Börsen und Märkte 11.12.13 / Nr. 288 / Seite 33 / Teil 01 # NZZ AG Wenn Unternehmen die eigene Firma kaufen Aktienrückkäufe sind eine valable Alternative zu Übernahmen und Fusionen Werner Grundlehner ^ Apple plant, dafür 60 Mrd. $ aufzuwenden, Microsoft stellt dafür 40 Mrd. $ zur Seite, IBM reserviert 15 Mrd. $, und auch Novartis will 5 Mrd. Fr. investieren. Die Rede ist von Aktienrückkäufen. Marktbeobachter sind sich einig, dass der Kauf von eigenen Aktien durch Unternehmen eine Boomphase erlebt. Genaue Statistiken stehen nicht zur Verfügung. Denn die Programme laufen über mehrere Jahre. Wann und ob sie vollständig umgesetzt werden, ist für die Öffentlichkeit kaum nachzuvollziehen. Tiefe Zinsen als Treiber Der Boom sei auf die extrem tiefen Zinsen zurückzuführen, sagt Thomas Liebi, Chefökonom von Swisscanto. Es gebe eine Risikoverschiebung von Aktionären zu Obligationären. So könne es selbst lukrativ sein, Geld, das mit Anleihen aufgenommen wurde, direkt in Aktienrückkäufe zu investieren. Für eine kotierte Gesellschaft gibt es mehrere Beweggründe für den Aktienrückkauf. Die Transaktion reduziert die Anzahl der ausstehenden Valoren, dadurch muss der Gewinn auf weniger Aktien verteilt werden. Gemessen an der Kennzahl Gewinn pro Aktie wird das Unternehmen auch bei unverändertem Gewinn profitabler. Viele Unternehmen haben in der Krise die Sparanstrengungen intensiviert und ihre Effizienz gesteigert und verfügen über rekordhohe Cash-Bestände. Unter diesen Umständen zieht in der Regel auch die Fusions- und Übernahmetätigkeit (M&A, Mergers & Acquisitions) an. Gemäss einer Studie von Citigroup haben aber die Transaktionen nicht mit dem rekordesetzenden Aktienrally Schritt gehalten, weil viele Unternehmen stattdessen Aktien zurückkauften. Die M&A-Aktivitäten in den zwölf Monaten bis September summierten sich monatlich auf durchschnittlich 89,7 Mrd. $. Das entspricht einem Plus von 12% gegenüber dem Wert vom September 2011. Der S&P 500 gewann im gleichen Zeitraum 49%. Nicht berücksichtigt wird hier, wenn Unternehmen «sich selbst kaufen», also eigene Titel erwerben. Aktien zurückzukaufen, sei der am wenigsten riskante Weg, die Aktienkurse in die Höhe zu treiben, und habe an Beliebtheit gewonnen, heisst es in einer Studie von Birinyi Associates. Martin Hüsler, stellvertretender Leiter des Research der Zürcher Kantonalbank, präzisiert, seien die Bewertungen der Aktien eher hoch – wie dies zurzeit der Fall ist –, falle die Gewinnverdichtung durch Aktienrückkäufe jedoch geringer aus. Viele Unternehmen befinden sich momentan in einer derart komfortablen Lage, dass sie sowohl Rückkäufe als auch Übernahmen ins Auge fassen können. Gemäss Hüsler sind Aktienrückkäufe günstiger als eine Akquisition, wenn die eigenen Titel günstiger bewertet sind. Die Erfahrung zeige zudem, dass Übernahmen oft nicht den erhofften ökonomischen Nutzen erbrächten. Nicht sofort feststellbar Wenn man Steuereffekte ausklammere, seien Aktienrückkäufe für den Aktionär gleich rentabel wie Sonderdividenden oder Nennwertrückzahlungen, sagt Thomas Liebi. In der Schweiz können weiterhin viele Gesellschaften Dividenden aus Kapitalreserven (Agio) zahlen, die für die Aktionäre steuerfrei sind. Im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld verfügen hohe Dividenden bzw. Dividendenrenditen über zusätzliche Attraktivität für die Investoren. Die Wirkung des Aktienrückkaufs lässt sich aber nicht eins zu eins im Kurs feststellen. Es gibt gemäss Liebi zwei Möglichkeiten, Aktien zurückzukaufen, die aber den gleichen Effekt zeigten. Das Unternehmen könne eine zweite Handelslinie eröffnen. Die Aktien werden dabei aus dem Verkehr gezogen und vernichtet. Der Fortschritt des Rückkaufprogramms kann täglich verfolgt werden. Das Unternehmen könne die eigenen Titel aber auch wie alle übrigen Anleger an der Börse erwerben und im Eigenbestand führen. Der Investor sieht nur im Geschäftsbericht, wie sich der Eigenbestand verändert hat. Während Schweizer Unternehmen wie Syngenta diszipliniert täglich die gleiche Anzahl Aktien erwerben, kaufen andere Gesellschaften nur bei tiefen Kursen. Viele Gesellschaften müssen aktiv sein, nur um den Bestand, der durch aktienfinanzierte Übernahmen oder Optionsprogramme ausgedehnt wurde, stabil zu halten. «Reflexe», Seite 26