Kapitel 5 Geladene Ströme - HERA-B

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Kapitel 5
Geladene Ströme
5.1
Entdeckung
Die W –Bosonen konnten 1983 am Beschleuniger SPS am CERN in Genf bei einer
Masse von ca. 80 GeV experimentell bestätigt werden (Nobelpreis 1984 für C. Rubia und S. van der Meer). In Proton–Antiproton–Kollisionen bei einer jeweiligen
Strahlenergie von 270 GeV wurden Ereignisse der Art
p + p̄ → W → l + ν̄l
(5.1)
erstmals mit dem UA1–Detektor nachgewiesen (Abb. 5.1). Diese Ereignisse sind
charakterisiert durch hochenergetische Leptonen mit Transversalimpulsen pT nahe
an MW /2 (Abb. 5.2), die auf der gegenüberliegenden Seite nicht balanciert sind, da
das Neutrino nicht nachgewiesen werden kann (“missing pT ”). Aufgrund der großen
Masse des W -Bosons erwartet man im Endzustand ein Lepton mit großem Transversalimpuls. In der Messung kann allerdings nicht der Transversalimpuls direkt gemessen werden, vielmehr kann nur die Winkelverteilung des entstandenen Leptons
gemessen werden (siehe Kap. 5.2.1). Die zur Erzeugung von W -Bosonen minimale
notwendige Energie bestimmt sich aus den Impulsanteilen x der Valenzquarks am
Gesamtimpuls des Protons.
2
≈ (80 GeV)2
ŝ = (pu + pd¯)2 > MW
(5.2)
Für die Valenzquarks u und d¯ beträgt der mittlere Impulsbruchteil x des p bzw. p̄
Impulses hxv i ' 0.12. Entsprechend folgt daraus für die minimal notwendige Energie
p
e+
u
d
p
+
W (reell)
νe
Abbildung 5.1: Erzeugung und Zerfall eines W –Bosons am SPS.
60
Geladene Ströme
Abbildung 5.2: Rekonstruktion der Masse des W –Bosons aus einem leptonischen
Zerfall in einer pp̄–Erzeugungsreaktion. (a) Da sich die Quarks in Strahlrichtung
bewegen, wird das W –Boson bevorzugt ohne Transversalimpuls erzeugt, hat aber im
Allgemeinen einen Impuls entlang der Strahlrichtung, womit der maximale Transversalimpuls etwa MW /2 entspricht. (b) Aus dem Transversalimpuls des beobachteten
Leptons wird eine ’transversale Masse’ bestimmt, deren Endkante bei der tatsächlichen W –Masse liegt.
im Schwerpunkt
√
s:
s = (pp + pp̄ )2 =
"
E+E
p~ − p~
#2
= 4E 2
(5.3)
wobei E die Strahlenergie sei. Bei diesen hohen Energien können die Massen der
beteiligten Teilchen mp , mu , und md als so klein gegen E angenommen werden, dass
sie vernachlässigt werden können:
ŝ = (xu pp + xd¯pp̄ )2 = 2xu xd¯(pp · pp̄ ) = xu xd¯(pp + pp̄ )2 = xu xd¯ · s
√
MW
s>
⇒ hŝi ' hxv i2
⇒
' 700 GeV
(5.4)
hxv i
√
Bei CERN (Beschleuniger Spp̄S wurden 1983 Energien von s ' 600 GeV erreicht, ausreichend
zu entdecken. Später am LEP wurden in e+ e− √ um das W -Boson
Kollisionen bei s ∼ 170 GeV W + W − -Paare erzeugt, mittels derer man Präzisionsmessungen der Elektroschwachen
√ Theorie durchführen konnte. Aktuell erreicht
man am FNAL Energien bis zu s = 2 TeV.
Die Winkelverteilung ergibt sich aus der (V − A)–Kopplung (Abb. 5.3): Damit
eine Ankopplung an das W -Boson erfolgen kann, muss das u–Quark linkshändig
¯
und das d–Quark
rechtshändig sein. Da die Masse des Quarks sehr klein ist (mq E) entspricht die Helizität in etwa der Chiralität. Für die Winkelverteilung des
Wirkungsquerschnittes gilt aufgrund der Spinerhaltung:
A∼
dN
1
· (1 + cos Θ) ⇒
∼ |A|2 ∼ (1 + cos Θ)2
2
d cos Θ
(5.5)
Der erwartete Verlauf auf Grund von Gl. 5.5 ist experimentell bestätigt (Abb. 5.3
rechts), womit sich die Spin–1 Natur des W –Bosons testen lässt. Die Ladung wird
bevorzugt zurückgestreut, was nicht intuitiv ist, sich aber aus der Winkelverteilung
5.2 Massenbestimmung der W ± –Bosonen
61
Abbildung 5.3: Winkelverteilung der geladenen Leptonen bei pp̄–Kollisionen durch
d + ū → W − → e− + ν̄e bzw. u + d¯ → W + → e+ + νe .
von Gl. 5.5 ergibt. Weitere Tests der (V − A)–Struktur und der Spin–1 Natur des
W ± Bosons sind der µ– und π–Zerfall. Die Randbedingungen für die Helizitäten
(Abb. 5.3 rechts) bewirken die asymmetrische Winkelverteilung.
5.2
5.2.1
Massenbestimmung der W ±–Bosonen
Die W –Masse aus pp̄–Kollisionen
Die erste Messung der Masse des W –Bosons wurde in pp̄-Wechselwirkungen am
Proton-Antiproton Speicherring Spp̄S am CERN um 1983 durchgeführt. Dabei ist zu
beachten, dass die Impulse der Quarks im Anfangszustand hxu i sowie hxd¯i (Gl. 5.4)
nicht gemessen werden können. Bei der Messung der Zerfallsprodukte muss man
sich ganz auf die exakte Vermessung des Leptonischen Endzustandes verlassen. Da
das Neutrino nicht im Detektor nachgewiesen werden kann, kann nur die Energie
E und die Impulse pT und pL des Leptons aus dem W -Zerfall gemessen weden. Die
Energie sei nun nahe der Schwelle, so dass das W im Laborsystem nahezu in Ruhe
produziert werde. Da nur der Transversalimpuls des Leptons gemessen werden kann,
definiert man die sogenannte transversale Masse MT des W –Bosons mittels
MT2 = (ETe + ETν )2 − (~
peT + p~νT )2
(5.6)
wobei die transversale Energie ET die auf die transversale Flugrichtung projizierte
Energie des gesamten Energieflusses ist. Die Messung des Transversalimpulses pT
muss dann letztlich auf eine Messung des Streuwinkels θ zurückgeführt werden.
1
dσ
dσ
+
pT = peT ' MW · sin Θ ⇒
=
·
2
dpT
d cos Θ
d cos Θ dpT
| {z }
Jacobian J
62
Geladene Ströme
Abbildung 5.4: Die Verteilung der transversalen Masse des W –Zerfalles unter Ausnutzung der Methode des Jacobian–Peak.
d cos Θ
J = =
dΘ
2pT
·
MW
·
MW
2
1 dpT
dΘ
' sin Θ ·
1
q
2pT 2
1 − (M
)
W
1
1
MW | cos Θ|
2
=
(5.7)
2pT
1
·q
MW
( M2W )2 − p2T
Die pT –Verteilung hat dabei eine wichtige Eigenschaft. Aufgrund der Beziehung
|p| q 2
dpT |p2 cos θ|
p − p2T
=
=
d cos θ
pT
pT
(5.8)
lässt sich der Wirkungsquerschnitt von der Winkelabhängigkeit in eine pT –
Abhängigkeit umrechnen, die bei der Stelle des maximalen Transversalimpulses
|p| = pT , also bei θ = π2 , einen Pol hat, der als “Jacobian Peak” bezeichnet wird.
Die Zählrate im Detektor bleibt natürlich endlich und wird aufgrund der Eigenbewegung des W und der endlichen Detektorauflösung verschmiert. Da |p| nur von den
Massen der beteiligten Teilchen abhängt, läßt sich aus der Lage des Maximumes die
Masse des instabilen Teilchens bestimmen. Dies eignet sich insbesondere für Zerfälle,
bei denen eines der Zerfallsprodukte nicht nachgewiesen werden kann, wie im Falle
W → νe. Eine Messung des Experimentes D0 am FNAL von 1992 ist in Abb. 5.4
dargestellt.
5.2.2
Die W –Masse aus e+ e−–Vernichtung
Am Elektron-Prositron-Speicherring √
LEP wurden in seiner zweiten Ausbaustufe in
den Jahren 1999 - 2002 Energien von s = 161 GeV, 172 GeV, . . . , 200 GeV erreicht.
Dies ermöglichte die W ± Paarproduktion (Abb 5.5). Die Endzustände des Zerfalls
der beiden W -Bosonen setzten sich dann wie folgt zusammen:
• zu 11 % aus llνν, also zwei isolierten Leptonen mit unbalanciertem Impuls
5.3 Kopplung an das Fermion
63
Abbildung 5.5: Erzeugung eines W –Boson Paares in e+ e− Vernichtung am LEP.
• zu 43 % aus q1 q¯2 lν, also aus einem isolierten Lepton mit unbalaciertem Impuls
und zwei hadronischen Jets
• zu 46 % aus 4 hadronischen Jets, wobei hier der QCD Untergrund besonders
dominant ist.
√
Die Produktionschwelle liegt bei s = 2 · MW ' 161 GeV. An der Schwelle gilt nach
Fermis goldener Regel
σW + W − = f (S.M.) · g(Kinematik, MW )
|
{z
}
Dynamik
|
{z
dominant
(5.9)
}
woraus folgt, dass die Massenbestimmung von MW aus σW sehr modellintensiv ist
(Abb.
√ 5.6 und 5.7). Liegt hingegen die Schwerpunktsenergie oberhalb der Schwelle,
also s 2 · MW , kann man aus dem 4–er Impuls der Fermionen des Endzustandes
die invariante Masse der Paare rekonstruieren, und so auf die W –Masse zurückrechnen. Dabei nutzt man die Energie–Impulserhaltung mit der Strahlenergie als
Randbedingung aus. Dies liefert ein Resultat von MW = (80.46 ± 0.14) GeV. Eine
Übersicht aller aktuellen Messungen der W –Masse ist in Abb. 5.8 gegeben.
5.3
Kopplung an das Fermion
Die Struktur der Kopplung des W –Bosons ist aufgrund der (V − A) Struktur der
schwachen Wechselwirkung universell für alle Fermionen (Gl. 2.46)
1
jµ ∼ Ψ̄a γµ · (1 − γ5 )Ψb
2
(5.10)
was bedeutet, dass gA = gV = 21 ist. Dies bedeutet allerding nicht, wie wir weiter unten sehen werden, dass die Kopplungsstärke für Leptonen und Quarks dieselben sein
müssen. Ein direkter Test der Theorie ist die Messung der Verzweigungsverhältnisse
der möglichen W -Zerfälle in der W + W − Paarproduktion bei LEP2.
Beispiele
Die Ankopplung des W -Bosons an Fermionen kann in unterschiedlichen Prozessen
untersucht werden, die sich aufgrund des Endzustandes voneinander unterscheiden
(rein leptonischer, rein hadronischer oder gemischter Endzustand):
• leptonische Prozesse:
µ− → e− ν̄e νµ
Geladene Ströme
number of events / 3 GeV
64
L3
Data 172 GeV
MC hadrons(γ)
MC background
150
100
50
0
50
100

