19.04.2012 Institut für Pharmaökonomische IP F Forschung Generalisierte Angststörung und häufige Komorbiditäten Nicht-Therapie als kostengünstige Alternative? Dr. Evelyn Walter 17.11.2011 Einleitung Warum ist die Generalisierte Angststörung (GAD) ein wichtiges Thema aus HEOR (Health Economics and Outcomes Resaerch) Sichtweise? hohe Prävalenz früher Krankheitsbeginn hoher Disease-Burden » Komorbiditäten » reduzierte Lebendqualität hohe direkte und indirekte Kosten IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 2 1 19.04.2012 Betroffenheit Prävalenzen: » Lebenszeitprävalenzen ≈ 3 – 6% » Ein-Jahresprävalenzen ≈ 1 – 3% » Punktprävalenzen ≈ 1,5 – 3% Beginn: häufig zwischen 20 – 30 Jahren zweiter Gipfel: Frauen zwischen 55 und 60 » → häufigste Angststörung im höheren Alter! GAD geht mit eine Komorbiditätsrate von mehr als 60% einher. Die psychosozialen Folgen einer Generalisierten Angststörung können die Lebensqualität ernsthaft beeinträchtigen: unabhängig von der ständigen seelischen Belastung drohen im Extremfall überdurchschnittlich häufig Trennung, Scheidung, Arbeitsunfähigkeit, Berentung und sogar Suizidgefahr. Quelle: Kessler R, Berglund P, Demler O, Jin R, Merikangas K, Walters E. 2005. Lifetime prevalence and age of onset distributions of DSMIV disorders in the National Comorbidity Survey Replication Arch Gen Psychiatry 62:593–602. Konsensus Statement State of the Art 2009 Angststörungen Medikamentöse Therapie IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 3 Komorbiditäten bei GAD Komorbiditäten Die Komorbiditätsrate bei Patienten mit GAD liegt in der Literatur zwischen 60% - 90%. 20% 33% 1 Komorbidität 2 Komorbidität GAD steht auch in Verbindung mit körperlichen Beschwerden wie Brustschmerz, chronischen Müdigkeitssyndrom, Verdauungsbeschwerden und anderen chronischen Erkrankungen (Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen) 41% mehr als 2 Komorbiditäten Quelle: Carter RM et al. 2001 Kostenstudien zur GAD erfassen Komorbiditäten in den meisten Fällen nicht. Kosten sind demnach unterbewertet. Quelle: Kessler et al. Carter, R.M., Wittchen, H.-U., Pfister, H. & Kessler, R.C. (2001). One-yearprevalenceof subthresholdand thresholdDSM-IV generalizedanxietydisorderin a nationallyrepresentativesample. Depression and Anxiety, 13, 78-88. Kessler RC, Greenberg PE. In Neuropsychopharmacology: The Fifth Generation of Progress, pp. 981-992. IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 4 2 19.04.2012 Lebensqualität Wittchen et al. (2000) erhoben die Lebensqualität (QoL) von Patienten mit GAS mithilfe des SF-36 in einen repräsentativen Stichprobe in Deutschland (n=4.181) für die Gruppen: GAD, MDD, GAD/MDD und keine GAD/MDD Patienten mit GAD weisen in allen 8 Kategorien schlechtere Werte als Patienten mit MDD auf. SF-36 Scores über 12 Monate 100 90 80 70 60 50 40 no GAD 30 20 MDD 10 GAD 0 Quelle: Wittchen HU, Carter R et al.: Disabilities and quality of life in pure and comorbid generalized anxiety disorder and major depression in a national survey. Int Clin Psychopharmacol 15:319-328 IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 5 QALYs von Patienten mit GAD QALY = Quality adjusted Life-year QALYs verbinden die Lebensqualität (QoL) mit der Restlebenserwartung. Niedrige Werte = niedrige Lebensqualität 1 = 1 QALY (völlig Gesund) QoL = 0,73 QALY (GAD)* Tod=0 1 Restlebenserwartung *Saarni SI, Suvisaari J et al.: Impact of psychiatric disorders on health-related quality of life: general population survey, BJPsych 2007, 190:326-332 Zum Vergleich: MS: 0,55 Ischämische Herzerkrankung: 0,63 Diabetes (ohne Insulin): 0,76 IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 6 3 19.04.2012 Health Utility Loss bei GAD Die GAD führt zu einer reduzierten Lebensqualität von 27%. Die GAD hat im Vergleich zu anderen psychiatrischen Erkrankungen eine höheren Health utility loss. Health Utility loss (EQ-5D) unterschiedlicher psychiatrischen Erkrankungen Quelle: Saarni SI et al 2007 IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 7 Krankheitskosten anteilig an den Gesundheitsausgaben 4.789 Mio. € 4.213 Mio. € 8.001 Mio. € Insgesamt 30.308 Mio. € 3.425 Mio. € 3.030 Mio. € 1.425 Mio. € 1.667 Mio. € 2.000 Mio. € 1.758 Mio. € Quelle: Statistisches Bundesamt, Krankheitskosten 2002, umgerechnet auf Österreich IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 8 4 19.04.2012 Welche Kosten gibt es? Die Gesundheitsökonomie definiert Kosten im volkswirtschaftlichen Sinne als bewerteten Verbrauch von Ressourcen. Als Folgekosten umfassen die Gesamtheit aller Kosten, die der Gesellschaft infolge der Diagnose GAD entstehen. Folgende Kosten können erfasst werden: direkte Kosten (medizinische