidivs oder einer erosiven Schädigung (z.B.
approximal oder zervikal) im Vergleich zu einer Vollkrone größer ist. Die Anwendung
wird eingeschränkt, wenn die Schmelzmenge eine unzureichende Haftfläche bietet
oder die Restkronenlänge aufgrund einer ungünstigen anatomischen Form zu kurz
ausfällt. Problematisch sind Veneers auch dann, wenn Zähne rotiert sind oder zu eng
stehen (Kern et al., 2012).
Bei Bisslageänderungen bzw. Bisserhöhungen aufgrund von Erosion bzw. Abrasion
kann man die erforderliche Bisserhöhung auch dadurch erzielen, in dem nur ein Kiefer (OK oder UK) versorgt wird. Die Entscheidung, nur einen Kiefer zu rekonstruieren,
wird von einer vorherigen funktionellen und ästhetischen Analyse der Ausgangssituation sowie vorhandener, intakter Restaurationen beeinflusst. Unter ästhetischen Gesichtspunkten sind die Übergänge zwischen den Kauflächen-Veneers und der natürlichen Zahnhartsubstanz im Unterkiefer weniger auffällig als im Oberkiefer.
Um den therapeutischen Erfolg komplexer Rehabilitationen vorhersagbarer zu machen, kann eine Zwischenversorgung mit Langzeitprovisorien, d.h. KauflächenVeneers aus Polymer, zum Einsatz kommen (Schweiger et al., 2011). Die einzeln
CAD/CAM-gefertigten Veneers werden adhäsiv eingesetzt, so dass der Patient die
neue Situation funktionell und ästhetisch testen und den Behandlungserfolg im Vorfeld verifizieren kann. Alternativ werden Methoden unter Zuhilfenahme von laborgefertigten Eierschalenprovisorien (Otto, 2004) und chairside gefertigten Provisorien mit
Tiefziehschienen vom diagnostischen Wax-up (Lerner, 2008) in der Literatur beschrieben. Bei klassischen Verfahren ist es erforderlich, die Zähne zeitgleich zu
beschleifen. Durch den Einsatz adhäsiv befestigter langzeitprovisorischer,
zahnfarbener Restaurationen kann eine segmentierte Überführung in die definitiven
Versorgungen vorgenommen werden. Auf diese Weise können entsprechend den
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individuellen Präferenzen des Patienten zunächst die Seitenzähne und später die
Frontzähne eines jeden Kiefers in keramische Restaurationen überführt werden (Bonilla et al., 2001). Die langzeitprovisorischen Versorgungen können durch die
CAD/CAM-Technik qualitativ hochwertig zu wirtschaftlichen Bedingungen hergestellt
werden. Sie sind einer klassischen Schienentherapie klar überlegen, da sie „rund um
die Uhr“ in Funktion bleiben und die neuen Zahnproportionen sowie das angestrebte
Okklusionskonzept „zur Probe gefahren“ und gegebenenfalls modifiziert werden können (Kavoura et al., 2005). Ziel dieser neuen Behandlungskonzepte ist die Verbesserung der Vorhersagbarkeit der Ergebnisse und eine minimalinvasive Behandlung.
Rehabilitation der vertikalen Kieferrelation
Für eine gute Langzeitprognose der neuen Kauflächen ist die genaue Planung der
neu einzustellenden Okklusion von entscheidender Bedeutung (Keough, 2003).
Wichtig hierbei sind die Bestimmung der Zentrikrelation (Abduo et al., 2012), eine
adäquate Einstellung der Vertikaldimension und der Okklusionsebene, die maxilläre
und mandibuläre Inzisalkantenposition und die okklusale Oberflächenmorphologie
der Seitenzähne (Edelhoff et al., 2013; Schweiger et al., 2011).
Nach einer klinischen Funktionsanalyse werden Situationsmodelle hergestellt und
diese anhand einer arbiträren Scharnierachsbestimmung und eines Zentrikregistrats
im Artikulator montiert. Die für die spätere Versorgung funktionell und ästhetisch
ideale Vertikaldimension wird durch ein analytisches Waxup eingestellt) (Abb. 11,
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Evaluierung“ durch den Zahnarzt und den Patienten überführt. Dazu kann die Schablone mit Komposit gefüllt und reversibel auf die mit flüssiger Vaseline isolierten Zähne gesetzt werden (Abb. 13). Findet dieser Restaurationsvorschlag Zustimmung
durch den Patienten, wird im zahntechnischen Labor eine in der Höhe und Bisslage
dem Waxup entsprechende Repositionsschiene mit Front-Eckzahn-Führung angefertigt. Diese Schiene sollte ca. drei Monate möglichst permanent getragen werden, um
zu prüfen, ob der Patient die neue Bisslage beschwerdefrei toleriert (Edelhoff et al.,
2013; Harper, 2000; Rivera-Morales et al., 1992).