√s´ [GeV]
150
W+W- cross section (pb)
Abbildung 5.6: Gemessene und aufgrund von Modellen vorhergesagte Rate von hochenergetischen hadronischen Ereignissen als Funktion der effektiven e + e− Schwerpunktsenergie.
7
DELPHI
6
5
4
3
2
1
0
79
79.5
80
80.5
81
81.5
82
mW (GeV)
Abbildung 5.7: Der Wirkungsquerschnitt des Prozesses e+ e− → W + W − als Funktion
der Masse des W –Bosons. Das horizontale Band zeigt die Messung des Produktionswirkungquerschnittes mit dessen Fehler, die Kurve die Vorhersage des Standardmodelles für denProduktionswirkungsquerschnittes als Funktion der W -Masse.
5.3 Kopplung an das Fermion
65
W-Boson Mass [GeV]
−
pp-colliders
80.40 ± 0.09
LEP2
80.35 ± 0.09
80.375 ± 0.064
Average
χ2/DoF: 0.2 / 1
NuTeV/CCFR
80.54 ± 0.11
LEP1/SLD/mt
80.374 ± 0.031
80
80.25
80.5
80.75
mW [GeV]
State: m98
Abbildung 5.8: Aktueller Mittelwert aller Messungen der Masse des W –Bosons.
τ − → ν̄µ ντ / e− ν̄e ντ
Die Kopplungsstärken sind identisch, aber die Massen und somit der Phasenraum sind verschieden, was zu leicht unterschiedlichen Partialbreiten führt.
Ferner existieren keine Übergänge zwischen den Leptonfamilien (wie beim Z 0 –
Boson) (Abb. 5.9).
Abbildung 5.9: Leptonische geladene Ströme.
• semileptonische Prozesse:
Leptonen und Hadronen sind gleichermaßen am Prozess beteiligt: π − → µ− ν̄µ ,
n → pe− ν̄e , τ − → π − ντ (Abb. 5.10)
243
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8
9 :
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8
576
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MF
CE= F
MG
C7= G
Abbildung 5.10: Semileptonische geladene schwache Ströme (π Zerfall, τ Zerfall).
• nicht leptonische Prozesse bzw. rein hadronische Prozesse:
p̄p → W − → q1 q̄2 (W -Erzeugung, Abb. 5.7), oder hadronische Zerfälle von
66
Geladene Ströme
Λ → pπ − , Ω → ΛK − oder D 0 → K + π − (Abb. 5.11).
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3 465 8 )
Abbildung 5.11: Rein hadronische geladene Ströme.
Für die Kopplungsstärke der schwachen Wechselwirkung g gilt
GF
g2
√ =
2
8MW
2
(5.11)
Diese kann über die Muon–Lebensdauer gut gemessen werden:
Γµ→e =
G2F
1
=
· m5µ · (1 + )
τµ
192π 3
(5.12)
wobei der (1 + ) Term kleine Strahlungskorrekturen berücksichtigt. Durch die
Messung von mµ und τµ bestimmt sich die Kopplungskonstante zu GF = 1.166 ·
10−5 GeV−2 . Es stellt sich nun die Frage, ob man in rein hadronischen Prozessen
dieselbe Größe der Kopplungskonstanten misst. Dazu muss man beachten, dass die
Quarks Flavour-Eigenzustände der starken Wechselwirkung sind, die Leptonen
hingegen als Flavour-Eigenzustände der Schwachen Wechselwirkung betrachtet werden müssen.
Quarkmischung
Bei den leptonischen Prozessen des geladenen Stromes hatten wir die Universalität der Kopplungsstärken gesehen. In Prozessen, bei denen Quarks beteiligt sind,
findet man hingegen eine von der Quarkflavour abhängige Kopplungsstärke, was
der Universalität der schwachen Wechselwirkung scheinbar widerspricht. Die wurde
5.3 Kopplung an das Fermion
67
beispielsweise beim β–Zerfall beobachtet (n → pe− ν̄e ), wo das Quadrat der Kopplungstärke etwa 4 % kleiner ist als beim µ–Zerfall. Eine andere wesentliche Beobachtung machte man im K − –Zerfall (K − → µ− ν̄µ ), bei dem man zum einen Übergänge
zwischen den Familien beobachtete (s → u) und andererseits eine um einen Faktor
20 kleinere Kopplungsstärke im Vergleich zur d → u–Kopplung fand. Der Lösungsansatz kam von Cabibbo durch das Postulat, dass nicht die Flavoureigenzustände |di
und |si Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung seien, sondern deren Mischzustände |d0 i und s0 i.
|d0 i = cos ΘC · |di + sin ΘC · |si
|s0 i = cos ΘC · |si − sin ΘC · |di
(5.13)
Der Mischungswinkel ΘC (Cabibbo–Winkel) bestimmt sich zu sin ΘC = 0.22 und
cos ΘC = 0.98. Für die drei Quarkfamilien ergibt sich dann eine Quarkmischungsmatrix V (CKM Matrix) von Cabibbo, Kobayaschi und Maskava:

