Die älteste Stadt der Niederlande

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Die älteste Stadt der Niederlande
Nijmegen ist die älteste Stadt unseres Landes. Forschungen nach den Bruchstücken
des Götterpfeilers, gefunden auf dem Platz vor dem Museum Het Valkhof, haben klar
gemacht, dass die Stadt bereits im Jahre 17 nach Christus ein wichtiger Ort gewesen
sein muss. Frühere Forschungen hatten schon erwiesen, dass Nijmegen ca. im Jahr
100 Stadtrecht erhielt. Nijmegen hatte also schon ihre Gründe, vor zwei Jahren 2000
Jahre Leben, 1900 Jahre Stadt zu feiern. Wir wollen mal sehen, wie es der Stadt in
diesen 2000 Jahren ergangen ist.
Nijmegen in der römischen Zeit
Am Anfang unserer Zeitrechnung wurde Nijmegen dank ihrer günstigen Lage eine
nördliche Grenzstätte des römischen Reiches. Die Bataver, die hier schon früher
wohnten, wurden Bundesgenossen der Römer. Als Verbündete genossen sie
bestimmte Privilegien; so wurden sie von der Steuerzahlung befreit. Aus Grabungen
ist hervorgegangen, dass die Römer kurz vor der Zeitwende auf dem Hunnerberg ein
Heerlager aus holz einrichteten, groß genug für zwei Legionen (12.000 Männer). Auf
dem noch höher gelegenen Kops Plateau bauten sie einen Kommandoposten. Auf
dem heutigen Valkhof entstand eine römisch-batavische bürgerliche Siedlung: das
Oppidum Batavorum (Stadt der Bataver). An dieser Stelle wurden 1980 Bruchstücke
eines römischen Götterpfeilers gefunden. Diese stammen aus dem Jahr 17, und sind
der Beweis dafür, dass Nijmegen die älteste Stadt der Niederlande ist.
Im Jahr 69 kam es zur Revolution der Bataver, unter Anführung des Adligen Julius
Civilis. Ihre alten Privilegien wurden immer mehr angegriffen. Anfangs war der
Aufstand erfolgreich, doch schon bald wendete sich das Blatt zugunsten der Römer.
Civilis wurde bij Xanten geschlagen. Er floh und zog zurück auf das Oppidum
Batavorum, das er dann tauschte für das, was jetzt die Betuwe ist, allerdings nicht
bevor er das Oppidum geplündert und niedergebrannt hatte.
Nach dem Bataveraufstand errichteten die Römer im Jahr 71 ein neues Lager auf
dem Hunnerberg, die Castra (Truppenlager) der Zehnten Legion Gemina. Zur
gleichen Zeit legten sie an der Stelle des heutigen Waterkwartier eine komplett neue
Stadt an: Ulpia Noviomagus Batavorum (Neuer Ulpischer Markt im Land der
Bataver). Ulpia verweist auf den Familiennamen von Marcus Ulpius Trajanus, dem
Kaiser, der ca. im Jahr 100 Nijmegen das Stadt- und Marktrecht verlieh. Vom
römischen Namen Noviomagus wurde der heutige Name Nijmegen abgeleitet. Den
Namen Noviomagus (Noviomagi) findet man wieder auf der sogenannten Peutinger
Karte, einer mittelalterlichen Kopie von einer römischen Armeekarte.
Um 270 herum verließen die Römer die Stadt im Westen. Es fiel ihnen immer
schwerer, die Grenzen ihres Reiches zu verteidigen. Im 4. Jahrhundert konnte
Konstantin der Große das Chaos an den Grenzen seines Reiches beenden. Im
Rahmen dessen wurde das Gelände des heutigen Valkhof neu eingerichtet. Man
baute ein Castellum (Fort), mit tiefen, breiten Gräben. Anfangs hielten sich dort vor
allem die römischen Truppen auf, später aber immer mehr die fränkische
Mannschaft, die bei der Verteidigung der Reichsgrenzen half. Das Castellum stand
mit einem Wachposten in Heumensoord in Verbindung. Am östlichen Kai der Waal
wurde eine verstärkte Siedlung gebaut. Auch im Waterkwartier, wo sich früher die
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Stadt Ulpia Noviomagus befand, fand man Spuren von Bewohnug vor. Am Anfang
des 5. Jahrhunderts erlagen die römischen Reichsgrenzen endgültig den
germanischen Einfällen, und die Römer verschwanden lautlos von der Nijmegener
Bildfläche.