Abb. 11: Die Frontzähne zeigen in der Ausgangssituationm überwiegend abrasive Defekte
mit einer geringfügigen erosiven Komponente. Zwei wichtige Hilfslinien sind beim Waxup zu
berücksichtigen: die Bipupillarlinie (1.) und die Unterlippenlinie beim Lächeln (2.). Von
Letzterer weicht die bestehende Zahnlänge in Form einer negativen Lachlinie (3.) deutlich
ab. Quelle: Edelhoff
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Abb. 12:
Ausgangssituation - Generalisierte Abrasionen mit erosiver Komponente an allen OK- und
UK-Zähnen. Quelle: Edelhoff
Abb. 13: Für das Mockup
auf OK- und UK-Zähnen wurde zur ästhetischen Evaluierung eine vom Waxup abgeleitete
Schablone (Tiefziehfolie) mit Komposit (flowable) gefüllt und reversibel auf die mit flüssiger
Vaseline isolierten Zähne gesetzt. Quelle: Edelhoff/Brix
Wird die Bisslage vom Patienten beschwerdefrei akzeptiert, kann die Übertragung
der Situation entweder direkt in vollkeramische Restaurationen oder zunächst in
CAD/CAM-gefräste, langzeitprovisorische Repositions-Veneers oder -Onlays aus
Hochleistungspolymer – meist PMMA-Material - erfolgen (Abb. 14). Für die Konstruktion können die Datensätze der Waxup-Modelle verwendet werden. Die Table Tops
werden gewöhnlich mittels Adhäsivtechnik auf natürlichen Zähnen und Kunststofffüllungen befestigt, können allerdings auch bei entsprechender Vorbehandlung (intraorales Anstrahlen) auf metallischen und keramischen Versorgungen eingesetzt werden (Bertolotti et al., 1994). Da die neue Bisssituation nun permanent inkorporiert ist,
können sich die neuronalen Bewegungsmuster besser etablieren. Um künftig funktionelle Beschwerden nach definitiver Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation
möglichst auszuschließen, sollte diese semipermanente Phase für ca. 6 bis 12 Monate beibehalten werden.
13
Abb. 14:
Langzeitprovisorische Versorgung - Situation nach adhäsiver Eingliederung von CAD/CAMgefertigten PMMA-basierten Provisorien aus CAD-Temp (Vita Zahnfab.). Quelle: Edelhoff/Schweiger
Wurde die provisorische Restauration funktionell und ästhetisch vom Patienten akzeptiert, kann mit der definitiven Versorgung begonnen werden. Es bietet sich ein
quadrantenweises Vorgehen an, wobei die vertikale und horizontale Kieferrelation
nicht mehr verändert wird. Die definitive Versorgung, z. B. mit glaskeramischen Einzelzahnrestaurationen, kann konventionell mit der Presstechnik oder mit der
CAD/CAM-Technik erfolgen. Im Idealfall könnten bei der CAD/CAM-Technik die Datensätze der langzeitprovisorischen Onlays für die Konstruktion der vollkeramischen
Kauflächen verwendet werden.
Präparation und Materialien
Als Werkstoff für die provisorischen Kauflächen-Veneers sind PMMA-basierte Polymere (z.B. Telio CAD, Ivoclar; artBloc Temp, Merz; CAD-Temp, Vita) verwendbar, die
mit verschiedenen CAD/CAM-Systemen gefräst werden können (Edelhoff et al.,
2012). Für die Umsetzung in die definitiven Kauflächen-Veneers bieten sich folgende
Materialien an: Presskeramik (IPS e.max Press, IPS Empress Esthetic) oder die
CAD/CAM-Fertigung mit vorkristallisierten Blöcken (IPS e.max CAD). Aufgrund der
hohen Belastung im Kauflächenbereich ist Lithiumdisilikat (LS2) zu bevorzugen (Abb.
