Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – Prof. Dr. Monika Burmester Dipl. Volkswirt Philipp Seisler M.A. 1. Öffentliche Finanzierung ....................................................................................... 3 1.1 Zuwendungen / Subventionen ......................................................................... 6 1.2 Leistungsverträge .......................................................................................... 11 1.3 Leistungsentgelte .......................................................................................... 13 1.3.1 Entgeltvereinbarungen in der (teil-)stationären Jugendhilfe ................... 17 1.3.2 Entgeltfinanzierung für Einrichtungen der Eingliederungshilfe ............... 19 1.3.3 Finanzierung stationärer Pflegeeinrichtungen ........................................ 21 1.3.4 Leistungsentgelte als Fachleistungsstunden (FLS) ................................ 24 1.4 Das persönliche Budget ................................................................................ 29 1.5 Gutscheine .................................................................................................... 30 Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 2 1. Öffentliche Finanzierung In weitaus dominierendem Maße stellen öffentliche Stellen oder öffentliche Leistungs- bzw. Kostenträger die Hauptfinanzierungsquellen für Einrichtungen und Dienste der Sozialwirtschaft dar. Dies ist Folge des gesetzlich verankerten Subsidiaritätsprinzips, welches den Vorrang freier Träger gegenüber staatlichen Trägern beschreibt sowie der Verpflichtung zur Sicherstellung der Finanzierung der entstehenden Aufwendungen bei Beauftragung Dritter (Vgl. § 91 SGB X i.V. § 79 Abs. 2 SGB X ). Leistungs- oder Kostenträger sind öffentliche Behörden (z.B. das Sozialamt oder das Jugendamt) oder Körperschaften (wie z.B. Krankenkassen), die auf Grund gesetzlicher Regelungen dafür verantwortlich sind, dass bestimmte soziale Dienstleistungen zur Verfügung stehen (Gewährleistungsverantwortung). Damit ist eine Verpflichtung zur Finanzierung entsprechender Angebote verbunden, nicht aber eine Verpflichtung zur eigenen Leistungserstellung (Durchführungsverantwortung). Wie die öffentliche Finanzierung von sozialen Dienstleistungen im Einzelnen erfolgt, ist insbesondere in den verschiedenen Sozialgesetzbüchern geregelt. Darüber hinaus finden weitere Rechtsquellen (u.a. Haushaltsrecht, Verfassungsrecht und Europarecht) Beachtung. Grundsätzlich ist die Sozialgesetzgesetzgebung als Bundesrecht verankert. Die dort formulierten allgemeinen Vorgaben sind in etlichen Fällen auf Landesebene entweder durch eigene Gesetzgebung1 und/oder durch Ausführungsbestimmungen (z.B. Durchführungsverordnungen) zu konkretisieren. In Abhängigkeit von den landesrechtlichen Bestimmungen erhalten weitere Ebenen staatlichen Handelns (insbesondere Kommunen, überörtliche Zusammenschlüsse oder überörtliche Träger) Einfluss auf die konkreten Regelungen der öffentlichen Finanzierung. Mit diesen Hinweisen dürfte deutlich geworden sein, dass sich die Finanzierungsbedingungen in Abhängigkeit vom betrachteten Arbeitsfeld regional sehr unterschiedlich gestalten können. Wenngleich von „der“ sozialwirtschaftlichen Finanzierung nicht gesprochen werden kann, lassen sich zur Charakterisierung öffentlicher Finanzierungsarten dennoch Unterscheidungskriterien benennen. Diese setzen zum einen am Adressaten der Finanzierung an (Subjekt- oder Objektfinanzierung), zum anderen an dem Verhältnis zwischen Leistungserbringer und öffentlichem Kostenträger (direkte oder indirekte Finanzierung). Bei der Objektfinanzierung ist eine Einrichtung als solche oder ein bestimmtes Projekt Bezugspunkt für die Finanzierung. Mit der Objektfinanzierung wird eine soziale Infrastruktur oder eine definierte Vorhaltung von Leistungskapazitäten zum Ziel der Finanzierung. Die Finanzierung basiert auf einer Bedarfsplanung. Das 1 Ein Beispiel dafür ist § 26 SGB VIII (Landesrechtsvorbehalt) im Bereich der Regelungen zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 3 heißt, dass der Bedarf für einen bestimmten Umfang von Leistungen vorab festgelegt wird. Das Investitions- oder Nachfragerisiko liegt dann beim öffentlichen Sozialleistungsträger. Anlass zu Kritik aus ökonomischer Sicht gibt jedoch, dass das System der Objektfinanzierung für einzelne Leistungsanbieter zu Wettbewerbsnachteilen oder Marktzutrittsbarrieren führt, da es systemimmanent ist, dass nicht alle Einrichtungen gleichermaßen berücksichtigt werden können. Durch die stattfindende Bedarfsplanung, die letztlich politisch gesteuert wird, besteht zudem die Gefahr der künstlichen Begrenzung des Marktumfangs und einer Rationierung von Leistungen. Beispiele für objektbezogene Finanzierungen sind ein Zuschuss zu den Betriebskosten eines Jugendzentrums oder eine Investitionsförderung für ein bestimmtes Objekt. Im Gegensatz zur Objektfinanzierung wird eine Finanzierung, die sich an der erbrachten Leistung für den Einzelnen orientiert, als Subjektfinanzierung bezeichnet. Bei der Subjektfinanzierung hängt die Finanzierung der sozialen Einrichtung von der Inanspruchnahme durch die Nutzer ab. Formen der Subjektfinanzierung gibt es mittlerweile in vielen Bereichen. Aus der Perspektive von Einrichtungen, die an einer Bezahlung ihrer Leistungen interessiert sind, ist der sozialrechtliche Anspruch der Leistungsempfänger hierbei von zentraler Bedeutung. Besteht ein entsprechender Anspruch, so ist die Finanzierung, beispielsweise für eine spezielle soziale Hilfe, sicherzustellen. Beruht eine Finanzierung auf einem direkten, zweiseitigen Verhältnis zwischen öffentlichem Kostenträger und Leistungserbringer wird von direkter Finanzierung gesprochen. Sie erfolgt durch Verwaltungsakte oder zweiseitige Verträge in Form von Subventionen, Zuwendung, Zuwendungsund Leistungsverträge oder Aufwendungsersatz. Direkte Finanzierung wird überwiegend als Objektfinanzierung gestaltet. Zunehmend werden allerdings auch subjektbezogene Elemente eingeführt. So existieren beispielsweise Leistungsverträge, die eine Finanzierung von der Anzahl an Beratungskontakten abhängig machen (z.B. in der Schuldnerberatung). Das Modell der indirekten Finanzierung hingegen steht in engem Zusammenhang mit der Subjektfinanzierung und ist ein Modell, welches stärker mit einem Verständnis von einem Sozialmarkt korrespondiert: Leistungserbringer stehen in einem Wettbewerb, da im Modell der indirekten Finanzierung Leistungsberechtigte eine Wahlmöglichkeit haben, bei welchem Anbieter sie die ihnen zustehende Leistung in Anspruch nehmen möchten. Dies entspricht dem gesetzlich verankertem Wunschund Wahlrecht. Erst mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den mit Finanzmitteln oder Bezugsrechten ausgestatteten, leistungsberechtigten Bürger erfolgt die Finanzierung der Leistung. Wegen der Wahlmöglichkeit der Leistungsberechtigten und der daraus folgenden Konkurrenz der Leistungserbringer um die Leistungsberechtigten wird auch von einer nachfrageorientierten Finanzierungsform gesprochen (vgl. Sell 2009, S. 184). Diese Finanzierungsform stärkt – so die ökonomische Argumentation – die Position der Leistungsempfänger und sorgt dadurch für eine stärkere Orientierung der Anbieter sozialer Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 4 Dienstleistungen an den Bedürfnissen der Leistungsnehmer. Damit geht eine Verbesserung der Leistung einher. Zudem haben Einrichtungen mit der Subjektfinanzierung keine Bestandsgarantie. Ob ihre Angebote im ausreichenden, d.h. kostendeckenden, Umfang in Anspruch genommen werden oder nicht, entscheidet sich auch in der Konkurrenz zu anderen Anbietern. Insofern gilt die indirekte Subjektfinanzierung der Objektfinanzierung unter wirtschaftlichem Aspekt vom Grundsatz her als überlegen. Die indirekte Finanzierung erfolgt in der Regel in Form von Leistungsentgelten, zudem gibt es das persönliche Budget in der Behindertenhilfe und in der Pflege. Das persönliche Budget ist eine extreme Variante der Subjektfinanzierung. Dessen quantitative Bedeutung ist allerdings begrenzt. Weit verbreitet, und für sozialwirtschaftliche Organisationen in vielen Arbeitsfeldern äußerst relevant, sind Leistungsentgelte. Damit wird eine zuvor definierte Leistung abgegolten. Gezahlt wird also nicht für die Ressourcen, die eine Einrichtung benötigt, um ihr Angebot erbringen zu können oder aufrecht zu erhalten (inputorientierte Finanzierung), sondern für die zuvor vereinbarte Leistung, den Output (outputorientierte Finanzierung). Leistungsentgelte beziehen sich auf unterschiedliche Definitionen bzw. Abgrenzungen von Leistungen. Sie können zeitbezogen sein, also Tagessätze wie bspw. die Pflegesätze der Pflegeversicherung oder Stundensätze wie sie als Fachleistungsstunden aus der Kinder- und Jugendhilfe oder Eingliederungshilfe bekannt sind. Leistungsentgelte können aber auch einzelleistungsbezogen sein wie bspw. in ambulanten Pflegediensten. Zudem gibt es fallbezogene Leistungen. Hierzu werden üblicherweise die Fallpauschalen der Krankenhäuser (DRG = Diagnosis Related Groups) gezählt. Eine noch stärker ergebnisorientierte Form von Leistungsentgelten sind wirkungsorientierte Entgelte, wie sie im Bereich der Arbeitsförderung existieren (z.B. Vermittlungsgutscheine). Bei den vorgestellten Unterscheidungen in direkte und indirekte Finanzierungsformen sowie in Subjekt- und Objektfinanzierung muss beachtet werden, dass es in einigen Bereichen auch Mischformen gibt bzw. neuere Entwicklungen die Grenzen zwischen diesen Formen verschwimmen lassen. Mischformen liegen beispielsweise im Bereich der Pflege vor. Objektbezogene Förderung erfolgt hier zum Teil als Investitionsförderung; die Finanzierung der Pflegeleistung erfolgt dann wiederum über subjektorientierte Entgelte (Pflegesätze). Mischmodelle gibt es darüber hinaus auch bei der Finanzierung von Kindertagesstätten. Längere Zeit konnte ein Systemwechsel von Objekt- zu Subjektförderungen als Entwicklungstrend beobachtet werden. Grund dafür war eine Kostendämpfungserwartung, die mit einer Öffnung der Märkte und Umstellung auf eine stärkere Nachfrageorientierung verknüpft war. Neuere Entwicklungen, beispielsweise sichtbar im Rahmen der Diskussion zu sogenannten sozialraumorientierten Finanzierungsmodellen insbesondere in der Kinder- und Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 5 Jugendhilfe folgen diesem Trend jedoch nicht mehr, da sich die Kostendämpfungserwartung in vielen Bereichen nicht realisiert hat. Von Seiten der öffentlichen Kostenträger wird dem Modell der indirekten, subjektbezogene Finanzierung mittlerweile ein Steuerungsdefizit attestiert und von direkten Finanzierungsmodellen eine bessere (vermeintlich effektivere) Steuerung und Einflussnahme auf Mengen und Verteilung von Leistungen erhofft. Ein solcher grundlegender Wechsel der Finanzierungsformen ist auf Grund des individuellen Rechtsanspruches der Leistungsberechtigten in Verbindung mit dem gültigen Wunsch- und Wahlrecht derzeit nicht zu verwirklichen. Die anhaltenden Diskussionen lassen jedoch erwarten, dass sich das Finanzierungssystem zukünftig weiter diversifiziert und neue Finanzierungsformen entstehen könnten. Im Folgenden werden die wichtigsten öffentlichen Finanzierungsformen vorgestellt. 