2. Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C

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Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C
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2. Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C
A. POTTHOFF, A. SCHÜLER, H. WEDEMEYER und M.P. MANNS
In Deutschland sind wahrscheinlich knapp 1 Mio. Menschen von einer chronischen viralen Hepatitis betroffen. Weltweit sind ca. 170 Mio. Menschen mit dem Hepatitis CVirus und mehr als 350 Mio. mit dem Hepatitis B-Virus infiziert. Damit ist die Virushepatitis eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit nach Malaria und Tuberkulose.
Zahlreiche Viren können eine Hepatitis auslösen. Hierzu zählen u.a. Herpesviren
wie HSV, CMV und EBV. Jedoch ist die Leber nicht der primäre der Ort der Infektion
dieser Viren. Als Hepatitisviren werden Viren bezeichnet, die sich vornehmlich in der
Leber vermehren. Fünf Viren sind als Hepatitisviren beschrieben: die Hepatitisviren A,
B, C, D und E. Diese Viren unterscheiden sich grundsätzlich voneinander in ihrer Genomstruktur, ihrem Verbreitungsgebiet und ihrem Übertragungsweg. Gemeinsam ist
ihnen lediglich der Ort ihrer primären Replikation: die Leber.
Daten zur Epidemiologie viraler Hepatitiden in Deutschland beziehen sich zum einen auf Meldungen von Virusinfektionen beim Robert Koch-Institut in Berlin, zum anderen auf Querschnittsstudien mit ihren jeweiligen, zum Teil erheblichen Limitationen.
Es ist jedoch zu erwarten, dass durch verschiedene Projekte im neuen Kompetenznetz
Hepatitis die Datenlage zur Epidemiologie in Deutschland sich in den nächsten Jahren
verbessern wird. Weitere Information zum Kompetenznetz Hepatitis sind im Internet
unter www.kompetenznetz-hepatitis.de zu finden.
Hepatitis A
Eine Infektion mit dem Hepatitis A-Virus ist die weltweit häufigste Ursache für eine
Hepatitis. Jedes Jahr werden in den USA rund 80 000 Neuinfektionen diagnostiziert.
Der Übertragungsweg ist fäkal-oral. Die Viren werden über die Faeces ausgeschieden
und durch engen körperlichen Kontakt von Mensch zu Mensch weitergegeben oder mit
kontaminierten Nahrungsmitteln oder fäkal verunreinigtem Trinkwasser aufgenommen. Häufige Infektionsquellen für eine Hepatitis A sind roh oder ungenügend gekocht
genossene Muscheln, Austern oder andere Schalentiere und Gemüse, die aus mit Fäkalien kontaminiertem Wasser stammen. Diese Verunreinigungen werden vermehrt in
Osteuropa, Afrika und den Mittelmeerländern beobachtet.
Die Inzidenz ist folglich abhängig von der jeweils vorherrschenden hygienischen Situation und der Bevölkerungsdichte. In den entwickelten Ländern mit hohem Hygienestandard wurde in den letzten Jahrzehnten ein erheblicher Rückgang der
Erkrankungshäufigkeit beobachtet. Die Konsequenz ist eine rückläufige Immunität
von Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland. 20 % der Personen bis zum 40.
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Lebensjahr und nur 10 % in der Altersgruppe bis zum 40. Lebensjahr sind immun gegen Hepatitis A.
