1 Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) Birgit Liß Antje Heesen 2 Beschreibung • Der Begriff "Diabetes mellitus" kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie "honigsüßer Durchfluss". • Als Diabetes wird eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, die allesamt zu erhöhten Blutzuckerwerten (Hyperglykämie) führen. 3 Normale und krankhafte Blutzuckerwerte • Der Blutzucker liegt laut den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft normalerweise nüchtern unter 100 mg/dl (Milligramm pro Deziliter). Er steigt nach dem Essen (postprandial) auf maximal 140 mg/dl an. Werte darüber können auf eine gestörte Zuckerverwertung (gestörte Glukosetoleranz) oder einen Diabetes mellitus hindeuten. Um dies herauszufinden, ist ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) nötig. • Die hohen Blutzuckerwerte bei langjährigem Diabetes mellitus führen zu Folgeerkrankungen, vorwiegend an Augen, Nieren, Nervensystem, Herz, Gehirn und Gefäßen. 4 Begleit- und Folgeerkrankungen • Der Gesundheitsbericht Diabetes 2007 gibt einen Überblick über die Häufigkeit des Auftretens von Begleit- und Folgekrankheiten bei 120.000 betreuten Typ-2DiabetikerInnen: 75,2 % 11,9 % 10,6 % 9,1 % 7,4 % 4,7 % 3,3 % 1,7 % 0,8 % 0,3 % Bluthochdruck Diabetische Retinopathie Neuropathie Herzinfarkt periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) Apoplex Nephropathie (Niereninsuffizienz) diabetisches Fußsyndrom Amputation Erblindung 6 Typ-2-Diabetes • Typ-2-Diabetes entsteht zum einen durch eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin (Insulinresistenz). Zum anderen führt eine jahrelange Überproduktion von Insulin zu einer "Erschöpfung" der Insulin produzierenden Zellen. • Typ-2-Diabetes wurde früher auch als Altersdiabetes bezeichnet, da er meist erst im Erwachsenenalter beginnt. Heute trifft der Altersdiabetes aber auch bereits übergewichtige Jugendliche und sogar Kinder. • Über 90 Prozent der geschätzten 50 Millionen Diabetiker in Europa leiden unter Typ-2-Diabetes, nur fünf Prozent unter Typ-1-Diabetes. Beide DiabetesFormen können familiär gehäuft vorkommen. 7 Risikofaktoren • Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt sich meist schleichend. Die Ursachen der Zuckerkrankheit sind noch nicht bis ins letzte Detail erforscht. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch mehrere Risikofaktoren für die Stoffwechselkrankheit identifiziert. Neben einer erblichen Belastung sind Übergewicht und Bewegungsmangel wesentliche Risikofaktoren für einen Typ-2-Diabetes. Vererbung • Bei manchen Familien tritt Diabetes mellitus Typ 2 in fast jeder Generation auf. Die genetische Veranlagung scheint eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Zuckerkrankheit zu spielen. So haben Kinder von Typ-2-Diabetikern ein rund 40prozentiges Risiko, ebenfalls im Lauf ihres Lebens zuckerkrank zu werden. Wird ein eineiiger Zwilling Typ-2-Diabetiker, erkrankt der zweite Zwilling sogar mit 60 bis 90prozentiger Wahrscheinlichkeit. • Wie Typ-2-Diabetes genau vererbt wird, ist noch unbekannt. Forscher haben aber mehrere Gene identifiziert, die mit der Zuckerkrankheit in Verbindung stehen. Wichtig ist: Diabetiker vererben nicht die Zuckerkrankheit selbst an ihre Nachkommen, sondern nur eine gewisse Anfälligkeit dafür. Erblich vorbelastete Menschen können einem Typ-2-Diabetes mit einem gesunden Lebensstil aktiv vorbeugen. 