Nijmegen Karlsstadt
Das Castellum auf dem Valkhof ging ca. 500 in fränkische Hände über. Aus
Grabresten in der Umgebung der Mariënburg ist hervorgegangen, dass Nijmegen
nach dem Abgang der Römer bewohnt geblieben ist. Es wurden Münzen
vorgefunden, welche hier um 600 herum geprägt worden sind. Auch gibt es Beweise
dafür, dass es in Ubbergen damals eine Töpferei gegeben hat.
Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich die älteste Kirche von Nijmegen, auf dem
Valkhofhügel, und dem ersten Märtyrer des Christentums, St. Stephan, gewidmet.
Sankt Stephan wurde ab dieser Zeit der Schutzheilige von Nijmegen.
Im 8. Jahrhundert gehörte Nijmegen wiederum zu einem großen Reich. Karl der
Große machte Numaga, wie die Stadt damals hieß, zu seiner nördlichst gelegenen
Residenz. An der Stelle des ehemaligen Castellum ließ er eine Pfalz errichten. Die
karolingischen Fürsten kannten noch keine feste Residenz, aber ab 777 besuchte
Karl öfters die Pfalz, um dort die Ostertage zu verbringen, Gesandte zu empfangen,
Besprechungen zu führen oder Urkunden zu erlassen. Dank Karl dem Großen
schmückt Nijmegen sich immer noch mit dem Namen Karlsstadt oder Kaiserstadt.
Die Burg wurde mehrmals zerstört und wieder aufgebaut. Nach den jüngsten
Ansichten wurde dort ca. 1050 im Auftrag des salischen Kaisers Heinrich III. die St.
Nikolauskapelle gebaut. Die Kapelle ist erhalten geblieben und weist starke Parallele
mit der Pfalzkapelle in Aachen auf, die im Auftrag von Karl dem Großen gebaut
wurde. Die Verehrung von St. Nikolaus, von der die Kapelle ihren Namen herleitete,
soll ein Jahrhundert früher in Nijmegen und Umgebung eingeführt worden sein von
der byzantinischen Prinzessin Theophanu, die als Gattin des Kaisers Otto II.
Nijmegen öfters besuchte. Die Legenden vom hl. Nikolaus, wie es die im
byzantinischen Reich gab, sollen der örtlichen Bevölkerung von der Hofhaltung der
Prinzessin überliefert worden sein.
Im Jahr 1155 errichtete Friedrich Barbarossa, der Karl den Großen als sein großes
Vorbild betrachtete, an der Stelle der karolingischen Pfalz eine neue Burg mit einem
imposanten Riesenturm in der Mitte. Diese Burg, von der die Barbarossaruine oder
St. Martinskapelle jetzt noch übrig geblieben ist, hat das Stadtbild bis Ende des 18.
Jahrhunderts dominiert.
Von Reichsstadt bis zur geldrischen Stadt
Im späten Mittelalter entstanden die großen Flüssen entlang wohlhabende
Handelsstädte. Auch Nijmegen entwickelte sich vom Waalufer aus von einer kleinen
Handelssiedlung zu einer blühenden Stadt. Dass sie zu einem so wichtigen
wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum wachsen konnte, verdankte sie
hauptsächlich ihrer günstigen Lage an einer Kreuzung von Land- und
Wasserstraßen. Außerdem war die Stadt von fruchtbarem Flußklei umgeben. Die
örtliche Landwirtschaft lieferte genug Nahrung für die wachsende Bevölkerung.