 



|di
Vud Vus Vub
|d0 i

 

 0 



 |s i  =  V
 cd Vcs Vcb  ·  |si 


|bi
Vtd Vts Vtb
|b0 i
(5.14)
Die Normierung der Wellenfunktionen bestimmt sich aus der Forderung der Unitarität von V : V † V = V V † = 1. Die CKM -Matrix muss die Unitaritätsbedingung
erfüllen, da ansonsten die Unitaritätsgrenze verletzt wäre. Für die Übergangsmatrixelemente gilt dann:
L∼
wobei
g
g
· q̄u γ µ (1 − γ5 ) · V qd ·Wµ+ + · V qd γ µ (1 − γ5 ) · qu · Wµ−
|{z}
2
2 |{z}
qd0


(5.15)
qd0




|ui
|di
|d0 i






0



 0 
qu = 
 |ci  , qd =  |si  , qd =  |s i 
|ti
|bi
|b0 i
Historisch gesehen hatte Cabbibo das Mischen der Flavour-Eigenzustände für die
Quarks der Ladung Qq = − 13 konstruiert, da damals (ca. 1960) erst die u, d und sQuarks bekannt waren. Ein weiterer, wichtiger Aspekt der Argumentation Cabbibos
war, dass dasselbe auch für die Quarks der Ladung Qq = + 23 gelten müsse, womit
die Existenz eines weiteren Quarks postuliert wurde. Das entsprechende Quark, das
charm-Quark, wurde allerdings erst 1972 experimentell bestätigt.
Die CKM–Matrix hat verschiedene freie Parameter, die sich aus unbeobachtbaren
Quarkphasen qui → qui · eiψi , bzw. qdj → qdj · eiφj ergeben:
qui γ µ (1 − γ5 )Vij qdj → qui γ µ (1 − γ5 )(Vij · ei(φj −ψi ) )qdj
(5.16)
Bei der Wahl der Parameter von V hat man die Freiheit in Vij → Vij ei(φj −ψi ) , dies
bedingt 6 Phasen woraus sich 5 linear unabhängige Phasendifferenzen ergeben.
68
Geladene Ströme
Durch bestimmte Randbedingungen und Forderungen auf Grund der physikalischen Eigenschaften reduziert sich die Zahl der Parameter erheblich. Eine komplexe
3 × 3 Matrix hat 9 Beiträge und entsprechend 9 Phasen. Durch die Quarkphasen
verringert sich die Zahl der Phasen um 5 (Gl. 5.16). Die Forderung der Unitarität reP
duziert mit den drei reellen Gleichungen i Vij? Vij = 1 die Zahl der Beiträge um 3, die
P
komplexen Gleichungen i Vij? Vik>j = 0 reduzieren die Zahl der Beiträge und die der
Phasen um 3, so dass 3 reelle Paramter und eine Phase übrig bleiben. Die drei reellen
Parameter entsprechen dabei einem Drehwinkel (Cabbibo und zwei weitere) und die
Phase ist dann das einzige komplexe Element. Die nicht verschwindende komplexe
Phase ist, wie wir später sehen werden, verantwortlich für die CP -Verletzung.
Unter der Vorraussetzung der Unitarität hat die Mischungsmatrix für den Fall
von drei Fermionfamilien vier Parameter: drei Winkel und eine Phase. Wenn die
Phase verschieden von Null ist, die Matrix also komplex, können durch die Quarkmischung CP –verletzende Prozesse auftreten. Für Antiteilchen gilt die konjugiert
komplexe CKM–Matrix, was eine Phasendifferenz zwischen Teilchen– und Antiteilchenreaktionen bewirkt und damit zu einer Verletzung der CP –Erhaltung führen
kann. Eine Parametrisierung der CKM–Matrix, die die Unitarität approximiert und
die Größenverhältnisse der Kopplungen zwischen den Familien relativ gut wiedergibt, ist die Wolfenstein–Darstellung:
VCKM

2

1 − λ2
λ
λ3 A(ρ − i · η)