8 Risikofaktoren Übergewicht • Etwa 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker bringen zu viele Kilos auf die Waage. Mediziner gehen davon aus, dass Übergewicht zwar nicht die alleinige Ursache, aber der entscheidende Auslöser der Zuckerkrankheit ist. Der Grund: Zuviel Speck auf den Rippen stört den Stoffwechsel. Mit wachsendem Übergewicht steigt das Risiko für Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen wie Diabetes. • Als besonders kritisch gilt übermäßiges Bauchfett, in der Fachsprache stammbetonte Fettsucht oder abdominelle Adipositas genannt. Menschen mit "Wohlstandsbauch" haben in aller Regel gut ausgestattete Fettdepots rund um die inneren Organe. Und dieses innere Fett scheint den Stoffwechsel besonders negativ zu beeinflussen. 9 Risikofaktoren Metabolisches Syndrom • Typ-2-Diabetes entsteht fast immer auf dem Boden eines Metabolischen Syndroms. Die International Diabetes Federation (IDF) bezeichnet damit eine Kombination aus Übergewicht, erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und Zuckerstoffwechselstörung. Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört auch eine krankhaft vermehrte Eiweißausscheidung im Urin (Mikroalbuminurie) zum Metabolischen Syndrom. Die Kennzeichen des Metabolischen Syndroms sind: • Übergewicht: Taillenumfang ≥94 Zentimeter bei Männern bzw. ≥ 80 Zentimeter bei Frauen; • Fettstoffwechselstörung: Erhöhte Triglyceridwerte bei erniedrigtem HDL-Cholesterin; • Bluthochdruck: Ruheblutdruck ›130/85 mmHg; • Gestörter Zuckerstoffwechsel: Nüchternzucker ›100 mg/dl; • Aus der Zuckerstoffwechselstörung kann schleichend Typ-2- Diabetes entstehen. Am Anfang steht die Insulinresistenz des Gewebes. Trotz eines Überangebots an Glukose kann der Körper den Zucker nur schlecht verwerten. Die Bauchspeicheldrüse versucht den scheinbaren Insulinmangel mit einer gesteigerten Produktion auszugleichen. Hohe Insulinspiegel im Blut signalisieren dem Organismus Hunger, was wiederum die Nahrungsaufnahme steigert, den Blutzuckerspiegel erhöht und Übergewicht fördert. Zirkuliert dauerhaft zu viel Insulin im Körper, sinkt die Anzahl der Insulinbindungsstellen (Rezeptoren) im Gewebe und die Insulinresistenz verstärkt sich. Die Blutzuckerspiegel bleiben hoch, der Teufelskreis Diabetes nimmt seinen Lauf. 10 Risikofaktoren • Alter Das Diabetesrisiko steigt mit zunehmendem Alter. Der Grund: Mit den Jahren lässt die Wirkung des Körperhormons Insulin nach - vor allem bei Übergewichtigen. Zum Ausgleich schüttet die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin aus. Irgendwann kann das Organ die Hormonproduktion nicht mehr steigern - an diesem Punkt bricht die Diabetes-Erkrankung aus. • Bewegungsmangel Bewegungsmangel begünstigt Übergewicht und Stoffwechselstörungen und ist damit ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Schon 30 Minuten körperliche Aktivität pro Tag können die Wahrscheinlichkeit für einen Typ-2-Diabetes verringern. 11 Symptome Typische Anzeichen • Folgende Symptome können sowohl beim Typ-1-Diabetes als auch beim Typ-2-Diabetes auftreten: • Häufiges Wasserlassen (Polyurie) und nächtliches Wasserlassen (Nykturie), • Vermehrter Durst (Polydipsie), • Geringer Appetit und Gewichtsverlust, • Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Kraftlosigkeit, • Heißhungerattacken, besonders zu Beginn der Krankheit, • Allgemeine Infektanfälligkeit (vor allem Harnwegsinfekte und Infektionen der Haut), • Juckreiz, • Kopfschmerzen, Schwindel, • Übelkeit, Erbrechen, • Sehstörungen, • Muskelkrämpfe, • Bewusstseinsstörungen. 