eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Kalifen Internet: http://peter-hug.ch/lexikon/kalifen Seite 9.388 Kalifen 2'994 Wörter, 20'768 Zeichen ?Kalifen (eigentlich Chalifah, arab.), Stellvertreter, besonders (Chalifet Resul Allah) Stellvertreter und Nachfolger des Propheten Gottes, nannten sich die Nachfolger Mohammeds in dessen geistlichem und weltlichem Richter- und Herrscheramt; das durch sie gegründete Reich, welches bald in mehrere Reiche zerfiel, ist das Kalifat. Die vier ersten Kalifen. Da Mohammed keine männlichen Nachkommen hinterließ, auch keinen Nachfolger ernannt hatte, so entstanden nach seinem Tod Streitigkeiten über die Nachfolge, in denen 632 der Schwiegervater des Propheten, der Vater von dessen Gemahlin Aischa, Abu Bekr, über seinen Rival Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, den Sieg davontrug. Abu Bekr fand große Schwierigkeiten, da der Tod Mohammeds das Signal zu allgemeinen Unruhen und Aufständen war; doch gelang es ihm, teils durch List und Tapferkeit, teils durch Benutzung der Uneinigkeit unter den Gegnern, derselben Herr zu werden, zumal als sein Feldherr Chalid den bedeutendsten der Rebellen, Musailama, besiegt hatte. So sah Abu Bekr schon im zweiten Jahr seiner Regierung ganz Arabien unter dem Islam vereinigt und war im Begriff, gegen Syrien zu ziehen, als er 634 starb. Sterbend bezeichnete er Omar I. (634-644), ebenfalls Schwiegervater Mohammeds, zum Nachfolger. Dieser, voll Mut und Thatkraft, dabei einfach und mäßig, glaubenseifrig und sittenstreng, an patriarchalischer Lebensweise festhaltend, gerecht und freigebig gegen Arme, begründete die innere Staatsgewalt und verbreitete, selbst in Medina am Grabe des Propheten zurückbleibend, durch seine Heere den Islam mit Feuer und Schwert im Osten über Persien hin, im Westen über Syrien und Nordafrika bis Tripolis. Das »Schwert Gottes«, Chalid, welcher 632 die Perser besiegt hatte und bis zum Euphrat vorgedrungen war, wurde von Omar nach Syrien geschickt, wo er in raschem Siegeslauf nach Eroberung von Emesa und nach den Siegen bei Adjnadein und am Yarmuk (634) Damaskus eroberte (635) und darauf ganz Syrien unterwarf. 368 ^[richtig: 638] wurde durch Omars Feldherrn Abu Obeida Jerusalem, wo der Tempel Salomos in eine Moschee verwandelt wurde, dann Aleppo und Antiochia, 640 Cäsarea erobert. Zu derselben Zeit wurde das Sassanidenreich durch die Araber unter Saad gestürzt. Die Perser wurden 636 bei Kadesia besiegt, worauf die Provinz Irak Arabi sich unterwarf und Basra gegründet ward; Madain oder Ktesiphon, die persische Hauptstadt, von dem letzten Sassaniden, Jezdedjerd, aufgegeben, wurde ohne Schwertstreich eingenommen; Kufa am Euphrat wurde der Sitz des arabischen Statthalters. Nach dem Sieg der Araber bei Nehawend unterwarfen sich auch Mesopotamien und Medien. Omars Feldherr Amru brach 638 von Palästina aus in Ägypten ein und unterwarf, durch die dortigen kirchlichen Streitigkeiten unterstützt, in raschem Siegeslauf das ganze Land der Gewalt des Kalifen. Alexandria fiel 641; von da aus drang Amru durch die Wüste weiter vor und eroberte Barka, Tripolis und Sabra. Übrigens war Omars Thätigkeit nicht allein eine kriegerische. Er stattete Moscheen und Schulen mit Grundbesitz aus, errichtete Festungen und Gefängnisse, führte die Ära der Hedschra (s. d.) ein und begründete den Hohen Rat, der aus den vornehmsten Häuptern und Mohammeds Freunden bestand. ? Nachdem Omar, der den Titel Emir al Muminin (»Fürst der Gläubigen«) angenommen hatte, durch die Hand eines Meuchelmörders gefallen war, erwählte ein von ihm