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Kalifen 2'994 Wörter, 20'768 Zeichen
?Kalifen (eigentlich Chalifah, arab.), Stellvertreter, besonders (Chalifet Resul Allah) Stellvertreter und Nachfolger des Propheten
Gottes, nannten sich die Nachfolger Mohammeds in dessen geistlichem und weltlichem Richter- und Herrscheramt; das durch sie
gegründete Reich, welches bald in mehrere Reiche zerfiel, ist das Kalifat.
Die vier ersten Kalifen. Da Mohammed keine männlichen Nachkommen hinterließ, auch keinen Nachfolger ernannt hatte, so
entstanden nach seinem Tod Streitigkeiten über die Nachfolge, in denen 632 der Schwiegervater des Propheten, der Vater von
dessen Gemahlin Aischa, Abu Bekr, über seinen Rival Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, den Sieg davontrug. Abu Bekr fand
große Schwierigkeiten, da der Tod Mohammeds das Signal zu allgemeinen Unruhen und Aufständen war; doch gelang es ihm, teils
durch List und Tapferkeit, teils durch Benutzung der Uneinigkeit unter den Gegnern, derselben Herr zu werden, zumal als sein
Feldherr Chalid den bedeutendsten der Rebellen, Musailama, besiegt hatte. So sah Abu Bekr schon im zweiten Jahr seiner
Regierung ganz Arabien unter dem Islam vereinigt und war im Begriff, gegen Syrien zu ziehen, als er 634 starb.
Sterbend bezeichnete er Omar I. (634-644), ebenfalls Schwiegervater Mohammeds, zum Nachfolger. Dieser, voll Mut und
Thatkraft, dabei einfach und mäßig, glaubenseifrig und sittenstreng, an patriarchalischer Lebensweise festhaltend, gerecht und
freigebig gegen Arme, begründete die innere Staatsgewalt und verbreitete, selbst in Medina am Grabe des Propheten
zurückbleibend, durch seine Heere den Islam mit Feuer und Schwert im Osten über Persien hin, im Westen über Syrien und
Nordafrika bis Tripolis.
Das »Schwert Gottes«, Chalid, welcher 632 die Perser besiegt hatte und bis zum Euphrat vorgedrungen war, wurde von Omar
nach Syrien geschickt, wo er in raschem Siegeslauf nach Eroberung von Emesa und nach den Siegen bei Adjnadein und am Yarmuk
(634) Damaskus eroberte (635) und darauf ganz Syrien unterwarf. 368 ^[richtig: 638] wurde durch Omars Feldherrn Abu Obeida
Jerusalem, wo der Tempel Salomos in eine Moschee verwandelt wurde, dann Aleppo und Antiochia, 640 Cäsarea erobert. Zu
derselben Zeit wurde das Sassanidenreich durch die Araber unter Saad gestürzt.
Die Perser wurden 636 bei Kadesia besiegt, worauf die Provinz Irak Arabi sich unterwarf und Basra gegründet ward; Madain oder
Ktesiphon, die persische Hauptstadt, von dem letzten Sassaniden, Jezdedjerd, aufgegeben, wurde ohne Schwertstreich
eingenommen; Kufa am Euphrat wurde der Sitz des arabischen Statthalters. Nach dem Sieg der Araber bei Nehawend unterwarfen
sich auch Mesopotamien und Medien. Omars Feldherr Amru brach 638 von Palästina aus in Ägypten ein und unterwarf, durch die
dortigen kirchlichen Streitigkeiten unterstützt, in raschem Siegeslauf das ganze Land der Gewalt des Kalifen. Alexandria fiel 641; von
da aus drang Amru durch die Wüste weiter vor und eroberte Barka, Tripolis und Sabra. Übrigens war Omars Thätigkeit nicht allein
eine kriegerische. Er stattete Moscheen und Schulen mit Grundbesitz aus, errichtete Festungen und Gefängnisse, führte die Ära der
Hedschra (s. d.) ein und begründete den Hohen Rat, der aus den vornehmsten Häuptern und Mohammeds Freunden bestand.