15) (Güß, 2010). Bei der Präparation ist zu beachten, dass der Verbund zum
Schmelz besser ist als zu Dentin. Gleichzeitig stabilisiert das im Vergleich zum Dentin höhere E-Modul von Zahnschmelz die Keramik. Im Zweifelsfall sollte daher
Schmelz erhalten und statt dessen eine geringere Keramikschichtstärke realisiert
werden. Falls erforderlich, wird die Okklusalfläche mit einem Finierdiamanten (25-40
µm Korn) geringfügig abgetragen; unter okklusalen Kontaktpunkten maximal 1,5 mm
unter Berücksichtigung der dynamischen Okklusion. Die Präparationstiefe sollte auf
die durch einen Silikonschlüssel oder eine Tiefziehfolie darstellbare Außenkontur der
definitiven Restauration (Waxup) ausgerichtet sein und kontrolliert werden. Ein zirkulärer Stützrand ist nicht erforderlich; die Präparationsgrenze sollte jedoch nach Möglichkeit vorhandene Füllungskavitäten überdecken (Edelhoff et al., 2013; Kern et al.,
14
Abb. 15: Definitive
Versorgung - Nach eingehender funktioneller und ästhetischer Evaluierungsphase wurden
die semipermanenten Versorgungen in definitive Restaurationen aus Lithiumdisilikat (IPS
e.max Press) überführt. Schichttechnik im Frontzahnbereich und monolithische Onlays im
Seitenzahnbereich. Quelle: Edelhoff/Brix
2012). Die okklusale Schichtstärke von Polymer- und Keramikonlays konnte in einer
In-vitro-Untersuchung bis zu 0,3 mm reduziert werden (Schäfer, Diss. 2013). Hinsichtlich der klinischen Bewährung von vollkeramischen Kauflächen-Veneers ist die
Datenlage noch unzureichend. Für monolitische Kauflächen-Veneers aus
Lithiumdisilikat auf Molaren bestehen jedoch günstige Prognosen (Clausen et al.,
2010).
Abb. 16: Dr. Karl-Ludwig Ackermann, Vorstandsmitglied der
Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI). Quelle: Ackermann
Digitaler Workflow in der Implantatprothetik
Die Implantologie hat sich in den letzten Jahren erheblich weiter entwickelt. Eine verbesserte Diagnostik und Planung haben dazu geführt, dass heute auch schwierige
Situationen gemeistert werden können. Hinzu kommt, dass durch den Einsatz von
Computer und spezieller Implantations-Software die Diagnostik und Planung im Zusammenhang mit dreidimensionalen Röntgenbefunden und digitalen Schnittbildern
exakter vorbereitet sowie die Pfeilerinsertion sicherer durchgeführt werden kann.
15
Der Einsatz der computergestützten Messverfahren ermöglichte auch, dass durch die
intraorale Abformung und durch den extraoralen Modellscan sekundenschnell die
Erstellung eines virtuellen Modells möglich wurde. Mittels der CAD/CAM-Technik
kann der Scanbody, die klinische Positionsmarke des Implantatpfeilers, zusammen
mit lateralen Zahnstümpfen gescannt und die passende Implantatkrone mit Abutment
konstruiert und die individuelle Angulation berechnet werden. Dr. Karl-Ludwig
Ackermann (Abb. 16), Filderstadt, Vorstandsmitglied der DGI, stellte den „Digitalen
Workflow und die Langzeitbewährung der vollkeramischen Implantatprothetik“ in seinem Referat vor (Abb. 17). Der erfahrene Implantologe erläuterte, dass mit der Digitaltechnik auch der Weg geöffnet wurde, um neue Werkstoffe für die Fertigung von
implantatgetragenen Kronen und Brückengerüsten sowie von Abutments mit individualisiertem Emergenzprofil zu nutzen.
Als entscheidende Schnittstelle zwischen dem Implantat und der prothetischen Suprastruktur bildet das Implantatabutment den sensiblen Übergang durch das
periimplantäre Weichgewebe zur Mundhöhle und zur Implantatkrone. Die Anforderungen für das Abutment sind eine hohe Stabilität, chemische Beständigkeit, sehr
gute Biokompatibilität und die Option für eine individuelle Formgebung und Achsenausrichtung. Hierbei bieten zahnfarbene Werkstoffe in der ästhetischen Zone gewisse Vorteile, wenn es unter ungünstigen strukturellen Bedingungen zu einer Freilegung der Abutment-Oberfläche kommen sollte. Als Material für Abutments und für die
prothetischen Aufbauten hat sich die Zirkoniumdioxid-Keramik (ZrO2) qualifiziert, die
ausschließlich mit Hilfe der CAD/CAM-Technik verarbeitet werden kann. Aus biologischer Sicht weist die Oxidkeramik eine günstige Gewebeverträglichkeit auf, da der
Werkstoff chemisch intert ist und – im Gegensatz zu Metalllegierungen – im sauren
Milieu nicht in Lösung geht. Studien haben gezeigt, dass die Oxidkeramik eine geringere Affinität zur Plaque hat als vergleichsweise die metallgestützte Prothetik.