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Im 13. Jahrhundert fiel das Heilige Römische Reich immer mehr in Herzogtümer und
Grafschaften auseinander. Der Einfluß des Kaisers nahm demzufolge ab. Nijmegen,
inzwischen wichtiges Handelszentrum sowie kaiserliche Residenz, wurde 1230 vom
römischen König Heinrich VII. das gleiche Stadtrecht verliehen wie Aachen: sie
wurde eine freie Reichsstadt mit einer eigenen Verwaltung und einer eigenen
Jurisdiktion, unmittelbar dem Kaiser untergeordnet. Kurz danach, im Jahre 1247,
geriet die Stadt aber in geldrische Hände: Graf Otto II. von Geldern und Zutphen
bekam sie als Pfand vom bedürftigen römischen König Wilhelm II. Da das Darlehen
von 16.000 Marken nie bezahlt wurde, blieb Nijmegen geldrisch.
Die Geschichte von Geldern hatte 878 mit der gleichnamigen Siedlung angefangen.
Im 11. jahrhundert entstand um diese Siedlung die Grafschaft Geldern, die
letztendlich aus vier Quartieren bestand, von denen Nijmegen eins war.
Erste Stadt von Geldern
Durch den Grafen Otto II. konnte Nijmegen sich weiter entwickeln. Unter seiner
Herrschaft wurde die Stadt zum ersten Mal ummauert, und wurde die Burg verstärkt.
Da die alte Pfarrkirche dem Ausbau der Burg im Wege stand, wurde sie abgerissen
und es erschien eine neue Kirche auf dem noch fast unbebauten Hundisberg. Die
Weihe der St. Stephanskirche im Jahre 1273, von Albertus dem Großen, ist ein
Meilenstein in der Entwicklung der Stadt. Nijmegen hatte nun eine starke Burg,
Stadtmauern, eine große Pfarrkirche, verschiedene Klöster, einen Hafen mit
Lagerhäusern und eine Zahl von sogenannten Stadtschlössern, bewohnt von reichen
Handelsleuten und Notabeln. Die Kaufleute von Nijmegen unterhielten enge
Beziehungen mit Paris und den flämischen Städten, den damaligen wirtschaftlichen
Zentren der Welt.
Im 14. Jahrhundert erreichte die Stadt einen vorläufigen Höhepunkt. Das Rathaus,
das Fleischhaus und die Waage zogen vom Waalufer zum oberen Teil der Stadt. Die
Stadtmitte bekam ihre endgültige Form, da sich die Macht nun auch in
verwaltungsmäßiger und wirtschaftlicher Hinsicht auf dem Hundisberg und
Umgebung konzentrierte. Die älteste Quelle, in der ein Rathaus an der Ecke
Burchtstraat und Lange Nieuwstraat erwähnt wird, datiert von 1395. Der Platz
zwischen Kirche und Rathaus wurde als Marktplatz eingerichtet: der heutige Grote
Markt. Schon im Jahr 1310 gab es am St. Stevenskerkhof eine Lateinische Schule.
Nijmegen war damals die wichtigste Stadt von Geldern. Sie mischte sich immer mehr
in die interne geldrische Politik ein, in der sie schließlich eine führende Rolle
eroberte.
Im 15. Jahrhundert wuchs sie sogar zu einer der wichtigsten und dichtest bevölkerten
Städte der Niederlande. Arnhem und andere geldrische Städte blieben weit hinter ihr
zurück. Die Bevölkerungszunahme erforderte eine neue Ummauerung, deren Reste
sich jetzt noch im Hunner- und Kronenburgerpark vorfinden. Auch der
Stratenmakerstoren und die Lieve Vrouwenpoort an der Waalkade gehören zu dieser
Ummauerung des 15. Jahrhunderts.
1402 trat Nijmegen dem mächtigen Hansebündnis bei, einem Netz von Städten, das
vor allem den Handel mit den Ostseeländern förderte. Die Kaufleute und Schiffer von
Nijmegen, wie die Handwerksleute, organisierten sich in Zünften, deren Handel und
Wandel weitgehend von den Stadtbehörden bestimmt wurde. Das Verhältnis
zwischen den Stadtbehörden und den Zünften änderte sich mit der Gründung der
Sinterclaesgilde: einer Gemeinschaft der wichtigsten Zünfte, die ab ca. 1425 die
Stadtbehörden wie eine Art von Rechnungsamt kontrollierte. Die Sinterclaesgilde
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bekam immer mehr Einfluss auf die Behörden. Anfang des 16. Jahrhunderts
bestimmten die Claesmeister sogar die Wahl der Ratsmitglieder.
