EU LIFE+ Natur-Projekt der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz „Wiederansiedlung von Luchsen (Lynx lynx carpathicus) im Biosphärenreservat Pfälzerwald“ PROJEKTDATEN Projektträger: Projektpartner: Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz Landesforsten Sycoparc (Frankreich) WWF Deutschland Projektvolumen: Kofinanzierung: 2,75 Mio. EUR MULEWF Abt. 102 50 % EU Förderung WWF Deutschland Deutsche Wildtierstiftung NABU Rheinland-Pfalz BUND Rheinland-Pfalz Gebietskulisse: Laufzeit: Biosphärenreservat Pfälzerwald 01.01.2015 bis 31.12.2020 1 Der Luchs kommt zurück in den Pfälzerwald Die Europäische Kommission hat aus dem Förderprogramm LIFE die Finanzierung des Wiederansiedlungsprojekts zum Luchs im Pfälzerwald bewilligt. Nach umfangreichen Vorbereitungen sollen die ersten Luchse im Winter 2015/2016 im Pfälzerwald ausgewildert werden. Insgesamt ist geplant, im Laufe von sechs Jahren zehn Luchse aus den Karpaten und zehn Luchse aus dem Schweizer Jura zu fangen und umzusiedeln. Ursprünglich besiedelte der Eurasische Luchs (Lynx lynx) alle größeren Wald- und Waldsteppengebiete im nördlichen und mittleren Eurasien. In der Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte seine Verbreitung aufgrund von direkter Verfolgung und Lebensraumverlust ihren niedrigsten Stand. Vor Einführung des Nachhaltigkeitsprinzips waren die Wälder an vielen Orten deutlich übernutzt: Wälder waren wichtigen Lieferanten für Rohstoffe (z.B. Asche für die Glasproduktion), für den gesteigerten Energiebedarf der aufkommenden industriellen Produktion wurde großflächig gerodet, Waldweide gehörte zur gängigen Praxis in der Haltung von Nutztieren. Der Raubbau am Wald verringerte Lebensraum und Nahrungsangebot für die wild lebenden Paarhufer und damit auch für den Luchs. Die Konkurrenz um die Ressource Wald führte zur Ausrottung der Luchse. Nur in wenigen Reliktvorkommen konnte der Luchs in Europa überleben. Wälder werden heute nachhaltig bewirtschaftet, viele Arten finden ausreichend Lebensraum und Nahrung. Eine Rückkehr der Luchse erscheint möglich. In der Evolution wird die Räuber-Beute-Beziehung immer wieder als wesentliches Element in der Anpassung und Entwicklung der Arten genannt. Mit der Rückkehr der Luchse kann damit ein Beitrag zur Artenvielfalt und zum Erhalt der Art geleistet werden, aber auch zur Wiederherstellung einer wichtigen Funktion im Ökosystem. Der Luchs ist eine streng zu schützende Art und unterliegt auch dem Jagdrecht. Die gesetzlichen Vorgaben sind verbunden mit einer Pflicht zum Schutz und zur Förderung. Es gilt eine ganzjährige Schonzeit. Die nationale Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung hat das Ziel definiert, dass der Luchs in den deutschen Mittelgebirgen wieder heimisch werden soll. In Deutschland wurden bisher zwei Wiederansiedlungen durchgeführt: im Bayerischen Wald/Böhmerwald und im Harz. Der Pfälzerwald zählt zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten in Deutschland. Das Gebiet des Pfälzerwaldes und der französischen Nordvogesen wurde 1998 als grenzüberschreitendes Biosphärenreservat anerkannt. Es ist 110 km lang und zwischen 30 und 40 km breit. Neben der Flächenausdehnung bietet es einen besonders hohen Bewaldungsgrad, zahlreiche Felsformationen und eine ausreichende Rehdichte. Alles in allem birgt der Pfälzerwald damit sehr gute Lebensbedingungen für den Luchs. Die Eignung des Pfälzerwaldes als LuchsLebensraum wurde auch in Gutachten mehrfach festgestellt (Van Acken & Grünwald 1977, Wotschikowsy, U. 1990, ÖKO-LOG 1998). Im Pfälzerwald könnten in Verbund mit den gesamten Vogesen (5.232 km2) bis zu 100 Luchse leben (ÖKO-LOG 2010). In Rheinland-Pfalz gibt es keine Hinweise auf eine Population von Luchsen. Vereinzelt gibt es Nachweise einzelner Tiere. Vermutlich sind dies ziehende Tiere auf der Suche nach Anschluss an eine Population. Der letzte gesicherte Nachweis eines Luchses in Rheinland-Pfalz stammt aus dem Jahr 2009. 