Der Sechs-Tage-Krieg und die Folgen

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Walter Schilling
Der Sechs-Tage-Krieg und die Folgen
Vierzig Jahre nach dem Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967 erscheint es gerade auch vor
dem Hintergrund der aktuellen Lage im Nahen Osten angebracht, nach den Erkenntnissen
und Lehren zu fragen, die uns seither die politische Entwicklung vermitteln kann. Ist es
wirklich so, dass Israels beeindruckender Sieg im Juni 1967 und die Besetzung der damals
eroberten Gebiete zu einer »moralischen und politischen Katastrophe« des Landes geführt
haben, wie der britische Historiker Tony Judt (Süddeutsche Zeitung vom 20./21. Mai 2006)
behauptet? Oder müssen wir nicht doch sehr viel genauer hinschauen, um zu einem fundierten Urteil über die historische Bedeutung dieses Krieges und den weiteren Verlauf des
Nahost-Konflikts zu gelangen?
DER KRIEG UND SEIN BEDINGUNGSHORIZONT
In der Tat ist es sehr bedauerlich, dass zahlreiche Politiker, Medienvertreter und Wissenschaftler in der westlichen Staatenwelt die Geschichte so wenig kennen. Wer den Bedingungshorizont des Juni-Krieges von 1967 und die nachfolgenden Entwicklungen sachlich
korrekt bewerten will, wird nicht umhin können, die Ursprünge des Konflikts in den Blick
zu nehmen. Dabei ist das entscheidende Datum der 29. November 1947, an dem die Vereinten Nationen mit ihrer Resolution 181 das damals von Großbritannien verwaltete Palästina
in zwei souveräne Staaten, einen arabischen und einen jüdischen, teilten. Die Juden akzeptierten diesen Beschluss, der durchaus als die Einlösung des in der Balfour-Deklaration von
1917 gegebenen Versprechens betrachtet werden konnte. Die arabischen Repräsentanten der
im Jahre 1947 noch keineswegs straff organisierten Palästinenser lehnten den Beschluss der
Vereinten Nationen kategorisch ab. Sie fühlten sich zu dieser rigorosen Haltung auch dadurch ermutigt, dass die arabischen Nachbarn sie sofort mit militärischen Mitteln unterstützen wollten, um die Errichtung eines jüdischen Staates schon im Anfangsstadium zu verhindern. So fielen die Streitkräfte Jordaniens, Ägyptens, Syriens, des Libanon, des Irak und
Saudi-Arabiens über den am 14. Mai 1948 von David Ben Gurion gegründeten und etwa
600.000 Menschen zählenden Staat Israel her. Während Großbritannien seine Neutralität
wahrte und die USA sich zu jener Zeit noch nicht als Schutzmacht Israels betrachteten,
strömten Hunderttausende Holocaust-Überlebende nach Palästina. Sie trugen wesentlich
dazu bei, dass der junge jüdische Staat im ersten militärischen Konflikt mit seinen arabischen Nachbarn überraschend den Sieg errang. Viele Palästinenser flüchteten aus den umkämpften Gebieten. Das Westjordanland und die Altstadt von Jerusalem wurden durch Jordanien besetzt. Die meisten Palästinenser fanden Aufnahme in Flüchtlingslagern der
Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und Ägypten sowie im Westjordanland und im GazaStreifen (bis 1967 unter ägyptischer Kontrolle).
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Wenngleich die Kampfhandlungen mit der Unterzeichnung der Waffenstillstands-Abkommen von 1949 zwischen Israel und Ägypten (24. Februar), Libanon (23. März), Jordanien einschließlich Irak (3. April), Syrien (20. Juli) beendet wurden, bestand der israelischarabische Konflikt fort. Die Abkommen umrissen zwar die nach dem Unabhängigkeitskrieg
erreichten »de-facto«-Grenzen des Staates Israel, wie sie bis zum Sechs-Tage-Krieg vom
Juni 1967 bestanden. Die politische Auseinandersetzung erfuhr jedoch vor allem mit der
Entwicklung in Ägypten eine neue Dynamik. Hier hatte nach dem Sturz von König Faruk
1952 und der Ablösung von General Nagib dessen Mitstreiter Gamal Abd el-Nasser am 25.
Februar 1954 die Macht übernommen. Seine Politik richtete sich von Anfang an gegen die
Existenz des Staates Israel. Nach der Verstaatlichung des Suez-Kanals am 26. Juli 1956 eskalierte der Nahost-Konflikt einmal mehr in der Suez-Krise Ende Oktober 1956, als Großbritannien, Frankreich und Israel das Nasser-Regime in Ägypten stürzen wollten und militärisch gegen Ägypten vorgingen. Das britisch-französisch-israelische Vorgehen wurde
schließlich durch das nachhaltige Drängen der USA, die einen Konflikt mit der Sowjetunion vermeiden wollten, im November 1956 beendet. Die Vereinten Nationen stationierten
nach dem Rückzug der Streitkräfte die Friedenstruppe »United Nations Emergency Force«
(UNEF) im Sinai.