? Nachdem Omar, der den Titel Emir al Muminin (»Fürst der Gläubigen«) angenommen hatte, durch die Hand eines
Meuchelmörders gefallen war, erwählte ein von ihm niedergesetzter Rat von sechs Männern Othman (644-656), einen
Schwiegersohn Mohammeds, zum Kalifen. Dieser, ein schwacher Greis, war der schwierigen Stellung nicht gewachsen; namentlich
erregte er durch Besetzung der Statthaltereien mit Verwandten und unwürdigen Günstlingen allgemeinen Unwillen, machte sich durch
Vernachlässigung der altherkömmlichen Gebräuche besonders bei der Geistlichkeit mißliebig und ward von Mohammed, einem Sohn
Abu Bekrs, ermordet. Ein Verdienst erwarb sich Othman durch Herstellung eines
authentischen Korantextes. Ihm folgte Mohammeds Neffe Ali (656-661), der hauptsächlich mit innern Kämpfen zu schaffen hatte.
Seine Hauptgegnerin, die ränkevolle Witwe Mohammeds, Aischa, empörte sich, wurde aber 656 in der sogen. Kamelschlacht bei
Basra besiegt und gefangen. Darauf erhob sich der Statthalter von Damaskus, Muawia, ein Verwandter des ermordeten Othman, und
erzwang von Ali seine Anerkennung als Beherrscher der Gläubigen; im fortgesetzten Kampf fiel Ali durch Meuchelmord (Januar 661),
wohl die edelste Erscheinung in der frühern Geschichte des Islam, von den Schiiten als wahrer Kalif und dem Propheten fast
ebenbürtig verehrt. Hassan, Alis ältester Sohn, von Natur friedliebend, entsagte 661 der Herrschaft und erkannte Muawia als Kalifen
an.
Die Omejjaden. Mit Muawia I. (661-679) Beginnt die Dynastie der Omejjaden, so genannt von dem Ahnen Muawias, Omejjah.
Muawia I. hatte seine ehrgeizigen Pläne durch die Anhänglichkeit der Syrer, der Perser und Ägypter und auch vieler arabischer
Stämme verwirklicht und vereinte so wieder alle Moslems unter seinem Zepter, daher das Jahr seiner Thronbesteigung (661) auch
Amur el Dschemai, Jahr der Vereinigung, genannt wird. Er verlegte die Residenz von Medina nach Damaskus. Um dem Aufstand der
Charidschiten in Mesopotamien ein Ende zu machen, ernannte er den von einer Sklavin abstammenden Zijad zum Statthalter von
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Basra, der hier mit despotischer Härte die Herrschaft der Kalifen befestigte.
Muawia dachte auch wieder an Ausdehnung der Grenzen des Reichs. Schon unter den vorigen Kalifen hatte sich eine Seemacht
der Araber gebildet. Cypern und Rhodos wurden erobert, die Kykladen, bald auch entferntere Küstenstriche von den sarazenischen
Korsaren geplündert; 1700 arabische Schiffe stellten sich der byzantinischen Flotte, welche der Kaiser Constans, des Heraklios
Enkel, befehligte, entgegen, und die Flucht des Kaisers gab die Dardanellen den Feinden preis.
Muawia bedrängte darauf Konstantinopel vom Meer aus sieben Jahre lang (668-675), doch ohne Erfolg; dafür drangen zu Lande
die Scharen der Moslems bis gegen Indien vor; Sedschestan (663), Kabulistan (664), Kilikien, Tarsos, Chusistan, ein Teil von
Turkistan (673) und Samarkand (676) wurden teils durch Muawias Sohn Jezid, teils durch seine Feldherren Okba und Ubeid Allah
erobert. Das Kalifat machte Muawia in seiner Familie erblich und erzwang von allen Häuptlingen die Anerkennung seines Sohns
Jezid.