Die Zahl der Kirchen und Klöster nahm im späten Mittelalter stark zu, während sich
die bestehenden Kirchen und Klöster vergrößerten. Auf dem Mariënburgplein steht
noch die von 1431 datierende Kapelle der Schwestern der Kongregation von
Windesheim, die das zur Kapelle gehörende Kloster bewohnten. An der Stelle des
Nonnenklosters wurde 1823 ein (Waffen)arsenal gebaut, das bis vor sechs Jahren
als Stadtarchiv eingerichtet war.
Blühendes kulturelles Leben
Der Reichtum der Stadt förderte die Kunst. Im 15. Jahrhundert gibt es davon
zahlreiche Beispiele. So hat hier eine Künstlerfamilie Maelwael gewohnt, aus der die
berühmten Brüder Van Limburg hervorgegangen sind. Obwohl sie ihre Kunstwerke in
Frankreich herstellten, blieben sie mit ihrer Vaterstadt verbunden (Archivalien aus
dem Regionaal Archief Nijmegen haben das nachgewiesen). Die Brüder Herman,
Paul und Johan van Limburg wurden ca. 1400 von ihrem Onkel, dem Maler Johan
Maelwael, nach Frankreich geholt. Sie traten dort die Stelle an beim burgundischen
Herzog Philips de Stoute (der Kühne), der kurz danach starb. Sein Bruder, Herzog
Jean de Berry, nahm die Brüder dann in seine Obhut, und für ihn machten sie ihre
besten Werke: die Stundenbücher Les Belles Heures und Les Très Riches Heures.
Nijmegen war damals kein wichtiges Zentrum der Wissenschaft. Dennoch haben
einige Gelehrte Geschichte gemacht, wie z.B. Willem van Berchen. Er war der
Verfasser der Gelderse kroniek, der ersten historischen Arbeit über das Herzogtum.
Auf dem Gebiet der Buchdruckerkunst hatte Nijmegen auch etwas vorzuweisen,
denn der erste niederländische Drucker stammte aus dieser Stadt. Sein Name war
Gherard van Leempt. Im Jahr 1471 gründete er eine Druckerei in Utrecht, 1479
kehrte er in die Waalstadt zurück und in demselben Jahr gab er das erste Buch in
Nijmegen heraus.
Vom Anfang des 16. Jahrhunderts datiert der erste Druck des Mirakelspiels Mariken
van Nieumeghen. Der Verfasser ist unbekannt. In dem Stück, in dem es sich handelt
über im Mittelalter beliebte Themen wie Verführung, Sünde und Vergebung, wird
auch die politische Streit in Geldern in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
erwähnt.
Ende der geldrischen Selbständigkeit
Das Venloer Traktat von 1543 setzte der Selbständigkeit des Herzogtums Geldern
ein Ende. Das Traktat, das von dem habsburgischen Kaiser Karl V., dem Herzog und
den geldrischen Städten unterschrieben wurde, vereinigte das Herzogtum mit den
übrigen niederländischen Provinzen. Für Nijmegen bedeutete das das definitive
Ende ihrer führenden Rolle in der geldrischen Politik. Die zentralistische Politik der
neuen Machthaber zerrüttete die jahrhundertealte Autonomie der Stadt, wenn sie
auch versuchte, sich der Zentralgewalt in Brüssel zu entziehen, indem sie sich immer
wieder auf ihren ehemaligen Status einer freien Reichsstadt berief.
Karl V. verstärkte die Position von Arnhem als Regierungszentrum von Geldern. In
dieser Stadt gründete er den Hof von Geldern und Zutphen, sowie das
Rechnungsamt. Mitte des 15. Jahrhunderts hatte bereits Arnold von Geldern Arnhem
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zum Verwaltungszentrum seines Herzogtums gemacht. Auch der spätere Herzog
Karl von Geldern zog Arnhem vor Nijmegen, wahrscheinlich weil dort die
Bevölkerung der herzoglichen Macht wohlwollender gegenüberstand als die
eigensinnigen Einwohner von Nijmegen, mit ihrer Vergangenheit als freie
Reichsstadt. Als im 19. Jahrhundert der neue Einheitsstaat in Provinzen unterteilt
wurde, wurde Arnhem denn auch die Hauptstadt der Provinz Gelderland.