In der Konsequenz dieser Geschehnisse schaltete sich die Sowjetunion massiv in den
Nahost-Konflikt ein und unterstützte Ägypten militärisch und wirtschaftlich. Auf ägyptischer Seite stärkte die Suez-Krise trotz der militärischen Niederlage die Position von Gamal
Abd el-Nasser in der arabischen Welt und seinen Panarabismus. Der ägyptische Präsident
fühlte sich im Laufe der 60er Jahre zunehmend ermutigt, Israel herauszufordern. So ließ
Nasser nach einer Reihe von Drohgebärden im Frühjahr 1967 seine Truppen im Sinai aufmarschieren und forderte den Abzug der Blauhelme. Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant, sah keine Möglichkeit, dies zu verweigern. Schließlich blockierte Nasser am 22. Mai die Straße von Tiran, den für Israel außerordentlich wichtigen Zugang
zum Hafen von Eilat, für Schiffe mit strategisch wichtigen Gütern (z. B. Erdöl). Darüber hinaus machten die Ägypter mit den Flügen ihrer MiG-21 Kampfbomber über den israelischen
Atomreaktor bei Dimona (Negev) am 17. und 26. Mai 1967 klar, dass die Ausschaltung der
isarelischen Nuklearoption ins Auge gefasst worden war. Nachdem Nasser am 30. Mai 1967
mit König Hussein von Jordanien ein Bündnis geschlossen hatte, war die Einkreisung Israels durch die arabischen Staaten vollendet. Diese aggressiven Aktionen gegen den Staat Israel lösten den Sechs-Tage-Krieg aus.
In dem am 5. Juni begonnenen, mit enormer Schnelligkeit und Wucht geführten Angriff
der israelischen Streitkräfte wurden die arabischen Armeen entscheidend geschlagen. Die
ägyptischen Luftstreitkräfte konnten in den ersten Stunden des Krieges noch am Boden
vernichtet werden. Auch die jordanischen Luftstreitkräfte wurden bereits am ersten
Kriegstag nahezu vollständig ausgeschaltet, während Syrien zwei Drittel seiner Flugzeuge verlor. Angesichts der israelischen Luftherrschaft hatten die arabischen Panzerarmeen
keine Chance mehr, erfolgreich zu operieren. Die ägyptische Armee verlor mehr als 80
Prozent ihrer Waffen und Ausrüstung. Israelische Truppen besetzten die Sinai-Halbinsel
und den bis dahin unter ägyptischer Verwaltung stehenden Gaza-Streifen und bezogen
Stellung am Ostufer des Suez-Kanals. Nach dem Waffenstillstandsabkommen mit Ägypten wurden an der syrischen Front die strategisch wichtigen Golan-Höhen erobert. Die jordanischen Truppen konnten ebenfalls rasch zurückgedrängt werden. Jordanien verlor dadurch den östlichen Teil Jerusalems und das Westjordanland. Am 10. Juni 1967 war der
Krieg beendet.
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In der Weltöffentlichkeit und in der internationalen politischen Arena wurde der Krieg
sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Während die sozialistischen Länder mit
der Sowjetunion an der Spitze sowie die große Gruppe der Staaten der Dritten Welt, in der
Nasser neben Nehru, Sukarno und Tito eine bedeutsame Rolle spielte, ihre Enttäuschung
über den Verlauf des Konflikts nicht verbargen, zeigten sich die westlichen Demokratien
eher befriedigt und hofften auf die Chance, einer Regelung des Streits über die Existenz des
Staates Israel im Nahen Osten näherzukommen. In der Bundesrepublik Deutschland verfolgte man die militärischen Aktionen der Israelis zunächst mit einer gewissen Begeisterung
und Bewunderung. Immerhin hatte Israel trotz seiner quantitativen Unterlegenheit und des
Kampfes an mehreren Fronten einen überwältigenden Sieg über seine arabischen Gegner errungen.
WANDEL DER EINSTELLUNG GEGENÜBER ISRAEL
Die anfängliche Bewunderung und das Staunen über die Durchsetzungskraft Israels
machten jedoch bald einer Unruhe in der Weltöffentlichkeit und in der internationalen Politik Platz. Man erkannte schnell, dass der Ausgang des Krieges auch im Rahmen des OstWest-Konflikts eine Zäsur darstellte und der israelisch-arabischen Auseinandersetzung eine
neue Qualität verlieh. In Deutschland folgte der ursprünglich gezeigten Zufriedenheit die
Ablehnung des israelischen Sieges. Es gab nicht nur im Hinblick auf die Wucht der militärischen Aktionen Israels unsägliche Vergleiche mit der nationalsozialistischen Wehrmacht
(»Blitzkrieg«). Auch im Hinblick auf die Behandlung der Palästinenser unmittelbar nach
Beendigung der Kämpfe zog man Vergleiche mit den Nationalsozialisten. Bei Vorträgen
wurde der israelische Botschafter in Deutschland ausgebuht. Vor allem in den Medien kam
es nach dem Ende des Juni-Krieges 1967 bemerkenswert schnell zu einem grundlegenden
Wandel der Einstellungen gegenüber Israel, die sich bis heute fortsetzen und an Schärfe eher
noch zugenommen haben.