2

=
λ2 A
−λ
1 − λ2


3
2
λ A(1 − ρ − i · η) −λ A
1
(5.17)
Sie stellt eine Entwicklung der CKM -Matrix nach Potenzen von λ = sin θc .
Die Anwesenheit eines komplexen Elementes hat weitreichende Konsequenzen,
wie etwa eine potentielle Symmetriebrechung in T (Zeitumkehr) oder CP (Materie/Antimaterie Konversion). Darauf wollen wir etwas später in der Vorlesung eingehen:
CP/T
qdi → quj : Vji −→ qdi → quj : Vji∗ 6= Vji
(5.18)
5.3.1
Messung der CKM–Matrix
Die Bestimmung der einzelnen Einträge der CKM -Matrix erfolgt experimentell.
Deren Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen beispielsweise aus der
Wolfensteinparametrisierung sind ein sehr wichtiger und sensitiver Test des Standardmodelles. Im Folgenden wollen wir einige Prozesse betrachten, die sich eignen,
die effektiven Größen der CKM-Matrix in Experimenten direkt auszumessen.
Vud
Vud kann aus den Kern-β-Zerfällen (bzw. Neutronzerfall) in Abb. 5.12 bestimmt
werden. Die Kopplungswahrscheinlichkeit auf Quarkniveau bestimmt sich wie folgt:
GF
A = √ · Vud · (ēγ µ (1 − γ 5 )ν) · gµλ · (ūγ λ (1 − γ5 )d)
2
(5.19)
5.3 Kopplung an das Fermion
69
was relativ einfach zu berechnen ist. Dabei ist allerdings ein theoretisches Problem
zu lösen, da man experimentell nicht die Kopplung an das Quark misst, sondern die
gesamte Kopplung an das Nukleon.
µ
µ
jquark
= ū · γ µ (1 − γ5 ) · d −→ jN
= Ψ̄p · γ µ (gV − gA γ5 ) · Ψn
(5.20)
Die Erweiterung der Quarkwellenfunktionen u und d zu den Diracspinoren Ψn und
Ψp erhält man durch starke Wechselwirkung und Formfaktoren. Da der Isospin in
der starken Wechselwirkung erhalten ist, erhält man nur Beiträge zum Vektorstrom,
woraus gV = 1 folgt. Aus der Zerfallswinkelverteilung kann man dann gA bestimmen,
was gemeinsam mit einer Lebensdauermessung zur Bestimmung von Vud führt.
$
% !#"
Abbildung 5.12: Neutronzerfall: Die Kopplungsstärke im Vertex des schwachen Zerfalles ist proportional zu Vud .
Hier und im Folgenden führt die nicht pertubative starke Wechselwirkung zu
theoretischen Unsicherheiten bei der Bestimmung von Vij , welche heute in vielen
Fällen den theoretischen Fehler dominiert.
Vus
Das Matrixelement Vus kann in Zerfällen von Teilchen, die Strangeness enthalten, bestimmt werden, wie etwa in den Zerfällen K̄ 0 → π + e− ν̄e , K − → π 0 e− ν̄e (Abb. 5.13)
oder Λ → pe− ν̄e . Die entsprechenden Formfaktoren können unter Verwendung von
SU (3) Symmetrien der starken Wechselwirkung sowie einiger Korrekturen bestimmt
werden.
70
Geladene Ströme
Abbildung 5.13: Bestimmung von Vus aus Kaon- und Lambda–Zerfällen.
Vcd
• νN Streuung: νN → µ− Xνµ µ+
als markante Signatur erhält man hier das Auftreten eines µ+ /µ− Paares im
Endzustand
• D–Zerfälle: D 0 → π − e+ νe , D 0 → K − e+ νe .
cd Dabei vergleicht man dann die Zerfallsraten von π − und K − ⇒ VVcx
, denn die
Formfaktoren kürzen sich dann im wesentlichen dabei heraus.
Vcs
• Reaktion νs → µ− c → µ− µ− X bzw. ν̄ s̄ → µ+ c̄ → µ+ µ+ X
das s–Quark erhält man aus dem Quarksee bei kleinem xBj .
• D–Zerfälle: D 0 → K − e+ νe , D + → K̄ 0 e+ νe (Abb. 5.14)
! " ' (
#
$&%
Abbildung 5.14: Bestimmung von Vcs aus dem D + –Zerfall.
Vcb
• Messung von Verzweigungsverhältnissen im b–Quarkzerfall: Γ(b → cν̄l l− ) ∝
m5b · |Vcb |2 :
gemessen wird das Verzweigungsverhältnis BR(B → cν̄l l− ) ' 10.5 % und die
5.4 Das Tau–Lepton
71
1
Lebensdauer τB = 1.5 ps = Γtot
des B–Mesons. Daraus erhält man dann über
BR
−
Γ(b → cν̄l ) = τB ⇒ Vcb , wobei die dominante Fehlerquelle die Unsicherheit
der b–Quarkmasse ist.
• Alternativ dazu kann man auch exklusive Zerfälle von B–Mesonen untersuchen: B → Dlν oder B → D ∗ lν (Abb. 5.15).
Abbildung 5.15: Bestimmung von Vcb aus dem B + –Zerfall.
Vub
Vub kann in e+ e− Beschleunigern, die auf der Υ(4S)–Resonanz laufen, in der Reaktion e+ e− → B B̄ gemessen werden. Dazu vergleicht man die Zerfälle b → ue−nu
¯e
und b → ce− ν̄e , wobei mu ≈ 0 ist und mc ≈ 1.5 GeV beträgt. Als Resultat erhält
man dann | VVub
| ' 0.08. Diese Messungen können in exklusiven Zerfallskanälen der
cb
aktuellen B–Fabriken wesentlich besser gemacht werden (BaBar, BELLE), wie etwa
in den Kanälen B → ρlνl → ωlνl → πlνl .
Vtb , vts , Vtd
• B B̄ Mischung (siehe später)
• Top–Zerfälle (FNAL und in der Zukunft LHC)
• aus der Unitarität von V unter Annahme der Gültigkeit des Konzeptes
CKM–Phase
Aus der CP –Verletzung in B–Zefällen (siehe später in der Vorlesung) können die
Phasen bestimmt werden. Dabei erhält man mit λ ' sin ΘC ' 0.22 das folgende
Resultat:


O(1) O(λ) O(λ3 )


(5.21)
VCKM ≈ 
O(1) O(λ2 ) 