Die ständig rückläufige Impfbereitschaft führte dazu, dass die gemeldeten Hepatitis
A-Erkrankungen im Jahre 2004 deutlich angestiegen waren. Insgesamt wurden 1 932
Hepatitis A-Erkrankungen an das Robert Koch-Institut übermittelt, das ergibt im bundesweiten Durchschnitt eine Inzidenz von 2,3 Erkrankungen/100 000 Einwohner. Im
Vergleich zum Vorjahr (n = 1 368) ist der kontinuierlich rückläufige Trend der letzten
Jahrzehnte somit zum ersten Mal 2004 beendet worden [1]. Deutschland liegt damit
im Vergleich zu den USA um 0,4 Erkrankungen/100 000 Einwohner höher [2]. Bei genauerer Betrachtung ist dies durch zwei große Ausbrüche erklärt, die die Epidemiologie
der Hepatitis A in Deutschland im Jahr 2004 sehr stark beeinflusst haben. Im März
und April des Jahres kam es zu einem Ausbruch mit 64 Fällen aus 6 Landkreisen im
südlichen Nordrhein-Westfalen und in der nördlichen Rheinland-Pfalz.
In einer Fall-Kontroll-Studie wurden als wahrscheinliche Übertragungsquelle Bäckereiprodukte gefunden, die in einer Großbäckerei durch einen erkrankten Angestellten
kontaminiert und die während der Karnevalszeit verzehrt worden waren. Der zweite
erfolgreich aufgeklärte Ausbruch betraf 69 Reisende nach Hurghada/Ägypten, die sich
während des Hotelaufenthalts wahrscheinlich an infektiösem Orangensaft infiziert
hatten [3].
Die altersspezifische Inzidenz der Hepatitis A in Deutschland war 2004 zwar weiterhin bei Kindern von fünf bis neun Jahren am höchsten, jedoch zeigten sich im Vergleich
zu den Vorjahren insgesamt deutlich höhere Inzidenzen bei den Erwachsenen beider
Geschlechter. Dies lag daran, dass bei beiden Ausbrüchen 2004 vor allem junge Erwachsene betroffen waren. Informationen zum Infektionsland wurden bei 1 812 der
1 932 Fälle (94 %) übermittelt. Bei 1 025 Fällen (56 %) wurde Deutschland angegeben, bei 306 Fällen (17 %) Ägypten und bei 132 Fällen (7 %) die Türkei [3]. Damit
sind somit auch weiterhin die Mehrzahl aller akuten Hepatitis A-Infektionen in
Deutschland erfolgt. Im internationalen Vergleich gehört Deutschland allerdings weiterhin zu einem Niedrigendemiegebiet.
Bei Betrachtung der saisonalen Inzidenz zeigt sich ein Anstieg der Hepatitis A-Fälle
im Sommer und im Herbst. Diese Beobachtung korreliert mit erhöhten Auslandsaufenthalten und damit mit einer reiseassoziierten Infektion. Der zweite Gipfel zeigt sich
zu Jahresbeginn, welcher eine eventuelle Assoziation mit Reisen in den Ferien zum Jahreswechsel zulässt. Reisende, welche sich abseits der touristischen Gebiete aufhalten,
tragen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Die Ansteckungshäufigkeit beträgt bei Hotelaufenthalten in Endemiegebieten 3/1 000 Reisenden/Reisemonat. Bei Rucksacktouristen steigt die Häufigkeit auf bis zu 20 Infektionen/1 000 Reisenden/Reisemonat. Die
Mortalität steigt auf das Zehnfache von 0,2 auf 2/100 000 bei nichtimmunen Reisenden an [4].
Die Inzidenz ist, wie zuvor schon erwähnt, bei Kindern am höchsten. Kinder erkranken jedoch meist asymptomatisch, so dass die Inzidenz in dieser Gruppe unterschätzt
wird. Ältere Menschen hingegen zeigen häufiger einen symptomatischen Verlauf [5, 6].
Als seltene aber wesentliche Komplikation der akuten Virushepatitis A muss der Übergang in eine fulminante Verlaufsform mit akutem Leberversagen betrachtet werden,
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wofür das Risiko bei älteren Menschen deutlich erhöht ist. Daten aus den USA belegen,
dass bei 115 551 Hepatitis A-Infektionen in den USA nur 8,8 % der Erkrankten älter
als 50 Jahre alt war, aber bei Betrachtung der 331 letalen Verläufe 72,4 % dieser Gruppe zugeordnet werden kann. Die geringere Inzidenz in älteren Altersgruppen kann sehr
wahrscheinlich mit einer erhöhten natürlichen Immunität erklärt werden. Im mittleren
Alter liegt die Inzidenz bei den Männern fast doppelt so hoch wie bei Frauen.