12 Symptome Typ-1-Diabetes • Die Symptome bei Diabetes mellitus Typ 1 entwickeln sich relativ schnell, innerhalb von einigen Tagen bis wenigen Wochen. Es kommt vor allem zu Gewichtsverlust, Unwohlsein, quälendem Durst, verstärktem Wasserlassen bis hin zu einem diabetischen Koma mit Bewusstseinsverlust (Ketoazidose). Typ-2-Diabetes • Die Symptome bei Typ-2-Diabetes entwickeln sich meist über einen weit längeren Zeitraum (mehrere Jahre) als bei Typ-1-Diabetes. Lange Zeit treten keine oder nur geringe Beschwerden wie vermehrter Durst, schlechtes Allgemeinbefinden, erhöhte Infektanfälligkeit, Juckreiz, leichte Ermüdbarkeit und Schwindel auf. Deshalb bleibt der Typ-2-Diabetes oft lange unentdeckt. Manchmal sind erst Folgerkrankungen das erste Anzeichen für die Stoffwechselstörung. • Dabei können folgende Symptome auftreten: • Schlecht heilende Wunden, besonders an den Beinen oder Füßen; • Verschlechterung der Sehfähigkeit (Retinopathie); • Nervenschädigungen mit Kribbeln oder Gefühllosigkeit in den Beinen (Polyneuropathie); 13 Vergleich von Typ 1 und Typ 2 Typ 1 Typ 2 Häufigkeit in Deutschland etwa 550.000 etwa 8 Mio bekannt (2008), hohe Dunkelziffer Manifestationsalter (Lebensalter) Kinder und Jugendliche, seltener Erwachsene, aber keine Altersbegrenzung Erwachsene (ab etwa 40 Jahre), in den letzten Jahren zunehmend auch junge Erwachsene, sogar Jugendliche Hauptursachen Genetische Prädisposition, Autoimmunprozess Organisch: Zerstörung der Beta-Zellen Ungesunder Lebensstil, vor allem mangelnde Bewegung, mit sich daraus entwickelnder Insulinresistenz und Adipositas; kann außerdem durch genetische Prädisposition begünstigt sein. Auftreten/Beginn akut bis subakut meist schleichend Symptome Insulinmangelsyndrom: Polydipsie (Hyperosmolarität erhöht den Durst), Polyurie häufig keine Beschwerden, es kommt seltener zu schweren (osmotische Diurese bei Überschreiten der Glukose- Stoffwechselentgleisungen, aber häufiger zu schweren Makro- und Nierenschwelle), Gewichtsverlust, Müdigkeit, Mikroangiopathien sowie Neuropathien Ketoazidose 14 Vergleich von Typ 1 und Typ 2 Körpergewicht normalgewichtig oder Gewichtsabnahme (bei Insulinmangel ist der Fett- und Glykogenaufbau eingeschränkt) häufig übergewichtig (Insulin ist meistens nur leicht vermindert bis vermehrt im Blut vorhanden, welches wiederum zu Heißhunger führt und Fettaufbau und Übergewicht fördert, was wiederum zu einer Downregulation und Insulinresistenz führt, ein Teufelskreis entsteht) Insulinsekretion vermindert bis fehlend subnormal bis hoch, qualitativ immer gestört Insulinresistenz keine oder nur gering oft ausgeprägt Familiäre Häufung gering hoch (bei eineiigen Zwillingen über 90 %) HLA-Assoziation vorhanden nicht vorhanden Diabetesassoziierte Antikörper bei Manifestation 90-95 % keine Stoffwechsel labil stabil 15 Akutkomplikationen Diabetisches Koma • Das diabetische Koma ist die schwerste Entgleisung des Diabetes, es ist lebensgefährlich. Bei einem diabetischen Koma können die Blutzuckerwerte über 1000 mg/dl (56.0 mmol/l) erreichen. Außerdem kommt es zu einer schweren Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose). Ein solches Koma wird meist durch Infekte, Diätfehler (zu viel Kohlehydrate) oder bei insulinspritzenden Diabetikern durch falsche Dosierung des Insulins verursacht. 16 Akutkomplikationen Hypoglykämischer Schock (durch Unterzucker) • Ein hypoglykämischer Schock entsteht bei Diabetikern durch einen extrem niedrigen Blutzuckerspiegel. Bei dem hypoglykämischen Schock handelt es sich im Fall von Bewusstlosigkeit um ein Koma, das relativ schnell nach den ersten Unterzucker-Symptomen auftreten kann. • Zu einer so starken Unterzuckerung kann es kommen, wenn Insulin oder blutzuckersenkende Medikamente zu stark dosiert werden. • Auch wenn ein Diabetiker zu wenig isst oder zuviel Sport treibt, ohne diese Abweichungen durch geringere Insulinoder Medikamentengaben auszugleichen, kann es zu einem hypoglykämischen Schock kommen. 