Abb. 17: CAD/CAMKonstruktion einer Implantatkrone, System Cerec. Quelle: AG Keramik
16
Für die Herstellung der Implantatkrone kann laut Ackermann ZrO2 als Gerüstwerkstoff verwendet werden (z.B. Lava), weil der Werkstoff über eine hohe Biegebruchfestigkeit verfügt (Abb. 18). Als Mindestfläche für Brückenverbinder empfahl der Referent 7-8 mm2 im Frontzahnbereich, 9-12 mm2 für Konnektoren im Molarensektor. In
klinischen Studien mit verblendeten Kronen und Brückengerüsten aus ZrO2 wird von
guten Erfolgsraten berichtet; in anderen Studien wurde ein hoher Anteil von Verblendfrakturen (Chipping) auf ZrO2 festgestellt. Die Gründe waren meist eine ungenügende Höckerunterstützung durch das Gerüst, extensives Beschleifen des Gerüsts
nach der Sinterung, Verblendschichten über 2 mm Schichtdicke mit Zugspannungen
sowie eine zu kurz gewählte Abkühlphase beim Aufbrennen der Verblendkeramik.
Bei einer Untersuchung in der Praxis Ackermann im Rahmen einer Dissertation (Reichenbach, 2013) wurden 344 Verblendkronen auf ZrO2-Gerüst nach 10jähriger Liegezeit befundet. Die Überlebensrate betrug 86,3 Prozent. Die Misserfolge zeigten
Verblendfrakturen und Chippings sowohl auf implantatgetragenen Kronen als auch
Abb. 18: Implantatgetragene Brückengerüste aus eingefärbtem ZrO2 vor der Verblendung.
Quelle: Ackermann
auf überkronten, natürlichen Zähnen. Das Ergebnis legte offen, dass Verblendkronen
auf Implantaten ein höheres Risiko für Verblendfrakturen haben als Kronen auf vitalen Zahnstümpfen. Das Frakturrisiko wird beeinflusst durch die Struktur des Pfeilers
(Implantat vs. natürlicher Zahn) sowie durch die Art der Gegenbezahnung. Obwohl
die Gründe für Verblendfrakturen auf ZrO2-Gerüsten inzwischen literaturbelegt sind
und ein Rückgang der Chippings zu erkennen ist, werden heute in zunehmendem
Maße monolithische ZrO2-Kronen, also ohne Verblendung, auch auf Implantaten genutzt. Obwohl das semitransparente ZrO2 vor dem Sintern eingefärbt werden kann,
bleiben diese Kronen aus ästhetischen Gründen auf den Seitenzahnbereich beschränkt. Gute Aussichten für ZrO2-Monolithen bietet die Implantatprothetik; hier
kann wegen der fehlenden Propriozeption der Implantate bzw. der fehlenden ossären
Eigenbeweglichkeit des Enossalpfeilers das erhöhte Risiko einer Fraktur ausgeschlossen werden. Die okklusale Adjustierung muss jedoch sehr sorgfältig vorge17
nommen werden, damit keine Suprakontakte als Triggerfaktoren für Parafunktionen
entstehen.
Damit ein Implantat als erfolgreich gewertet werden kann, muss jegliche Mobilität in
der kompletten Konstruktion ausgeschlossen werden. Ob eine Implantatkrone verschraubt oder zementiert wird, hängt von der Präferenz des Behandlers und von der
vestibulo-oralen Positionierung des Implantates ab. Ein palatinal gelegener Schraubenzugang ermöglicht eine Verschraubung. Die Vorteile liegen in einem möglichen
späteren Zugang zur Schraube und in der Vermeidung von Zementresten im
periimplantären Weichgewebe. Als Nachteile sind eine größere Gefahr von
Keramikabplatzungen aufgrund der diskontinuierlichen Keramikfläche und mögliche
biomechanische und hygienische Probleme bei zu ausladenden Überhängen anzusehen.
Der Referent bevorzugt zementierte oder geklebte Suprakonstruktionen; sie erlauben
eine den anatomischen Voraussetzungen entsprechende Gestaltung der Abutments.
Mit der Verwendung von Vollkeramik, die ein weitgehend naturnahes, ästhetisches
Erscheinungsbild liefern, wird es möglich, den Präparationsrand knapp supragingival
zu legen. Damit ist ein Zugang zur Entfernung von Kleberüberschüssen gewährleistet. Für die definitive Befestigung benutzt Ackermann Polycarboxylat-Zement, der mit
813 Newton eine hohe Haftkraft bietet.
Fazit: Aufgrund der hohen Überlebensrate und der Positionsgenauigkeit computergestützt inserierter Implantate und Suprastrukturen ist der digitale Workflow in der
Lage, auch komplexe anatomische Situationen zu meistern.