1.1 Zuwendungen / Subventionen Zuwendungen sind Zahlungen des Bundes, eines Landes oder der Kommune2 an Dritte zur Erfüllung bestimmter, im öffentlichen Interesse liegender Zwecke und für Leistungen, auf die kein individueller Rechtsanspruch besteht (vgl. Horcher 2013, S. 1140). Auch wenn die Mittel für einen bestimmten, definierten Zweck eingesetzt werden müssen, so erwartet der Zuwendungsgeber keine konkrete Gegenleistung. Ziel ist vielmehr die generelle Förderung einer im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit des Leistungserbringers. Im Regelfall sind Förderungen mit der Verpflichtung zum Einsatz von Eigenmitteln verbunden. Dabei wird davon ausgegangen, dass Leistungserbringer an der Durchführung der Tätigkeit oder Erbringung der Leistung auch ein relevantes Eigeninteresse haben. Das hier unterstellte Verhältnis von Kostenträger und Leistungserbringer ist entsprechend keine Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung. Vielmehr sind freie Träger im selbstgesetzten Auftrag tätig, aber für einen öffentlichen Zweck. Hierfür erhalten sie die Förderung, wobei es keinen Rechtsanspruch auf eine Zuwendung gibt. Zur Sicherstellung des zweckbestimmten Einsatzes haben die öffentlichen Zuschussgeber ein weitgehendes Prüfungsrecht. Zuwendungen werden in unterschiedlicher Art vergeben. Dabei wird zwischen Projektförderungen und institutionellen Förderungen unterschieden. Bei der Projektförderung wird ein einzelnes inhaltlich, finanziell und zeitlich klar begrenztes Vorhaben eines Trägers gefördert. Der Zuwendungsgeber hat dabei einen relativ großen Einfluss auf das Vorhaben. Mit der Durchführung des Projektes darf erst nach Bewilligung begonnen werden. Bei institutionellen Förderungen beteiligt sich der Zuwendungsgeber pauschal an den Kosten des Zuwendungsempfängers ohne die Definition konkret benannter Inhalte und Leistungen. Der durch die Satzung oder 2 Zur Vereinfachung werden in dieser Betrachtung unter Zuwendungen auch Zahlungen der Kommunen bezeichnet, bei denen es sich formal um Aufwendungen für Zuweisungen und Zuschüsse nach den Gemeindehaushaltsverordnungen handelt. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 6 Geschäftsordnung der Einrichtung allgemein beschriebene Zweck wird gefördert. Die institutionelle Förderung muss jährlich neu bewilligt werden. Faktisch bedeutet sie in etlichen Fällen eine Dauerbezuschussung einer Institution. Darüber hinaus können Zuwendungen auch als Darlehen gewährt werden, wenn langfristige Investitionen (z.B. Bau von Wohnheimen) gefördert werden sollen. Hinsichtlich der Höhe der finanziellen Beteiligung an den Ausgaben des Trägers wird zwischen Vollfinanzierung und Teilfinanzierung unterschieden. Bei Teilfinanzierungen wird nur ein Anteil an den Ausgaben gefördert, so dass der Einsatz eigener Mittel oder zu erwirtschaftender Mittel notwendig ist, während bei der Vollfinanzierung die gesamten zuwendungsfähigen Ausgaben des Projektes oder einer Institution (bis zu einem Höchstbetrag) ersetzt werden. Vollfinanzierungen sind die Ausnahme und erfolgen nur, wenn sich der öffentliche Zweck anders nicht erfüllen lässt. Teilfinanzierungen gibt es in drei Formen: bei der Anteilsfinanzierung wird ein festgelegter prozentualer Anteil der zuwendungsfähigen Ausgaben des Trägers gefördert. Ein festgelegter Höchstbetrag darf dabei nicht überschritten werden. Bei der Fehlbedarfsfinanzierung wird die Förderhöhe rückblickend durch eine möglicherweise entstandene Deckungslücke zwischen förderfähigen Kosten und den eigenen Mitteln und Einnahmen festgelegt. Auch hier wird in der Regel ein Höchstbetrag festgelegt, so dass eine nicht beabsichtigte Vollfinanzierung ausbleibt. Da Mehreinnahmen zu einer Verringerung der Förderung führen, besteht bei der Fehlbedarfsfinanzierung eine höhere Gefahr von Fehlanreizen, das heißt zu nicht wirtschaftlichem Handeln. Bei der Festbetragsfinanzierung wird ein vorab definierter Betrag zugesagt, der sich durch Abweichungen bei den Ein- und Ausgaben des Trägers nicht ändert, sofern die Ausgaben nicht unter dem definierten Betrag liegen. Zu welchen Unterschieden in der Eigenfinanzierung die jeweilige Zuwendungsart bei unerwarteten Minderausgaben oder Einnahmen führt, wird im folgenden Beispiel veranschaulicht. Beispiel: Zuwendungsformen Für ein Projekt sind zuwendungsfähige Ausgaben in Höhe von 100.000 € kalkuliert. Als Eigenmittel sind maximal 20.000 € vorgesehen. Bei einer Anteilsfinanzierung von 80% entfallen auf den Förderer 80.000 €. Die gleiche Fördersumme ergibt sich bei einer Fehlbetragsfinanzierung (100.000 € - 20.000 €) und bei einer Festbetragsfinanzierung. Mit diesen Förderbeträgen kann die Einrichtung allerdings nicht in jedem Fall rechnen. Entwickeln sich die Ausgaben bspw. günstiger als ursprünglich geplant, dann hat das bei der Anteilsfinanzierung und bei der Fehlbetragsfinanzierung Auswirkungen auf die Höhe der Zuwendungen: Es kommt zu Rückforderungen. Die finanziellen Wirkungen auf die Eigenmittel der Einrichtung sind in der folgenden Tabelle dargestellt (letzte Spalte). In dem Zahlenbeispiel wird von Einsparungen (Minderausgaben) in Höhe von 10.000 € ausgegangen. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 7 Art Zuwendungsfähige Ausgaben Rechnerische (maximale) Förderung Geplante (kalkulierte) Eigenmittel Ungeplante Einsparungen oder Einnahmen Rückzahlung Restförderung Tatsächlich eingesetzte Eigenmittel Anteilsfinanzierung 80% (bis max. 80.000 €) 100.000 80.000 20.000 10.000 - 8.000 (80% von 10.000) 72.000 18.000 Fehlbedarfsfinanzierung (bis max. 80.000 €) 100.000 80.000 20.000 10.000 - 10.000 70.000 20.000 Festbetragsfinanzierung 100.000 80.000 20.000 10.000 Keine Rückzahlung 80.000 10.000 Tab. 1 Beispiel Förderfinanzierung Für die ökonomische Bewertung ist zu bedenken, dass die unterschiedlichen Finanzierungsarten verschiedene Anreizwirkungen haben. So wird beispielsweise bei einer Anteils- oder auch Festbetragsfinanzierung wirtschaftliches Verhalten der Institution (z.B. durch die Generierung von Einnahmen oder durch Einsparungen) honoriert, in dem sich die eingesetzten Eigenmittel – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – reduzieren. Bei der Fehlbetragsfinanzierung hingegen besteht keinerlei Anreiz kostenbewusst zu agieren, da hier sämtliche Einnahmen und Einsparungen die Förderung in gleichem Maße senken. Aus Sicht der Förderungsgeber ist hingegen der administrative Aufwand in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. So erfolgt bei einer Festbetragsfinanzierung zwar keine Rückzahlung von eingesparten Mitteln, jedoch entstehen geringere administrative Kosten, da die Behörde bei der Prüfung der Verwendungsnachweise entlastet wird. Das Zuwendungsverfahren beinhaltet stets die Antragstellung, Antragsprüfung, den Erlass eines Bescheids, den Verwendungsnachweis und die Nachweisprüfung sowie gegebenenfalls einen Rückforderungsbescheid. Kern des Zuwendungsantrags ist eine Kostenkalkulation des jeweiligen Projektes bzw. Förderungsgegenstandes. Im Zuwendungsbescheid werden die Höhe der Zuwendung und der Zweck festgelegt. Darüber hinaus werden in der Regel allgemeine und besondere Nebenbestimmungen Bestandteil des Bescheides. Diese Nebenbestimmungen legen Details zur inhaltlichen und administrativen Abwicklung fest. Grenzen haben die Nebenbestimmungen im verfassungsrechtlich garantierten Recht des freien Trägers auf Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung seiner Aufgaben (vgl. Papenheim/Baltes 2008, S. 141). Eine wichtige allgemeine Nebenbestimmung ist das so genannte „Besserstellungsverbot“. Dieses beruht auf den Haushaltsgesetzen und besagt, Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 8 dass der Zuwendungsempfänger seine Beschäftigten nicht besser stellen darf als vergleichbare Beschäftigte der bewilligenden Behörde, sofern nicht eine entsprechende tarifvertragliche Regelung besteht. Dies hat zur Folge, dass der öffentliche Tarif für nicht tarifgebundene Zuwendungsempfänger regelmäßig die obere Grenze darstellt. Allerdings können Wohlfahrtsverbände wie Diakonie oder Caritas, sofern deren Tarifwerke bzw. Arbeitsvertragsregelungen abweichende Regelungen vorsehen, diese auch bei zuwendungsfinanzierten Projekten anwenden. Gemäß der gesetzlichen Voraussetzungen müssen Zuwendungsempfänger eine Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung der Zuwendungen zulassen und Nachweise einer entsprechenden Verwendung erbringen. Ein solcher Verwendungsnachweis erfolgt durch Vorlage von Sachsowie Finanzierungsübersichten aus denen alle Ein- und Ausgaben hervorgehen. Prüfungen können ergeben, dass Rückforderungsansprüche bestehen oder dass Zuwendungsbescheide widerrufen werden, wenn bspw. Auflagen nicht erfüllt, Leistungen nicht erbracht oder die Zuwendung zweckentfremdet verwendet wurde. Probleme ergeben sich, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt sind und verschiedene potentielle Zuwendungsempfänger um diese Mittel konkurrieren. Zwar wird über konkrete Förderungen nach Ermessen entschieden, dies muss allerdings stets unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 3 GG) erfolgen. Der antragstellende Träger hat demnach einen Anspruch auf eine