Unter Ausschluss der zwei großen Ausbrüche 2004 in Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz ist im bundesweiten regionalen Vergleich die Inzidenz in den Stadtstaaten (Berlin, Bremen und Hamburg) deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt.
(Bremen 13,1 Fälle/100 000 Einwohner gegenüber 2,8 Fälle/100 000 Einwohnern
bundesweit). Die Inzidenz in den östlichen Bundesländern liegt niedriger als in den
westlichen. Neben einer höheren Zahl von drogenabhängigen Patienten sind die Zahlen mit einem größeren Ausländeranteil in größeren Städten zu erklären [7].
Die Geschehnisse im Jahr 2004 zeigen, dass der kontinuierliche Rückgang der natürlich erworbenen Immunität gegen Hepatitis A mit einer niedrigen Impfbereitschaft bei
Jugendlichen und Erwachsenen einhergehen und somit die Gefahr großer Ausbrüche,
sowohl durch importierte Infektionen als auch durch Übertragungen in Deutschland
steigen kann.
Die Ständige Impfkomission des Robert Koch-Instituts (STIKO) empfiehlt eine Impfung gegen Hepatitis A bei folgenden Risikogruppen: Reisende in tropische Regionen,
medizinisches Personal in Kinderkliniken, Personen in Kindergärten und Kindertagesstätten, Küchenpersonal, Homosexuelle und Kanalarbeiter [8]. Im Jahr 2001 wurden
2,1 Mio. Dosen Hepatitis A-Impfstoff appliziert [9]. Die Wirksamkeit der auf dem
Markt befindlichen Impfstoffe ist gut. Antikörpertiter werden bei fast allen Patienten
rasch bereits nach der ersten Impfung aufgebaut, weshalb eine aktive Impfung auch
noch direkt vor Reiseantritt immer sinnvoll ist. Die Impfung führt wahrscheinlich zu
einem guten, jedoch aber nicht zu einem 100 %igen Schutz: Bei einer Umfrage mit 147
Hepatitis A-Erkrankten, waren vier Personen trotz richtig durchgeführter Impfung
(Robert Koch-Institut, Umfrage durch Zentrum für Infektionsepidemiologie) infiziert.
Daten aus den USA errechneten Hepatitis A-assoziierte jährliche Behandlungskosten
von 200 Mio. Dollar/Jahr [10], welche eine Impfung auch in ökonomischer Hinsicht
als effektive Prophylaxe erscheinen lassen.
Hepatitis B
Die Hepatitis B wird primär parenteral, perinatal oder sexuell übertragen. Weltweit
sind knapp 300–420 Mio. Menschen chronisch mit dem Hepatitis B-Virus infiziert (5–
7 % der Weltbevölkerung), davon die überwiegende Mehrzahl in Ostasien. Die allgemeine Durchseuchung zeigt große geographische Unterschiede. In den westlichen industrialisierten Ländern beträgt die Durchseuchung weniger als 1 % (Skandinavien,
Vereintes Königreich). In Osteuropa, Südeuropa, dem Nahen Osten und Nordafrika
steigt sie auf 20–55 % und erreicht in einigen Regionen Afrikas und Südostasiens über
90 % [10]. Der Anteil infektiöser Virusträger steigt damit von 0,5–2 % in Mitteleuro-
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pa über 7 % in Südeuropa, Russland und Nordafrika auf bis zu 20 % in Gebieten des
südlichen Afrikas und Chinas an.