17 Akutkomplikationen • Starker Alkoholgenuss kann auch zu einem UnterzuckerZustand führen, sogar bei Menschen ohne Diabetes. Der Abbau des Alkohols hindert die Leber daran, Glukose (Traubenzucker) zu bilden; es kommt zu einer Hypoglykämie. • Hypoglykämische Zustände verlaufen bei Diabetikern ziemlich schnell. Wenn ein Diabetes-Patient erst einmal bewusstlos ist, besteht akute Lebensgefahr. Hier besteht noch mehr Eile als beim diabetischen Koma (durch Überzucker). • Daher muss ein hypoglykämischer Schock umgehend behandelt werden. 18 Symptome des Komas • • • • • Pulsrasen Normaler Blutdruck Feuchte Haut Manchmal Krampfanfälle Die Symptome des eigentlichen Komas sind weniger typisch als beim diabetischen Koma (durch Überzucker). Markanter zur Erkennung, um welches Koma es sich handelt, ist das Vorstadium, das den Betroffenen in relativ kurzer Zeit meistens stark verändert. • Der Betroffene wirkt fahrig, unruhig und manchmal auch aggressiv. Wenn einem solchen Zustand eine Bewusstlosigkeit folgt, handelt es sich bei einem Diabetiker mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit um einen hypoglykämischen Schock. 19 Vorzeichen • • • • • • • • • • • • • Unruhe Konzentrationsstörungen Nervosität Schwindel Sprachstörungen Sehstörungen Wahrnehmungsstörungen Aggressionsneigung Panik Zittern weiche Knie Herzklopfen Kribbeln • • • • Blässe Heisshunger Kalte Schweissausbrüche pelziger Mund 20 Behandlung Am besten behandelt man den hypoglykämischen Schock schon bevor es zur Bewusstlosigkeit kommt. Dazu muss der Betroffene genötigt werden, etwas Traubenzucker oder ein süßes Getränk zu sich zu nehmen. Manchmal sträubt sich der Betroffene in seiner Panik sogar dagegen, etwas Zuckerreiches zu essen, dann muss man ihm gut zureden. Ist er erst mal bewusstlos, kann er nichts mehr essen und man sollte ihm auch keine Getränke einflössen. Man kann ihm höchstens ein Stück Traubenzucker zwischen Zähne und Wange stecken, dass sich dann langsam auflöst und zusammen mit dem Speichel automatisch geschluckt wird. Wenn man entsprechend geschult ist, kann man dem Bewusstlosen eine Spritze mit Glukose oder mit Glukagon geben, die Diabetiker häufig in Notfallsets dabei haben. Eine solche Spritze kann das Leben eines Diabetikers mit hypoglykämischem Schock retten. Glukagon-Spritzen haben den Vorteil, dass man sie einfach unter die Haut spritzen kann, z.B. in den Oberschenkel. Die Einstichstelle muss nicht desinfiziert werden und man kann sogar durch die Hose spritzen. Ansonsten bettet man den Bewusstlosen in die stabile Seitenlage und ruft schleunigst einen Notarzt. Falls der Bewusstlose vor dem eintreffen des Notarztes wieder aufwacht, gibt man ihm zunächst etwas Süßes zu essen oder zu trinken (z.B. Cola) und danach braucht er langsam resorbierbare Kohlenhydrate, z.B. Brot 21 Pflege bei Diabetes • Bei der Körperpflege auf Hautschädigungen achten, diese dokumentieren und den Verlauf beobachten. Diabetiker neigen zu schlechter Wundheilung. Aus Bagatellverletzungen z.B. am Unterschenkel haben sich so schon oft »offene Beine« (Ulcus cruris) entwickelt, aus solchen an den Füßen ein diabetisches Gangrän. • Die Beine und Füße eines Diabetikers können ruhig eingecremt werden. Das ideale Mittel dazu ist aber Wasserarm und Alkoholfrei (denn beides trocknet die Haut aus) und vor allem: Weniger ist oft mehr! (Will heißen: trägt man zuviel Salbe auf, so kann sich eine feuchte Kammer bilden, die allerlei Keimen und Pilzen das Wachstum begünstigt). • Beim Waschen der Füße ist anschließend auf gründliches Abtrocknen (auch der Zehzwischenräume) zu achten. Notfalls mit einem Fön trocknen. (Feuchte Kammer) • Fußpflege: Selbst kleinste Verletzungen können Komplikationen bis hin zur Amputationspflichtigkeit der betroffenen Extremität nach sich ziehen. • Hervorgerufen durch die Fußpflege seitens einer nicht speziell dazu ausgebildeten Pflegekraft stellt so etwas einen schweren Pflegefehler dar! Daher sollte man diese Fußpflege besser einer Fachkraft für medizinische Fußpflege überlassen. Will der Patient die Fußpflege selber übernehmen, so kann man ihm raten die Nägel zu feilen anstatt zu schneiden. 