Für die unmittelbar auf den Krieg folgende Zeit ist ein dramatisches Anwachsen des Antiisraelismus charakteristisch. Die meisten Staaten stützten die Position der Araber in dem
weiter ungelösten Konflikt, darunter auch Länder wie z. B. Frankreich, die vorher sehr viel
Verständnis für die israelische Politik gezeigt hatten. Frankreich verhängte sogar ein Waffenembargo gegen Israel, und die israelische Regierung musste die Einhaltung geschlossener Verträge zur Lieferung von Waffen und militärischem Gerät (z. B. Schnellboote) gelegentlich mit spektakulären Aktionen erzwingen.
Nach dem Ende des Krieges forderten die arabischen Staaten Israel zum sofortigen Abzug
seiner Streitkräfte aus allen besetzten Gebieten auf. Dieses Verlangen stand danach im Mittelpunkt der diplomatischen Bemühungen in den Vereinten Nationen. Abba Eban, Außenminister Israels von 1966 bis 1974, verteidigte in einer berühmt gewordenen Rede vor der
Generalversammlung der UN im Herbst 1967 die Besetzung der eroberten Gebiete, sprach
sich aber gleichzeitig für eine Rückgabe im Austausch für Frieden aus. Doch die arabischen
Länder lehnten die dazu angebotenen Verhandlungen sowie die damit verbundene Anerkennung des Staates Israel ab.
Beim Zustandekommen der Resolution 242 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
spielte Außenminister Abba Eban gleichwohl eine wichtige Rolle. In dem Beschluss vom
22. November 1967 wird der Rückzug Israels nämlich nicht bedingungslos gefordert, sondern im Gegenzug für eine Anerkennung Israels und die Respektierung seiner Sicherheit
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»frei von Bedrohung und Gewalt«. Unstimmigkeiten sind jedoch durch die sachlich nicht
korrekte französische Übersetzung des englischen Originaltextes der Resolution aufgekommen, weil diese Übersetzung vom Rückzug »aus den Gebieten« spricht. Es ist dabei bemerkenswert, dass auch die spanische, russische und chinesische Fassung keinen bestimmten
Artikel enthält, also wie im englischen Text (»withdrawal of Israel armed forces from territories occupied in the recent conflict«) nicht der Rückzug aus »allen Gebieten« gefordert
wird.
Die arabische Seite führt jedoch immer wieder an, dass in der Präambel (die aber nicht
bindender Teil der Resolution ist) von der »Unzulässigkeit, Gebiete durch Krieg zu erwerben«, gesprochen wird. Dagegen argumentiert Israel zu Recht, dass die Gebiete nur besetzt
sind. Erworben würden sie erst durch einen künftigen einvernehmlichen Friedensschluss
zwischen den jeweiligen Konfliktparteien. Die Resolution 242 war ursprünglich nicht völkerrechtlich verbindlich, weil sie sich weder implizit noch explizit auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen bezieht. Allerdings haben Israel, später auch die arabischen Staaten und die am 1. Juni 1964 in Kairo gegründete und seit Februar 1969 von Yassir Arafat
geleitete Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) die Resolution für sich als bindend
erklärt. Sie wurde so zur Grundlage der Camp-David-Abkommen und der Verträge im Rahmen des »Oslo-Prozesses«. Im Ringen um die Auslegung der Resolution 242 beharrte die
arabische Seite auf ihrer strikten, aber vom Text her unhaltbaren Position und unterstützte
die Palästinenser in ihrem Bestreben, den vollständigen Rückzug Israels mit Gewaltakten zu
erzwingen und die Israelis am Ende auch zur Aufgabe ihrer staatlichen Existenz zu bewegen. In der Weltöffentlichkeit und in der internationalen Politik verstärkte sich bald die Tendenz, die Gewaltmaßnahmen der Palästinenser zu entschuldigen und deren Führern immer
mehr Gehör zu verschaffen. Doch bereits im Zuge der diplomatischen Bemühungen um die
friedliche Regelung des Konflikts im Jahre 1967 waren die immer wieder zu hörenden Vorwürfe gegenüber Israel in keiner Weise gerechtfertigt, da die Angebote zur Rückgabe des
Sinai und anderer Gebiete auf dem Tisch lagen, aber die arabische Seite offensichtlich nicht
bereit war, die notwendigen Gegenleistungen zu erbringen – ja, nicht einmal Verhandlungen
zu beginnen. Während Ägypten einen mehrjährigen Abnutzungskrieg gegen Israel am SuezKanal führte, agierte die PLO vor allem mit Gewaltaktionen in den Grenzgebieten Israels zu
Syrien und Jordanien.