In den unterentwickelten Ländern ist häufig ein perinataler Übertragungsweg von
der Mutter auf das Neugeborene zu beobachten. Kinder von HBeAg-positiven Müttern
werden bei hoher Virusreplikation in bis zu 90 % der Fälle infiziert und zeigen ebenso
häufig einen chronischen Verlauf [11]. Bei HBeAg-negativen Müttern beträgt die
Transmissionsrate etwa 5 %. Die chronische Verlaufsform ist in diesem Falle obligat.
Daten aus den USA lassen vermuten, dass 24 % der chronischen Hepatitis B-Infektionen perinatal, 12 % im frühen Kindesalter und 8 % im jugendlichen Alter erworben
werden [11]. Im Rahmen der Schwangerschaftsfürsorge laut Mutterschaftsrichtlinien
erfolgt routinemäßig ein Screening schwangerer Frauen auf HBsAg zum Nachweis einer bestehenden HBV-Infektion. Eine aktive und passive Immunisierung des Kinds direkt nach der Geburt ist bei HBsAg-positiver Mutter obligat und bei Unterlassung als
Kunstfehler zu werten. Mit der HBV-Simultanprophylaxe kann in mindestens 90 %
der Fälle eine Infektion des Neugeborenen verhindert werden [12].
In den industrialisierten Ländern wird die Hepatitis B im Jugend- und Erwachsenenalter hauptsächlich sexuell übertragen [13]. Dabei wird nur in 5–10 % der Fälle ein
chronischer Verlauf beobachtet. Bei einem chronischen Verlauf ist die Rate der Spontanheilungen niedrig und beträgt nur etwa 1–2 % HBsAg-Negativierungen pro Jahr.
Bei Kleinkindern liegt die Chronifizierungsrate bei etwa 60 % und bei Neugeborenen
mit 90 % wesentlich höher.
In Deutschland kann bei 5–8 % der Bevölkerung eine abgelaufene Hepatitis B und
in 0,4–0,7 % ein Virusträger eruiert werden (aus Bundes-Gesundheitssurvey, 1998)
[14]. Dabei ergab sich eine Seroprävalenz für HBc-Antikörper von 7,7 % in den alten
und 4,3 % in den neuen Bundesländern. Die Antikörper-Prävalenz zeigt eine deutliche
Zunahme mit steigendem Alter.
Bei der Interpretation der Hepatitis B-Fallmeldungen muss berücksichtigt werden,
dass seit dem 1. Januar 2001 eindeutige Falldefinitionen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gelten. Dennoch lässt sich tendenziell eher ein Rücklauf der Meldungen seit
1997 verzeichnen. Da jedoch im Rahmen der neuen Meldekriterien wahrscheinlich ein
geringeres Meldeverhalten resultiert, müssen die aktuellen Zahlen zurückhaltend interpretiert werden. Insgesamt wurden für das Jahr 2004 2 751 Fälle von akuter Hepatitis
B-Infektion an das Robert Koch-Institut gemeldet (Vorjahr: 2 695) (Abb. 1). Nach der
Referenzdefinition konnten damit 1 260 Meldungen (46 %) als akute Hepatitis B zugeordnet werden (klinisch und laborchemisch). Die Inzidenzrate in Deutschland ist im
Jahre 2004 auf 1,5 Erkrankungen/100 000 Einwohner im Vergleich zum Vorjahr geringgradig gesunken (1,6 Erkrankungen/100 000 Einwohner) [15]. 1 491 Fallmeldungen entsprachen 2004 nicht der Referenzdefinition, da entweder das klinische Bild einer
akuten Hepatitis nicht erfüllt war (86 %) oder aber keine Angaben hierzu vorlagen
(14 %). Eine bessere Datenqualitätskontrolle wird für den Rückgang seit 2001 am ehesten verantwortlich gemacht (Abb. 1). Allerdings wird die Dunkelziffer auf das Vielfache
geschätzt. Das bedeutet, dass trotz einer verfügbaren effektiven Impfung in Deutschland
immer noch mehrere zehntausend Menschen pro Jahr an einer akuten Hepatitis B
erkranken, was die Forderung nach einer konsequenten Umsetzung der Impfempfeh-
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Abbildung 1: Gemeldete Hepatitis B in Deutschland ohne Referenzdefinition, 1997–2004 (modif. nach Epid. Bull. Nr. 46, Robert Koch-Institut 2005)
% der Kinder mit vorliegendem
Impfausweis
lungen der STIKO zur Folge haben muss! Erfreulicherweise bestätigten allerdings Schuleingangsuntersuchungen des Jahres 2004 bundesweit bei 84 % der Kinder mit vorliegendem Impfpass eine vollständige Grundimmunisierung gegen Hepatitis B (Abb. 2). Bei
4 % der 2004 eingeschulten Kinder war die Immunisierung begonnen worden.