22 Allgemeine Maßnahmen • Diabetiker sollten ihre Füße einschließlich der Zehenzwischenräume regelmäßig auf Verletzungen und übermäßige Hornhautbildung inspizieren. Bei eingeschränkter Beweglichkeit kann ein Handspiegel benutzt werden. • Die Füße gut abtrocken auch zwischen den Zehen damit kein Fußpilz entsteht. • Täglich frische Strümpfe anziehen ohne Naht aus Baumwolle mit einem nicht zu engen Bündchen • Diabetiker sollten ferner nicht barfuß laufen um das Verletzungsrisiko gering zu halten insbesondere wenn schon Neuropathien vorliegen • Trockene Haut und Hornhäute können rissig werden und eine Eintrittspforte für Keime bilden. Zur Hautpflege sind harnstoffhaltige Produkte am besten geeignet. Harnstoff (Urea) bindet Wasser in der Haut. Ein Prozentualer Anteil von Urea in Höhe von 3-5 % erhöht dabei die Wasserbindungskapazität der Haut und ein Prozentualer Anteil von Urea über 10 % wirkt Hornhauterweichend. • Zehennägel sollten möglichst kurz gehalten werden. Eingewachsene Nägel gehören in die Hände von Profis! • Diabetiker sollten keine Hornhaut oder Hühneraugenpflaster verwenden oder einen Hornhauthobel und Hornhautraspel verwenden! Fußpflege sollte vom Podologen durchgeführt werden! Es eignen sich nicht einfache Fußpfleger, die ihr Wissen in einem kleinen Kurs erhalten haben, weil diese in der Regel nicht über die Risiken und Kenntnisse verfügen die insbesondere bei Neuropathien notwendig sind. Wer führt da schon ein Monofilament oder einen Stimmgabeltest durch? 23 Stimmgabeltest Test zur Prüfung der Vibrationswahrnehmung. Die Testung mit der neurologischen Stimmgabel stellt einen praktisch wichtigen Suchtest zur Früherfassung einer diabetischen Nervenschädigung dar. Untersucht wird, indem die schwingende Stimmgabel an verschiedenen Stellen des Fußes (Knöchel, Großzehengrundgelenk, Großzehenspitze) und zum Vergleich am Handgelenk aufgesetzt wird. Der Untersuchte gibt an, wann er die Schwingung nicht mehr spürt. Auch bei spätschädenfreien Diabetikern sollte als Routineuntersuchung einmal pro Jahr der Stimmgabeltest durchgeführt werden. 24 Bewegungsübungen • Zur Stärkung der Fußmuskulatur sollten Übungen durchgeführt werden: Füße kreisen, auf die Zehenspitzen stellen, einen Bleistift mit den Zehen greifen und vom Fußboden aufheben, ein Blatt Papier mit den Füßen falten etc.. Bekleidung • Socken sollten aus Baumwolle bestehen und keine Nähte haben. Der Schuhkauf bei Diabetikern sollte abends erfolgen um evtl. entstehende Druckstellen zu vermeiden. Solange keine Polyneuropathie und/oder Deformitäten (Charcot, Hallux valgus, Hammerzehen) vorliegen, können Diabetiker jeden beliebigen Schuh anziehen. Bei Vorliegen der genannten Risikofaktoren sollten Schuhe aus einem weichen Obermaterial ohne Nähte an der Innenseite mit 5-6mm dicken Einlagen getragen werden. Manchmal sind Entlastungsschuhe angebracht. • Handelsübliche Einlagen sind leider meist nur halb so dick und daher nicht weich genug. Einige Hersteller bieten auch orthopädische Konfektionsschuhe an. Diese bestehen aus einem weichen Obermaterial, haben keine Nähte an der Innenseite und sind etwas breiter als normale Schuhe. Leider sind diese Schuhe aber nicht hoch genug für dicke Einlagen, so daß gerade bei Hammerzehen ein großer Druck entsteht, der ein diabetisches Gangrän verursachen kann. Deshalb sollten Verordnung und