Garnisonsstadt: das 16. und 17. Jahrhundert
Mit dem Aufstand von 1568 brachen unruhige Zeiten an für die Stadt, die
abwechselnd spanisch uns ‘staats’ war, bis sie im Jahre 1591 vom Prinzen Mauritz
endgültig den Spaniern abgenommen wurde. Diese sogenannte Reduktion von
Nijmegen bedeutete eine grundsätzliche Änderung in den politischen und religiösen
Verhältnissen in der Stadt. Die Reformierten sollten in den nächsten Jahrhunderten
den Ton angeben. Allen anderen Glaubensgemeinschaften wurden Restriktionen
auferlegt. Sie durften ihre Religion nicht öffentlich ausüben, und die meisten Berufe
und öffentlichen Stellungen waren für sie gesperrt. Teils ging auch die städtische
Autonomie verloren: die Stadtverwalter wurden meistens vom Statthalter ernannt.
Dagegen wurde von der städtischen Elite dauernd Einspruch erhoben. In mancherlei
Hinsicht aber blieb der Stadtstaat mit den meisten seiner Funktionen und Aufgaben
bestehen. So behielt die Stadt ihr eigenes Steuersystem, und konnte sie nach wie
vor ihre Einkünfte nach eigenem Willen verwenden.
Die wirtschaftliche Position der Stadt änderte sich tiefgreifend. Nijmegen wurde eine
Garnisonsstadt an der Ostgrenze der Republik, mit lediglich einer lokalen und
regionalen Handelsfunktion. Ihre von jeher starke Position, vor allem im
Durchfuhrhandel nach Osten, verschwand. Obwohl es für Nijmegen zur Zeit der
Republik bessere und schlechtere Zeiten gab, sollte sie ihre alte Position nie
wiedergewinnen.
1635 war ein ausgesprochen schwarzes Jahr. Es brach eine Pestepidemie aus, der
nach der Überlieferung 6000 Einwohner erlagen, die Hälfte der totalen
Stadtbevölkerung. Bei der Bekämpfung der Krankheit spielte der begabte
Nijmegener Arzt IJsbrand van Diemerbroeck eine wichtige Rolle. Er schrieb seine
Erfahrungen in einer wichtigen Publikation nieder, die mit Sicherheit zur Eindämmung
der Seuche in Europa beigetragen hat. Siehe da die Grundlage der heutigen City of
Health.
Nicht alles war Kummer und Sorge. Die Stadt verfügte, sei es vorübergehend, sogar
über eine eigene Universität, die Kwartierlijke Academie, untergebracht in der
ehemaligen Commanderie van St. Jan am Korenmarkt. Nijmegen blieb ein
verlockender Standort für Verleger, Buchhändler und Drucker. Erfolgreich war auch
die Glasbläserei, die sich 1658 in der Kapelle des ehemaligen St. Jacobsgasthuis
niederließ.
Im Jahr 1678 war Nijmegen kurz das Zentrum Europas, als hier die
Friedensbesprechungen stattfanden, die zum Frieden von Nijmegen geführt haben,
einer Reihe von Verträgen zwischen verschiedenen europäischen Staaten, welche
den fortwährenden Spannungen in Europa ein Ende setzen sollten. Die Stadt füllte
sich mit ausländischen Gesandten, die Unterkunft suchten. Vor allem der
gewerbliche Mittelstand von Nijmegen profitierte von ihrer Anwesenheit. Stille
Zeugen der Verhandlungen waren die schönen Wandteppiche aus Antwerpen, die
(zum Teil) noch immer das Rathaus schmücken.
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Garnisonsstadt: das 18. Jahrhundert
Das 18. Jahrhundert war eine Zeit der wiederkehrenden politischen Streitigkeiten.