 O(λ)
3
2
O(λ ) O(λ ) O(1)
5.4
Das Tau–Lepton
Da man 1972 mit der Entdeckung des c-Quarks die zweite Fermionfamilie vollständig
entdeckt hatte, lag die Annahnme nahe, dass es keine weiteren Fermionfamilien gäbe.
Umso sensationeller war 1975 bei SPEAR die Entdeckung eines weiteren Leptons in
72
Geladene Ströme
∗
∗
Vud
/Vus
sr sb sg
ūr ūb ūg
Abbildung 5.16: Zerfälle des τ –Leptons.
e+ e− -Kollisonen, dem Tauon (τ -Lepton). Da die Masse des τ wesentlich größer als
die Masse des leichtesten Hadrons ist (mτ = 1777 GeV mπ = 139 MeV > mµ =
105 MeV), diese aber größer als die des nächstleichteren Leptons (Muon µ) ist, kann
das Tauon im Gegensatz zum Muon auch in Hadronen zerfallen. Dies macht die
Tauonzerfälle zu einem äußerst wichtigen Instrument zur Untersuchung fundamentaler Kopplungstrukturen des Standardmodelles, da im Zerfall eines einzigen, strukturlosen Teilchens leptonische sowie hadronische Kopplungen experimentell leicht
zugänglich sind.
Die wichtigsten Präzisionsmessungen in Zerfällen von τ -Leptonen wurden bei
LEP auf der Z 0 Resonanz gemacht. Das τ –Lepton hat eine Lebensdauer von ττ '
300 fs, woraus sich eine Flugstrecke von γcτ ≈ 2.3 mm bei einer Energie bei LEP
M
von Eτ = 2Z 0 ' 45 GeV ergibt. Zum einen folgt daraus, dass das Tau–Lepton im
Detektor zerfällt, seine Flugstrecke allerdings groß genug ist, um den Sekundärvertex
mit einem Silizium–Vertexdetektor zu messen. Aufgrund der relativ großen Masse
von mτ ≈ 1.8 GeV kann es in Leptonen und Hadronen zerfallen (Abb 5.16):
gτ
j µ = √ ūντ γ µ (1 − γ 5 )uτ
2
(5.22)
und wegen der Universalität der schwachen Wechselwirkung muss gτ = gµ = ge =
gq ≡ g gelten. Die Überprüfung der Universalität der schwachen Wechselwirkung ist
ein weiterer wichtiger Test des Standardmodelles.
Leptonischer Zerfall
Im leptonischen Zerfall gilt f1 = e− / µ− bzw. f¯2 = ν̄e / ν̄µ (Abb. 5.16). Für die
Zerfallsbreite gilt analog zum Muon–Zerfall
Γ(τ − → ντ l− ν̄e ) =
G2F
3m2τ 5
·
m
·(1 + )
·
f
(y
)
·
1
+
l
τ
2
192π 3
5MW
|
{z
Masseneffekte
(5.23)
}
wobei (1 + ) Strahlungskorrekturen der Größenordnung ' −4.3 · 10−3 sind. Der
ml 2
kinematische Faktor f (yl ) mit yl = ( m
) ist
τ
f (yl ) = 1 − 8yl + 8yl3 − yl4 − 12yl2 ln yl
(5.24)
5.4 Das Tau–Lepton
73
Die Verzweigungsverhältnisse BRl = BR(τ − → l− ν̄l ντ ) sind aufgrund der Unterschiedlichen Massen und der daraus resultierenden verschiedenen kinematischen Faktoren nicht universell:
g 2
BRµ
µ
= 0.9726 ·
(5.25)
BRe
ge
| {z }
≈1
Universalität würde bedeuten, dass der letzte Term von Gl. 5.25 gleich 1 sein muss.
Dies wurde bei LEP mit großer Genauigkeit bestätigt (Kap. 5.4.3).
Hadronischer Zerfall
Wir betrachen jetzt die hadronischen Zerfälle von Abb. 5.16. Der einfachste Fall
ist dabei der Zerfall τ − → π − ντ /K − ντ , wobei für die Hadronisation der im Zerfall
entstandenen Quarks ein Formfaktor fπ,K notwendig ist. Er entspricht einer Zerfallskonstante (|Ψ(0)|2 ) und kann aus den Lebensdauern von π und K bestimmt werden.
Wiederum misst man die Zerfallsbreiten:
2
m2π(K) 2
G2F · fπ(K)
· |Vud(d) |2 · m3τ · 1−
Γ(τ → ντ π(K)) =
16π
m2τ
(5.26)
π
K
= 0.599, bzw. Br
= 0.039. Bei den
Daraus folgt eine harte Vorhersage für BR
BRe
Bre
komplizierten Fällen ist das Vorgehen genau analog ist aber natürlich schwieriger.
5.4.1
Die Masse des Tauons
Es gibt verschiedene Methoden, die Masse des τ –Leptons zu bestimmen:
• Produktionsschwelle (BEPC, BES-Detektor (Beijing), Abb. 5.17):
– Variation von
√
s um 2mτ ' 3.56 GeV herum
– Selektion von τ + τ − in den Zerfallskanälen τ ± → e± , µ± , π ± , K ± (“1–
Prong” Ereignisse)
– Messung des Schwellenverhaltens: der Wirkungsquerschnitt
σ=
4πα2 β(3 − β 2 )
·
3s
2
(5.27)
mit β = vc |τ ± muss bei 2 · mτ exakt verschwinden.
Dies ist bis heute die genaueste Methode.
• Pseudomassenmethode (ARGUS, CLEO, LEP) im Zerfall τ − → π − π − π + ντ
durch Rekonstuktion der Pseudomasse. Die τ –Masse entspricht dann dem kinematischen Limit. Diese Methode ist allerdings ungenauer und nicht konkurenzfähig.
74
Geladene Ströme
Abbildung 5.17: Bestimmung der τ –Masse aus der Produktionsschwelle: √
die
Abhängigkeit des Produktionswirkungsquerschnittes
von
der
Schwerpunktsenergie
s
√
(a) und Vergrößerung der Bereiches um s ≈ 2 · mτ . Darunter ist die Abhängigkeit
der Wahrscheinlichkeit des Wertes von der Masse dargestellt.
5.4 Das Tau–Lepton
5.4.2
75
Die Lebensdauer des Tauons
Die Messung der Lebensdauer des τ –Leptons ist dominiert durch die Präzision der
LEP/SLD Vertexdetektoren:
ττ = (190.5 ± 1.0) fs
Das Hauptmerkmal von Zerfällen von Tauleptonen ist deren Sekundärer Vertex nach
einer relativ langen Flugstrecke. Wenn ein Tauon mit Impuls p und Masse m, wobei
p m, am Hauptvertex erzeugt wird und nach einer mittleren Lebensdauer τ an
einem Sekundärvertex zerfällt, kann der Zerfall dadurch nachgewiesen werden, dass
mindestens eine Spur eines Tochterteilchens, die ihren Anfang am sekundären Vertex
hat, den Hauptvertex signifikant verfehle. Der Abstand der verlängerten Spur des
Tochterteilchens zum Hauptvertex wird als Stoßparameter δ bezeichnet.
Tochterteilchen
Vertex
-
Sekundärvertex
Stoßparameter
δ
Falls nur eine geladene Spur am Zerfallsvertex gemessen werden kann, ist die
Methode der Messung der Stoßparameterveteilung die einzig mögliche (z.B. bei einem rein leptonischen Zerfall), sind hingegen mehrere Spuren am sekundären Vertex
rekonstruierbar (hadronische Zerfälle), so kann der Ort des Sekundärvertex direkt
bestimmt werden. Diese Methode findet bei allen Suchen nach Teilchen mit einer
langen Flugstrecke aufgrund ihres Zerfalles über schwache Wechselwirkung ihre Anwendung.
1-Prong Stoßparameter
Dies ist der Fall, bei dem das τ im Leptonischen Zerfallskanal nur eine geladene
Spur am Sekundärvertex hinterlässt. Deshalb betrachet man den Stoßparameter ~δ
(Abb. 5.18, a). Dabei gilt für das Vorzeichen von δ, dass sign(~δ × p~)⊥ . Wenn δ > 0,