Abb. 19: Priv.-Doz. Dr. Michael Stimmelmayr, Cham
Knochenvolumen stabilisieren als Voraussetzung
PD Dr. Michael Stimmelmayr, niedergelassener Zahnarzt, Oralchirurg und
Implantologe in Cham (Abb. 19), begründete die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation, bevor er unter dem Thema „Korrekturen missglückter implantatprothetischer Frontzahnversorgungen“ Patientenfälle mit schwierigen Rekonstruktionen aus der eigenen Praxis vorstellte.
Ziel der Implantat-Versorgung ist, die Kaufunktion wieder herzustellen – ferner durch
das Schließen von Lücken auch ein ästhetisches Zahnbild nach dem natürlichen
18
Vorbild zu erlangen. Herausforderungen für den Behandler entstehen dadurch, dass
nach Zahnverlusten der Kieferknochen an Volumen verliert. Bei der Extraktion kommt
es zu einem Abriss der Sharpey'schen Fasern; dadurch verliert der Bündelknochen
seine Funktion und wird resorbiert (Cardaropoli et al., 2005). Die transversale Resorption kann nach drei Monaten 3,8 mm, die vertikale Resorption 1,2 mm betragen.
Nach 12 Monaten kann der ossäre Verlust auf 6,1 mm (transversal) ansteigen, wobei
zwei Drittel der Resorption auf den bukkalen Bereich entfallen. Ferner führen zu dünne bukkale Knochenlamellen an den späteren Implantatrekonstruktionen oftmals zu
Rezessionen und somit auch zu Weichgewebedefiziten, die im Nachhinein nur sehr
schwer korrigiert werden können (Grunder, 2000; Hämmerle et al., 2004; Schropp et
al., 2003). Der Bündelknochen ist entscheidend an den Heilungsvorgängen in der
Extraktionsalveole beteiligt (Araujo et al, 2005). Da stets ein bestimmter Anteil der
inneren Alveolenwand aus Bündelknochen besteht, weisen dünne parodontale Biotypen bukkale Lamellen auf, die fast vollständig aus Bündelknochen bestehen und
nach Zahnentfernung vollständig resorbieren (Schmidlin et al., 2004). Es muss daher
bei dünnen parodontalen Biotypen - vor allem mit prominent im Alveolarknochen stehenden oberen Frontzähnen – mit massiven horizontalen und vertikalen Resorptionen gerechnet werden. Überdies kommt es im Rahmen der natürlichen
Alveolenheilung zu einer Verlagerung der mukogingivalen Grenze und zur Abflachung der Interdentalpapillen sowie der fazialen Kontur des Alveolarfortsatzes (Buser
et al., 2004;Terheyden et al., 2006).
Ziel der Alveolenheilung ist die Erhaltung des Hart- und Weichgewebes nach Zahnextraktion. Dies ist Voraussetzung für die Schaffung eines idealen Emergenzprofils,
besonders im leicht einsehbaren, ästhetisch sensiblen Frontzahnbereich. In ästhetischer Hinsicht fokusiert die Behandlung auf eine präzise Einstellung der Gingivahöhe
auf der fazialen Seite, die dauerhaft erhalten bleiben soll. Die faziale Knochenschulter ist die Basis der bukkalen Gingivaanheftung und definiert damit die rot-weiße Ästhetik. Narben müssen aufgrund ungünstiger Inzisionen vermieden werden (Grunder,
2009); sie sind Merkmale einer schlechten Wundheilung und ergeben ein fast nicht
mehr mobilisierbares Gewebe. War bis vor wenigen Jahren ein Knochendefizit noch
eine absolute Kontraindikation für eine Implantatinsertion (Spiekermann, 1990), so
konnte durch die gesteuerte Knochenregeneration (GTR) das Spektrum der
Implantologie deutlich erweitert werden (Buser et al., 1990). Nach Zahnverlust wurde
bisher die verzögerte Sofortimplantation bevorzugt, um eine teilweise Weichgewebeund Knochenheilung zu erreichen (Hämmerle et al., 2004). Dabei wurde je nach
Größe und Morphologie des Knochendefekts ein einzeitiges oder zweizeitiges,
augmentatives und implantologisches Vorgehen durchgeführt (Feher et al., 2000).