90
81
vollständig geimpft
80
Impfung begonnen
70
60
50
40
30
20
10
8
0
1996
1997-99
2000
2001
2002
2003
2004
Jahr
Abbildung 2: Anteil gegen Hepatitis B-geimpfter Kinder bei Einschulung, 1996–2004 (Stand Oktober 2005) (modif. nach Epid. Bull. Nr. 46, Robert Koch-Institut 2005)
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Die regionale Inzidenz variiert unter den Bundesländern zwischen 0,7 Erkrankungen/100 000 Einwohner in Brandenburg und 2,8 in Rheinland-Pfalz. Zum Vergleich
reichte die gemittelte Inzidenz der Jahre 2001–2003 nach Bundesländern von 0,7 Erkrankungen/100 000 Einwohner (Thüringen) bis 2,4 (Berlin) [15]. Die beobachteten
regionalen Unterschiede können über einen konsequenteren Ausschluss chronischer
Fälle hinaus auch auf einer unterschiedlichen Verbreitung von Risikoverhaltensweisen
in bestimmten Regionen oder unterschiedlichem Meldeverhalten der Ärzte basieren.
Die Inzidenz für Hepatitis B lag bei Männern mit 2,1 Erkrankungen/100 000 Einwohner deutlich höher als bei Frauen mit 1,0. Ähnlich wie in den vergangenen Jahren
zeigte sich bei beiden Geschlechtern ein Häufigkeitsgipfel in der Altersgruppe der 25bis 29-Jährigen. Beginnend mit der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen bestand eine
durchweg höhere Inzidenz bei Männern im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen. Der geschlechtsspezifische Inzidenzunterschied war in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen mit einer dreimal höheren Inzidenz bei Männern am stärksten ausgeprägt. Auf eine
niedrige Inzidenz im Kindesalter folgte ein deutlicher Anstieg in der Gruppe der 15- bis
19-Jährigen. Dies deutet wie in den vergangenen Jahren darauf hin, dass sexuelle Kontakte in der Allgemeinbevölkerung gegenwärtig den bedeutendsten Übertragungsweg
repräsentieren [15].
Zu den Risikogruppen zählen:
• Fernreisende in Endemiegebiete
• Medizinisches Personal
• Dialysepatienten
• Kontaktpersonen von HBsAg-Trägern, die im gleichen Haushalt leben
• Kinder in Gebieten mit hoher Rate von HBsAg-Trägern
• Drogenabhängige
• Homosexuelle
• Promiskuitive Personen
Die Übertragung der Hepatitis B geschieht vor allem durch Blut- und Schleimhautkontakte (z.B. Transfusionen oder sexuelle Kontakte), aber auch durch intravenöse Drogen. Die aktuellen Daten korrelieren mit Erhebungen in den Vorjahren.
Nosokomiale und iatrogene Infektionsmodi sind in Deutschland zu vernachlässigen.
Allerdings ist bei Notwendigkeit einer Dialyse weiterhin ein erhöhtes Risiko vorhanden.