so ist die Zeit auch größer 0, entsprechend gilt für δ < 0 auch, dass die Zeit kleiner
0 ist. Aus der Verteilung von δ kann schließlich die Lebendsauer bestimmt werden.
Zerfallslänge von 3-Prongs
Bei dieser Methode betrachtet man die Zerfallslänge L als sekundären Vertex
(Abb 5.18, d). Aus der Verteilung von L folgt wiederum direkt die Lebensdauer.
76
Geladene Ströme
∆φi
a)
Li
di
∆φ1
b)
d1
L1
d2
L2
∆φ2
c)
∆φ1
L1
d1
d2
d)
Li
L2
∆φ2
Abbildung 5.18: Verschiedene Methoden zur Messung der τ –Lebensdauer über
die Zerfallsstrecken: (a) 1-Prong Stoßparameter, (b) 2-Prong Stoßparameter, (c)
Doppel-1-Prong und (d) Zerfallslänge von 3-Prongs.
77
< d+-d- > (cm)
dN/dl (per 600 µm)
5.4 Das Tau–Lepton
600
0.06
0.04
500
0.02
400
0
300
-0.02
200
-0.04
100
-0.06
0
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
-0.2
-0.15
-0.1
-0.05
0
0.05
0.1
decay length (cm)
0.15
0.2
X (rad)
Abbildung 5.19: Resultate der Lebensdauermessung: Zerfallslängenverteilung und X
gegen hY i Verteilung.
Aufgund der Anwesenheit mehrerer geladener Spuren aus einem hadronischen Zerfall kann der Sekundärvertex sehr gut rekonstruiert werden.
Doppel-1-Prong
Diese Methode ist insensitiv auf die Flugrichtung des τ (Abb. 5.18 c). Wir betrachten
die Reaktion e+ e− → τ + τ − in der transversalen Projektion. Es gelten die Bezeichnungen aus der Abbildung und θ sei der Winkel zwischen der Strahlachse und dem
auslaufenden Tauon:
hY i := hd1 − d2 i
=
L1 ·∆Φ1 +
|{z}
βγcττ sin θ
= βγcττ · X
L
2
|{z}
βγcττ sin θ
·∆Φ2 = βγcττ (∆Φ1 + ∆Φ2 ) sin θ
|
{z
∆Φ·sin θ≡X
}
(5.28)
Dies stellt eine Geradengleichung dar (Abb. 5.19), aus deren Steigung die Lebensdauer sofort berechnet werden kann. Diese Messung wurde wie in der Abbildung
gezeigt, mit großer Präzision bei LEP durchgeführt.
5.4.3
Leptonuniversalität
An den Beschleunigern (bzw. Experimenten) ARGUS, CLEO, LEP und SLD wurden
für die Reaktionen
τ → e− ν̄e ντ / τ → µ−ν̄µ ντ
(5.29)
die leptonischen Verzweigungsverhältnisse sehr genau vermessen:
Bµ = BR(τ − → µ− ν̄µ ντ ) = (17.37 ± 0.06) %
Be = BR(τ − → e− ν̄e ντ ) = (17.84 ± 0.06) %
78
Geladene Ströme
Aufgrund der unterschiedlichen Massen sind die Verzweigungsverhältnisse der leptonischen Zerfallskanäle nicht identisch (Gl. 5.25). Was hingegen gleich sein muss,
falls die Leptonuniversalität auch für das Tauon gilt, sind die Kopplungskonstanten
gµ und ge . Wie wir bereits bei der Diskussion der leptonischen Zerfallskanäle des
Leptons gesehen haben, gilt dann mit den Messresultaten von Gl 5.29:
Bµ
gµ
= 0.9762 ·
Be
ge
!2
=⇒
2
g µ
ge = 1.0005 ± 0.0012
(5.30)
Die Leptonuniversalität von Muon und Elektron wäre somit bewiesen. Dies muss
nun auf das Tauon übertragen werden. Andererseits berechnet sich das jeweilige
Verzweigungsverhältnis Be,µ aus dem Quotienten der entsprechenden Partialbreite
1
. Letztere bestimmt sich wiederum
zur totalen Zerfallsbreite des Tauons Γτ = τtau
aus der Lebensdauer τtau :
Be,µ =
G2F
Γ(τ − → ντ e− ν̄e /µ− ν̄µ )
· ττ · m5τ ·δe,µ
=
3
| {z }
Γτ
192π
| {z } gemessen
2 2
(5.31)
∼gτ ·ge,µ
wobei die Massenkorrekturen δ als sehr klein angenommen werden (δe,µ ∼ 1). Aus
obiger Gleichung folgt, dass über die Verteilung von Be,µ gegen die Lebensdauer des
Tauons ττ die Forderungen der Leptonuniversalität gτ = ge ≡ g und gτ = gµ ≡ g
überprüft werden können. Es gilt dann beispielsweise für den Muon-Zerfallskanal
(die Argumentation für den Elektron-Zerfallskanal ist identisch):
1
G2F
= Γ(µ− → νµ e− ν̄e ) =
·m5µ
3
τµ
|192π
{z }
(5.32)
2 ·g 2
∼gµ
e
Wenn dies in Gl. 5.31 eingesetzt wird, kann das entsprechende Verhältnis | ggµτ | mittels
der Messungen von Be und der Lebensdauer des Tauons ermittelt werden:
Be
⇒
gτ
gµ
1
τµ
!2
=
gτ2 ττ m5τ
gµ2 m5µ
Γ µ mµ
= Be ·
Γ e mτ
!5
Messung gτ =⇒ = 1.002 ± 0.004
gµ (5.33)
Dies ist ein klarer Beweis, dass die Leptonuniversalität auch für das τ –Lepton gilt.
Die Messung der Abhängigkeit des Verzweigungsverhältnisses von der Lebensdauer
von LEP ist in Abb. 5.20 dargestellt.
5.5
Lorenzstruktur des geladenen Stromes
Im Standardmodell wird angenommen, dass die Kopplungsstruktur des schwachen
geladenen Stromes einer Vektorkopplung entspricht. Der Axialvektorstrom tritt
5.5 Lorenzstruktur des geladenen Stromes
g2τ
g2µ
= 0.9996
τµ
ττ
79
5
[ ]
B(τ→eνν)
Mµ
Mτ
Abbildung 5.20: Darstellung der Messung Leptonuniversalität des Tau-Leptons. Der
von LEP gemessene Wert aus der Tauon-Lebensdauer und Be (Gl 5.33) ist mit dem
Fehlerbalken dargestellt, der das Band der Vorhersage des Standardmodelles an der
Stelle scheidet, so dass gτ = gµ = g ist. Die größte Unsicherheit dabei ist der Fehler
der τ –Masse.
dann als Folge der Chiralitätsabhängigkeit der schwachen Kopplung über den Projektionsoperator auf. Es ist allerdings a priori nicht klar, dass die Vektorkopplung die
einzige auftretende Kopplung ist. Theoretisch ist es durchaus denkbar, dass Kopplungen anderer Transformationseigenschaften, wie Tensor- oder Skalarkopplungen,
im Standardmodell einen Beitrag zum geladenen Strom leisten. Alfällige Pseudoskalare Kopplungen können wiederum im Projektionsoperator absorbiert werden. In
diesem Kapitel sollen deshalb hypotetische andere Kopplungen in den Lagrangien
des Standardmodelles eingefügt werden und mit experimentellen Befunden verglichen werden. Wiederum eignen sich die leptonischen Zerfallskanäle des Tau-Leptons
aufgrund ihrer klaren Signatur und der reinen schwachen Struktur hervorragend,
diesen weiteren, wichtigen Test der Kopplungsstruktur des Standardmodelles durchzuführen.
Dazu betrachten wir zunächst die Transformationseigenschaften von DiracSpinoren. Die Lorentztransformation eines allgemeinen Vierervektores ist gegeben
als:
xµ −→ Λµν xν
Einige wichtige Beispiele dazu sind:
(5.34)
80
Geladene Ströme
Lorentzboost
Die eigentliche Lorentztransformation entlang der ẑ–Achse ist definiert als:
x0 → γ(x0 + βx3 )
x3 → γ(x3 + βx0 )
x1,2 → x1,2
(5.35)
(5.36)
oder geschrieben in konvarianter, matrizieller Form
Λµν
=