rechts- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung. Gegen vermeintliche Verletzungen dieses Grundsatzes kann eine Konkurrentenklage erhoben werden. Hierbei ist zwischen einer positiven Konkurrentenklage, die darauf gerichtet ist in die Förderung miteinbezogen zur werden, sowie einer negativen Konkurrentenklage, die das Ziel der Nicht-Förderung des Konkurrenten hat, zu unterscheiden. Die Zuwendungsfinanzierung bringt für sozialwirtschaftliche Einrichtungen einen hohen administrativen und planerischen Aufwand mit sich, da auch nach Bewilligung zahlreiche Verfahren eingehalten werden müssen. Insbesondere müssen die Finanzströme (Abruf und Einsatz der Fördermittel und Verwendung der Eigenmittel) entsprechend der jeweiligen Vorgaben und unter Einhaltung von Fristen koordiniert werden. Hierbei müssen unter anderem auch die unterschiedlichen Liquiditätswirkungen der Finanzierungsarten berücksichtigt werden. So dürfen Mittel bei der Fehlbetragsfinanzierung beispielsweise erst abgerufen werden, wenn die zugesagten Eigenmittel verbraucht sind. Das Verfahren und Fristen müssen genau eingehalten werden. Zudem sind Nachweis- und Aufbewahrungspflichten einzuhalten. Zu berücksichtigen ist stets, dass es keine Garantie für die Zuwendung bzw. keinen Anspruch auf eine Zuwendung gibt. Ebenfalls wichtig ist das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns, welches besagt, dass die vorbereitenden Arbeiten stets unter dem Risiko der fehlenden Finanzierung stehen. Das Zuwendungsverfahren orientiert sich am Haushaltsjahr. Insbesondere bei institutionellen Förderungen ergeben sich dadurch Unsicherheiten über jährliche Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 9 Anschlussbewilligungen. Für die Einrichtungen und Dienste ist die Zuwendungsfinanzierung also durchaus mit existenziellen betriebswirtschaftlichen Risiken verbunden. Aus der Perspektive der Leistungsträger steht die Zuwendungsfinanzierung in der Kritik einer zu sehr inputorientierten Logik zu folgen (im Vordergrund stehen Einnahmen und Ausgaben und weniger die Leistung oder deren Qualität) und entsprechend kaum Anreize für Wirtschaftlichkeit zu bieten. Wenngleich diese Kritik dazu beigetragen hat, die Zuwendungsfinanzierung in etlichen Arbeitsfeldern durch Finanzierungen in Form von Leistungsentgelten abzulösen, gibt es dennoch nach wie vor Bereiche, in denen Zuwendungsfinanzierung eine große Rolle spielt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum Teil handelt es sich um Angebote für die eine subjektorientierte Finanzierung aus organisatorischen Gründen und / oder fachlich nicht sinnvoll ist, wie z.B. bei niedrigschwelligen Beratungsleistungen, aufsuchender Sozialarbeit oder für Jugendzentren. Zum Teil sind Unsicherheiten in Bezug auf Vergaberichtlinien (z.B. Verpflichtung zur Ausschreibung) der Grund für die Entscheidung für Zuwendungsfinanzierung. In solchen Fällen wird die Förderung ggf. an die Erreichung von Leistungszielen (z.B. abgeschlossene Fälle in der Schuldnerberatung) geknüpft. Ein weiterer wichtiger Grund liegt in den kommunalen Steuerungsmöglichkeiten, die diese Finanzierungsform ermöglicht: Aus Sicht der Politik und der an Steuerung interessierten Verwaltung kann Zuwendungsfinanzierung ein Instrument der Impulsgebung (Innovationen, „Leuchttürme“) und Schwerpunktsetzung sein. Träger können und sollen mit entsprechenden Finanzierungen motiviert werden neue Geschäftsfelder zu erschließen. Es handelt sich dabei um ein politisches Gestaltungsmittel und ein effektives Mittel der Sozialplanung, da der Zuwendungsgeber einen weiten Spielraum bei der Frage hat was und wen er fördert. Ein weiterer bedeutender Punkt aus Sicht der Einrichtungen ist die Frage wer überhaupt eine Förderung erhalten kann. So werden in § 74 SGB VIII für die Kinderund Jugendhilfe Voraussetzungen für die Gewährung von Förderungen genannt. Zentral ist dabei die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit, in deren Konsequenz privatgewerbliche Träger oder freiberufliche Leistungserbringer von der Förderfinanzierung ausgeschlossen werden. Insbesondere um die Unsicherheit der jährlichen Anschlussbewilligung aufzuheben können Zuwendungen auch in Form eines Zuwendungsvertrages erfolgen. Die Möglichkeit ergibt sich aus § 54 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwvfG). Dieser Zuwendungsvertrag hat den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Koordinierungsvertrags und verändert damit zumindest formal gesehen das Verhältnis zwischen Verwaltung und Zuwendungsempfänger im Vergleich zum Zuwendungsbescheid. Auf Grund der formalen Gleichberechtigung kann die Verwaltung nach Abschluss des Vertrages keine einseitigen, hoheitlichen Regelungen treffen. Sie muss Ansprüche gegen den Zuwendungsempfänger im Streitfall vor dem Verwaltungsgericht im Wege der Leistungsklage geltend machen. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 10 Für Zuwendungsverträge gelten die Vorschriften für Zuwendungen durch Bescheid sinngemäß. Zusätzlich gelten die Bestimmungen des BGB. Für den Zuwendungsnehmer ist der Zuwendungsvertrag mit Vorteilen verbunden, da eine mehrjährige Vergabe von Zuwendungen möglich ist, die Mittel in das nächste Jahr übertragen werden können und bestimmte Ungleichheiten im Verhältnis von öffentlichem und freiem Träger ausgeglichen werden können. Zuwendungsfinanzierung findet in Bereichen Anwendung, in denen entweder keine subjektiven Rechtsansprüche bestehen oder wo der Entscheidungsspielraum der Leistungsträger bezüglich der Erfüllung besonders groß ist bzw. lediglich einer bestimmte Infrastrukturverantwortung nachzukommen ist. Dies ist insbesondere in Teilbereichen der Kinder- und Jugendhilfe und der Sozialhilfe der Fall. In der Kinderund Jugendhilfe sind als klassische Felder zuwendungsfinanzierter Leistungen niedrigschwellige Beratungsleistungen oder (teilweise) Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie zu benennen. Darüber hinaus gibt es Subventionen im Bereich der Investitionskostenförderung z.B. von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. 1.2 Leistungsverträge Eine weitere Variante der direkten (zweiseitigen) Finanzierung sozialer Dienstleistungen sind Leistungsverträge. Bei dieser Form der Finanzierung handelt es sich um einen vertraglich geregelten Austausch von Leistungen bzw. gegenseitigen Verpflichtungen zwischen dem Staat (bzw. Leistungsträger) und den (sozialen Dienst-)Leistungsanbietern. In Leistungsverträgen wird die Art der Leistung, deren Qualität, ggf. das Volumen und die Vergütung geregelt. Der Staat (bzw. Leistungsträger) kauft quasi (soziale Dienst-)Leistungen ein. In dem Vertrag sind die Konditionen für den Austausch (Leistung und Gegenleistung in Form von Bezahlung) festgeschrieben3. Als Vorteil gegenüber Zuwendungen wird gesehen, dass beide Vertragsparteien eine höhere Planungssicherheit erhalten. Auf Seiten der Leistungsträger besteht die Sicherheit in der Konkretisierung der Leistung in Form von genaueren Leistungsbeschreibungen und definierten Qualitäten sowie in festen Preisen und ggf. auch festgelegten Mengen. Für den Leistungserbringer entfällt das Risiko der Rückforderung bei nicht zweckgerechter Verwendung der Mittel. Der Leistungsanbieter trägt zwar das unternehmerische Risiko, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit Überschüsse zu erwirtschaften. Eine Gewinnerzielung ist bei Zuwendungsfinanzierung gänzlich ausgeschlossen. Bei dieser Finanzierungsvariante wird i.d.R. ein Trägeranteil unterstellt (s. Kapitel 8.1). Zudem dürfen lediglich zuwendungsfähige Aufwendungen in der Kostenkalkulation angesetzt werden. Bei 3 Diese spezifische Vertragsform (Leistungsvertrag) ist nicht primär auf den Sozialbereich bezogen, sondern gilt für alle möglichen Arten der Beschaffung (des Einkaufs) von Leistungen durch den Staat. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 11 den Leistungsverträgen ist das anders. Hier müssen Preise betriebswirtschaftlich kalkuliert werden, die entsprechend sämtliche Kosten vollständig abdecken. Der Leistungsanbieter wird als Auftragnehmer gesehen, der nach Erteilung des Auftrags – also nach Abschluss des Leistungsvertrags – eine Dienstleistung für den Staat bzw. den Leistungsträger erbringt. Leistungsverträge können dann zur Anwendung kommen, wenn ähnlich wie bei Zuwendungen, keine Einzelfallentscheidung über eine konkrete Leistungsgewährung erfolgt oder aufgrund der rechtlichen Bestimmungen erfolgen muss (z.B. bei niedrigschwelligen Beratungsleistungen). Abgerechnet werden die Leistungen dann entweder über konkrete Einzelfallabrechnung nach erbrachter Leistung oder aber als Vorabfinanzierung mit nachträglicher Einzelabrechnung. Auch pauschale Finanzierungen sind möglich (vgl. DIJuF 2014, S. 5 f.). Grundsätzlich beziehen sich Leistungsverträge, das wurde bereits in den obigen Formulierungen deutlich, nicht nur auf den Einkauf (bzw. die Beschaffung) sozialer Dienstleistungen. Allgemein gilt: Wenn staatliche Stellen Waren oder Dienstleistungen einkaufen oder beschaffen, stellt die Auftragsvergabe mittels förmlicher Ausschreibungs- und Vergabeverfahren den gängigen und zumeist rechtlich zwingend zu verfolgenden Weg dar. Diese Verfahren sollen allen potenziellen Anbietern einen fairen und transparenten Zugang zu öffentlichen Aufträgen ermöglichen und die optimale Verwendung der öffentlichen Mittel durch Auswahl der Anbieter mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis sicherstellen. Generell wird mit Ausschreibungsverfahren die Erwartung verknüpft das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln und einen Wettbewerb der Anbieter untereinander anzuregen. Damit wird klar, dass die Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten ausgeprägt sind: Anbieter, die im Vergleich zu Wettbewerbern zu teuer sind, kommen nicht zum Zuge und fallen perspektivisch aus dem Markt. Es gibt Bereiche, in denen Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen relevant sind. Hierzu zählen Angebote der Arbeitsförderung oder im Rettungswesen. In anderen Bereichen spielt die Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen eine untergeordnete Rolle. Das ist auch auf Strategien von Kommunen (als wichtige Leistungsträger) zurückzuführen, von denen einige Ausschreibungen nicht wünschen, weil sie z.B. mit den etablierten Anbietern gute Erfahrungen haben. Aus ökonomischer Perspektive wird das Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen insbesondere aus folgenden Gründen als problematisch angesehen (vgl. Cremer et al. 2013, S. 200): • Eine Auswahl von Leistungsanbietern durch Vergabeverfahren beschränkt die Wahlrechte der Nutzer, da diese nur noch Anbieter auswählen können, die zuvor einen Zuschlag erhalten haben (Risiko der Monopolstellung von Anbietern). Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 12 • • • Auf Grund fehlender Wahlmöglichkeiten sinkt der Einfluss der Nutzer auf die Qualität der Leistung, da Sanktionsmöglichkeiten von Seiten der Nutzer (durch Wahl anderer Anbieter) nicht mehr bestehen. Durch den sinkenden Einfluss der Nutzer im Vergleich zu den Kostenträgern steigt die Gefahr der primären Orientierung an Kostenaspekten mit möglichen negativen Folgen für Leistungsqualität, Effektivität und Effizienz. Der Ausschluss potentiell geeigneter Trägern kann einen grundgesetzwidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Leistungserbringer darstellen. Für die meisten Felder sozialer Dienstleistungserbringung wird Vergaberecht als nicht anwendbar angesehen. Bei der Beurteilung, ob eine Leistung ausgeschrieben werden darf oder sogar ausgeschrieben werden muss4, geht es neben der Beachtung sozialrechtlicher Bestimmungen insbesondere um die Frage, ob überhaupt ein öffentlicher Auftrag vorliegt. Eng damit verbunden ist die Abgrenzung sozialer Dienstleistungen von wirtschaftlichen Gütern, ein Thema, das ebenso wie das Vergaberecht auf europäischer Ebene diskutiert wird. Die Entscheidung darüber, ob das Vergaberecht zur Anwendung kommt, ist also nicht nur eine Frage der politischen Willensbildung vor Ort, sondern auch eine Frage des Europarechts und des Sozialrechts, das den rechtlichen Rahmen festlegt „in dem die wirtschaftlichen Prozesse bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen ablaufen“ (Cremer et al. 2013, S. 113). 1.3 Leistungsentgelte Die Finanzierung in Form von Leistungsentgelten gilt als indirekte Finanzierungsform. Bei der indirekten Finanzierung ist der Empfänger der Leistung der Ausgangpunkt sowohl der Leistungserbringung als auch der Finanzierung. Anders formuliert: Die Finanzierung ist an die Erbringung der Leistung im Einzelfall gekoppelt. Es handelt sich um eine Form der Subjektfinanzierung. In der Gesamtbetrachtung der öffentlichen Finanzierungsarten ist die Finanzierung über Leistungsentgelte (Entgeltfinanzierung) von ihrem monetären Umfang her die wichtigste Form der Finanzierung sozialer Einrichtungen und Dienste. Da bei dieser Finanzierungsart drei Akteure in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen, spricht man von der Finanzierung und Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreieck. Die gesetzliche Verankerung dieser Finanzierungsform ist in den einzelnen Sozialgesetzbüchern zu finden z.B.: • §§ 75 ff. SGB XII (für Leistungen der Sozialhilfe / Eingliederungshilfe) 4 In § 45 Abs. 3 SGB III ist bspw. die Ausschreibungspflicht von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung festgelegt: „Die Agentur für Arbeit kann unter Anwendung des Vergaberechts Träger mit der Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 beauftragen.“ Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 13 • • §§ 78a ff SGB VIII (für bestimmte Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe) §§ 71ff SGB XI (für Pflegeleistungen) Da sich die Vergütung an der individuellen Inanspruchnahme orientiert, ist diese Form der Finanzierung dann zwingend, wenn ein konkreter Rechtsanspruch auf eine Leistung besteht. Auch wenn sich die genaue Ausgestaltung in den einzelnen Sozialgesetzbüchern unterscheidet, kann das Grundmodell der Finanzierung im sozialrechtlichen Dreieck wie folgt beschrieben werden: 1. Leistungsberechtigte haben gegen den Leistungsträger einen Anspruch auf eine Sozialleistung (z.B. Pflegeleistung, Betreuung). 2. Diese Sozialleistung erbringt der Leistungsträger nicht selbst. Die Erbringung erfolgt durch einen Dritten (Leistungserbringer). 3. Der Leistungsträger schließt mit den Anbietern (Grundlagen-)Verträge über Leistung, Qualität und Entgelt ab, aus denen zunächst noch kein direkter Vergütungsanspruch entsteht. 4. Die Vergütung erfolgt erst mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung. Sie wird, sofern die Hilfe bewilligt und damit der individuelle Rechtsanspruch konkretisiert ist, (vollständig oder teilweise) durch den Sozialleistungsträger übernommen5. Abb. 1 Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis 5 Die Form der Übernahme der Vergütung (z.B. als Schuldbeitritt) ist in den einzelnen Sozialleistungsbereichen unterschiedlich geregelt. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 14 Im Folgenden werden die einzelnen Seiten dieser Dreiecksbeziehung betrachtet, weil das für die Finanzierungsbedingungen sozialwirtschaftlicher Organisationen relevant ist. Beziehung zwischen Leistungsempfänger und Leistungserbringer Zwischen Leistungsempfänger und Leistungserbringer besteht ein privatrechtliches Vertragsverhältnis. Dies wird im idealtypischen Fall explizit über schriftliche Verträge (Pflegevertrag, Heimvertrag, Behandlungsvertrag) zum Ausdruck gebracht. Wenn in einigen Bereichen (z.B. in der Jugendhilfe) in der Praxis auf solche schriftlichen Verträge verzichtet wird, sollte das nicht zu dem Schluss verleiten, dass es dieses Vertragsverhältnis nicht gibt. Die Verträge regeln die Verpflichtung zur Erbringung der Leistung und zur Zahlung der Entgelte. Dieser Zahlungsverpflichtung tritt im Falle eines bestehenden Rechtsanspruches der Kostenträger bei und übernimmt somit die (komplette oder teilweise) Finanzierung der in Anspruch genommenen Leistung. Beziehung zwischen Kostenträger und Leistungserbringer Da die Nutzer der Dienstleistungen in der Regel nicht über die finanziellen Mittel zur Vergütung der notwendigen Dienstleistung verfügen, gleichzeitig der Sozialstaat jedem bedürftigen Bürger den Zugang zu sozialen Dienstleistungen garantiert, ist eine Preisbildung wie im klassischen Marktmodell, in dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, nicht möglich. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit für den Staat, Regeln für die Voraussetzung der Inanspruchnahme, den Umfang und die Finanzierung der Dienstleistungen festzulegen. Zwischen Kostenträger und Leistungserbringer werden daher im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Grundlagenverträge über Leistungen, die entsprechende Vergütung sowie Qualitätsaspekte abgeschlossen. Dabei handelt es sich vereinfacht gesprochen um die Aushandlung von Produkten und Preisen. Kennzeichen solcher „Produkte“ ist die genaue Beschreibung der Leistung anhand von qualitativen und quantitativen Merkmalen. Bezugspunkt ist jeweils der abstrakte Empfänger der Leistung. Der Preis für ein Produkt wird dann als Pauschale, als Tagessatz oder als Stundensatz ermittelt. Hierbei ist es üblich, dass Anbieter eine Beschreibung ihrer Leistungen und eine Kalkulation vorlegen, die im Rahmen eines Aushandlungsprozesses mit dem zuständigen Kostenträger zu vereinbaren sind. Diesem Vereinbarungsprozess liegen wie bei jeder Preisfindung zwischen Verkäufer und Käufer Interessengegensätze zugrunde. So ist es für den Anbieter der Leistung von elementarer Bedeutung Entgelte auszuhandeln, die für ihn mindestens auskömmlich sind und die darüber hinaus auch Risiken, beispielsweise der Unterauslastung, berücksichtigen, da im Bereich der Entgeltfinanzierung nachträgliche Ausgleiche nicht möglich sind und die Leistungsanbieter das volle ökonomische Risiko tragen. Gleichzeitig stellt die Verhandlung der Leistung und der Entgelte für den Kostenträger die entscheidende Möglichkeit dar auf die Kosten Einfluss zu nehmen, Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 15 da eine Kostensteuerung über den Einzelfall (zumindest in der Theorie) in der Konstruktion nicht vorgesehen ist: Sofern der Empfänger der Leistung einen Anspruch auf die entsprechende Leitung hat, sind die dafür zuvor vereinbarten Entgelte für die Leistung vom Kostenträger zu übernehmen oder, je nach Modell, zu erstatten6. Über die Höhe des Preises für eine Leistung wird zu dem Zeitpunkt nicht mehr verhandelt. Der Abschluss solcher Vereinbarungen stellt nach den Regeln der einzelnen Gesetzbücher eine Art Zugangsvoraussetzung zum jeweiligen Markt dar. So ist beispielsweise für stationäre Erziehungshilfeleistungen nach § 78b SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme des Entgelts nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung Vereinbarungen über Leistung-, Entgelt und Qualitätsentwicklung abgeschlossen wurden. Der Abschluss entsprechender Verträge wird damit für den Anbieter zu einer ökonomischen Notwendigkeit7. Je nach Konstellation gibt es unterschiedlich starke Verhandlungspositionen. So kann es beispielsweise Konstellationen geben, in denen Kostenträger die Vertragskonditionen weitgehend diktieren können. Um dies zu verhindern oder abzumildern und auch um den grundsätzlichen Zugang von Trägern zum Markt erstreitbar zu machen, sieht das Sozialrecht Schiedsstellen vor, die im Streitfall über die Vereinbarungen entscheiden können. Darüber hinaus steht auch der Weg zu den Sozial- oder Verwaltungsgerichten offen. Des Weiteren sind in den Gesetzen Rahmenverträge vorgesehen. Hierbei handelt es sich um Verträge zwischen den Spitzenverbänden beider Verhandlungsseiten über den Inhalt der Vereinbarungen. Ziel dieser Rahmenverträge ist es, den Abschluss der einrichtungsbezogenen Vereinbarungen zu erleichtern und landesweite Standards zu setzen. Im Idealtypischen Fall schließen die Kostenträger Verträge mit diversen Anbietern ab. Diese Verträge führen – wie ausgeführt – für die Anbieter jedoch nicht zu einem direkten Anspruch auf eine Finanzierung. Diese entsteht erst mit der Inanspruchnahme der Leistung. Einen Automatismus, dass Anbieter auf Grund der abgeschlossenen Verträge ihre Kosten decken können, gibt es demnach nicht. Das wirtschaftliche Risiko, welches letztlich ein Risiko der Auslastung ist, tragen daher die Anbieter komplett. Beziehung zwischen Leistungsempfänger und Kostenträger Geschlossen wird das Dreieck erst durch das Verhältnis zwischen Leistungsempfängern (leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürgern) und dem Kostenträger. Bedürftige Bürgerinnen und Bürger haben einen Leistungsanspruch gegenüber dem Kostenträger. Der Leistungsträger nimmt seine gesetzliche 6 Zudem ist eine Selbstbeteiligung von Leistungsberechtigten möglich, in einzelnen Leistungsgesetzen sogar explizit vorgesehen. 