Verhaltensregeln und Einsatzbereiche im Gesundheitswesen tätiger chronischer HBVInfizierter sind in Expertenempfehlungen zusammengefasst [17]. Hierbei ist insbesondere die HBV-Viruslast der Personen zu berücksichtigen. Für Krankenschwestern und
Arzthelferinnen wird z.B. eine Virämie von <100 000 Genomäquivalente/ml als unbedenklich für die Ausübung des Berufs unter Einhaltung des allgemeinen Hygienestandards angesehen. Das Risiko einer HBV-Transmission durch Blutprodukte ist aufgrund
zuverlässiger Screening-Tests ebenfalls zu vernachlässigen (2001: 1,4 Erkrankungen/
100 000 Spenden). Im Jahr 2004 gingen bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in Hamburg mit 130 Anzeigen einer vermutlich berufsbedingt erworbenen Hepatitis B etwa gleich viele Anzeigen wie im Jahr zuvor ein.
In 35 Fällen wurde im Jahr 2004 eine Hepatitis B als Berufserkrankung anerkannt.
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Hepatitis C
Die Hepatitis C-Infektion wird parenteral übertragen und ist global verbreitet. Die
Seroprävalenz ist weltweit unterschiedlich. Man schätzt, dass 2–3 % der Weltbevölkerung chronisch infiziert sind. Der natürliche Verlauf ist in Abbildung 3 dargestellt.
Hohe Durchseuchungsraten finden sich in Teilen Afrikas einschließlich Ägypten [18,
19, 20]. Eine italienische Studie hat interessante Ergebnisse bezüglich der Durchseuchung der Hepatitis C in Italien veröffentlicht. 4 820 Angestellte der Telekom Italia
wurden auf HCV-Antikörper überprüft, wobei alle Personen unabhängig vom sozioökonomischen Status untersucht wurden. 116 Personen des Gesamtkollektivs wiesen
HCV-Antikörper auf (2,4 %), wobei 85 dieser 116 Mitarbeiter (73 %) eine Virämie
(HCV-RNA-positiv) aufwies. 46 % der 85 Mitarbeiter hatten im Verlauf persistierend
normale Transaminasen. Bei knapp 1/5 dieser Mitarbeiter mit normalen Leberwerten
war eine fortschreitende Leberfibrose festgestellt worden [21]. Diese Studie zeigt zum
einen, dass fast die Hälfte aller asymptomatischen Patienten mit chronischer Hepatitis
C normale Leberwerte aufweisen, diese Patienten jedoch ein signifikantes Risiko für
die Entwicklung eines Leberumbaus aufweisen. Die höhere Durchseuchung in dieser
Studie gegenüber offiziellen Daten aus Italien lässt eine allgemein hohe Dunkelziffer
vermuten, was sicherlich zum Teil auch für Deutschland zutreffen dürfte.
Akute Hepatitis C- Infektion
i
75%
Symptomatische Hepatitis
25%
Klinisch unauffällig
20-- 50%
80--90%
Chronische Infektion
Moderate Hepatitis
Ausheilung
Milde Hepatitis
Leberzirrhose
0.4 -- 40%
Hepatozelluläres Karzinom
1-- 7% /Jahr
Abbildung 3: Verlaufsform der Hepatitis C-Infektion
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Zahl der Erkrankungsfälle
pro 100.000 Einwohner
10000
9000
8000
8998 Fälle
7000
6000
5000
4000
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Meldejahr
Abbildung 4: Übermittelte Hepatitis C-Fälle/100 000 Einwohner nach Meldejahr, Deutschland
1997–2004 (modif. nach Epid. Bull. Nr. 46, Robert Koch-Institut 2005)
Die Prävalenz in Deutschland bezüglich HCV-Antikörper in der Bevölkerung liegt
bei 0,4–0,7 %. Da in 60–80 % der Fälle die Infektion chronisch verläuft, kann angenommen werden, dass in Deutschland schätzungsweise 400 000–500 000 Virusträger
leben [15]. Die Hepatitis C ist meldepflichtig. Bei neu diagnostizierter Hepatitis C ist
es in der Regel nicht möglich, einzuschätzen, wann die Infektion stattgefunden hat, da
die verfügbaren Labortests keine Differenzierung zwischen einer akuten Infektion und
einer erstmalig diagnostizierten chronischen Infektion erlauben. Zudem verläuft die
Mehrzahl der Neuinfektionen der Hepatitis C (ca. 75 %) asymptomatisch (Abb. 3).