Wurde anfänglich mit Zeltpfosten-Konstruktionen zum Volumenerhalt und mit
Membrantechniken gearbeitet (Buser et al., 1993), so wurde schnell erkannt, dass
mit Knochenersatzmaterial oder Knochentransplantaten bessere Ergebnisse hinsichtlich des Volumengewinns erzielt werden konnten (Buser et al., 2004). Durch Augmentation in die Alveole ist es möglich, den horizontalen Knochenverlust im Bereich
der Alveole um ca. 60 Prozent zu reduzieren (Weng et al., 2011) (Abb. 20). Autologe
Knochentransplantate werden aus der näheren Umgebung, aus der RetromolarRegion oder dem Kinnbereich entnommen (Garg, 2006; Schlegel, 1996), mittels der
Schalentechnik crestal verschraubt und mit einer resorbierbaren Membran geschützt,
um Zellen aus dem angrenzenden Weichgewebe daran zu hindern, in den Defekt zu
proliferieren. Der primäre Weichgewebeverschluss wird mit einem koronalen Ver19
schiebelappen erzielt (Becker et al., 1990); dieses kann jedoch zu einer Verschiebung der mukogingivalen Grenze und somit zu einer Ästhetikeinbuße führen.
Abb. 20: Kollagen-Membran zur Abdeckung des Augmentats in situ.
Strukturerhalt und langfristige Gewebestabilität
Um der Knochen- und Weichgeweberesorption innerhalb der ersten drei bis vier Monate entgegen zu wirken, empfiehlt sich zeitgleich bei Zahnentfernung die RidgePreservation-Technik - der Wiederaufbau des Knochens - in Kombination mit einer
Alveolendeckung (Socket-Seal-OP) durchzuführen (Lekovic et al., 1997; Stimmelmayr et al., 2009). Über den Zugang der Alveole kann minimalinvasiv, ohne zusätzliche Lappenbildung, eine Augmentation durchgeführt werden. Bei dieser Technik wird
vor dem Auffüllen der Alveole mit resorbierbarem Knochenersatzmaterial oder
autologem Knochen bukkal eine resorbierbare Kollagenmembran zwischen Periost
und Knochenoberfläche eingebracht. Diese Augmentation kann minimalinvasiv über
den Zugang der Alveole ohne zusätzliche Lappenbildung durchgeführt werden Stimmelmayr et al., 2010). Hierdurch kann eine Knochenresorption und ein später notwendiger, großer koronaler Verschiebelappen-Eingriff verhindert werden. Diese minimalinvasive Technik ohne Lappenabklappung beugt einer weiteren Resorption vor,
da jegliche Deperiostierung des Knochens zum Verlust von Hartgewebe führen würde (Fickl et al., 2008).
Das Socket-Seal-Verfahren mit kombinierten Bindegewebe-SchleimhautTransplantaten zum Verschluss von Extraktionsalveolen mit einstieligen Transplantaten ist aufgrund der nicht notwendigen Lappenbildung deutlich weniger invasiv und
durch die zusätzliche Weichgewebevermehrung und Stabilisierung in der ästhetischen Zone zu bevorzugen (Iglhaut et al., 2006). Dieses Verfahren wurde von Stimmelmayr mit zweistieligen Transplantaten weiterentwickelt (Stimmelmayr et al., 2010)
(Abb. 21). Neben einem besseren Gefäßanschluss kommt es zu einer Verdickung
der bukkalen Weichgewebe (Abb. 22). Dies ist in der ästhetischen Zone zur Ausformung eines natürlichen Emergenzprofils von großer Bedeutung. Außerdem stützt der
Weichgewebeverschluss der Extraktionsalveole die benachbarten Papillen und beugt
einer Schrumpfung der ortständigen, befestigten Gingiva vor (Iglhaut et al., 2006;
Landsberg, 1997; Landsberg et al., 1994; Seibert et al., 1996; Terheyden et al.,
2006).
20
Abb. 21: Kombiniertes SchleimhautBindegewebe-Transplantat, entnommen am harten Gaumen.
Abb. 22: Das Transplantat verschließt
den Zugang zur Alveole ohne Lappenbildung (Socket-Seal) und verdickt die bukkale Gingiva.
Ein entscheidender Prozess ist die prothetisch orientierte Insertion des Implantats;
deshalb müssen die Implantatpfeiler in der korrekten dreidimensionalen Position
platziert werden. Dabei soll das Implantat mit seiner Schulter in mesio-distaler, in
korono-apikaler und in oro-fazialer Richtung in die sogenannten Komfortzonen platziert werden (Wittneben et al., 2013). Die Freilegung des zweizeitigen Implantats
wirdheute nach 3-5 Monaten mit graziler Lappentechnik durchgeführt, um die Morbidität des Patienten gering zu halten. Anschließend erfolgt die provisorische Versorgung mit dem Ziel der Weichgewebskonditionierung (Buser et al., 2013). In der ästhetischen Zone sind Implantate, die auf Knocheniveau inseriert sind, von Vorteil, da
diese mehr prothetische Freiheit ermöglichen und unter anderem auch eine individuelle Gestaltung des Mukosa- und Emergenzprofils erlauben.