7 Im Einzelfall sind zwar vom Gesetz her Ausnahmen vorgesehen, jedoch spielen diese in der Praxis eine untergeordnete Rolle und sind mit erheblichem administrativen Mehraufwand verbunden. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 16 Leistungsverpflichtung insofern wahr, als er Leistungsberechtigten (Leistungsempfängern) die Kosten der Inanspruchnahme der sozialen Dienstleistungen erstattet oder sie in anderer Form übernimmt. Dadurch erhalten Leistungserbringer, also die sozialwirtschaftlichen Organisationen, letztlich ihre Leistungen vergütet. 1.3.1 Entgeltvereinbarungen in der (teil-)stationären Jugendhilfe Entsprechend der §§ 78a-g SGB VIII sind Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen für alle Hilfen zur Erziehung in teilstationärer oder stationärer Form zu treffen. Abb. 2 Vereinbarungen nach §§ 78a ff SGB VIII In der Leistungsvereinbarung werden neben Art, Ziel und Qualität des Leistungsangebots, der zu betreuende Personenkreis, die sächlich und personelle Ausstattung, die Qualifikation des Personals sowie die betriebsnotwendige Anlagen festgelegt. Darüber hinaus werden die Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung in der Qualitätsentwicklungsvereinbarung bestimmt. Kernvoraussetzung für den Abschluss der Vereinbarungen ist die Leistungsgerechtigkeit. Leistung und Entgelt müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Entgeltvereinbarungen müssen sich demnach aus den Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen ableiten. Dies hat unter den Grundprinzipien der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erfolgen. Das bedeutet, dass die Einrichtung in der Lage sein muss mit dem Entgelt die entsprechende Leistung erbringen zu können. Gleichzeitig sollen unnötige Kosten verhindert und eine günstige Zweck-Mittel-Relation sichergestellt Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 17 werden. In der Bewertung der Angemessenheit der Entgelte bzw. der zugrundeliegenden Kosten liegt erhebliches Konfliktpotenzial, welches sich in harten Verhandlungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern zeigt. Vereinfacht erfolgt die Berechnung der Entgeltsätze für (teil-) stationäre Einrichtungen in Form von Tagessätzen nach folgender allgemeinen Formel: 𝑮𝒆𝒔𝒂𝒎𝒕𝒌𝒐𝒔𝒕𝒆𝒏 = 𝑬𝒏𝒕𝒈𝒆𝒍𝒕𝒔𝒂𝒕𝒛 𝒑𝒓𝒐 𝑻𝒂𝒈 𝒖𝒏𝒅 𝑷𝒍𝒂𝒕𝒛 Tage ∗ 𝑷𝒍ä𝒕𝒛𝒆 ∗ 𝑨𝒖𝒔𝒍𝒂𝒔𝒕𝒖𝒏𝒈𝒔𝒒𝒖𝒐𝒕𝒆 Die Vereinbarungen werden für die Zukunft geschlossen. Daher wird auch von prospektiver Finanzierung gesprochen (im Unterschied zur retrospektiven Finanzierung). In prospektiver Betrachtung eines Wirtschaftszeitraums, auf den sich die abzuschließende Vereinbarung bezieht (in der Regel ein Jahr), werden die erwarteten Kosten durch die Anzahl der Tage dividiert, die voraussichtlich als Leistungstage erbracht werden. Zur Bestimmung dieser Tage werden die rechnerisch zur Verfügung stehenden Tage mit einer angenommenen Auslastung multipliziert. Beispiel: Entgeltberechnung stationäre Jugendhilfe In der folgenden Übersicht sind in der ersten Zahlenspalte die erwarteten Kosten der Einrichtung aufgeführt. In der zweiten Zahlenspalte sind die Kosten pro Tag und Platz bei einer angenommenen Auslastung ausgewiesen. Die Einrichtung verfügt über 24 Plätze, die aber nicht das ganze Jahr über alle belegt sind. Es wird eine Auslastung von 95% erwartet. Unter den Annahmen ergeben sich die ausgewiesenen Kosten je Tag und Platz. Anzahl der Plätze: 24 Auslastung: 95% Berechnungstage: 8322 I. Personalkosten Leitung Pädagogisch/therapeutisches Personal Wirtschaftsbereich Verwaltung Zivildienstleistende, FSJ, Praktikanten Personalnebenkosten Insgesamt: II. Sachkosten Lebensmittel Betriebskosten Verwaltungskosten Betreuungskosten Insgesamt: III. Betriebsnotwendige Aufwendungen Abschreibungen Verzinsung Miete, Pacht, Erbbauzinsen, Leasinggebühren Instandhaltung/ -setzung, GWG Insgesamt: Entgelt: Kosten insgesamt 79.887,00 € 589.998,00 € 77.653,00 € 32.738,90 € -­‐ € 8.369,17 € 788.646,07 € Kosten je Tag und Platz 9,60 € 70,90 € 9,33 € 3,93 € -­‐ € 1,01 € 94,77 € 48.079,70 € 98.379,90 € 19.113,26 € 27.782,51 € 193.355,27 € 5,78 € 11,82 € 2,30 € 3,34 € 23,23 € 9.254,00 € 6.877,00 € 110.880,00 € 8.543,00 € 135.554,00 € 1.117.555,34 € 1,11 € 0,83 € 13,32 € 1,03 € 16,29 € 134,29 € Abb. 3 Beispiel für eine Entgeltberechnung Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 18 Die Prospektivität der abzuschließenden Vereinbarungen ist ein zentrales Element der Entgeltfinanzierung. Durch das Verbot von nachträglichen Ausgleichen wird das wirtschaftliche Risiko auf die Einrichtung übertragen, die gleichzeitig dadurch die Chance hat, Überschüsse zu erwirtschaften. Rückwirkende Ausgleiche und Vereinbarungen, die sich auf vergangene Zeiträume beziehen, sind ausgeschlossen. Vereinbarungen gelten ab dem in der Vereinbarung bestimmten Zeitpunkt oder mit ihrem Abschluss. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Einigung über eine Schiedsstelle erfolgt. Zudem wird geregelt, dass die Vereinbarungen über ihren Vereinbarungszeitraum weiter gültig bleiben, bis sie von einer neuen Vereinbarung abgelöst werden. Zwischenzeitliche Neuvereinbarungen sind nur in Ausnahmefällen bei „unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen“ möglich. Fehleinschätzungen über zukünftige Kostenentwicklungen können entsprechend dazu führen, dass die Einrichtung Verluste macht. Auf Grund der Prospektivität spielt die in den Berechnungen zu Grunde gelegte Belegungsquote (Auslastungsgrad) für das unternehmerische Risiko der Einrichtung eine entscheidende Rolle. Würde von einer Belegungsquote von 100% ausgegangen, müsste die Einrichtung an jedem Tag im Jahr jeden kalkulierten Betreuungsplatz belegt haben um kostenneutral zu arbeiten. Um wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen, müssen daher Auslastungsquoten vereinbart werden, die das Risiko einer Unterauslastung berücksichtigen. Neben der Auslastung bestehen weitere wirtschaftliche Risiken in unerwartet ungünstigen Kostenentwicklungen. Hierbei sind insbesondere die Personalkosten zu nennen, da diese bei personenbezogenen sozialen Dienstleistungen – wie im vorstehenden Beispiel - in der Regel mindestens 70%-75% der gesamten Kosten ausmachen. 1.3.2 Entgeltfinanzierung für Einrichtungen der Eingliederungshilfe Ähnlich den Regeln für stationäre und teilstationäre Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erfolgt auch die Finanzierung der Einrichtungen und Dienste nach dem SGB XII (hierbei handelt es sich in erster Linie um Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) in Form von Leistungsentgelten. Nach den §§ 75ff SGB XII werden Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen zwischen den freien Trägern und dem Träger der Sozialhilfe abgeschlossen. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 19 Abb. 4 Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII Die Vergütung setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: • • • einer Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung einer Maßnahmenpauschale einem Investitionsbetrag. Die Grundpauschale umfasst Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Hierbei handelt sich insbesondere um die regelmäßig anfallenden Sach- und Personalkosten zur Bereitstellung, Reinigung und Pflege des Wohnraums, zur Bereitstellung von Mahlzeiten, laufende Kosten zum Betrieb eines Fuhrparks, der Energie- und Wasserversorgung sowie Verwaltungs- und Leistungskosten. Über unterschiedliche Maßnahmenpauschalen werden unterschiedliche (idealtypische) Bedarfe sozialpädagogischer, heilpädagogischer oder pflegerischer Art abgebildet. Hierbei wird auf die Beschreibung von Hilfebedarfsgruppen, also Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf, zurückgegriffen. Auf diesem Wege soll einerseits der Zusammenhang zwischen dem individuellen Hilfebedarf und den Kosten für die Leistung möglichst genau abgebildet werden und andererseits die Berechnung der Pauschalen noch praktikabel gehalten werden. Rechnerisch wird der Zusammenhang zwischen dem individuellen Hilfebedarf und den Kosten dann z.B. über Personalschlüssel hergestellt. Der Investitionsbetrag setzt sich aus Kosten für „die Herstellung, Anschaffung, Wiederbeschaffung, Ergänzung, Instandhaltung, Instandsetzung der für den Betrieb der Einrichtung notwendigen Gebäude und sonstiger abschreibungsfähigen Anlagegüter bzw. deren Miete, Pacht, Nutzung usw.“ (Münder LPK-SGB XII §76 Rz 21) zusammen. Dabei handelt es sich um einrichtungsindividuelle Abschreibungen, Zinsen, Instandhaltungsaufwendungen sowie Mieten und Pachten. Bezüglich des Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 20 Investitionsbetrags hat der Gesetzgeber zudem festgelegt, dass der Träger der Sozialhilfe einer Erhöhung der Vergütung auf Grund von Investitionsmaßnahmen nur zuzustimmen braucht, „wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat“ (§ 76 (2) SGB XII). Auf Grund der oftmals sehr hohen Investitionssummen für Gebäude (z.B. für stationäre Eingliederungshilfeeinrichtungen), stellt diese Vorschrift eine wichtige zu beachtende Bestimmung und für den Einrichtungsbetreiber zu nehmende Hürde dar. 1.3.3 Finanzierung stationärer Pflegeeinrichtungen Die allgemeinen Bestimmungen für die Finanzierung stationärer Pflegeeinrichtungen finden sich im SGB XI (Soziale Pflegeversicherung). Bei einem Teil der Leistungen handelt es sich um Versicherungsleistungen, die einkommensunabhängig gewährt werden, sofern der Leistungsanspruch besteht. Die Leistungen werden nach § 82 SGB XI im Wesentlichen in folgende drei Bereiche differenziert8, aus denen unterschiedliche Finanzierungsvarianten folgen: 1. Für allgemeine Pflegeleistungen (Pflegevergütung) zahlt die Pflegeversicherung in Abhängigkeit von der Pflegestufe einen bundeseinheitlich gleichen Betrag (Pauschale). Den auf Pflegeleistungen entfallenden Restbetrag in der jeweiligen Einrichtung haben die Versicherten selbst zu zahlen. 