Jezid I. (679-683) trat in die Fußstapfen seines staatsklugen Vaters. Hussein, der Sohn Alis, dritter schiitischer Imam, von
140,000 Aliden aufgefordert, als ihr Führer und Kalif am Euphrat zu erscheinen, rüstete gegen ihn, unterlag aber gegen Ubeid Allah,
den Statthalter von Kufa. Ein neuer Gegner entstand in Abdallah Ben Zobeir zu Medina und Mekka 682. Jezids Feldherr Muslin Ben
Okba eroberte jedoch Medina und übte 683 grausame Rache in Mekka, bis der Tod seinen Grausamkeiten Einhalt that; Hazim trat an
seine Stelle.
Unterdessen starb Jezid, und da sein Sohn Muawia II. noch im gleichen Jahr 683 starb, so brachen wieder innere Unruhen aus,
in deren Folge der älteste und erfahrenste Omejjade, Merwan I., 684 erst zum Reichsverweser, dann zum Kalifen erhoben ward, der
sich unter Aufständen in dieser Stellung hielt, während Abdallah Ben Zobeir sich als Gegenkalif in Arabien und Persien behauptete.
Nach Merwans I. Ermordung (685) folgte dessen Sohn Abd Almalik (685-705), ein energischer, oft grausamer Fürst, der sich
ebenfalls von verschiedenen Gegnern bedroht sah.
Syrien und Ägypten gehorchten ihm kaum noch, Arabien hing an Alis Haus und erkannte Abdallah Ben Zobeir nach wie vor als
seinen Führer an. Ein Pseudoprophet, Muchtar, der sich 682 in Kufa hatte huldigen lassen, und dessen Feldherr 686 sogar den
bisher immer siegreichen Ubeid Allah in der Schlacht am Zab überwunden hatte, wurde erst 688 bezwungen und getötet. Nachdem
Abd Almalik mit dem griechischen Kaiser Justinian II. Frieden geschlossen, worin er diesem einen jährlichen Tribut von 50,000
Goldstücken verwilligte, zog er gegen Abdallah, dessen Besiegung und Fall 692 Arabien wieder unter die Herrschaft der Kalifen
brachte. Als 693 der letzte Rebell, der Statthalter von Chorasan, unterworfen worden, war die Einheit des islamitischen Reichs
wiederhergestellt.
Unter Abd Almaliks Sohn Welid I. (705-715) erhob sich die arabische Macht zur höchsten Blüte. Welids Feldherren siegten in drei
Weltteilen. Kuteiba focht siegreich in Turkistan (706-715) und eroberte die Länder zwischen dem Oxus, Jaxartes und dem
Kaspischen Meer, das Sogdiana der Alten. Mohammed drang durch Sind in Indien ein, und Muslima, Welids Bruder, und Abbas
fochten in Kleinasien siegreich. Musa beendete den Krieg gegen die Mauren in Nordafrika und zwang diese, den Islam und die
arabische Sprache anzunehmen, wodurch sie allmählich mit den Arabern zu einer Nation verschmolzen.
Seit 711, nach der Eroberung von Gibraltar und der Schlacht bei Jeres de la Frontera, setzten sich die Araber in Spanien fest.
Welid war ein Beförderer der Künste, namentlich der Baukunst, und erbaute die Moscheen zu Damaskus, Jerusalem und Medina.
Sein Bruder Suleiman (715-717) war ein Despot. Er begann den Krieg gegen Konstantinopel wieder, mußte aber nach zweijähriger
Belagerung dieser Stadt und sehr bedeutenden Verlusten Frieden schließen. Dagegen eroberten seine Feldherren Georgien.