FOLGENREICHE ASYMMETRIE DES KONFLIKTS
Der Ausgang des Juni-Krieges von 1967 und die nachfolgende Entwicklung der internationalen Politik zeigen deutlich, dass die Konfrontation zwischen Israel und den Arabern von
Anfang an durch eine deutliche Asymmetrie gekennzeichnet ist. Sie beginnt mit der unablässigen Kritik an Israel wegen der angeblichen Nichtbefolgung der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Im Vergleich dazu werden von der arabischen Seite
keineswegs die in den Resolutionstexten vorgesehenen Leistungen eingeklagt. Auch bei der
unterschiedlichen Interpretation der Resolutionen macht sich diese Tendenz bemerkbar. Erst
recht folgenreich und für Israel gefährlich ist aber der Tatbestand, dass die Asymmetrie nicht
nur einzelne Aspekte des Streits betrifft, sondern die gesamte Konfrontation erfasst. Dies
drückt sich seit dem Ende des Krieges 1967 in zunehmender Schärfe in der Möglichkeit aus,
den Konflikt in spezifischer Weise zu beschreiben, zu kommunizieren und – im Zeitalter der
modernen Medien (Fernsehen, Internet) – ohne Zeitverzug zu zeigen.
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Die Folgen dieser umfassenden und von der arabischen Seite systematisch betriebenen
Asymmetrie wiegen schwer: Sie bringen Israel immer stärker in Bedrängnis und ermutigen
die Gegner, ihre Konfrontationspolitik fortzusetzen. In der praktischen Politik der Jahre nach
dem Sechs-Tage-Krieg spiegelt sich dies wider. Während die von den arabischen Staaten unterstützten palästinensischen Terrorgruppen zahlreiche Anschläge gegen Israel verübten, bereiteten sich Ägypten und Syrien – mit sowjetischer Hilfe – auf den nächsten militärischen
Waffengang vor. Im »Jom-Kippur-Krieg« vom Oktober 1973 erzielten Ägypten und Syrien
durch einen Überraschungsangriff am höchsten jüdischen Feiertag bemerkenswerte Anfangserfolge gegen die israelischen Streitkräfte. Teile des Sinai wurden von ägyptischen
Truppen besetzt. Allerdings gelang es der israelischen Armee schon nach wenigen Tagen,
die ägyptischen Truppen wieder aus dem Sinai zu verdrängen. Als die Israelis am 16. Oktober die ägyptische Armee einkesselten und jenseits des Suez-Kanals standen, erzwangen die
USA die Beendigung des Krieges. Wie ernst es der amerikanischen Regierung mit ihrem
Druck nicht nur auf Israel, sondern auch auf die interventionsbereite Sowjetunion war, zeigte sich darin, dass die USA ihre Strategischen Streitkräfte in Alarmzustand versetzten, was
für Moskau sofort sichtbar wurde. So musste Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat nicht nur
erkennen, dass die Sowjets im Ernstfall die Unterlegenen waren. Er konnte auch sein Gesicht wahren, da es ihm immerhin gelungen war, in den Augen der Araber den Mythos der
Unbesiegbarkeit der israelischen Streitkräfte zu beschädigen. Die massive diplomatische Intervention der USA erleichterte es zudem, Ägypten dem sowjetischen Einfluss zu entziehen
und jenen Prozess einzuleiten, der später zu einem bedeutsamen Wandel in den ägyptischisraelischen Beziehungen führte. Im Zusammenhang mit dem Ringen um das Ergebnis des
Krieges erhöhten die arabischen Ölförderländer am 17. Oktober 1973 den Preis für Erdöl
schlagartig um 70 Prozent. Algerien, Irak, Qatar, Kuweit, Libyen, Saudi-Arabien und die
Vereinigten Arabischen Emirate beteiligten sich an der Aktion, um politischen Druck auf die
westlichen Industrieländer auszuüben. Das Erdölembargo löste eine Versorgungskrise aus
und machte den westlichen Industrienationen mit drastisch steigenden Preisen erstmals ihre
enorme Abhängigkeit von den Energieträgern des Nahen Ostens deutlich. Die am 22. Oktober 1973 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution 338 veränderte die Situation nicht grundlegend. Die Resolution »fordert die beteiligten Parteien auf,
sofort nach Einstellung des Feuers damit zu beginnen, die Resolution 242 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (1967) in allen ihren Teilen durchzuführen«. Die arabischen
Länder hielten jedoch an ihrer einseitigen Interpretation der Texte fest. So einigte man sich
nur auf einen Waffenstillstand mit anschließender Truppenentflechtung.
Wie sehr sich die Feindschaft der arabischen Staaten und einer Mehrheit der Länder in der
Welt gegenüber Israel fortsetzte, belegt nicht nur die Tatsache, dass die von Arafat geleitete
PLO international eine enorme Aufwertung erfuhr. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hatte mit einer Mehrheit von 120 Stimmen bei vier Gegenstimmen und 20 Enthaltungen den Palästinenser-Führer eingeladen. Arafat war der Einladung am 13. November
1974 gefolgt und hatte eine Rede gehalten, die den Palästinensern den Beobachterstatus und
die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts eintrug. Die Resolution 3379 der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 10. November 1975 setzte die antiisraelische Tendenz fort, indem sie den Zionismus als eine Form des Rassismus bezeichnet. Die Vollversammlung nahm diese unsägliche Resolution erst wieder zurück, nachdem Israel dies zur
Bedingung für seine Teilnahme an der Nahost-Friedenskonferenz in Madrid im Herbst 1991
gemacht hatte. Gleichwohl gab es Mitte des Jahres 1977 eine von der amerikanischen Regierung inspirierte Bewegung in den Beziehungen zwischen Israel und Ägypten. Mit dem
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Umdenken des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat und seinem Besuch in Israel am 19.