Auswahl von orthopädischen Schuhen für Diabetiker nur durch Diabetologen in Zusammenarbeit mit erfahrenen Orthopäden erfolgen. Verbandswechsel • Beim Verbandswechsel ist darauf zu achten, daß die Durchblutung nicht noch mehr eingeengt wird. Mullbinden müssen daher locker angewickelt werden, es kommt absolut nicht darauf an, das sie glatt anliegen! Besser ist in der Regel, anstelle von Mull- Wattebinden zu verwenden. Als zusätzliche Fixierung kann ein Schlauchverband dienen. • Bei Verbänden, die auch den Bereich des Vorfußes umschließen, sollten Kompressen zwischen die Zehen gelegt werden, um eine Mazeration zu vermeiden. Die Kompressen sollten niemals als langes Stoffstück mäandrierend um die Zehen geschlungen werden. Besser ist, eine kleine Kompresse (5x5cm) in vier Stücke zu schneiden und einzeln zwischen die Zehen zu legen. 25 Was ist beim alltäglichen Umgang mit Ihren Schuhen (und Strümpfen) zu beachten? Tragen Sie nur die von einem Orthopädieschuhmacher oder Ihrem Arzt abgenommenen Schuhe. Überprüfen Sie Ihre Schuhe auf eventuell vorhandenen Inhalt (Bonbons, Haarnadeln, Steine, Feuerzeug, Scherben, etc.) bevor Sie sie anziehen. Sollten Ihre Schuhe einmal naß geworden sein, trocknen Sie diese niemals auf der Heizung. Dabei könnten die Schuhe einlaufen und Druckstellen verursachen. Wechseln Sie Ihre Schuhe mindestens zweimal täglich und inspizieren Sie Ihre Füße auf Druckstellen. 26 Was ist beim alltäglichen Umgang mit Ihren Schuhen (und Strümpfen) zu beachten? Tragen Sie neue, nicht eingelaufene Schuhe nicht länger als eine halbe Stunde. Ziehen Sie diese erst gar nicht an, wenn Sie nicht abschätzen können, wie lange Sie unterwegs sind. Überprüfen Sie die Paßform Ihrer neuen Schuhe, indem Sie ihre Füße nach dem Tragen auf Druckstellen untersuchen. Sollten Sie Druckstellen feststellen, die nach ca. 10 min. immer noch gerötet sind, muß der Schuh nachbearbeitet werden. Neue Schuhe, egal ob von einem Orthopädieschuhmacher angefertigt oder als Konfektionsschuh von der Stange, sollten Sie immer von Ihrem Arzt begutachten lassen 27 Medizinische Fußpflege verordnungsfähig Die medizinische Fußpflege ist bei Diabetikern auf einem entsprechenden Formular (z.B. Heilmittelrezept) verordnungsfähig. Es handelt sich um zwei fest definierte Tätigkeiten, welche auf dem Heilmittelrezept vermerkt werden können: • Nagelbearbeitung • Podologische Komplexbehandlung • Hornhautabtragung 28 Ausstattungsmerkmale -Diabetikerschuhe u. Einlagen • Eine weite Schaftöffnung ermöglicht einen leichten Einstieg in die Diabetikerschuhe. • Der anatomisch geformte Schaft bietet einen druckfreien Zehenbereich, auch bei Aufnahme einer Weichpolstereinlage. • Der hohe hintere Schaftrand reduziert ein Schlupfen der Ferse, auch bei stärkeren Einlagen. • Die Polsterung von Lasche und Schaftrand vermindert die Gefahr von Druckstellen auf dem Fußrücken und im Knöchelbereich. Die Fersenkappe ist nach vorne länger und gibt eine stabile Fersenführung ohne Schlupf. • Das textile Futter ist im besonders empfindlichen Vorfußbereich der Diabetikerschuhe nahtfrei und ohne Vorderkappe verarbeitet. Das Futter muß atmungsaktiv sein, wärmend, allergieneutral und pflegeleicht. • Die steifere Sohle der Diabetikerschuhe unterstützt den Fuß bei statischen und dynamischen Belastungen. • Die Sohle soll mit einem rutschfesten Profil sicheren Stand und zuverlässiges Gehen gewährleisten. • Der Sohlenaufbau der Diabetikerschuhe soll für Zurichtungen geeignet sein 29 Verordnung von Diabetikerschuhen 30 Verordnung von Diabetikerschuhen Diabetischer Fuß Neuropathischer Fuß mit tiefer Ulzeration an den Großzehen rechts und verschorfter Läsion an der 2. Zehe durch enges Schuhwerk