niedergesetzter Rat von sechs Männern Othman (644-656), einen Schwiegersohn Mohammeds, zum Kalifen. Dieser, ein schwacher Greis, war der schwierigen Stellung nicht gewachsen; namentlich erregte er durch Besetzung der Statthaltereien mit Verwandten und unwürdigen Günstlingen allgemeinen Unwillen, machte sich durch Vernachlässigung der altherkömmlichen Gebräuche besonders bei der Geistlichkeit mißliebig und ward von Mohammed, einem Sohn Abu Bekrs, ermordet. Ein Verdienst erwarb sich Othman durch Herstellung eines authentischen Korantextes. Ihm folgte Mohammeds Neffe Ali (656-661), der hauptsächlich mit innern Kämpfen zu schaffen hatte. Seine Hauptgegnerin, die ränkevolle Witwe Mohammeds, Aischa, empörte sich, wurde aber 656 in der sogen. Kamelschlacht bei Basra besiegt und gefangen. Darauf erhob sich der Statthalter von Damaskus, Muawia, ein Verwandter des ermordeten Othman, und erzwang von Ali seine Anerkennung als Beherrscher der Gläubigen; im fortgesetzten Kampf fiel Ali durch Meuchelmord (Januar 661), wohl die edelste Erscheinung in der frühern Geschichte des Islam, von den Schiiten als wahrer Kalif und dem Propheten fast ebenbürtig verehrt. Hassan, Alis ältester Sohn, von Natur friedliebend, entsagte 661 der Herrschaft und erkannte Muawia als Kalifen an. Die Omejjaden. Mit Muawia I. (661-679) Beginnt die Dynastie der Omejjaden, so genannt von dem Ahnen Muawias, Omejjah. Muawia I. hatte seine ehrgeizigen Pläne durch die Anhänglichkeit der Syrer, der Perser und Ägypter und auch vieler arabischer Stämme verwirklicht und vereinte so wieder alle Moslems unter seinem Zepter, daher das Jahr seiner Thronbesteigung (661) auch Amur el Dschemai, Jahr der Vereinigung, genannt wird. Er verlegte die Residenz von Medina nach Damaskus. Um dem Aufstand der Charidschiten in Mesopotamien ein Ende zu machen, ernannte er den von einer Sklavin abstammenden Zijad zum Statthalter von Seite 1 / 4 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Kalifen Internet: http://peter-hug.ch/lexikon/kalifen Basra, der hier mit despotischer Härte die Herrschaft der Kalifen befestigte. Muawia dachte auch wieder an Ausdehnung der Grenzen des Reichs. Schon unter den vorigen Kalifen hatte sich eine Seemacht der Araber gebildet. Cypern und Rhodos wurden erobert, die Kykladen, bald auch entferntere Küstenstriche von den sarazenischen Korsaren geplündert; 1700 arabische Schiffe stellten sich der byzantinischen Flotte, welche der Kaiser Constans, des Heraklios Enkel, befehligte, entgegen, und die Flucht des Kaisers gab die Dardanellen den Feinden preis. Muawia bedrängte darauf Konstantinopel vom Meer aus sieben Jahre lang (668-675), doch ohne Erfolg; dafür drangen zu Lande die Scharen der Moslems bis gegen Indien vor; Sedschestan (663), Kabulistan (664), Kilikien, Tarsos, Chusistan, ein Teil von Turkistan (673) und Samarkand (676) wurden teils durch Muawias Sohn Jezid, teils durch seine Feldherren Okba und Ubeid Allah erobert. Das Kalifat machte Muawia in seiner Familie erblich und erzwang von allen Häuptlingen die Anerkennung seines Sohns Jezid. Jezid I. (679-683) trat in die Fußstapfen seines staatsklugen Vaters. Hussein, der Sohn Alis, dritter schiitischer Imam, von 140,000 Aliden aufgefordert, als ihr Führer und Kalif am Euphrat zu erscheinen, rüstete gegen ihn, unterlag aber gegen Ubeid Allah, den Statthalter von Kufa. Ein neuer Gegner entstand in Abdallah Ben Zobeir zu Medina und Mekka 682. Jezids Feldherr Muslin Ben Okba eroberte jedoch Medina und übte 683 grausame Rache in Mekka, bis der Tod seinen Grausamkeiten Einhalt that; Hazim trat