Regelmäßig trat der unterschwellige Widerstand gegen die herrschenden
Regentenfamilien zutage. Im Anfang des Jahrhunderts ersetzte die neue Garde die
alte, aber die neuen Verwalter unterschieden sich kaum von ihren Vorgängern. Mitte
des 18. Jahrhunderts gingen der Erhebung Wilhelms IV. zum Erbstatthalter von
Geldern heftige Aufregungen unter dem gemeinen Volke gegen die Behörden
voraus. Auch diese führten nicht zu strukturellen Änderungen. In den 80er Jahren
(während der Patriotenzeit) wurde die Stadtverwaltung abermals zum Ziel: die Bürger
forderten mehr Einfluss in der lokalen Machtstruktur. Auch die hintangesetzten
Katholiken fingen an, sich zu empören. Die etablierte Ordnung fühlte sich aber stark
genug, nicht auf die Forderungen der unzufriedenen Bürger einzugehen. Es blieb
relativ ruhig, auch als 1786/1787 die statthalterliche Familie sich auf dem Valkhof
aufhielt. Das aristokratische System hielt Stand bis zur Batavischen Revolution von
1794/95.
Trotz dieser Erregungen war im 18. Jahrhundert Behäbigkeit der vorherrschende
Charakterzug von Nijmegen. In der örtlichen Wirtschaft wurde kaum investiert, und
die Armut unter den Einwohnern nahm zu. Auf der anderen Seite legten reiche
Patrizier in der Umgebung der Stadt Landsitze wie die Duckenburg an.
Nijmegen in der batavisch-französischen Zeit
Der Einzug der französischen Truppen und die darauf folgende batavische Freiheit
brachten revolutionäre Änderungen mit sich. Die protestantische Alleinherrschaft
nahm (zumindest formell) ein Ende: die städtischen Behörden sollten nunmehr eine
Widerspiegelung der religiösen Verhältnisse in der Stadt sein. Zum ersten Mal seit
der Reduktion von 1591 bekam Nijmegen wieder einen katholischen Bürgermeister,
und nicht länger gehörten nur Protestanten zum Stadtrat. Sämtliche
Bevölkerungsgruppen hatten nunmehr dieselben Rechte, aber vor allem die
katholischen und jüdischen Einwohner hatten noch einen langen Weg zu gehen,
bevor sie ihren Rückstand aufgeholt hatten.
Trotz Proteste aus Nijmegen beschloss die Provinz, kurz nachdem die Franzosen
eingezogen waren, die Valkhofburg zu verkaufen und abzureißen. Die
Erhaltungskosten waren hoch, und die Zermahlung zu Traß würde der Burg, die
hauptsächlich aus Tuffstein gebaut war, viel Geld einbringen. Die Stadt wusste nur
die St. Martinskapelle und die St. Nikolauskapelle zu erhalten. Für 10.000 Gulden
kaufte sie die beiden Kapellen, mit dem Grundstück, auf dem sie stehen. Dort wurde
in den Jahren danach der Valkhofpark angelegt.
Eingeklemmt zwischen den Mauern
Viele Erneuerungen blieben nach dem Abgang der Franzosen erhalten. Die lokale
Verwaltung wurde immer mehr von den höheren Verwaltungsschichten, Reich und
Provinz, bestimmt. Die lokalen Verwalter verhielten sich bis tief in das 19.
Jahrhundert zurückhaltend. Sie beschränkten sich so viel wie möglich auf das, was
sie als ihre Kernaufgaben betrachteten: die Steuereinnahme und die Wahrung der
Ordnung. Inzwischen wuchs bei den Bürgern von Nijmegen das Bedürfnis, neue
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Ideen, vor allem auf dem Gebiet des Unterrichts, in die Praxis umzusetzen. Die
gemeinnützige Körperschaft eröffnete in der Waalstadt eine (konfessionslose)
Grundschule. Die erste evangelische Schule der Niederlande (De Klokkenberg)
wurde in Nijmegen gegründet. Der katholische Unterricht nahm seinen Anfang mit
der ersten Kongregation für den Unterricht. Dank den vielen Klöstern in der Stadt,
kam der katholische Unterricht zur vollen Blüte. Die vielen Bildungsanstalten
machten aus Nijmegen eine richtige Unterrichtsstadt.