November 1977 änderte sich das politisch-psychologische Klima wenigstens in einem Teilbereich. Der seit Juni 1967 gängige, aber stets falsche Vorwurf an die Adresse Israels, es sei
nicht zur Rückgabe eroberter Gebiete bereit, wurde klar widerlegt, als sich der israelische
Premierminister Menachem Begin und der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat am 11.
September 1978 in Camp David auf Rahmenbedingungen für den Frieden einigten. Beide
Seiten verpflichteten sich dabei zum Gewaltverzicht. Israel sollte sich danach aus dem Sinai
zurückziehen und alle jüdischen Siedlungen in diesem Gebiet zerstören. Ägypten erkannte
im Gegenzug den Staat Israel diplomatisch an. Israelische Schiffe erhielten freie Durchfahrt
durch den Suez-Kanal. Nur wenig später, am 26. März 1979, folgte der israelisch-ägyptische
Friedensvertrag. Ägypten war damit der erste arabische Staat, der Israel offiziell anerkannte. Erst mit den entsprechenden Vereinbarungen am 25. Juli 1994 und am 26. Oktober 1994
sollte Jordanien diesem Beispiel folgen. Im April 1982 war der Abzug Israels aus dem Sinai
abgeschlossen. Und nach der Einigung mit Jordanien trat Israel einen Teil des 1967 besetzten Territoriums an Amman ab. Der Widerstand in den arabischen Staaten – auch in Ägypten selbst – gegen diesen Prozess und der nun immer stärker werdende islamische Fundamentalismus gipfelte in der Ermordung Präsident Sadats am 6. Oktober 1981 während einer
Militärparade.
Die Versuche Israels, auch mit Syrien Friedensvereinbarungen zu schließen, scheiterten
immer wieder, da sich Syrien im Gegensatz zu Ägypten unter Anwar as-Sadat und seinem
Nachfolger Husni Mubarak stärker als Vertreter arabischer Interessen und extremer palästinensischer Ambitionen versteht und vor allem die aus dem Libanon heraus operierenden Terrorgruppen ermuntert und unterstützt. Schon mehrfach hatte Syrien die Chance, die von Israel besetzten Golan-Höhen einschließlich der sogenannten »Shebaa-Farmen«, die gemäß
dem Waffenstillstandsabkommen vom 23. März 1949 und auch nach heutiger Auffassung
der Vereinten Nationen zu Syrien gehören, zurückzuerhalten. Doch das Regime in Damaskus zog eine andere Politik vor. Als palästinensische Guerrillas am 11. März 1978 vom Libanon aus Terroraktionen in Israel begannen, bei denen viele Zivilisten ums Leben kamen,
marschierten israelische Truppen nach heftigen Kämpfen in den Libanon ein. Nachdem der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 19. März 1978 in den Resolutionen 425 und 426
in bemerkenswerter Einseitigkeit den sofortigen Rückzug Israels verlangt hatte und die Friedenstruppe »United Nations Interim Forces in Lebanon« (UNIFIL) in den Libanon verlegt
werden sollten, zogen sich die Israelis wieder zurück. Dennoch setzten die PLO und andere
militante Gruppen ihre Raketen- und Artillerieangriffe aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Libanon gegen Nordisrael fort. Dabei ist es wiederum bezeichnend, dass die unter Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen entsandten Friedenstruppen kein Mandat haben,
die Angriffe auf Israel zu verhindern, sondern nur beobachten dürfen.
Die Gewaltaktionen der in den 70er Jahren vom Libanon aus operierenden Palästinenser
führten schließlich dazu, dass Israel am 6. Juni 1982 militärisch in den Bürgerkrieg im Libanon eingriff (1. Libanon-Krieg) und das Hauptquartier der PLO nach Tunesien verlegt
wurde. Das unter Vermittlung von U.S.-Präsident Ronald Reagan im Mai 1983 erreichte Abkommen zwischen Israel und dem Libanon schuf die Voraussetzung für den Abzug der israelischen Armee. Diese Vereinbarung wurde jedoch durch die libanesische Regierung im
März 1984 auf starken syrischen Druck hin annulliert. So gingen die Angriffe vor allem seitens der schiitischen Terrorgruppe Hizbullah aus den südlichen Regionen des Libanon weiter, so dass Israel 1985 einen schmalen Streifen dieses Landes besetzte und erst am 25. Mai
2000 seine Truppen von dort – ohne Gegenleistung – abzog. Vielmehr rückten die Hizbul-
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lah-Kämpfer in die verlassenen israelischen Stellungen ein und übernahmen faktisch die
Kontrolle über den Südlibanon. Zwar erklärten die Vereinten Nationen am 24. Juli 2000, die
israelische Armee habe sich hinter die mit dem Libanon am 23. März 1949 vereinbarte Waffenstillstandslinie zurückgezogen und damit die Forderungen der Resolution 425 erfüllt.
Dennoch unternahm man nichts, um die Angriffsaktionen der Terrorgruppen auf Israel zu
unterbinden.