an seine Stelle. Unterdessen starb Jezid, und da sein Sohn Muawia II. noch im gleichen Jahr 683 starb, so brachen wieder innere Unruhen aus, in deren Folge der älteste und erfahrenste Omejjade, Merwan I., 684 erst zum Reichsverweser, dann zum Kalifen erhoben ward, der sich unter Aufständen in dieser Stellung hielt, während Abdallah Ben Zobeir sich als Gegenkalif in Arabien und Persien behauptete. Nach Merwans I. Ermordung (685) folgte dessen Sohn Abd Almalik (685-705), ein energischer, oft grausamer Fürst, der sich ebenfalls von verschiedenen Gegnern bedroht sah. Syrien und Ägypten gehorchten ihm kaum noch, Arabien hing an Alis Haus und erkannte Abdallah Ben Zobeir nach wie vor als seinen Führer an. Ein Pseudoprophet, Muchtar, der sich 682 in Kufa hatte huldigen lassen, und dessen Feldherr 686 sogar den bisher immer siegreichen Ubeid Allah in der Schlacht am Zab überwunden hatte, wurde erst 688 bezwungen und getötet. Nachdem Abd Almalik mit dem griechischen Kaiser Justinian II. Frieden geschlossen, worin er diesem einen jährlichen Tribut von 50,000 Goldstücken verwilligte, zog er gegen Abdallah, dessen Besiegung und Fall 692 Arabien wieder unter die Herrschaft der Kalifen brachte. Als 693 der letzte Rebell, der Statthalter von Chorasan, unterworfen worden, war die Einheit des islamitischen Reichs wiederhergestellt. Unter Abd Almaliks Sohn Welid I. (705-715) erhob sich die arabische Macht zur höchsten Blüte. Welids Feldherren siegten in drei Weltteilen. Kuteiba focht siegreich in Turkistan (706-715) und eroberte die Länder zwischen dem Oxus, Jaxartes und dem Kaspischen Meer, das Sogdiana der Alten. Mohammed drang durch Sind in Indien ein, und Muslima, Welids Bruder, und Abbas fochten in Kleinasien siegreich. Musa beendete den Krieg gegen die Mauren in Nordafrika und zwang diese, den Islam und die arabische Sprache anzunehmen, wodurch sie allmählich mit den Arabern zu einer Nation verschmolzen. Seit 711, nach der Eroberung von Gibraltar und der Schlacht bei Jeres de la Frontera, setzten sich die Araber in Spanien fest. Welid war ein Beförderer der Künste, namentlich der Baukunst, und erbaute die Moscheen zu Damaskus, Jerusalem und Medina. Sein Bruder Suleiman (715-717) war ein Despot. Er begann den Krieg gegen Konstantinopel wieder, mußte aber nach zweijähriger Belagerung dieser Stadt und sehr bedeutenden Verlusten Frieden schließen. Dagegen eroberten seine Feldherren Georgien. Sein Vetter und Nachfolger Omar II. (717-720) regierte mild und gerecht, ward aber wegen Nachgiebigkeit den Aliden gegenüber mißliebig und starb an Gift. Unter seinem Nachfolger Jezid II. (720-724), dem Bruder Suleimans, wurde das Reich wieder von Aufständen heimgesucht, während der Kalif ein üppiges Leben zu Damaskus führte. Seinem Bruder und Nachfolger Hischam (724-743) machte Husseins Urenkel, der Alide Zeid, das Kalifat streitig; aber Hischams Feldherren besiegten den Nebenbuhler, und Zeid wurde getötet. ? Schon traten auch im Osten die Abbassiden, die Stammverwandten der Aliden, mit Ansprüchen auf das Kalifat den Omejjaden entgegen. Durch Karl Martells Sieg bei Tours (732) wurde den Fortschritten der Araber im Westen ein Ziel gesetzt. Der wollüstige und grausame Welid II. (743-744), Sohn Jezids II., wurde nach einjähriger Herrschaft in einem Aufstand getötet. Sein Nachfolger Jezid III., Sohn Welids I., starb in dem Jahr seiner Erhebung, und dessen Bruder Ibrahim wurde 745 von dem Statthalter von Armenien, Merwan, dem Enkel Merwans I., gestürzt. Mit diesem, Merwan II. (745-750), erreichte die Herrschaft der Omejjaden in Asien ihr