2. Die Vergütung für Unterkunft und Verpflegung (auch „Hotelkosten“ genannt) müssen die Pflegebedürftigen selbst tragen. 3. Für die Finanzierung der Investitionskosten (betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen) ist vom Grundsatz her die Förderfinanzierung vorgesehen, die jedoch auf Bundeslandebene unterschiedlich gestaltet ist und in der Regel nicht die kompletten Investitionskosten abdeckt. Investitionsaufwendungen, die über eine Landesförderung nicht (oder nicht vollständig) refinanziert sind, können die Pflegeeinrichtungen den Pflegebedürftigen direkt in Rechnung stellen. Die Pflegekassen (Pflegeversicherungen) übernehmen somit lediglich einen Teil der Entgeltzahlungen. Hierbei handelt es sich um pauschalierte Beträge. Die gesamten verbleibenden Leistungsentgelte sind von den Pflegebedürftigen selbst zu tragen. Da sich diese Beträge in nennenswerten Größenordnungen bewegen9, stößt die Zahlungsfähigkeit von etlichen Pflegebedürftigen an Grenzen. Die Sozialhilfe (SGB XII) greift ein, wenn Pflegebedürftige nicht in der Lage sind, die auf sie entfallenden Leistungsentgelte vollständig zu tragen. Der komplexe Zusammenhang wird in Abbildung 31 dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hilfe zur Pflege zwar Pflegedürftigen gewährt wird. Da die Gelder aber für Sach- und 8 Auf weitere Entgeltbestandteile wie bspw. die Ausbildungsvergütung (§ 82a SGB XI) wird nicht eingegangen. 9 In Abhängigkeit vom Standort, von der Ausstattung und Pflegestufe können monatliche Verpflichtungen im Bereich von 2.000 € auf Pflegebedürftige zukommen. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 21 Dienstleistungen bestimmt sind, werden sie nicht an die Leistungsempfänger ausgezahlt wie es das Schaubild (Abb. 31) suggeriert, sondern analog der Leistungen der Pflegekassen direkt an die Einrichtungen gezahlt. Die gewählte Darstellung lässt sich damit begründen, dass die Hilfe zur Pflege eine Kompensation für die Teil-Entgelte von Leistungsempfängern darstellt, die selber nicht (vollständig) leistungsfähig sind. Abb. 5 Finanzierungsschema in der stationären Pflege Eigene Darstellung in Anlehnung an Pracht/Wolke 2009, S. 510 Für wie viele Pflegebedürftige die Hilfe zur Pflege relevant ist, lässt sich der amtlichen Statistik entnehmen. Im Jahr 2011 (Jahresendstand) erhielten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes annähernd 300.000 Personen in vollstationären Einrichtungen Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Gemessen an den knapp 724.000 Pflegebedürftigen in Pflegeheimen entspricht das einer Quote von ca. 40%. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ca. 60% der Pflegebedürftigen die von ihnen zu tragenden Leistungsentgelte vollständig aus eigenen finanziellen Mitteln aufbringen. Dies macht deutlich, wie marktnah der Pflegebereich ist: Pflegeheime erbringen als Leistungsanbieter Dienstleistungen für Pflegebedürftige, die für diese Leistungen in erheblichem Umfang selber zahlen. Allerdings gilt diese Marktanalogie nur für das formale Austauschverhältnis (Leistung-Gegenleistung), nicht aber für die Preisfindung. Sie ist über Verhandlungen der Einrichtungen mit den Pflegekassen geregelt. Dabei sind landesspezifische Vorgaben zu beachten. Die Übersicht über die Entgelte für Pflege sowie für Unterkunft und Verpflegung (vgl. Tabelle 21) gibt Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 22 einen Eindruck von der Heterogenität der Entgelte zwischen den Bundesländern10. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um Landesdurchschnittswerte handelt, auf Einrichtungsebene fallen die Preisunterschiede höher aus. Nachrichtlich sind in der unteren Zeile der Tabelle die bundeseinheitlichen Leistungsbeiträge der Pflegekassen für das Jahr 2011 ausgewiesen. Durchschnittliche Vergütung für vollstationäre Dauerpflege (pro Person im Monat) Pflegesatz der Pflegeklasse Pflegstufe 1 Vergütung Bundesland Pflegestufe 2 Abweichung vom Bundesdurchschnitt Vergütung Entgelt für Unterkunft und Verpflegung Pflegestufe 3 Abweichung vom Bundesdurchschnitt Vergütung Abweichung vom Bundesdurchschnitt Vergütung Abweichung vom Bundesdurchschnitt Baden-Württemberg 1.539,46 12% 1.976,61 9% 2.516,82 11% 646,61 3% Bayern 1.587,79 16% 1.975,09 9% 2.262,06 -1% 556,32 -12% Berlin 1.517,26 11% 2.056,86 14% 2.445,07 7% 511,02 -19% Brandenburg 1.201,41 -12% 1.520,30 -16% 2.032,54 -11% 515,89 -18% Bremen 1.099,57 -20% 1.754,69 -3% 2.190,93 -4% 669,10 6% Hamburg 1.311,15 -4% 1.890,58 4% 2.474,26 9% 698,90 11% Hessen 1.370,74 0% 1.879,94 4% 2.388,22 5% 556,02 -12% Meckl.-Vorpommern 1.175,26 -14% 1.540,98 -15% 1.982,99 -13% 484,58 -23% Niedersachsen 1.296,26 -5% 1.685,68 -7% 2.084,22 -8% 518,32 -18% Nordrhein-Westfalen 1.378,64 1% 1.928,58 6% 2.500,10 10% 856,67 36% Rheinland-Pfalz 1.335,47 -2% 1.730,37 -4% 2.388,22 5% 693,42 10% Saarland 1.435,18 5% 1.964,14 8% 2.487,02 9% 700,42 11% Sachsen 1.088,62 -20% 1.426,06 -21% 1.918,54 -16% 456,00 -28% Sachsen-Anhalt 1.150,94 -16% 1.517,26 -16% 1.808,50 -21% 488,22 -22% Schleswig-Holstein 1.331,52 -3% 1.693,89 -6% 2.060,51 -10% 635,06 1% Thüringen 1.045,76 -24% 1.423,94 -21% 1.878,42 -18% 575,78 -8% Deutschland Nachrichtlich: Leistungsbeiträge der Pflegekassen 1.368,91 0% 1.810,93 0% 2.277,57 0% 628,98 0% 1.023,00 1.279,00 1.510,00 Tab. 2 Vergütung der vollstationären Dauerpflege am 15.11.2011 Eigene Berechnungen, Datenbasis: Pflegestatistik [Statisches Bundesamt 2013] In der amtlichen Statistik finden sich keine Angaben zu den Investitionskosten. Das ist nachvollziehbar, denn in diesem Bereich gibt es auf Landesebene keine einheitliche Finanzierung. Wie die Bundesländer die finanzielle Förderung der Investitionskosten gestalten, ist ihnen überlassen. Neben der direkten Förderfinanzierung (vgl. Kapitel 8.1) existiert die Variante des Pflegewohngeldes, das Pflegebedürftigen gewährt wird, sofern ihr Einkommen und Vermögen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Das Pflegewohngeld ist eine „subjektbezogene Förderung der Investitionskosten“ (Cremer et al. 2013, S. 122). Damit wird das im Sozialbereich häufiger vorfindbare duale Finanzierungssystem, das Nebeneinander von direkter und indirekter Finanzierung, zu Gunsten der in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnenen ausschließlichen indirekten Finanzierung aufgehoben. 10 Ein Teil der Unterschiede ist darauf zurückzuführen, dass nach den Bestimmungen der Länder einzelne Aufwandspositionen unterschiedlich zugeordnet werden (z.B. entweder Pflege oder Hotelkosten oder Investitionskosten). Vgl. zu dieser Begründung Augurzky et al. (2007). Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 23 Der Pflegesektor gilt als stark wettbewerblich organisiert. Die gesetzlichen Auflagen auch in diesem Bereich schränken die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Pflegeeinrichtungen allerdings erheblich ein. Wie groß diese Einschränkungen sind, ist wegen der ergänzenden Regelungsbefugnisse der Bundesländer regional unterschiedlich. Politische Entscheidungen können die Finanzierungsbedingungen für die Einrichtungen verändern und sogar dazu beitragen, dass einstmals wirtschaftlich erfolgreiche Einrichtungen in Schwierigkeiten geraten. Mit möglichen Auswirkungen solcher sozialpolitischer Änderungen auf die wirtschaftliche Lage von Einrichtungen können Sie sich in einer Übungsaufgabe auseinandersetzen. 1.3.4 Leistungsentgelte als Fachleistungsstunden (FLS) Während Leistungsentgelte in Form von Tagessätzen die übliche Finanzierungsform von (teil-)stationären Angeboten darstellt, handelt es sich bei der Fachleistungsstunde um ein Finanzierungsinstrument, welches ermöglicht, Leistungen mit unterschiedlichen Betreuungsintensitäten entsprechend der individuellen Problemlage des Hilfesuchenden zu gewähren, zu erbringen und bei Bedarf flexibel anzupassen. Zum Einsatz kommt das Instrument der Fachleistungsstunde insbesondere bei rechtsanspruchsbegründeten ambulanten Maßnahmen beispielsweise in der Erziehungshilfe oder in der ambulanten Betreuung behinderter Menschen. Die Fachleistungsstunde ist eine auf Personen und Zeiten orientierte Abrechnungsmethode. Im Rahmen der Bewilligung der Hilfe wird der Umfang der Hilfe in Form von Stunden pro Woche oder pro Monat festgelegt. Mit der Fachleistungsstunde werden die Personal- und Sachkosten, die zur Vorhaltung einer Betreuungskapazität erforderlich sind, sowie die tatsächliche Arbeitszeit einer Fachkraft in ein Verhältnis zueinander gesetzt. In allgemeiner Darstellung ergeben sich die Kosten pro Leistungsstunde als: 𝑱𝒂𝒉𝒓𝒆𝒔𝒌𝒐𝒔𝒕𝒆𝒏 = 𝑲𝒐𝒔𝒕𝒆𝒏 𝒑𝒓𝒐 𝑳𝒆𝒊𝒔𝒕𝒖𝒏𝒈𝒔𝒔𝒕𝒖𝒏𝒅𝒆 𝑵𝒆𝒕𝒕𝒐𝒋𝒂𝒉𝒓𝒆𝒔𝒂𝒓𝒃𝒆𝒊𝒕𝒔𝒛𝒆𝒊𝒕 Ebenso wie bei der Aushandlung von Leistungsentgelte in Form von (Tages- oder Monats-) Pflegesätzen zwischen den öffentlichen und freien Trägern bedarf es auch bei der Festlegung der Vergütung von Fachleistungsstunden einer Vereinbarung (Vgl. §77 SGB VII oder §75 SGB XII). Bei der Ermittlung der Fachleistungsstundensätze wird daher eine Einigung über die Kosten, die durch den Einsatz der Fachkräfte entstehen, als auch über deren verfügbare Einsatzzeiten benötigt. Die zu berücksichtigenden Kosten sind vom Grundsatz her alle zur Vorhaltung der Betreuungskapazität erforderlichen Kosten. Dies umfasst die direkten Personalkosten der Fachkräfte ebenso wie Verwaltungs- und Overheadkosten (z.B. Leitung) sowie Sach- und Investitionskosten. In den einzelnen Arbeitsfeldern gibt es ggf. bundeslandspezifische Vorgaben für die berücksichtigungsfähigen Kosten. Das folgende Beispiel bezieht sich auf die Erziehungshilfe. Es handelt sich um ein fiktives Beispiel, mit dem lediglich das Berechnungsprinzip dargestellt werden soll. Zudem ist zu beachten, dass die Kosten einer Fachleistungsstunde in dem Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 24 Beispiel ebenso wie die zuvor behandelten Tagessätze (vgl. Kapitel 8.2.1 bis 8.2.3) einrichtungsspezifisch kalkuliert werden. Beispiel: Ermittlung eines Fachleistungsstundensatzes Zunächst sind die Gesamtkosten einer durchschnittlichen Fachkraft zu ermitteln (Jahreskosten). 