Nach dem Abzug aus dem Libanon wurde Israel von der Hizbullah aus dem Südlibanon
wiederholt mit Raketen beschossen. Die wiederholten Forderungen der Vereinten Nationen
an die Regierung in Beirut, ihre Staatshoheit gegen die schiitische Terrorgruppe durchzusetzen und die Angriffe zu unterbinden, liefen ins Leere.
Zu einem bedeutsamen Streitpunkt zwischen Palästinensern und Israel entwickelte sich
die Errichtung zahlreicher jüdischer Siedlungen in den während des Sechs-Tage-Krieges besetzten Gebieten. Der Konflikt eskalierte vor allem nach dem Ausbruch der ersten Intifada
am 8. Dezember 1987, einem Aufstand der Palästinenser im so genannten »Krieg der Steine«, der bis 1991 dauerte. An der Spitze der Intifada standen zunächst die Terrorgruppen Islamischer Dschihad und Hamas. Der von Yassir Arafat geführten PLO gelang es jedoch, die
Kontrolle über die Aktionen der Intifada zu gewinnen. Nachdem Arafat 1988 Israel anerkannt und versprochen hatte, keine Terroranschläge mehr zu befehlen, zeigte auch Israels
damaliger Premierminister Itzhak Schamir Entgegenkommen. Er bot den Palästinensern
freie Wahlen und eine beschränkte Autonomie in den besetzten Gebieten an.
Trotz der außerordentlich hinderlichen Asymmetrie in der Bewertung und Behandlung
der gesamten Konstellation im Nahen Osten gab es zahlreiche Versuche, den israelisch-palästinensischen Konflikt friedlich beizulegen, etwa im Rahmen der Nahost-Friedenskonferenz in Madrid im Herbst 1991. Wenngleich der unmittelbare Anlass dieser Konferenz die
Lage im Nahen Osten nach der Vertreibung irakischer Truppen aus Kuweit war, konzentrierten sich die Gespräche doch auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die arabischen Staaten versprachen dabei den Israelis Frieden, wenn Israel während des Sechs-TageKrieges besetztes Land zurückgeben würde. Das Prinzip »Land für Frieden« war damit
einmal mehr bekräftigt. Große Hoffnungen weckten danach die 1993 in Oslo ausgehandelten Vereinbarungen, die einen Abzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen und
dem Westjordanland ins Auge fassten sowie eine palästinensische Selbstverwaltung in diesen Gebieten vorsahen. Besonders strittige Fragen wie der Status von Jerusalem und die Forderung der Palästinenser nach einem Rückkehrrecht für Flüchtlinge wurden dabei ausgeklammert.
Am 13. September 1993 unterzeichnen Israel und die PLO eine »Prinzipienerklärung« in
Washington. Sie legt den Rahmen für die Übergabe von Befugnissen an die Palästinensische
Autonomiebehörde fest. Am 4. Mai 1994 folgte die Unterzeichnung des »Gaza-Jericho-Abkommens« und am 29. August 1994 das Abkommen zur Vorbereitung der Übertragung der
Amtsgewalt und Verantwortung an die Palästinenser. Am 28. September 1995 wurde
schließlich in Washington von Premierminister Itzhak Rabin und PLO-Chef Yassir Arafat
das historische »Israelisch-palästinensische Interimsabkommen über das Westjordanland
und den Gaza-Streifen« geschlossen. Das Abkommen erweiterte die palästinensische Selbstverwaltung durch die Errichtung einer allgemein gewählten Legislative. Es sah die Übertragung von Kompetenzen, den Rückzug Israels aus weiteren Gebieten im Westjordanland, Sicherheitsvereinbarungen und eine Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen vor. Der
»Oslo-Prozess« geriet jedoch immer wieder ins Stocken und war endgültig gescheitert,
nachdem der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde, Yassir Arafat, das von
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U.S.-Präsident Bill Clinton unterstützte großzügige und mutige Angebot des damaligen israelischen Premierministers Ehud Barak im Juli 2000 in Camp David abgelehnt hatte. Dabei
hatte der israelische Regierungschef seine Bereitschaft erklärt, den Gaza-Streifen vollständig, dazu etwa 97 Prozent des Westjordanlandes und alle arabischen Stadtviertel Ostjerusalems an die Palästinenser zurückzugeben, einen eigenen palästinensischen Staat zu akzeptieren und auf dieser Grundlage über alle restlichen Streitpunkte zu verhandeln. Arafat
fürchtete jedoch, in den besonders strittigen Fragen zu viel nachgeben zu müssen, und
glaubte offenbar, mit der Fortsetzung von Gewaltaktionen langfristig mehr erreichen zu können. Die Anschläge gegen Israel nahmen im Spätsommer 2000, besonders aber mit Beginn
der »Al-Aqsa-Intifada« im September 2000 wieder zu. Diese zweite Intifada war im Gegensatz zur ersten Intifada von Anfang an ein bewaffneter Aufstand, der vor allem durch
zahlreiche Überfälle und Selbstmordattentate auf die israelische Zivilbevölkerung gekennzeichnet war, gegen die sich Israel auch mit militärischen Mitteln und dem Bau eines Sicherheitszaunes zu wehren suchte.