Ende. Offen traten die Abbassiden, die Nachkommen Abbas' I., des Oheims Mohammeds, von ihrer schwarzen Fahne, zum Unterschied von der weißen der Omejjaden, Musawidah (die Schwarzen) genannt, gegen Merwan auf. Der Abbasside Ibrahim ward Seite 2 / 4 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Kalifen Internet: http://peter-hug.ch/lexikon/kalifen in Chorasan als Herrscher ausgerufen. Ibrahim selbst wurde zwar von Merwan gefangen genommen und im Gefängnis getötet, aber sein Bruder Abul Abbas ließ sich 749 in Kufa als Kalif huldigen. In blutiger Schlacht am Fluß Zab wurde Merwan II. geschlagen, nach Ägypten verfolgt und dort 750 getötet. Der blutdürstige Oheim des Abbas, Abdallah, rottete durch ein gräßliches Blutbad bei einer Zusammenkunft in Damaskus alle Omejjaden aus; nur einer aus dem zahlreichen Geschlecht, Abd ur Rahmân, Enkel des Kalifen Hischam, entkam nach Spanien und gründete dort ein selbständiges Kalifat. Mit dem Geschlecht der Omejjaden, der eigentlichen Begründer des islamitischen Reichs, erlosch auch die Reichseinheit. Die Abbassiden. Der erste des neuen Kalifengeschlechts der Abbassiden, Abul Abbas (750-754), befestigte seine Herrschaft durch blutige Ausrottung seiner Gegner, daher Saffah (»Blutvergießer«) genannt. Sein Bruder Abu Dschafar I. (754-775), gewöhnlich Almsor (der »Siegreiche«) genannt, hatte gleich nach seiner Thronbesteigung im eignen Oheim Abdallah einen Nebenbuhler zu bekämpfen; seinen aufrührerischen Neffen Ila Ben Musa unterwarf sein Feldherr Abu Muslim, bald darauf aber fiel letzterer selbst als ein Opfer von Dschafars Argwohn. Dessen Tyrannei rief sodann eine Empörung der Aliden Mohammed und Ibrahim hervor. Der Vater derselben, Abdallah, fiel in die Hände Dschafars und ward hingerichtet; auch Mohammed, der sich unter dem Namen Mehdi in Hidschas zum Gegenkalifen hatte ausrufen lassen, wurde besiegt und samt seinem Bruder Ibrahim getötet (762 und 763). Unter Dschafars Kalifat wurden Armenien, Kilikien und Kappadokien erobert. Trotz seines Geizes, durch den er ungeheure Schätze zusammenhäufte, beförderte er Künste und Wissenschaften; er war auch der Gründer der neuen Residenz Bagdad. Er starb auf einer Wallfahrt bei Mekka. Ihm folgte sein Sohn Almahdi (775-785), dessen Regierung Milde und Liebe zu den Wissenschaften kennzeichneten. Sein Sohn, der dem Vater gleichgesinnte Alhadi (785-786), hatte gegen die Aliden unter Alis Urenkel Hassan zu kämpfen und verlegte 786 die Residenz nach Bagdad. Ihm folgte nicht sein Sohn, sondern sein Bruder Abu Mohammed Harun (786-809), bekannter unter dem Namen Harun al (ar) Raschid (der »Gerechte«), in Liedern und Märchen gefeiert wegen seiner Kraft, Milde, Liebe zu Künsten und Wissenschaften, Gerechtigkeit und Weisheit, womit freilich der historische Charakter dieses Kalifen keineswegs übereinstimmt (s. Harun al Raschid), denn er war grausam und wollüstig und vermochte die Aufstände, welche das Reich zerrütteten, nicht zu unterdrücken. Nach seinem Willen sollte das Reich unter seine drei Söhne geteilt werden: der älteste, Mohammed al Emin (809-813), sollte als einziger Kalif Arabien, Irak, Syrien, Ägypten, Afrika beherrschen; Mamun erhielt Persien, Turkistan, Chorasan und den ganzen Osten, Kasim Kleinasien, Armenien und Küstenländer des Schwarzen Meers. Bürgerkrieg war aber die Folge dieser Teilung. Das Heer des Kalifen wurde von Mamuns Feldherrn Tahir geschlagen, Amin selbst getötet. An des Bruders Stelle wurde nun Mamun (Almamun, 813-833) als Kalif anerkannt, ausgezeichnet durch Weisheit und Gerechtigkeit und namentlich durch Beförderung