Ausbreitung der Stadt
Mitte des 19. Jahrhunderts geriet die Stadt aus den Fugen. Es gab keinen Platz zur
Ausbreitung, es waren nur wenig Erwerbsmöglichkeiten vorhanden und die
Einwohnerzahl stieg immer weiter. Die Bevölkerung bemühte sich, die Stadt
weiterzuentwickeln. Der Ruf nach dem Abriss der Mauern und dem Anschluss an das
ländliche Eisenbahnnetz wurde immer lauter. Auf Anregung der Bürger kam 1865 die
Bahnverbindung Nijmegen-Kleve zustande, zu deren Ehren das Eisenbahndenkmal
errichtet wurde. Erst 1879 fand der Anschluss an das ländliche Eisenbahnnetz statt,
und noch später wurde der monumentale Bahnhof des Staatsbaumeisters Peters
gebaut.
Als der Staat im Jahr 1874 endlich dem Abriss der Mauern grünes Licht gab, wurde
aus Stagnation Dynamik. Die lokalen Behörden machten sich ganz energisch an die
Arbeit. Der Abriss wurde rigoros durchgeführt. Von den mittelalterlichen Mauern
blieben nur einige Reststücke, zwei Bastionen und der Kruittoren erhalten. Dank der
aktiven Rolle der Nijmegener Behörden wurden die Stadtausbreitung planmäßig in
Angriff genommen. Die vornehmen Ringstraßen, die Stadtparks, die größeren und
kleineren Plätze, sowie die breiten Ausfallstraßen erinnern jetzt, mehr als 100 Jahre
später, noch immer daran. Es fand eine Bauexplosion von nie gekanntem Umfang
statt: öffentliche Gebäude, Privatwohnungen, Läden und Kirchen. Die wachsende
Zahl von katholischen Kirchen (und Institutionen) war kennzeichnend für die immer
dominantere Position, die die Katholiken in der Stadt einnahmen. Ein Beispiel ist das
imposante Canisiuscollege an der Berg en Dalseweg.
Trotz der vielen Neubauaktivitäten wurde das Alte nicht vergessen: die Belvédère,
die Waage, das Rathaus und die St. Stephanskirche wurden alle in den achtziger
Jahren des 19. Jahrhunderts gründlich restauriert. Das neue Nijmegen ging schon
auf Kosten des unteren Stadtteils. Der Akzent wurde auf die Landseite gelegt,
während die Waalseite allmählich verfiel. Die Eröffnung der Waalbrücke im Jahr 1936
besiegelte diese Entwicklung. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch als Wohngebiet
verringerte die Bedeutung der Altstadt. Diejenigen, die es sich leisten konnten, zogen
in die Herrenhäuser und Villen an den neuen Ringstraßen und Ausfallstraßen. Es
sollte bis 1978 dauern, bis der untere Teil der Stadt gründlich in Angriff genommen
wurde.
Die Entfestigung führte zu einer Periode von großen Investierungen. Die Zahl der
Arbeitsplätze stieg, und somit der Wohlstand. Dennoch wurde Nijmegen keine
Industriestadt. Ein Unternehmen wie die Seifefabrik von Dobbelman war eine
Ausnahme. Nijmegen blieb nach wie vor auf Dienstleistungen und auf den Unterricht
gerichtet. Die Gründung der Katholischen Universität im Jahr 1923 stimulierte diese
Entwicklung. Die Universität, Krone der Emanzipation der Katholiken, sollte später
eine Rolle in umgekehrter Richtung spielen, als die Stadt sich zum ‘Havana an der
Waal’ entwickelte.
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Die schwache wirtschaftliche Position der Stadt machte sie extra empfindlich, als
1929 weltweit eine Krise ausbrach.
Krieg und Wiederaufbau
Für die meisten Einwohner von Nijmegen verlief der Krieg relativ ruhig, bis am 22.
Februar 1944 alliierte Bombenflugzeuge einen großen Teil der Stadt zerstörten.