γ
0
0
−γβ
0
1
0
0

0 −γβ

0
0 

1
0 

0
γ
(5.37)
mit der Determinante det(Λµν ) = γ 2 − γ 2 β 2 = 1, woraus die bekannte Definiton von
γ sofort folgt.
uneigentliche Lorentztransformationen
Unter uneigentlichen Lorentztransformationen versteht man:
• Raumspiegelung x0 → x0 und ~x → −~x:
Λµν
=






1 0
0
0
0 −1 0
0
0 0 −1 0
0 0
0 −1






(5.38)
mit der Determinante det(Λµν ) = −1.
• Zeitspiegelung x0 → −x0 und ~x → ~x:
Λµν
=






−1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1






(5.39)
mit der Determinante det(Λµν ) = −1.
5.5.1
Strom–Strom-Kopplungen
In der Teilchenphysik ist es üblich, Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen
als eine Kopplung zwischen den beiden elementaren Teilchenströmen und einem Austauschteilchen (Propagator) zu formulieren. Dabei werden die beiden wechselwirkenden Teilchen als jeweils ein Teilchenstrom aufgefasst, der mit dem anderen über den
Propagatorterm verbunden ist. Dabei bezeichnet man die funktionale Abhängigkeit
5.5 Lorenzstruktur des geladenen Stromes
81
der Wechselwirkung als den Propagatorterm. Der Propagatorterm enthält zudem
die Transformationseigenschaften des ausgetauschten Eichbosons.
Im klassischen Fall der elektromagnetischen Wechselwirkung treten die Coulombkraft, die proportional dem Produkt der Ladungen ist, und die magnetische Kraft,
die proportional dem Produkt der Ströme ist, auf. In relativistischer Schreibweise
kann man beides zusammenfassen, indem man Ströme als Vierervektoren definiert,
mit der Ladungsdichte als zeitliche Komponente und der Stromdichte als räumliche:
µ
j =
j(a)
"
ρ
~j
#
e
(5.40)
e
j(b)
1/q
2
b
a
Abbildung 5.21: Elektromagnetische Wechselwirkung als Strom–Strom-Kopplung.
Die elastische Streuung der Teilchen a und b (Abb. 5.21) wird durch ein Strom–
Strom Matrixelement beschrieben:
Mf i =
e2
e2 µ
j
(a)j
(b)
=
(ρa · ρb − ~ja · ~jb )
µ
q2
q2
(5.41)
Die Strom–Strom Kopplung in der QED geschieht über den Austausch eines Photons. Die Kopplungsstärke ist proportional e2 bzw. zu α. Den 1/q 2 –Term erhält
man durch Fouriertransformation des 1/r–Potentials in den Impulsraum und wird
als Propagator-Term bezeichnet (Abb. 5.21)..
Im allgemeinen beschreibt ein Strom in der Teilchenphysik einen Übergang eines
Teilchenzustandes 1 in den Teilchenzustand 2. Ein Fermionenstrom j µ (1 → 2) wird
durch einen Operator V µ dargestellt, der die Wellenfunktion 1 auf die Wellenfunktion 2 abbildet. Dies ist genau der Punkt, an dem die Symmetrieeigenschaft des
Stromes einfließt. Da beispielsweise das Photon oder das W -Boson Vektorteilchen
sind, muss der Teilchenstrom in der Ankopplung an das Feld auch die entsprechende Transformationseigenschaft (bzw. Symmetrieverhalten) aufweisen. Im Falle
der Photonen ist es die Eigenschaft eines Vektors, der dem Transformationsverhalten von γ µ entspricht. Für die fundamentalen Fermionen sind die Wellenfunktionen
Dirac–Spinoren ψ1 und ψ2 und die Operatoren V µ sind analog zur Definition des
Wahrscheinlichkeitsstromes durch die γ–Matrizen gegeben:
j µ (1 → 2) = ψ̄1 γ µ ψ2
(5.42)
Die Strom–Strom-Kopplung wird dann wie folgt geschrieben
A ∝ j1µ · j2µ
(5.43)
82
Geladene Ströme
Wir wollen zunächst alle möglichen Arten von Strom-Stromkopplungen und deren
Transformationsverhalten aufschreiben:
(a) Vektorstrom:
jVµ = ūf γ µ ui
jVµ −→ Λµν jVν
(5.44)
Das Transformationsverhalten entspricht dem eines Lorentzvektores mit 4 linear
unabhängigen Matrizen
(b) Axialvektorstrom:
jAµ = ūf γ 5 γ µ ui
jAµ −→ det(Λµν ) · Λµν jVν
(5.45)
jS −→ jS
(5.46)
Das Transformationsverhalten entspricht dem eines Axialvektores mit 4 linear unabhängigen Matrizen
(c) Skalar:
jS = ūf · 1 · ui
Das Transformationsverhalten entspricht dem eines Skalares mit 1 linear unabhängigen Matrix
(d) Pseudoskalar:
jP = ūf γ 5 ui
jP −→ det(Λµν ) · jP
(5.47)
Das Transformationsverhalten entspricht dem eines Pseudoskalares mit 1 linear unabhängigen Matrix
(e)Tensorstrom:
i
σ µν = [γ µ , γ ν ]
jTµν −→ Λµλ Λνκ jTλκ
(5.48)
2
Das Transformationsverhalten entspricht dem eines antisymmetrischen Tensors 2.
Stufe mit 6 linear unabhängigen Matrizen.
Insgesamt ergeben sich also für alle denkbaren Kopplungstrukturen 16 linear
unabhängige 4 × 4 Matrizen mit den jeweiligen Basen Γ des K–Vektorraumes:
jTµν = ūf σ µν ui
1...4
{1 [Γ1S ], γ 5 [Γ1P ], γ µ [ΓV1...4 ], iγ µ γ 5 [ΓA
], σ µν [ΓT1...6 ]}
τ
−
(5.49)
Wir betrachten nun wiederum den rein leptonischen Zerfall eines Tau-Leptons
→ ντ l− ν̄l und schreiben dessen Strom-Strom-Kopplung jµl · j µ,τ = ūl Γvνl ×
ūντ Γuτ in der allgemeinsten Form des geladenen Stromes auf, der alle möglichen
oben aufgelisteten Kopplungstrukturen enthält (vergl. Abb. 5.16):
Glτ
A = √F
2
=
2
X
X
λ∈{S,P,V,A,T }
4Glτ
F
√
X
Cλ (ūl Γil vνl )(ūντ Γλi uτ ) + Cλ0 (ūl Γjλ vνl )(ūΓλj γ5 uτ )
λ∈{S,V,T } α,β∈{R,L}
λ
gαβ
(ūl )α Γiλ (vνl )α0 · (ūντ )β 0 Γλi (uτ )β
(5.50)
5.5 Lorenzstruktur des geladenen Stromes
83
DELPHI
S
-2
RR
S
2
LR
2
RL
2
V
2i
2
-2i
-i
i/√3
1
LR
-i
T
i
-i/√3
i/√3
1
RL
-i
i
-1
LL
T
i
-1
RL
-2i
-2
LL
V
2i
1
-1
LR
-2i
-2
S
V
2i
i
-1
RR
-2i
-2
S
V
2i
-i/√3
1
-i
Abbildung 5.22: Messungen des Experimentes DELPHI (LEP) der möglichen Kopplungen zur Messung der Lorentzstruktur des schwachen geladenen Stromes. Man
sieht deutlich, dass nur eine Kopplung für linkshändige Teilchen gemessen wird, wie
es die V − A Theorie vorhersagt.
Hieraus ergeben sich unter Anwendung der L, R-Projektionsoperatoren 10 verschiedene mögliche komplexe Kopplungen. Die jeweiligen zu erwartenden Beiträge können
nun im Rahmen des Standardmodelles errechnet werden. In τ –Zerfällen am Experiment DELPH bei LEP wurden die entsprechenden Parameter vermessen (Abb. 5.22).
Falls das Standardmodell so wie wir es bis jetzt beschrieben haben weiterhin gültig
sein soll, darf nur der Beitrag der linkshändigen Vektorkopplung übrigbleiben, alle
anderen Beiträge müssen verschwinden. Die Anwesenheit einer weiteren Kopplung