der Künste und Wissenschaften, so daß unter ihm die arabische Kultur ihren Höhepunkt erreichte. Doch hatte auch er vielfach mit innern Unruhen und Empörungen der Statthalter, welche das allmählich zerfallende Reich zu Grunde richteten, namentlich mit den Aliden, zu kämpfen. Öfters hatten diese Kämpfe ihren Grund in theologischen Differenzen, da Mamun als Verteidiger der schiitischen Lehren gegen die Sunniten auftrat und manche Gebote des Propheten öffentlich verwarf. Unter seiner Regierung wurde die Insel Kreta von den Moslems erobert. Angriffe auf Konstantinopel mißlangen. Sein Bruder Mutassim (833-842), der den Beinamen Billah (»von Gottes Gnaden«) annahm, verlegte wegen der steten Unruhen in Bagdad die Residenz nach Samira am Tigris und errichtete eine starke Leibwache aus türkischen Sklaven (Mamelucken). Dennoch nahm die innere Zerrüttung immer mehr zu. Sein Sohn Alwathik (842-847) vermehrte den überall glimmenden Haß durch Habgier, Wollust und Verfolgung der Orthodoxen. Er nahm den goldenen Doppelgürtel und das Diadem an und führte den Sultanstitel. Sein Bruder, der von der Leibwache zum Kalifen erhobene Mutawakkil (847-861), trieb die Verfolgungswut und den religiösen Fanatismus gegen alle Andersdenkenden, besonders die Aliden, auf die höchste Spitze, wollüstig und grausam, eine Geißel seiner Unterthanen. Sein eigner Sohn El Mostanßir (Muntaßir) verschwor sich gegen ihn mit der türkischen Leibwache, ließ ihn umbringen und bestieg, von der türkischen Leibwache erhoben, den Thron der Kalifen. Die Brüder des neuen Herrschers (861-862) wurden gezwungen, der Thronfolge zu entsagen, und nach Mostanßirs Tod (862) ward dessen Enkel Almustain (862-866) zum Nachfolger erwählt. Mehr und mehr wurde das Reich durch religiöse Spaltungen und Bürgerkriege der Auflösung entgegengeführt. Unter den folgenden, meist durch die Leibwache auf den Thron gehobenen Kalifen Almutaz (bis 869), Muhtadi (bis 870), Ahmed Almutamid (bis Seite 3 / 4 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Kalifen Internet: http://peter-hug.ch/lexikon/kalifen 892), Almutadhid (bis 902), Almutafi (bis 907), Muktadir (bis 931), Kahir (bis 934), Radhi (bis 940), Mutakki (bis 944) erhoben sich auf allen Seiten Statthalter, die sich bei der meist schwachen und willkürlichen Regierung der in ein üppiges Genußleben versunkenen Kalifen von diesen unabhängig machten. So behaupteten sich mit mehr oder weniger Glück die Taluniden ^[richtig: Tuluniden] in Ägypten, die Saffariden in Persien, die Samaniden in Chorasan, die Aliden in der Umgebung des Kaspischen Meers, die in Karmaten und Fatimiden sich teilenden und die schiitischen Lehren befolgenden Ismaeliten in Syrien und Arabien. ? Als der Kalif Mustakfi 944 zur Regierung kam, beschränkte sich sein Gebiet auf die Stadt Bagdad. Diese Schwäche benutzte 946 das Haupt der in Farsistan mächtigen Bujiden, Moiz ed Daulat, um Bagdad zu belagern und zu erobern; der Kalif wurde, obgleich er sich unterwarf, geblendet, der Sieger nahm den Titel Sultan an, und der zum Kalifen erhobene Abul Kasim, der Bruder Mutakkis, wurde auf die geistliche Würde beschränkt, während die Bujiden die Würde des weltlichen Herrschers, des Emir al Omra, ausübten. So thatsächlich aller Macht beraubt, verloren die Kalifen bald auch die letzte Auszeichnung, die Erwähnung im Kirchengebet, und das Münzgepräge; die Bujiden, als oberste Emire, herrschten unumschränkt, bis sie um 1040 den Seldschukken weichen mußten. Das Kalifat dauerte ohne jegliche Bedeutung fort, bis Halugu, der Enkel Dschengis-Chans, mit seinen wilden Horden