Suprastruktur stützt Weichgewebe
Die Zahnästhetik beruht auf dem Zusammenspiel der Zähne und der Gingiva. Deshalb ist der Übergang der prothetischen Versorgung zur Gingiva eine wichtige
Schnittstelle in der Implantologie. Diese Schnittstelle, das Austrittsprofil der Suprastruktur, ist aus ästhetischer und biologischer Sicht von entscheidender Bedeutung.
Nachträgliche Korrekturen sind in diesem Bereich nur selten erfolgreich.
Nach Freilegung des Implantats ist das Austrittsprofil kreisrund und entspricht nicht
der natürlichen Form eines Zahns. Die periimplantäre Weichgewebearchtitektur wird
21
durch die Weichteilkonditionierung gestaltet, z.B. durch die dynamische Kompressionsmethode (Wittneben et al., 2013). Dabei wird in den ersten Wochen durch eine
Konturierung des Provisoriums Druck auf die periimplantäre Mukosa ausgeübt und
das Emergenzprofil ausgeformt. Das Mukosa- und Emergenzprofil werden durch Anfertigung eines individuellen Abformpfostens registriert und auf das Meistermodell
übertragen (Joda et al., 2013). Transgingivales Verbindungselement zwischen Implantat und der implantatgetragenen Krone ist das Abutment; es bewerkstelligt bei
zweigeteilten Implantaten den Übergang, die Gewebsformung und die Ästhetik durch
das Emergenzprofil (Abb. 23). Funktionell sichert es den Verbund zum
Implantatkörper unterhalb des Knochenniveaus, retiniert durch eine Schraub-, Klebe, Zementierungs- oder frikativ wirkende Konussteckverbindung. Sowohl auf der Ebene der Implantatschulter als auch im Kontaktbereich zur Rekonstruktion ist ein spaltfreier Übergang anzustreben, um bakterielle Belastungen im sensiblen Umgebungsbereich auszuschließen.
Abb. 23: Gingiva-formendes Abutment aus
ZrO2 in situ. Quelle: Quelle Abb. 19-23: Stimmelmayr
Risiken der Implantation
Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Implantaten ist in der Literatur gut dokumentiert. In Abhängigkeit von der Knochenqualität wurden in einer retrospektiven Studie
nach sieben Jahren eine kumulative Erfolgsrate bis zu 94 Prozent ermittelt (Friberg et
al., 2008). Bei zuvor augmentierten Knochen wurde nach fünf Jahren 88 Prozent Erfolgsrate festgestellt (Levin et al., 2006). Neben technischen Komplikationen können
auch biologische Ereignisse die Erfolgsrate beeinflussen. Dazu zählen Mukositis und
Periimplantitis; letztere kann zum Knochenverlust um das Implantat führen. Angaben
zur Prävalenz der Periimplantitis variieren stark. Im Zeitraum von 9-14 Jahren zeigten
16 Prozent von untersuchten Implantaten Anzeichen von Periimplantitis mit 3 mm
Knochenverlust (Roos-Jansaker et al., 2006). Der Anteil der Probanden mit
Perioimplantitis betrug 56 Prozent. Vertikale Augmentate mit autologem Knochen
und Membran erzielten einen Knochenzuwachs von durchschnittlich 5 mm (Tinti et
al., 1996). Eine Übersichtsarbeit wies den Knochenzuwachs durch Augmentate mit 28 mm aus (Rocchieta et al., 2008). Die Überlebensraten im augmentierten Knochen
sind jedoch deutlich geringer als im nicht augmentierten Knochen (augment. 75 Prozent, non-augment. 84 Prozent; Becker et al., 2004). In einer Metaanalyse zu augmentierten Knochen lag die Erfolgsrate nach fünf Jahren zwischen 79 und 100 Prozent (Hämmerle et al., 2002). Auch das Ausmaß der Resorption hat Einfluss auf die
Langzeitprognose. Eine Studie wies innerhalb von drei Jahren einen Knochenverlust
22
bis zu 5 mm nach (Rocchietta et al., 2008). Misserfolge können auch Dehiszenzen,
Augmentatsverluste und statische sowie dynamische Fehlbelastungen auslösen. So
führt die Überlastung des Implantats zu einen plötzlichen Verlust der
Osseointegration (Isidor, 1996).
Stimmelmayr stellte im Referat einen jugendlichen Überweisungs-Patienten vor, bei
dem Zahn 12 alieno loco bereits implantiert war. Aufgrund einer Wundheilungsstörung wurde alieno loco 2 Wochen nach der Implantation buccal ein erneuter Lappen
gebildet und nachaugmentiert. Das nachträglich eingebrachte Knochenaugmentat
führte erneut zu einer Entzündung und war weder eingeheilt noch ossifiziert (Abb.