1. Personalkosten Personalkosten durchschnittliche Fachkraft (TVöD 9 mit BAT-Besitzstand) 47.000,00 2. Overheadkosten (Personal) Leitung (TVöD 11 mit BAT-Besitzsstand, anteilig 1:10) (Beispiel) 6.000,00 Verwaltung, EDV, Betriebsrat etc. (TVöD 7 mit BAT-Besitzstand, anteilig 1:10) (Beipiel) 3.400,00 Vergleich pauschal max. 20 % der Personalkosten 9.400,00 3. Kosten für Supervision, Fortbildung, Handgeld, Fahrtkosten, sowie Büro- und Sachkosten (teilweise anteilig, teilweise pro Fachkraft) Kapitalkosten Mieten/Investitionen/Abschreibung/Instandhaltung Wasser/Abwasser, Strom, Heizkosten Gebäudereinigung Post, Festnetztelekommunikation Büroausstattung und Material Haftpflichtversicherung, Verbandsbeiträge, GEZ Betriebsarzt Steuerberatung Sozialpäd. Handgeld EDV, Mobiltelefon sonstige Kosten zum Vergleich: Pauschalen "Büro- und Sachkosten" wie sie auf Grundlage und in Abwandlung der KGST-Zahlen ermittelt werden können (Beispiel) 3.000,00 zzgl. Fortbildung (Pauschal) 300,00 zzgl. Supervision (Pauschal) 350,00 zzgl. Fahrtkosten (vor Ort auszuhandeln, Beispiel) 4.000,00 Summe Sachkosten 7.650,00 4. Sachkosten des Overheads anteilig 1:5 Liste der Kostenpositionen zu 3., davon 20% 7.650,00 zum Vergleich: Summe der Sachkosten unter 3. zu 20 % 1.530,00 5. Gesamtkosten einer durchschnittlichen Fachkraft 65.580,00 Tab. 3 Beispielberechnung der Gesamtkosten einer durchschnittlichen Fachkraft Eigene Darstellung in Anlehnung an AFET (2012): Modellrechner Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 25 Die Gesamtkosten einer durchschnittlichen Fachkraft pro Jahr belaufen sich nach der Modellrechnung auf 65.580 €. Bei der Beurteilung dieses Wertes ist u.a. zu berücksichtigen, dass in diese Kalkulation einige Pauschalen eingegangen sind. Die Fachleistungsstunde ist die Vergütung für eine Leistungsstunde. Bei der Ermittlung der Stundenvergütung ist daher entscheidend, wie viele Stunden eine „durchschnittliche“ Fachkraft überhaupt in der Lage ist eine abrechenbare Leistung zu erbringen. Diese Größe wird als Nettojahresarbeitszeit bezeichnet. Es ist die für die unmittelbare Leistungserstellung verfügbare Einsatzzeit. Zu bedenken ist, dass mit dieser Größe, der Nettojahresarbeitszeit, indirekt Rahmenbedingungen des fachlichen Arbeitens festgelegt werden. Sollen Fachkräfte beispielsweise regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen, so reduziert dies die Zeit, die sie zur Betreuung von Klientinnen und Klienten zur Verfügung stehen. Die Fachleistungsstunde verteuert sich dementsprechend. Die Ermittlung der Nettojahresarbeitszeiten erfolgt in zwei Schritten. Zunächst wird auf Basis der rechtlichen, tariflichen oder unternehmensinternen Regeln die Bruttoarbeitszeit einer Fachkraft bestimmt. Dies entspricht der Zeit, die die Fachkraft der Organisation voraussichtlich insgesamt zur Verfügung steht. Beispiel: Ermittlung eines Fachleistungsstundensatzes – Fortsetzung 1 Sind die gesamten Kosten einer Fachkraft ermittelt, stellt sich als nächstes die Frage wie viel Zeit Fachkräfte der sozialwirtschaftlichen Organisation überhaupt zur Verfügung stehen. In diesem Berechnungsschritt wird auf Grundlage von Tagen und Wochen kalkuliert; die wöchentliche Arbeitszeit ist noch nicht berücksichtigt. Es wird von einer 5-Tage-Woche ausgegangen, von einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr sowie von durchschnittlich 10 Fehltagen aufgrund von Krankheit. Dieser letzte Wert ist ein Schätzwert, der sich i.d.R. aus Erfahrungswerten früher Jahre ergibt. Mit diesen Angaben lässt sich die Anzahl der durchschnittlichen Bruttoarbeitswochen ermitteln. Durchschnittliche Anzahl der Tage pro Jahr 365,25 abzgl. Wochenendtagen ((365,25 / 7) x 2) 104,36 abzgl. Urlaubstage (Beispiel) 30,00 abzgl. Feiertage (Beispiel) 10,00 abzgl. Krankheitstage (pauschal) 10,00 abzgl. Fortbildung/Sonderurlaub/ Bildungsurlaub (Beispiel) 5,00 = Summe Jahresarbeitstage (Brutto): 205,89 geteilt durch 5 entspricht Anzahl der Bruttoarbeitswochen 41,18 Tab. 4 Jahresarbeitszeit einer durchschnittlichen Fachkraft Eigene Darstellung in Anlehnung an AFET (2012): Modellrechner Von den 52 Kalenderwochen, während derer Dienstleistungen angeboten werden, stehen die einzelnen Mitarbeitenden aufgrund bestimmter Fehlzeiten den Einrichtungen rechnerisch nur 41,18 Wochen für Arbeitsleistungen zur Verfügung. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 26 Um wirtschaftlich arbeiten zu können muss die Organisation berücksichtigen, dass sie nicht für jede Arbeitsstunde, die ihre Fachkraft theoretisch zur Verfügung steht, eine Vergütung erzielen kann. Sie bekommt lediglich die Zeit vergütet, die im Einzelfall für oder mit den Klientinnen und Klienten erbracht wird. Daher ist es notwendig, die tatsächliche Einsatzzeit (Nettoarbeitszeit) möglichst genau zu ermitteln und gemeinsam mit dem öffentlichen Kostenträger festzulegen bzw. auszuhandeln. Hierzu müssen über die im Beispiel berücksichtigten „Ausfallzeiten“ für Urlaub, Krankheit und Feiertage hinaus weitere Minderzeiten berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich um fallübergreifende Zeiten bzw. Tätigkeiten und fallbezogene Zeiten. Zudem ist einer Annahme über die Auslastung zu treffen. Als fallübergreifende oder berufsspezifische Minderzeiten sind allgemeine Aufgaben zu fassen, wie beispielsweise Teamsitzungen, Fallberatung im Team, Supervision oder die Teilnahme an Arbeitskreisen. Fallbezogene Minderzeiten sind hingegen Zeiten, die zwar im direkten Zusammenhang mit der betreuten Person stehen, die allerdings nicht im direkten Kontakt zu dieser erbracht werden. Hierzu gehören Fahrtzeiten, Vor- und Nachbereitung der Klientenkontakte (Dokumentation) oder Kontakte zu Institutionen / Angehörigen, die in direktem Zusammenhang mit der Betreuung der Klientinnen und Klienten stehen. Grundsätzlich ist es im Rahmen von Vereinbarungen über Fachleistungsstunden von großer Bedeutung zweifelsfrei festzulegen, welche Tätigkeiten mit der Fachleistungsstunde abgerechnet werden können und welche nicht. Aus Gründen der administrativen Vereinfachung und höheren Vergleichbarkeit werden vielerorts fallübergreifende Minderzeiten pauschal berücksichtigt. Ein solches Modell wird als Face-to-Face-Modell bezeichnet, da gegenüber dem Kostenträger lediglich die Zeiten abgerechnet werden, die direkt in der Betreuung des Klienten erbracht werden. Eine Alternative dazu ist das sogenannte Bruttomodell, in dem die fallbezogenen Zeiten ebenfalls als Leistungszeiten abgerechnet werden können. Das Entgelt für die einzelne Fachleistungsstunde ist im Face-to-Face-Modell zwar höher als im Bruttomodell, allerdings besteht eine größere Unsicherheit für die Leistungserbringer und damit ggf. ein höheres wirtschaftliches Risiko falls die tatsächlichen Einsatzzeiten von den kalkulierten Größen nach unten abweichen. Beispiel: Ermittlung eines Fachleistungsstundensatzes – Fortsetzung 2 Zur Berechnung der Nettoarbeitszeit sind weitere notwendige Arbeitszeitbestandteile zu berücksichtigen, die aber keine direkten Kontaktzeiten mit Klienten oder Klientinnen sind. Diese Berechnung, die in der Kalkulation der Fachleistungsstundensätze mündet, basiert auf der wöchentlichen Arbeitszeit sowie auf Annahmen und Erfahrungswerte über wöchentlich notwendige Arbeitsstunden für solche Arbeitsbestandteile. Zudem geht in die Modellrechnung ein Kapazitätseffekt ein. Er bezieht sich auf die begründete Annahme, dass sich auch Anbieter sozialer Dienstleistungen gewissen Nachfrageschwankungen gegenübersehen, ihre Leistungen also nicht ständig zu 100% abgerufen werden. Annahmen (Beispiele) zu den verschiedenen Punkten findet sich in nachfolgender Tabelle. In der Tabelle ist Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 27 zudem die Kalkulation für das Bruttomodell und der des Face-to-Face Modells gegenüber gestellt. Bruttomodell Face-toFaceModell 38,50 38,50 Fallberatung im Team (pauschal) 2,50 2,50 Organisation (pauschal) 0,50 0,50 Supervision (pauschal) 0,50 0,50 Sozialraumarbeit (Beispiel) 0,50 0,50 Fallübergreifende Vor-/Nachbereitungszeit also Leitungskontakte, Konzepte, 1,00 Rundläufe, Protokolle, Vermerke (Beispiel) 1,00 Wöchentliche Arbeitsstunden gem. Vertrag (Beispiel) 1. Fallübergreifende Arbeitsstunden pro Woche: 2. Fallbezogene Zeiteinheiten pro Woche: Fahrtzeiten (Beispiel) 2,00 Fallbezogene Vor-/Nachbereitungszeit Tischvorlagen für Hilfeplangespräche, Diagnoseverfahren) (Beispiel) (z.B. Falldokumentationen, Wird als päd. Tagebücher, sozialpäd. Leistungs2,00 zeit vergütet. Mittelbare Kontaktzeiten wie Telefonate zu Klienten, zu Institutionen und Angehörigen (Beispiel) 3,00 Zwischensumme abzuziehende Zeiteinheiten (Stunden pro Woche) 5,00 12,00 Zwischensumme Arbeitsstunden 33,50 26,50 97,5 % der direkten fallbezogenen Arbeitsstunden (Beispiel) = abrechenbare wöchentliche Arbeitsstunden 32,66 25,84 verbleibende wöchentliche direkte fallbezogene 3. Auslastungsgrad 4. Zusammenfassung Jährliche fallbezogene und abrechenbare Leistungsstunden pro Mitarbeitenden (Arbeitswochen x abrechenbare wöchentliche Arbeitsstunden) 1.345,00 1.063,95 Gesamtkosten einer durchschnittlichen Fachkraft (s.o.) 65.580,00 65.580,00 Kosten einer Fachleistungsstunde (Beispielwerte) 48,76 61,64 Tab. 5 Nettoarbeitszeit einer Fachkraft und Kosten einer Fachleistungsstunde Eigene Darstellung in Anlehnung an AFET (2012): Modellrechner An dem Beispiel zur Kalkulation der Fachleistungsstunde lässt sich veranschaulichen welche gravierenden negativen Folgen es für Einrichtungen hat, wenn sie ihre abrechenbaren Leistungsstunden nicht angemessen ermitteln. Verhandlungen zwischen Leistungsträgern und Einrichtungen über die Höhe der Fachleistungsstundensätze, basieren auf entsprechenden Kalkulationen der Einrichtungen. Neben der einrichtungsspezifischen Ermittlung von Fachleistungsstundensätzen gibt es auch Einheitsvergütungen. In solchen Fällen pauschaler Preise (z.B. verhandelt im Landesrahmenvertrag für Ambulant Betreutes Wohnen in der Eingliederungshilfe in NRW) haben Einrichtungen anders zu kalkulieren. Bei gegebenen Personalkosten muss im Bedarfsfall die Nettoarbeitszeit „angepasst“ werden, damit Einrichtungen ihre Kosten gedeckt bekommen. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 28 1.4 Das persönliche Budget Das persönliche Budget ist eine indirekte Finanzierungsform für soziale Dienstleistungen, die insbesondere in der Eingliederungshilfe eine gewisse Relevanz hat. Das persönliche Budget stellt keine neue Anspruchsgrundlage für Leistungen dar. Es ändert sich allerdings die Art der Finanzierung und die Stellung des Leistungsberechtigten. Menschen mit Behinderungen wird ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt, den sie (unter Einhaltung bestimmter Festlegungen) selbst verausgaben können. Im Vergleich zur Finanzierung über Leistungsentgelte ist beim persönlichen Budget, um im Bild des sozialrechtlichen Dreiecks zu bleiben, die vertragliche Verbindung zwischen Leistungserbringer und Kostenträger aufgelöst. Das Verhältnis zwischen Leistungsempfänger und dem sozialen Dienstleister rückt stärker in die Nähe einer Anbieter-Nachfrager-Beziehung. Abb. 6 Rechtsbeziehungen beim persönlichen Budget Dem Modell des persönlichen Budgets liegt die Bestrebung zu Grunde „den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“ (§ 17 Abs.2 SGB IX). Dahinter steht der Gedanke, dass die betroffenen Menschen als Experten in eigener Sache am besten selbst entscheiden können, welche Hilfen in welcher Form für sie passend sind. Damit ist auch die Entscheidung verbunden, welcher Dienst und welche Person ihnen zu dem von ihnen gewünschten Zeitpunkt eine Leistung erbringen soll. In Verbindung mit der Kernregelung aus § 17 Abs. 2 bis 6 SGB IX ist in den jeweiligen Leistungsgesetzen geregelt, dass Leistungen als Persönliche Budgets erbracht werden können (vgl. § 118 SGB III, §§ 2 und 11 SGB V, § 13 SGB VI, § 26 SGB VII, § 102 Abs.7 SGB IX, §§ 28 und 35a SGBXI, §§ 11, 57, 61 SGB XII). Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 29 Mit der Einführung des persönlichen Budgets wurden neben der Stärkung der Selbständigkeit der Hilfeberechtigten weitere Ziele verknüpft, die allerdings eng damit verbunden sind: • • • Erhöhung des Wettbewerbs Veränderung der Angebotsstruktur (z.B. durch den Ausbau alternativer Wohnformen an Stelle stationärer Versorgung) Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Es ist noch nicht abschließend geklärt, inwiefern sich diese Erwartungen an das persönliche Budget, insbesondere die Hoffnungen auf Kostenersparnis, erfüllen. Die Fallzahlen sind dazu noch zu gering, die Erfahrungen insgesamt zu selektiv. Auch bei der Bemessung des persönlichen Budgets muss der Anspruch geprüft und die Budgethöhe festgelegt werden. Dabei kommt der Frage der „angemessenen“ Kosten spezifischer Leistungen große Bedeutung zu. Die beabsichtigten ökonomischen Effekte werden nur dann erzielt, wenn bestehende Angebotsstrukturen verändert und insbesondere die Bedarfsdeckung zumindest in Teilen außerhalb der etablierten Strukturen ermöglicht wird. Werden Budgets mit Zweckbindung, Nachweispflichten und anderen Auflagen vergeben, die eine Bedarfsdeckung ausschließlich bei bestehenden Anbietern entsprechender Sozialleistungen vorsehen, würde sich diese Finanzierungsform lediglich formal vom Sachleistungsbezug im sozialrechtlichen Dreieck unterscheiden. Da das nicht gewollt ist, haben sich innovative Anbieter von Leistungen für Menschen mit Behinderung bereits frühzeitig damit auseinander gesetzt, wie sie ihre unterschiedlichen Angebote auch preislich differenzieren können (hierzu: Göltz 2008). Eine konsequente Anwendung des persönlichen Budgets hätte für die Leistungserbringer erhebliche Auswirkungen, da sie sich stärker als bei der Sachleistungserstellung auf die Klienten und ihre Wünsche einstellen müssten. Schließlich sieht das persönliche Budget von seiner konzeptionellen Gestaltung her Leistungsberechtigte als mit Kaufkraft ausgestattete Marktteilnehmer. Für die Anbieter entsprechender Leistungen bedeutet das den Zwang, stärker als im Leistungsentgeltsystem auf Wünsche von Nachfragern einzugehen. Dabei dürfte dem Preis der Leistung wie bei allen Kaufbeziehungen ein besonderer Stellenwert zukommen. 1.5 Gutscheine Eine weitere Form indirekter, subjektbezogener Finanzierung stellt die Finanzierung sozialer Dienstleistungen mit Hilfe von Gutscheinen dar. Wie im klassischen Dreiecksverhältnis und beim persönlichen Budget ist auch für die Ausgabe von Gutscheinen der individuelle Anspruch ausschlaggebend. Die Finanzierung der Leistung erfolgt dann durch Einlösen des Gutscheins bei einem Leistungsanbieter, der wiederum den Gutschein bei der ausgebenden Stelle einlöst und darüber die Finanzierung seiner Dienstleistung erhält. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 30 Gutscheine werden häufig als Finanzierungsformen dargestellt, mit denen die Position der Nutzer gestärkt wird, da sie in die Position des „Einkäufers“ der Leistung gesetzt werden. Diese Bewertung lässt sich bei genauer Betrachtung nur schwer aufrechterhalten. Letztlich unterscheidet sich die Position von Gutscheininhabern nicht fundamental von derjenigen von Leistungsberechtigten, für deren Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen ein Leistungsentgelt gezahlt wird. Im Unterschied zu Leistungsberechtigten mit einem persönlichen Budget haben Gutscheininhaber keinerlei Möglichkeiten direkt auf die Qualität der Leistungen oder auf die Preisgestaltung Einfluss zu nehmen. Sie können lediglich zwischen verschiedenen Angeboten wählen. Eine gewisse Durchschlagskraft erlangen Gutscheinmodelle allerdings, wenn damit der Anbieterkreis erweitert wird, wenn Leistungsträger also akzeptieren oder sogar wünschen, dass Gutscheine auch bei Anbietern eingelöst werden können, die nicht zum traditionellen oder/und „eigentlichen“ Kreis der Anbieter sozialer Dienstleistungen zählen. Im Sozialrecht ist das Gutscheinmodell bislang nur ansatzweise verankert. So können die Arbeitsagenturen Bildungsgutscheine für berufliche Weiterbildung ausgeben (§ 81 (4) SGB III) oder über Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine Vermittlungen durch private Arbeitsvermittlung oder Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei privaten Trägern finanzieren (§ 45 SGB III). Ein anderer Bereich, in dem das Gutscheinmodell seit längerer Zeit diskutiert und in einzelnen Regionen auch erprobt wird, sind Tageseinrichtungen für Kinder (Kita). Das Modell sieht vom Prinzip her so aus, dass Eltern einen Gutschein bei der zuständigen Behörde beantragen. Diesen Gutschein reichen sie bei der Kita ihrer Wahl ein, die dafür das Entgelt von der Stadt erhält. In Hamburg bspw. wird solch ein Modell seit mehreren Jahren praktiziert. Der Ausgangspunkt für die Einführung der Gutscheine war in Hamburg eine diagnostizierte Fehlversorgung mit Kitaplätzen (Angebote an „falschen“ Orten). Durch die Ermöglichung der freien Platzwahl – was in anderen Regionen auch ohne Gutscheine möglich ist – wurden letztendlich die Angebotsstrukturen modifiziert und zwar durch die Reaktion der Anbieter auf veränderte Nachfrage. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich diese Nachfrage nicht gänzlich autonom entwickelt hat. Vielmehr hat die zuständige Behörde die Vergabe von Betreuungskapazitäten über die Grundversorgung hinaus primär an das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geknüpft. Hier werden Gutscheine also einerseits gezielt eingesetzt, um eine kleinteilige Steuerung der Angebote auf Einrichtungsebene zu umgehen, andererseits wird mit dem gleichen Instrument ein neues Ziel verfolgt. Für die Einrichtungen kann diese Form des Umsteuerns Auswirkungen insbesondere in Bezug auf die Klientel sowie u.U. auch hinsichtlich der Standorte haben. Unter Finanzierungsgesichtspunkt ist die konkrete Ausgestaltung der Gutscheine von Interesse: Können die Gutscheine bei allen Anbietern eingelöst werden (Verfahren zur Zulassung)? Erhalten alle Einrichtungen für einen Gutschein über ein bestimmtes Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 31 Stundenkontingent das gleiche Entgelt11 oder werden einrichtungs- oder trägerspezifische Entgelte vergütet? Der Grund für eine mögliche Differenzierung der Entgelte liegt insbesondere in den unterschiedlichen Tarifen, nach denen Träger ihre Mitarbeitenden entlohnen. Quellennachweis und Literaturempfehlungen AFET (2012): AFET-Modell der Fachleistungsstunde für ambulante Erziehungshilfen. Arbeitshilfe 1-2012. Modellrechner. Hannover. Augurzky, B./ Borchert, L./ Deppisch, R./ Krolop, S./ Mennicken, R / Preuss, M./ Rothgang, H./ Stocker-Müller, M./ Wasem, J. (2007): Gründe für die Höhe der Heimentgelte in den stationären Pflegeeinrichtungen in NRW. 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(http://www.cjd.de/fileadmin/assets/zentrale/2014/01/5063/140331dijuf_sgbviiifinanzierung_zusammenfassung06032014end.pdf; 18.01.2015) Frye, S. (2013): Die Finanzierung ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen. Eine Darstellung am Beispiel von Nordrhein-Westfalen. Stuttgart. Göltz, B. (2008): Persönliches Budget – wie rechnet sich das? Lösungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Freiburg. Halfar, B. (2011): Finanzierung Sozialer Arbeit. In: Otto, H.-U./ Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit. München, S. 407-414. Horcher, G. (2013): Zuwendungen. In: Grunwald, K./ Horcher, G./ Maelicke, B. (Hrsg.): Lexikon der Sozialwirtschaft. Baden-Baden, S. 1139-1141. Münder, J. (2012) In: Bieritz-Harder, R./ Conradis, W./ Thie, S. (Hrsg.): Sozialgesetzbuch XII. Lehr- und Praxiskommentar9. Baden-Baden. 11 Solch eine Pauschalfinanzierung jenseits von Gutscheinmodellen gibt es bspw. für Kitas in NRW (so genannte Kindpauschalen). Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 32 Papenheim, H.-G./ Baltes, J. (2008): Verwaltungsrecht für die soziale Praxis20. Frechen. Pracht, A./ Wolke, R. (2009): Finanzierung und Finanzmanagement. In: Arnold, U./ Maelicke, B. (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialwirtschaft3. Baden-Baden, S. 497-524. Sell, S. (2009): Das Finanzierungssystem in Deutschland. In: Arnold, U./ Maelicke, B. (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialwirtschaft3. Baden-Baden. S. 161-191. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2013): Pflegestatistik 2011. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Ländervergleich – Pflegeheime. Wiesbaden. Titz, K. (2011): Gutscheinsysteme im Sozialbereich. Ein Instrument für viele Zwecke? In: NDV 91 (11), S. 448-455. Burmester / Seisler: Finanzierung sozialer Dienstleistungen - öffentliche Finanzierung – 33