wäre im Falle ihrer Existenz ein klarer Hinweis auf physikalische Prozesse, die noch
unbekannt und entsprechend noch nicht im Standardmodell enthalten sind. Dies
wird im Jargon oftmals als neue Physik bezeichnet.
5.5.2
Michel–Parameter
Die Formalisierung aller möglichen Beiträge erfolgt mittels der sogenannten Michelλ
Parameter, welche Bilinearformen der gαβ
bilden, die die Vorfaktoren zu den ein√l
zelnen Beiträgen der jeweiligen Kopplungsstruktur Γ von Γ1 dΓ
mit x = EEτl ' 2E
dx
s
beschreiben.
1 dΓ
= h0 (x) + η · hη (x) + ρ · hρ (x) − Pτ · ξ · hξ (x) + ξ · δ · hξδ (x)
Γ dx
(5.51)
Geladene Ströme
1.5
1.4
1.3
1.2
1.1
1
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5
DELPHI
1.5
ξ
ξ
84
0.4
0.6
0.8
1
1.4
1.3
1.2
1.1
1
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5
1.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
ξδ
ξδ
ρ
1.2
1.1
1
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
Standard Model.
This measurement.
Disallowed region.
Allowed region.
0.4
0.6
0.8
1
1.2
ρ
Abbildung 5.23: Vermessung der Michel–Parameter am Experiment DELPHI bei
LEP.
Hierbei ist Pτ die mittlere τ –Polarisation und h(x) die Spektralfunktionen:
h0 = 3(1 − x)
hη =
ml 6(1 − x)
·
mτ
x
etc.
(5.52)
Da das Standardmodell nach Konstruktion eine V − A–Struktur hat, macht es klare Vorhersagen für diese Vorfaktoren, damit die entsprechende Struktur konstruiert
werden kann. Als Vorhersage des Standardmodelles unter der Annahme der Gültigkeit der V − A Struktur erhält man für die Michelparameter:
3
ρ= ,
4
η = 0,
ξ = 1,
ξ·δ =
3
4
(5.53)
Alle obigen Aussagen gelten analog für µ–Zerfälle, die genaue Messung der µ–
Michel–Parameter erfolgt analog (siehe Tab. 5.1). Die Messung der Michelparameter
am Experiment DELPHI bei LEP ist in Abb. 5.23 gezeigt. Es ist klar ersichtlich, dass
die vom Standardmodell erwarteten Werte für die Michelparameter aus Gl. 5.53 im
Experiment sehr gut bestätigt werden. Dies ist ein weiterer und sehr fundamentaler
Test der Gültigkeit des Standardmodelles.
Ein Problem, das bespielsweise bei den B–Fabriken ARGUS und CLEO auftritt,
ist, dass Pτ = 0. Bei LEP ist Pτ klein. Die Sensitivität auf die Pτ Terme erhält man
2Γ
durch die Korrelationsspektren ( Γ1 dxd1 dx
)
2
• erstes τ –Lepton hat Spinrichtung ↔ Zerfallstopologie
• zweiter τ –Spin ist dadurch festgelegt.
Bei hadronischen τ –Zerfällen wendet man ein ähnliches Vorgehen an.
5.6 W –Kopplung an das Eichboson
ρ
η
ξ
ξδ
85
ARGUS
ALEPH
L3
EPS95
0.74±0.04
0.03±0.22
0.97±0.14
0.65±0.12
0.75±0.05
−0.04±0.19
1.18±0.16
0.88±0.13
0.81±0.05
0.10±0.23
0.95±0.25
0.73±0.19
0.750±0.023
0.02±0.12
1.04±0.10
0.75±0.08
µ → eνν
0.7518±0.0026
−0.007±0.013
1.0027±0.0085
0.751±0.007
V −A
0.75
0
1
0.75
Tabelle 5.1: Messungen der Michel Parameter von leptonischen τ –Zerfällen im Vergleich zum Weltmittelwert der Muon-Zerfälle und zur Erwartung des Standardmodelles (V − A–Theorie).
5.6
W –Kopplung an das Eichboson
Als letztes soll nun noch kurz auf die Selbstkopplungstruktur der Eichbosonen der
schwachen Wechselwirkung eingegangen werden, da diese aus der nicht-abelschen
Struktur der SU (2)-Eichgruppe folgt.
5.6.1
W –Paarproduktion
Bei LEP2 wurde die Paarproduktion von W Bosonen in der Reaktion
e+ e− −→ W + W −
(5.54)
vermessen. Dabei tragen unterschiedliche Feynmanndiagramme zur theoretischen
0
Berechnung des Wirkungsquerschnittes bei
√ (ν–Kopplung, Z oder γ Austausch),
die alle einzeln die Unitaritätsgrenze mit s → ∞ verletzen, in der Summe aller
Diagramme hingegen heben sich die Divergenzen gegenseitig weg (Abb. 5.24). Dies
kann als indirekte Evidenz der Selbstkopplung interpretiert werden.
86
Geladene Ströme
20
LEP Average
Standard Model
no ZWW vertex
νe exchange
only
18
16
σWW [pb]
14
12
10
8
6
4
2
0
Preliminary
160
170
180
√s [GeV]
190
Abbildung 5.24: Der Produktionswirkungsquerschnitt der W –Boson–Paarproduktion
als Funktion der Schwerpunktsenergie bei LEP2.
5.6.2
Lorentzstruktur der Selbstkopplung der Eichbosonen
Untersucht wird die Kopplungsstruktur unter der Verwendung des Kinematik des
Endzustandes (V = γ oder Z):
• pp̄ (FNAL): Reaktionen:
q1 + q2 → W (V ) → V (W ) + W (W ) (im S.M.)
q1 + q2 → Z → V + γ (nicht im S.M.)
• e+ e− (LEP2): Reaktionen:
e+ + e− → V → W + W (im S.M.)
e+ + e− → Z → V + γ (nicht im S.M.)
Derzeit erzielen LEP2 und FNAL etwa dieselbe Genauigkeit in der Messung.
Die experimentelle Strategie soll am Beispiel von W W V erläutert werden. Für
die Lagrangedichte des Feldes gilt:
LF eld = −
1
4
Gaµν Gµνa
SU (2):
|
{z
}
Selbstkopplung
−
1
4
Bµν B µν
U (1):
|
{z
}
keine Selbstkopplung
(5.55)
5.6 W –Kopplung an das Eichboson
87
wobei gilt
Gaµν = ∂µ Wνa − ∂ν Wµa −gabc Wµb Wνc
|
{z
a
≡Wµν
Bµν = ∂µ Bν − ∂ν Bµ
}
(5.56)
Wenn man nun Wµ1,2 durch Wµ± und Wµ3 durch Aµ , Zµ ausdrückt, erhält man die
W W V –Terme im Standardmodell (Übung...):
WWV
−
+
iLS.M.
= gW W V · gΛV · V µ · (Wµν
W +ν − Wµν
W −ν ) + κV · Wµ+ Wν− V µν
(5.57)
wobei V µν = ∂ µ V ν − ∂ ν V µ . Für die Kopplungsstärken gilt, dass gW W γ = e und
gW W Z = e cot ΘW , wobei man für die relativen Beiträge im Falle des Photons gΛγ = 1
aufgrund der elektromagnetischen Eichinvarianz erhält und im Falle des Z–Bosons
gΛZ = κγ = κZ = 1 wegen der Yang-Mills Struktur des Standardmodelles.
Der allgemeinste Ansatz für L benötigt 14 lorentzinvariante W W V –Terme, die
sich mit der Forderung der elektromagnetischen Eichinvarianz auf 13, und mit den
weiteren Forderungen nach der C, P –Erhaltung in der elektromagnetischen Wechselwirkung auf nur noch 5 Terme reduzieren. Diese sind die gΛZ , κγ und κZ Terme und
−
der Term MλV2 V µν Wν+ρ Wρµ
für V = A, Z. Die experimentelle Methode besteht dann
W
Z
darin, einen (gΛ , κγ , κZ , λγ , λZ )–Fit an die kinematischen Verteilungen im Endzustand zu machen, wie beispielsweise W W → 4 Fermionen. Bisher wurde das Standardmodell in allen Messungen bestätigt, also gΛZ = κγ = κZ = 1 und λγ = λZ = 0.
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