Kosten) indirekte Kosten (volkswirtschaftliche Kosten wie Arbeitsausfall) intangible Kosten (ohne objektivierbaren Geldwert z.B. Schmerz, Lebensqualität) Gesellschaftliche Folgekosten entstehen ebenso bei: nicht-Behandlung nicht der aktuellen Lehrmeinung entsprechenden Behandlung Non-Compliance IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 9 Kosten der GAD Bei der GAD handelt es sich um „high-utilizern“ des Gesundheitssystems, es entstehen hohe direkte und indirekte Kosten Gemäß der Studie „Costs of Disorders of the Brain in Europe“ betragen die Kosten pro Fall 2.242 € (2004). Unterschieden in „mit“ und „ohne“ Komorbiditäten ermittelten Lothgren et al. (2004) Gesamtkrankheitskosten pro Jahr. Indexiert und konvertiert in Euro betragen: Krankheitskosten für GAD ohne Komorbiditäten: 2.417 € Krankheitskosten für GAD mit Komorbiditäten: 4.004 € GAD ohne Komorbiditäten 72,52 507,63 797,70 48,35 1.015,26 GAD mit Komorbiditäten 79,68 59,76 outpatient service work absenteeism 1.434,22 hospitalisation 1.035,83 outpatient service work absenteeism 1.394,38 hospitalisation medication medication lab lab Quelle: Lothgren M (2004c). Economic evidence in anxiety disorders: a review. Eur J Health Econ 5(Suppl. 1):S20–S25. IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 10 5 19.04.2012 Indirekte Kosten der GAD Die indirekten Kosten ergeben sich aus: Krankenständen Frühzeitigen völligen Arbeitsausfall (Berentung) verminderter Produktivität am Arbeitsplatz (Presenteeism); Zeitaufwand der Angehörigen; usw. Rund 1/3 aller Patienten mit GAD sind arbeitsunfähig. Indirekte Kosten liegen bei einem Drittel der Gesamtkosten. Ein Krankenstandstag kostet durchschnittlich rund 100 €. IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 11 Arbeitsausfall bei GAD Krankenstandstage (Ormel et al.) Die durchschnittlichen krankheitsbedingte Fehltage der Betroffenen belaufen sich auch 6,3 Tage/Monat Produktivitätseinbußen (Presenteeism) (Wittchen et al.) 11% berichten von mehr als 50% Einbußen der Produktivität 23% berichten von 10%-49% Einbußen der Produktivität 18% berichten von 0%-9% Einbußen der Produktivität Arbeitslosigkeit (Ansseau et al.) Laut einer belgischen Studie sind 21,9% der Primary Care Patienten erwerbslos Quelle: Ormel J, Von Korff M, Ustun TB, et al. Common mental disorders and disability across cultures. Results from the WHO Collaborative Study on Psychological Problems In General Health Care. JAMA. 1994;272: 1741-1748. Wittchen HU, Carter R et al.: Disabilities and quality of life in pure and comorbid generalized anxiety disorder and major depression in a national survey. Int Clin Psychopharmacol 15:319-328 Ansseau M, Fischler B, Dienck M, et al. Prevalence and Impact of generalized anxiety disorder and major depression In pnmary care In Belgium and Luxemburg: The GADIS study. fur Psychiatry. 2005;20:229235. IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 12 6 19.04.2012 Versorgung der Patienten mit GAD In psychiatrisch-psychotherapeutischen Einrichtungen wird GAD im Vergleich mit anderen Angststörungen seltener diagnostiziert „Die weltweit größte Studie von Wittchen (2001) belegt, dass 27% der Hausarztpatienten in Deutschland eine GAD aufweisen Hausärzte diagnostizieren die Störung nur in wenigen Fällen zutreffend: 34,4% gegenüber 64,3% bei Depression jedoch ist das Störungsbild in Allgemeinarztpraxen überproportional häufig, verglichen mit anderen psychischen Störungen Ustön und Sartorius (1995, PPGHC) berichteten eine durchschnittliche Ein-Monats-Prävalenz (gemäß ICD-10) in der ärztlichen Primärversorgung von 7,9 % IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 13 Versorgung der Patienten mit GAD 27,4% der GAD-Patienten werden anders als Depressionspatienten behandelt (Wittchen et al.) Fast jeder zweite Betroffene wurde nicht richtig behandelt Weniger als 20% erhalten eine spezifische medikamentöse Therapie Eine richtige Diagnose und Therapie vermeidet: Untersuchungs- und Behandlungskosten langfristige Beeinträchtigungen der Patienten und Arbeitsausfall und führt zu steigernder Lebensqualität IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 14 7 19.04.2012 Fazit Hohe indirekte Kosten (vor allem Arbeitsausfall auch durch Komorbiditäten und somit schlechte Lebensqualität) Eine geeignete Versorgung der Patienten mit GAD führt zu weniger Rückfällen, Komorbiditäten und => zu geringeren Kosten Ökonomische Analysen im Bereich GAD sind sehr rar. Studien zur Generierung gesundheitsökonomischer Daten sind erforderlich! IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 15 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! IPF - Institut für Pharmaökonomische Forschung 16 8