Daher wurden die Kriterien, anhand derer eine Meldung und Übermittlung erfolgen
soll, dahingehend angepasst, dass jede erstdiagnostizierte Hepatitis C gemeldet und
übermittelt werden soll. Die Meldungen zu Hepatitis C-Erstbefunden umfassen somit
akute Infektionen, aber auch erstmals diagnostizierte chronische Infektionen mit unterschiedlich langer Infektionsdauer.
Die Dunkelziffer chronischer Virusträger ist aufgrund des häufig asymptomatischen
Verlaufs wesentlich höher. Wahrscheinlich wissen in Deutschland nur ca. 1/4 aller Betroffenen von ihrer Infektion. Die Übertragung durch Hepatitis C wird durch intravenös applizierte Drogen, durch Hepatitis C-positive Partner in einer Beziehung, durch
Tätowierungen, Piercing und Operationen übertragen. Häufig ist die Ursache nicht sicher zu eruieren (30–50 % aller Fälle) [15]. Die Übertragung durch Bluttransfusion ist
seit 1992 mit Einführung der Testung aller Blutprodukte auf anti-HCV drastisch zurückgegangen. Seit 2001 werden in Deutschland alle Blutprodukte auf Hepatitis C-Vi-
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Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C
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rus durch direkten Nachweis des Virusgenoms mittels Polymerase-Kettenreaktion
(PCR) getestet. Somit ist diese Infektionsquelle praktisch ausgeschlossen.
Im Jahr 2004 wurden dem RKI 8 998 Fälle von einer Hepatitis C-Infektion übermittelt (Abb. 4). Dies entspricht einer Inzidenz von 10,9 Erstdiagnosen/100 000 Einwohner [15]. Damit lag die für 2004 ermittelte Inzidenz an Erstdiagnosen höher als die des
Jahres 2003 (8,4 Fälle/100 000 Einwohner). Seit 2001 wird ein Anstieg der bundesweiten jährlichen Inzidenz übermittelter Fälle beobachtet. Ursächlich ist hierbei eine Meldekategorie für die Hepatitis C beruhend lediglich auf der Labordiagnose basierenden
Referenzdefinition zu sehen. Eine weitere Ursache liegt darin, dass auch chronische
HCV-Virusträger in das Melderegister aufgenommen werden.
In den Bundesländern variiert die Inzidenz zwischen 2,8 Erstdiagnosen/100 000 Einwohner im Saarland und 29,0 in Berlin. Insgesamt lag eine sehr weite Spanne der Inzidenz vor, wobei im Jahr 2004 in Berlin der ausgeprägteste Anstieg der Inzidenz zu
verzeichnen war. Die hohe Inzidenz reflektiert den überdurchschnittlich hohen Anteil
Angehöriger von Risikogruppen (z.B. i.v. Drogenkonsumenten) in großstädtischen
Ballungszentren. Die Betrachtung der Verteilung der übermittelten Hepatitis C-Erstdiagnosen im Meldejahr 2004 nach Kreisen deutet eine Korrelation von Gebieten mit
einer Inzidenz erstdiagnostizierter Fälle über 16,5/100 000 Einwohner mit städtischen
Kreisen an. Ausgeschlossen sind allerdings Bremen oder Hamburg, bei denen die Korrelation nicht galt. Darüber hinaus zeigt sich, dass die meisten Kreise mit höherer Inzidenz mit Ausnahme Berlins im Westen und im Süden liegen [22].