Im Dezember 2002 beschlossen die USA, die Vereinten Nationen, die Europäische Union
und Russland – das so genannte »Nahost-Quartett« – einen Fahrplan (road map) zum Frieden im Nahen Osten. Der Plan wurde im April 2003 veröffentlicht, nachdem die Führung
der Palästinenser eine neue Regierung gebildet hatte, die sich vorrangig um die Errichtung
eines eigenständigen palästinensischen Staates bemühen sollte. Im Mai 2003 wurde der Plan
auch von der israelischen Regierung angenommen. Doch scheiterte das Vorhaben noch in
demselben Jahr an der Unnachgiebigkeit Yassir Arafats und der fortgesetzten Gewaltaktionen palästinensischer Terrorgruppen. Zwar kam nach dem Tod Arafats am 11. November
2004 wieder Bewegung in den Friedensprozess. Der damalige israelische Premierminister
Ariel Scharon handelte mit Arafats Nachfolger Mahmud Abbas im Januar 2005 eine Waffenruhe aus und räumte im August 2005 einseitig sämtliche Siedlungen im Gaza-Streifen
und vier Orte im Westjordanland. Es gelang jedoch nicht, die islamistischen Terrorgruppen
zu entwaffnen und so die Voraussetzung für einen stetigen Verhandlungsprozess auf Grundlage der UNO-Resolution 242 zu schaffen.
AKTUELLE SITUATION
Wie nachhaltig die den gesamten Nahost-Konflikt seit 1967 bestimmende Asymmetrie
eine Friedensregelung mit den Palästinensern und den Syrern erschwert, ist zum einen im
Zuge der militärischen Auseinandersetzung der Israelis mit den islamistischen Terrororganisationen Hizbullah und Hamas deutlich geworden. Zum anderen zeigt das Unvermögen
der internationalen Staatengemeinschaft, auf diplomatischem Wege Fortschritte zu erzielen,
welche Hürden die Gegner Israels im Laufe der vergangenen vierzig Jahre gegen den Frieden in der Region aufgerichtet haben. Durch die Politik des Iran und Syriens wird diese Tendenz noch verstärkt.
Vor allem im jüngsten Libanon-Krieg ist den Israelis wieder einmal eindringlich vor
Augen geführt worden, wie unterschiedlich die Positionen und Vorgehensweisen der Konfliktparteien in der Weltöffentlichkeit und von der internationalen Politik bewertet werden.
Die Raketen-Angriffe der Hizbullah auf ausschließlich zivile Ziele in Israel im Juli und
August 2006 – mit der Zivilbevölkerung im Libanon als Schutzschild – beweisen, wie bedenkenlos heute jene Länder und Terrorgruppen handeln können, die den Staat Israel beseitigen wollen. Entgegen der Resolution 1559 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
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vom 2. September 2004, die eine Entwaffnung der Hizbullah fordert, ist niemand dieser
Terrorgruppe in den Arm gefallen. Israel blieb keine Wahl, als eine sofortige Gegenwehr
zu versuchen. Doch kaum hatten die militärischen Maßnahmen begonnen, wurde die israelische Seite mit Forderungen nach »Verhältnismäßigkeit« des Waffeneinsatzes konfrontiert. Viele Regierungen und ein großer Teil der Medien in aller Welt ordneten sich mit
ihrer einseitigen, die despotischen Regime und die Terrorgruppen de facto unterstützenden Parteinahme in jenen antiisraelischen Trend ein, der das Verhalten gegenüber dem einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten seit vierzig Jahren kennzeichnet. Und während sich um die in der Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom
11. August 2006 erneut geforderte Entwaffnung der Hizbullah niemand ernsthaft kümmert, werden Israels Aufklärungsflüge zur Überwachung der gegen die Resolution verstoßenden weiteren Waffentransporte von Syrien an die im Libanon frei agierende Hizbullah sofort kritisiert. Angesichts der Unfähigkeit der Weltorganisation, die
Waffenlieferungen an die Terrorgruppen im Libanon zu unterbinden, ist Israel auf der
Grundlage des Artikels 51 der Charta der Vereinten Nationen durchaus berechtigt, sich ein
eigenes, möglichst genaues Bild von den Vorbereitungen der Hizbullah für den nächsten
Krieg zu machen und beispielsweise die Aufklärungsflüge fortzusetzen. Vor dem Hintergrund der langjährigen Hinnahme der Einseitigkeit gegenüber Israel und der tiefen Spaltung der westlichen Staatenwelt im Nahost-Konflikt insgesamt erscheinen die gelegentlich
vorgetragenen Forderungen nach Entwaffnung der Hizbullah und nach einem Gewaltverzicht der Terrororganisationen überhaupt als reine Leerformeln. Sie offenbaren die eklatante Schwäche der westlichen Diplomatie in ähnlicher Weise wie das Verlangen an die
Adresse des Iran, sein militärisches Nuklearprogramm sofort zu beenden. In der konkreten Politik können wir dagegen beobachten, dass nur auf eine Seite, nämlich Israel, Druck
ausgeübt wird, während die in allen Kriegen gegen Israel unterlegenen und weiterhin auf
Gewalt setzenden Terrorgruppen und die hinter diesen Gruppen stehenden despotischen
Regime quasi diktieren, was gemacht werden soll. Dies ist in der Weltgeschichte ein einmaliger Vorgang.