Dabei kamen fast 800 Menschen ums Leben und viele Tausende wurden verletzt. Im
September dieses Jahres wurde Nijmegen befreit, aber die Stadt sollte noch ein
halbes Jahr in der Frontlinie liegen. Auch dabei gab es Hunderte von Toten, sowie
erheblichen Sachschaden. Die relative Ruhe während der ersten Kriegsjahren galt
allerdings nicht den jüdischen Einwohnern, von denen nur einige die Deportationen
von 1942-1943 überlebten.
Der Wiederaufbau, der nur langsam in Gang kam, fing mit dem Bau von
Notwohnungen und Behelfsverkaufsstellen an. Dann wurde der zerstörte obere Teil
der Stadt planmäßig in Angriff genommen. Straßen wurden breiter gemacht oder neu
gebaut, ein neuer Platz wurde angelegt: Plein 1944. 1956 war die erste Phase des
Wiederaufbaus vollendet. Die Türme der St. Stephanskirche und des Rathauses
standen wieder in voller Pracht da. Die älteste Stadt der Niederlande hatte nun eins
der modernsten Einkaufszentren des Landes. Insbesondere die neuen
Geschäftshäuser an der Burchtstraat sind treffende Beispiele der
Wiederaufbauarchitektur, wie auch die Molenstraatkirche, der Bahnhof und das
Stadttheater, das inzwischen zu den städtischen Monumenten gehört.
Das moderne Nijmegen
Um die vorkriegszeitliche Stadt herum wurden neue Viertel gebaut, die die große
Wohnungsnot ausgleichen mussten. Während der 50er und 60er Jahren kannte
Nijmegen einen starken Expansionsdrang. Vor allem am südlichen und westlichen
Stadtrand schossen die Neubauviertel wie Hatert und Neerbosch-Oost, wie Pilze aus
der Erde. Es wurden noch mehr Wohnungen verlangt; nach Dukenburg und
Lindenholt folgte der Waalsprong. Ende der 90er Jahre wurde die Innenstadt im
Projekt ‘Nijmegen wordt zó mooi’ (Nijmegen wird só schön) umgeändert. Schöne
Beispiele vom Ergebnis dieses Projekts sind die Marikenstraat und die neue
Mariënburg, mit u.a. dem Regionaal Archief (Stadtarchiv).
Die Stadtbehörden führten nach dem Krieg eine aktive Industrialisierungspolitik. Es
wurden neue Hafen- und Industriegelände angelegt, und Betriebe wurden überredet,
sich in Nijmegen niederzulassen. Wenn die Nijmegener Industrie während der ersten
Nachkriegsjahren auch eine Blütezeit erlebte, auch jetzt wurde Nijmegen keine
Industriestadt. Es war vor allem der Erweiterungsbau der Universität der in den 50er
Jahren anfing, die der Stadt die meisten Arbeitsplätze einbrachten. Nijmegen steht
nach wie vor für Unterricht und, in zunehmendem Maße, auch für Gesundheitspflege.
An den Einfallstraßen sind seit einigen Monaten Schilder wahrnehmbar mit dem Text
Nijmegen City of Health. Als Gesunde Stadt versucht Nijmegen
Kenntnisentwicklungen und Innovationen auf diesem Gebiet zu fördern. Gesundes
Leben ist ein wichtiges Thema für die Stadt, was auch hervorgeht aus einer großen
Zahl von sportlichen Ereignissen. Zu nennen sind der Zevenheuvelenloop, der
Marikenloop und natürlich die internationale ‘Vierdaagse’.
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In den vergangenen Jahren gab es neben den Neubauaktivitäten auch viel Interesse für die
Vergangenheit, was 2005 in der groß veranstalteten Jubiläumsfeier 2000 Jahre Leben, 1900
Jahre Stadt zum Ausdruck kam. Auf vielerlei Weise versuchte man, die Geschichte fühlbar zu
machen. So wurde im Valkhofpark der alte Donjon rekonstruiert, und auf dem Kelfkensbos
wurde ein Kunstwerk errichtet, in dem Repliken der hier vorgefundenen Reststücke des
Götterpfeilers verarbeitet worden sind. Damit schließt sich der Kreis, und endet unsere Reise
durch zwanzig Jahrhunderte Geschichte.
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