Zu den führenden ausländischen Infektionsquellen zählen die Länder der russischen
Föderation und andere Länder der ehemaligen Sowjetunion.
Männer haben mit 13,4 Fällen/100 000 Einwohner eine höhere Inzidenz als Frauen
(8,5 Fälle/100 000 Einwohner), was zum einen in einem unterschiedlichem Risikoverhalten, zum anderen aber auch dadurch begründet sein dürfte, dass Frauen eine akute
Hepatitis-C-Infektion häufiger ausheilen als Männer. Die HCV-Infektion wird am
häufigsten im Alter zwischen 25–29 Jahren beobachtet [15]. Die Inzidenz ist im Kindesalter (<15 Jahre) mit 0,9 gering.
Der Transmissionsweg ist häufig schwierig nachzuvollziehen. Der mit großer Sicherheit in kausalem Zusammenhang zur festgestellten Hepatitis C bestehende i.v. Drogenkonsum, wurde mit 2 438 Nennungen (37 % der Fälle mit Expositionsangaben) am
häufigsten übermittelt [15]. In der Gruppe der 20- bis 29-jährigen Männer wurde i.v.
Drogengebrauch 1 088-mal genannt (bei 71 % der Männer dieser Altersgruppe mit
Expositionsangaben). Die Tatsache, dass Männer unter i.v. Drogenkonsumenten deutlich überrepräsentiert sind, erklärt die erheblich höhere Inzidenz erstdiagnostizierter
Hepatitis C bei Männern im Vergleich zu Frauen [23]. Trotz Präventivmaßnahmen
(Spritzenaustauschprogramme etc.) ist diese Risikogruppe auch weiterhin durch Hepatitis C stark gefährdet.
Die sexuellen Expositionen wurden 2 406-mal bei 1 886 Fallmeldungen (28 %) genannt. Eine sexuelle Übertragung von Hepatitis C ist zwar grundsätzlich möglich, stellt
aber einen vergleichsweise ineffektiven Übertragungsweg dar. Aus diesem Grund kann
die Zahl der ursächlich auf sexuelle Expositionen zurückzuführenden Anteile an den
Hepatitis C-Fällen nicht bestimmt werden.
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Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C
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Nosokomiale Transmissionen sind selten als Einzelfälle beschrieben, spezifische Daten gibt es jedoch nicht. Seit 1999 werden alle Blutspenden auf HCV-Antikörper und
HCV-Nukleinsäure (mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnik, NAT) untersucht.
Die Plasmaprodukte werden analog untersucht und zusätzlichen virusinaktivierenden
Verfahren unterzogen. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 5 757 755 Blutspenden auf
Hepatitis C untersucht, bei der bei 535 581 Erstspendern eine Prävalenz von 94,47 Fällen/100 000 Spendern vorlag. Die Inzidenz lag bei 5 222 174 Mehrfachspendern bei
1,6 Fällen/100 000 Spendern. Die Prävalenz bei Hämodialysepatienten variierte nach
der Zusammenfassung vorliegender Studien von 20 %–30 % [24]. Wesentlich geringer, verglichen zur Hepatitis B, ist das perinatale Infektionsrisiko, welches nach Zusammenfassung der bislang vorliegenden Studien etwa 5 % beträgt [21].
Zur Verhinderung der Übertragung von Hepatitis C durch medizinisches Personal
auf Patienten wurden in Ergänzung bestehender Empfehlungen von der Deutschen
Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten Empfehlungen zur Verhütung der
Übertragung von Hepatitis C-Virus durch infiziertes Personal im Gesundheitsdienst erarbeitet [24, 25, 26, 27]. Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind bei Tätigkeiten mit erhöhter Übertragungsgefahr erforderlich. Im Jahr 2004 gingen bei der BGW in
Hamburg 250 Anzeigen einer vermutlich berufsbedingt erworbenen Hepatitis C ein.
Letztendlich wurde in 90 Fällen eine Hepatitis C als Berufserkrankung anerkannt.
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