Bagdad eroberte (1258); 40 Tage lang wurde geplündert, 200,000 Menschen wurden getötet, unter ihnen Almustassim, der 56. Nachfolger Mohammeds. So endete die Herrschaft der Abbassiden im 509. Jahr ihres Bestehens, im 656. der Hedschra. Die kleinern Kalifate. Ägypten war eine der ersten Provinzen des arabischen Reichs, welche sich von demselben losrissen. Den ersten Versuch machte der Statthalter Achmed, der von dem Kalifen für wichtige Dienste mit großer Macht bekleidet wurde und dieselbe so auszudehnen wußte, daß er nur noch dem Namen nach unter arabischer Oberherrschaft stand (877). Die Schlacht bei Fostat (904) brachte zwar Ägypten nochmals unter das arabische Kalifat, aber schon die Dynastie der Ikschiden, von Abu Bekr Mohammed Ikschid gestiftet, behauptete sich von 934 bis 968 wieder selbständig auf dem ägyptischen Thron. Die immer mehr zunehmende Schwäche dieser Familie machte es den Fatimiden, die bereits im westlichen Nordafrika ein unabhängiges Reich beherrschten, leicht, auch Ägypten und Syrien in ihre Gewalt zu bringen. Moez Eddin Allah nahm zuerst 972 den Kalifentitel an, erbaute Kairo und machte dieses zur Hauptstadt seines Reichs. Unter seinen meist unbedeutenden Nachfolgern geriet die Herrschaft in die Hand der Wesire, unter welchen besonders Bedr el Dschemali Afdal zu nennen ist, welcher das seit einiger Zeit von den Seldschukken beherrschte Syrien dem ägyptischen Reich einverleiben wollte, um 1095. Schon hatte er Jerusalem erobert, als das erste Heer der Kreuzfahrer erschien, Jerusalem nahm, den Wesir bei Askalon schlug und zur Flucht nach Ägypten nötigte. Unter den folgenden Kalifen nahmen die Wesire sogar den Sultanstitel an und führten untereinander Fehden. Ein energisches Regiment begründete erst Saladin, welcher sich allein 1170 der Herrschaft bemächtigte und den Titel Sultan von Ägypten annahm. Er machte der Herrschaft der Fatimiden ein Ende und begründete die Dynastie der Ejubiden, welche 1250 von den Mamelucken gestürzt wurde. Bei der Eroberung Ägyptens durch die Türken 1517 wurde der letzte der dortigen Kalifen nach Konstantinopel geführt, durfte aber (doch ohne alle Macht) nach Ägypten zurückkehren, wo er 1538 starb. Die türkischen Sultane nahmen hierauf den Kalifentitel an und behaupteten denselben, obwohl wenig geachtet und besonders von den Persern und Marokkanern nicht anerkannt, mit der geistlichen Oberherrschaft über die Moslems bis auf die Gegenwart. In Spanien (s. d.) bestand das Kalifat der Omejjaden mit der Hauptstadt Cordova bis 1031 und gelangte zu großer Blüte; der letzte Kalif, Hischam III., wurde 1031 durch einen Aufstand in Cordova gestürzt, und das Reich zerfiel dann in einzelne Emirate oder Königreiche, die sich durch unaufhörliche Kriege schwächten und schließlich den Christen erlagen. Vgl. Marigny, Histoire des Arabes sous les gouvernements des Chalifes (Par. 1750; deutsch von Lessing, Berl. 1753, 3 Bde.); Hammer-Purgstall, Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen großer moslimischer Herrscher (Darmst. 1837-39, 6 Bde.); Weil, Geschichte der Kalifen (Mannh. 1846-62, 5 Bde.; die zuverlässigste Behandlung der Geschichte des Kalifats); v. Kremer, Kulturgeschichte des Orients unter den Kalifen (Wien 1874-77, 2 Bde.); A. Müller, Der Islam im Morgen- und Abendland (Berl. 1886, 2 Bde.). Ende Kalifen Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892;9. Band, Seite 388 im Internet seit 2005; Text geprüft am 15.3.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am 7.4.2017 mit URL: Weiter: http://peter-hug.ch/09_0389?Typ=PDF Ende eLexikon. Seite 4 / 4