Die politische Entwicklung in den seit dem Sechs-Tage-Krieg vergangenen vierzig Jahren lehrt uns auf eindrucksvolle Weise, dass die gegen Israel gerichtete Einseitigkeit eine
wichtige Quelle der Fortsetzung des Nahost-Konflikts ist. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass die systematisch betriebene Asymmetrie nicht nur auf der Ebene der handelnden Staaten und der Terrororganisationen stattfindet. Ihre Wirkung ergibt sich vor allem aus
der spezifischen Darstellung des Konflikts in den Medien.
PERSPEKTIVEN
Eine an den historischen Tatsachen orientierte Analyse des Nahost-Konflikts seit dem
Sechs-Tage-Krieg von 1967 kommt nicht um die Feststellung herum, dass die konkrete Aufgabe der Politik, diesen Konflikt friedlich zu regeln, nicht nur von den Islamisten, sondern
auch von antiisraelisch eingestellten Medien und Politikern in den westlichen Demokratien
in starkem Maße behindert wird. Den gesamten Konflikt durchzieht die Hoffnung, ja die Erwartung der radikalen Palästinenser und ihrer Mitstreiter im Nahen Osten – vor allem Syrien und der Nuklearwaffen anstrebende Iran – dass die Europäische Union, die Vereinten
Nationen und Russland die israelische Regierung zunehmend bedrängen und zur Aufgabe
existentieller Positionen zu bewegen suchen.
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Es wird angesichts der vom religiös motivierten Mullah-Regime im Iran unbeirrt und außerordentlich geschickt vorangetriebenen gefährlichen Entwicklung nicht mehr viel Zeit
bleiben, die derzeitige Stagnation der Nahost-Politik zu durchbrechen, einen eigenständigen
Palästinenser-Staat zu errichten und im Gegenzug die staatliche Existenz Israels sowie das
friedliche Zusammenleben der beiden Staaten zu sichern. Die internationale Staatengemeinschaft und das »Nahost-Quartett« können diese Aufgabe schon wegen der stark ausgeprägten antiisraelischen Tendenzen einiger ihrer Mitglieder nicht leisten. Hinzu kommt, dass
die dominierende Rolle der islamistischen Hamas in der palästinensischen Regierung eine
enorme Hürde darstellt. Allein auf die Durchsetzungskraft der USA zu hoffen, erscheint angesichts der gegenwärtig sehr eng begrenzten Handlungsmöglichkeiten der Weltmacht nicht
realistisch. Wenngleich Saudi-Arabien seinen Friedensplan von 2002 wieder aufgegriffen
und hierfür auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga am 29. März 2007 Rückendeckung
erfahren hat, enthält die arabische Position immer noch zwei entscheidende Schwächen: Sie
verlangt unverändert im Widerspruch zur UNO-Resolution 242 den Abzug Israels »aus allen
1967 besetzten Gebieten« und das Rückkehrrecht der Palästinenser auch nach Israel. Beide
Grundforderungen sind für Israels Regierung nicht annehmbar. Vor allem das uneingeschränkte Rückkehrrecht der Palästinenser auch nach Israel würde der angestrebten ZweiStaaten-Lösung widersprechen. Die israelische Regierung sollte dennoch nicht die Wirkungen unterschätzen, die mit solchen Vorschlägen der arabischen Seite verknüpft sind. Für
Israel wäre es vielmehr empfehlenswert, selbst die Initiative zu ergreifen und parallel zu den
notwendigen militärischen Verteidigungsmaßnahmen erneut ein umfassendes Angebot nach
dem Muster des Barak-Plans vom Juli 2000 vorzulegen, das sich am Originaltext der UNOResolution 242 orientiert und an den Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas richtet.
Gleichzeitig sollte die israelische Regierung Syrien Verhandlungen über die Rückgabe der
1967 besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen anbieten und von vornherein klarstellen, dass eine Übereinkunft möglich ist, wenn Syrien die Unterstützung der Terrorgruppen
aufgibt, die strategische Kooperation mit dem Iran beendet und die gemäß UNO-Resolution
242 notwendigen Gegenleistungen – die Respektierung von Israels Sicherheit »frei von Bedrohung und Gewalt« – erbringt. Eine derartige Vorgehensweise dürfte nicht nur weltweit
klar machen, dass es keinesfalls der Staat Israel ist, an dem eine Friedensregelung im Nahen
Osten scheitert. Ein solcher Schritt würde es auch den antiisraelischen Kräften in aller Welt
erschweren, ihre Einseitigkeit gegenüber Israel aufrechtzuerhalten. An der Reaktion der Palästinenser und Syrer auf diese Angebote wird man dann ablesen können, wie es um die
Chance bestellt ist, durch Verhandlungen weiterzukommen und zu einem Ergebnis zu gelangen, das der Resolution 242 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 22. November 1967 Rechnung trägt.
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