2 Die Notwendigkeit der Wiederansiedlung von Luchsen begründet sich über das konservative Verhalten zur Erschließung neuer Territorien. Luchse können – wie andere große Katzen keine weit entfernten, unbesiedelten Lebensräume erschließen, sondern benötigen Kontakt zu einer bestehenden Population. Die Katzen leben auf der einen Seite als Einzelgänger in sehr großen Streifgebieten. In Deutschland betragen die Reviergrößen für einen einzelnen Luchs zwischen 100 und 400 km². Auf der anderen Seite benötigen Luchse zur Fortpflanzung aber zwingend Anschluss an eine räumlich-soziale Struktur: über Duftmarken erhalten sie individuelle Information über Geschlecht und Fortpflanzungsstatus ihrer Artgenossen in den Nachbarrevieren. Dies ermöglicht die Kommunikation zwischen den residenten Weibchen und Männchen. Ein Männchenrevier überlagert dabei ca. 2-3 Weibchenreviere, wobei sich die Streifgebiete der Tiere (sowohl der Männchen, als auch der Weibchen) in der Regel nur geringfügig überschneiden. Daher etablieren Luchse ein neues Revier in aller Regel nur in der Nachbarschaft zu Artgenossen. Überwinden einzelne Jungtiere auf der Suche nach einem freien Revier ab und zu eine Barriere wie ein stark besiedeltes Tal mit zahlreichen Verkehrswegen, so sind sie auf der anderen Seite schnell isoliert. Junge Luchse kehren daher oft um, wenn sie das von der Population besetzte Gebiet verlassen haben. Die Gründung eines neuen „Populationskerns“ jenseits einer Barriere benötigt also einen ausreichenden „Luchs-Input“. Ohne eine aktive Unterstützung durch den Menschen werden Luchse bei bestehenden Barrieren wie der Zaberner Steige aufgrund ihres konservativen Ausbreitungsverhaltens im Pfälzerwald nicht heimisch werden. Durch die Auswilderung einer ausreichenden Anzahl von Luchsen soll daher die Initialzündung für die Besiedlung des Biosphärenreservats Pfälzerwald - Nordvogesen geschaffen werden. Für den Erhalt der genetischen Vielfalt innerhalb der Luchspopulation reichen dann später wenige zwischen Pfälzerwald, Vogesen und Jura wandernde Tiere, um einer genetischen Verarmung entgegenzuwirken. Die aktuelle Fertigstellung von Querungshilfen an Hauptzerschneidungsachsen wird das Problem der Verkehrsmortalität und der Fragmentierung der Landschaft mindern. Eine Grünbrücke über die A6 bei Wattenheim wurde 2011 errichtet und im Rahmen des Ausbaus der B10 eine Grünbrücke bei Hinterweidenthal gebaut (2013). Die Maßnahmen zum Schutz des Luchses im grenzüberschreitenden Biosphärenreservat orientieren sich an den Vorgaben des Aktionsplanes zum Schutz des Eurasischen Luchses in Europa (Action Plan for the conservation of the Eurasian Lynx (Lynx lynx) in Europe, 2000). Für Deutschland wird empfohlen, sorgfältig geplante Wiederansiedlungen in Gebieten durchzuführen, die geeignet sind, lebensfähige Luchspopulationen zu beherbergen. Dies ist für den Lebensraum Pfälzerwald/Nordvogesen gegeben. Das LIFE-Projekt „Wiederansiedlung von Luchsen (Lynx lynx carpathicus) im Biosphärenreservat Pfälzerwald“ Über das europäische Förderprogramm LIFE konnte die Stiftung Natur Und Umwelt RheinlandPfalz die Gesamtfinanzierung für die Wiederansiedlung sichern. Die Gesamtkosten des Projektes sind auf ca. 2.75 Mio. € kalkuliert. Die Förderung der EU beläuft sich auf 50%. Neben dem Eigenanteil des Projektträgers beteiligen sich das Umweltministerium Rheinland-Pfalz (MULEWF), der WWF Deutschland, die Deutsche Wildtier-Stiftung, die Landesverbände von NABU und BUND sowie weitere Sponsoren. 3 Die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz ist Träger des LIFE Projektes. An der Durchführung werden sich der französische Partner SYCOPARC, die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft von Landesforsten sowie der WWF Deutschland beteiligen. Das Projekt beinhaltet neben der eigentlichen Auswilderung von 20 Luchsen unter anderem eine vorgeschaltete Abstimmung mit den betroffenen Interessensgruppen, die Entwicklung eines interessensübergreifenden lokalen Masterplans für den Luchs im Biosphärenreservat unter Berücksichtigung von Schalenwild und Nutztieren, Öffentlichkeitsarbeit, ein Auffanggehege für verletzte Luchse und die Prävention von Schäden. Nutztiere bilden keinen wesentlichen Teil der Nahrung der Luchse ab. Sollte es in Einzelfällen dennoch einmal zu einem Schaden kommen, wird dieser ausgeglichen werden. Ein entsprechender Entschädigungsfonds bei Übergriffen des Luchses auf Nutztiere wurde über die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz bereits aufgebaut. Die Entschädigungsleistung beruht auf freiwilliger Basis. Ein umfassendes Monitoring mit Hilfe von Sendehalsbändern und Fotofallen begleitet die Auswilderung wissenschaftlich. Eine Evaluation zum Ende des Projektes soll überprüfen, ob sich die Reproduktion und Ausbreitung