24). Das Augmentatgranulat hatte die Mukosa durchbrochen und eine
Wunddehizenz ausgelöst (Abb. 25). Durch die fehlende ossäre und weichgewebliche
Stabilität kam es zum implantologischen und dentogenen Misserfolg. Therapeutisch
angezeigt, wurden für die Ausheilung der Infektion das Implantat und das eingebrachte Augmentat von Stimmelmayr entfernt. Die Wunde wurde primär der Spontanheilung überlassen (Abb. 26). Angesichts des Knochendefektes bukkal auch an
der Wurzel von Zahn 11 kam es jedoch nicht zu einem vollständigen Wundverschluss. Dieser musste mittels eines Gingivatransplantates und Tunneltechnik reali-
Abb. 24: Dehiszentes Wundgebiet 3 Wochen nach Implantatsetzung und 1 Woche nach bukkaler Nachaugmentation (alieno loco
durchgeführt).
Abb. 25: Knochendefekt nach Membranund Augmentatentfernung mit freiliegendem Implantat regio 12 und freiliegender Wurzel
Zahn 11.
23
Abb. 26: Sekundäre Wundheilung nach
Implantatentfernung mit partiell freiliegender Wurzel Zahn 11.
Abb. 27: Lappenbildung mittels Tunneltechnik zum Defektverschluss mit einem Bindegewebe-Transplantat.
siert werden (Abb. 27). Alternativ hätte es eines größeren Blockaugmentats bedurft,
welches aufgrund des Knochendefektes an Zahn 11 eine sehr fragliche Prognose
gehabt hätte. Außerdem wären daraus plastische Deckungsprobleme mit entsprechender Narbenbildung entstanden.
Abb. 28: Bindegewebs-Transplantat zum
Defektverschluss in situ.
Nach erfolgter Einheilung des Gewebetransplantats (Abb. 28-30) blieb jedoch ein
deutlicher Knochenverlust erkennbar, so dass eine erneute Implantation nicht möglich war. Als sinnvollste Möglichkeit blieb, die Lücke regio 12 mit einer einflügeligen
24
Adhäsivbrücke zu verschließen. Hierzu wurde der Schmelz von Zahn 13 palatinal
minimalinsasiv präpariert, ein graziles Gerüst aus ZrO2 mit Flügel gefertigt und bukkal verblendet. Die Befestigung erfolgte mit Monophosphatkleber (Abb. 31). Das 2Jahres-Recall zeigte stabile klinische Verhältnisse. Mit der Adhäsivbrücke blieb die
Option langfristig erhalten, nach Rehabilitation der Knochensituation wiederum ein
Implantat zu inserieren.
Abb. 29: Das chirurgische Ergebnis nach
der Einheilung des Bindegewebs-Transplantats.
Abb. 30: Klinische Situation nach 3 Monaten. Der zurückgebliebene Knochenverlust am Zahn 11 schloss eine erneute Implantation
aus. Eine Adhäsivbrücke war die sinnvollste Lösung für den Lückenschluss.
Abbildung 31: 1-flügelige Adhäsivbrücke,
befestigt an Zahn 13, zum Lückenschluss. Quelle Abb. 19-31: Stimmelmayr.
25
Preisgekrönter Blick in die Praxis
Für Zahnärzte und Zahntechniker hatte die AG Keramik erstmalig einen VideofilmWettbewerb ausgeschrieben. Die 3-Minuten-Videos sollten das klinische und technische Procedere bei der Behandlung und Herstellung von vollkeramischen Restauration zeigen und kommentieren. Besonders praktische Tipps und Tricks bei der Vorgehensweise waren erbeten. Der 1. Preis ging an die Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg, Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, unter der Leitung von Frau PD Dr.
Petra Güß unter Mitwirkung von Dr. Markus Sperlich und Dr. Christian Selz für das
Video „Lithiumdisilikat – ein Allrounder“ (Abb. 32). Den 2. Preis erhielten für das Video „Minimalinvasiver Lückenschluss“ das Autorenteam von der Universität Tübingen, Frau Dr. Andrea Klink und Dr. Fabian Hüttig. Der Film „Intraorale Passkontrolle“
von Dr. Andreas Söhnel, Universität Greifswald, wurde mit dem 3. Preis belohnt.
Abb. 32: Den Videofilm-Preis 2013 überreichte Dr. Reiss (AG Keramik) den erstplazierten
Gewinnern Dr. Markus Sperlich, Frau PD Dr. Petra Güß, Dr. Christian Selz (v.l.n.r.) von der
Universität Freiburg. Quelle: AG Keramik
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Manfred Kern, Wiesbaden - Schriftführung AG Keramik
[email protected] www.ag-keramik.de
Im Januar 2013
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