der Population positiv entwickelt. Die charismatische Ausstrahlung des Luchses und sein Vorkommen als Sinnbild für große, „wilde“ Waldgebiete und flächigen Biotopverbund, soll zudem genutzt werden, um für die biologische Vielfalt im grenzüberschreitenden Biosphärenreservat zu werben. In Zusammenarbeit mit relevanten Touristik-Institutionen, die innerhalb des Biosphärenreservates für die touristische Vermarktung der Region zuständig sind, soll der Luchs als Flaggschiffart für den Pfälzerwald genutzt werden. Bewusstseinsbildung und eine Sensibilisierung für die Bedeutung von Großkarnivoren für das Ökosystem und für den richtigen Umgang mit den Tieren sind ebenso Teilziele des Projektes. Breite Unterstützung und offene Kommunikation Alle neun angrenzenden Kreise und kreisfreien Städte des Pfälzerwaldes befürworten das Projekt, ebenso die Umwelt- und Jagdverbände. Der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz unterstützt das Projekt aktiv. Auch der Landesverband der Schafhalter/Ziegenhalter und Züchter Rheinland-Pfalz e. V. begrüßt die Wiederansiedlung der Luchse. Der französische Partner Sycoparc beteiligt sich an der Wiederansiedlung über ein Monitoring sowie Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit im französischen Teil des grenzüberschreitenden Biosphärenreservats. Die verschiedenen Interessen der Akteure in beiden Ländern sollen durch die Teilnahme an einem begleitenden Kommunikationsprozess – dem sogenannten Luchs-Parlament - in die Durchführung eingebunden werden. Gemeinsam erarbeitete fachliche Grundlagen und eine untereinander abgestimmte Vorgehensweise sollen zum Erhalt und zur Steigerung der Akzeptanz führen. Eine wichtige Rolle bei der Wiederansiedlung haben die lokalen Jäger. Das Reh wird das Hauptbeutetier des Luchses im Pfälzerwald sein. Er ist aber auch in der Lage Rotwild zu reißen. Die Anwesenheit eines weiteren Jägers im Revier gilt es zu respektieren und anzuerkennen. Luchse zeigen deutlich andere Jagdmethoden und Selektionskriterien bei der Jagd als Menschen. Die Spitzenprädatoren verfügen über hoch entwickelte Sinne und spezielle Fähigkeiten. Die Faszination dieses stillen Jägers zieht mitunter auch menschliche Jäger in seinen Bann. 4 Örtlich und zeitlich begrenzt kann die Anwesenheit der Luchse bei der Jagd spürbar sein. In einem stabilen Ökosystem werden Luchse allerdings keinen maßgeblichen Effekt auf den Bestand ihrer Beutetiere haben. Eventuelle Veränderungen der Jagdstrecken gilt es zu beobachten. Neben der Anwesenheit der Luchse sind dabei Bestands beeinflussende Faktoren wie Witterung, Forst- und Landwirtschaft oder Verkehr (Fallwild) zu bewerten. Jäger können durch die Anwesenheit im Wald, das geschulte Auge und ihre Artenkenntnis einen wichtigen Beitrag für das Monitoring leisten. Um die Nahrungswahl des Luchses im Pfälzerwald zu untersuchen, sind auch Meldungen von Wildtierrissen von Seiten der Jagdausübungsberechtigen wichtig. Den Jagdausübungsberechtigten wird in dem Wiederansiedlungsprojekt für den Aufwand, vom Luchs gerissene Wildtiere zu dokumentieren, eine Entschädigung bereitgestellt. Das Monitoring mittels Sendehalsbändern und Fotofallen ermöglicht Aussagen zu Luchsbestand und Raumnutzung. Diese Ergebnisse sollen zeitnah und umfassend zur Verfügung gestellt werden. Durch die Hilfe der Großkarnivoren-Beauftragten, bei denen auch viele Jäger engagiert sind, erfolgt eine fachgerechte Dokumentation von Luchs-Hinweisen aus der Bevölkerung. Die Resultate fließen in das landesweite Monitoring der FAWF ein. Durch Vorträge, Gespräche, gemeinsame Begehungen und Informationsmaterialien ist geplant, detaillierte und fachlich hochwertige Information speziell für Nutztierhalter bzw. Jäger zur Verfügung zu stellen. Der Landesjagdverband unterstützt die Stiftung in der Kommunikation an die Jägerschaft. Für jedes Tier aus der Luchs-Auswilderung soll zudem eine Patenschaft vergeben werden. Mit den Patenschaften soll ein persönlicher Bezug zu den einzelnen Tieren aufgebaut werden. Die Paten erhalten individuelle Informationen zu ihren Luchsen und können die Patenschaft in der Öffentlichkeit darstellen. Vier von insgesamt 20 Patenschaften sind bereits vergeben. Nähere Informationen zum Projekt und den Patenschaften finden Sie unter: www.luchs-rlp.de Jochen Krebühl, Geschäftsführer der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz 5