Sein Vetter und Nachfolger Omar II. (717-720) regierte mild und gerecht, ward aber wegen Nachgiebigkeit den Aliden gegenüber
mißliebig und starb an Gift. Unter seinem Nachfolger Jezid II. (720-724), dem Bruder Suleimans, wurde das Reich wieder von
Aufständen heimgesucht, während der Kalif ein üppiges Leben zu Damaskus führte. Seinem Bruder und Nachfolger Hischam
(724-743) machte Husseins Urenkel, der Alide Zeid, das Kalifat streitig; aber Hischams Feldherren besiegten den Nebenbuhler, und
Zeid wurde getötet.
? Schon traten auch im Osten die Abbassiden, die Stammverwandten der Aliden, mit Ansprüchen auf das Kalifat den Omejjaden
entgegen. Durch Karl Martells Sieg bei Tours (732) wurde den Fortschritten der Araber im Westen ein Ziel gesetzt. Der wollüstige und
grausame Welid II. (743-744), Sohn Jezids II., wurde nach einjähriger Herrschaft in einem Aufstand getötet. Sein Nachfolger Jezid III.,
Sohn Welids I., starb in dem Jahr seiner Erhebung, und dessen Bruder Ibrahim wurde 745 von dem Statthalter von Armenien,
Merwan, dem Enkel Merwans I., gestürzt. Mit diesem, Merwan II. (745-750), erreichte die Herrschaft der Omejjaden in Asien ihr
Ende. Offen traten die Abbassiden, die Nachkommen Abbas' I., des Oheims Mohammeds, von ihrer schwarzen Fahne, zum
Unterschied von der weißen der Omejjaden, Musawidah (die Schwarzen) genannt, gegen Merwan auf. Der Abbasside Ibrahim ward
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Chorasan als Herrscher ausgerufen. Ibrahim selbst wurde zwar von Merwan gefangen genommen und im Gefängnis getötet,
aber sein Bruder Abul Abbas ließ sich 749 in Kufa als Kalif huldigen. In blutiger Schlacht am Fluß Zab wurde Merwan II. geschlagen,
nach Ägypten verfolgt und dort 750 getötet. Der blutdürstige Oheim des Abbas, Abdallah, rottete durch ein gräßliches Blutbad bei
einer Zusammenkunft in Damaskus alle Omejjaden aus; nur einer aus dem zahlreichen Geschlecht, Abd ur Rahmân, Enkel des
Kalifen Hischam, entkam nach Spanien und gründete dort ein selbständiges Kalifat. Mit dem Geschlecht der Omejjaden, der
eigentlichen Begründer des islamitischen Reichs, erlosch auch die Reichseinheit.
Die Abbassiden. Der erste des neuen Kalifengeschlechts der Abbassiden, Abul Abbas (750-754), befestigte seine Herrschaft
durch blutige Ausrottung seiner Gegner, daher Saffah (»Blutvergießer«) genannt. Sein Bruder Abu Dschafar I. (754-775),
gewöhnlich Almsor (der »Siegreiche«) genannt, hatte gleich nach seiner Thronbesteigung im eignen Oheim Abdallah einen
Nebenbuhler zu bekämpfen; seinen aufrührerischen Neffen Ila Ben Musa unterwarf sein Feldherr Abu Muslim, bald darauf aber fiel
letzterer selbst als ein Opfer von Dschafars Argwohn. Dessen Tyrannei rief sodann eine Empörung der Aliden Mohammed und
Ibrahim hervor. Der Vater derselben, Abdallah, fiel in die Hände Dschafars und ward hingerichtet; auch Mohammed, der sich unter
dem Namen Mehdi in Hidschas zum Gegenkalifen hatte ausrufen lassen, wurde besiegt und samt seinem Bruder Ibrahim getötet
(762 und 763). Unter Dschafars Kalifat wurden Armenien, Kilikien und Kappadokien erobert.
Trotz seines Geizes, durch den er ungeheure Schätze zusammenhäufte, beförderte er Künste und Wissenschaften; er war auch
der Gründer der neuen Residenz Bagdad. Er starb auf einer Wallfahrt bei Mekka. Ihm folgte sein Sohn Almahdi (775-785), dessen
Regierung Milde und Liebe zu den Wissenschaften kennzeichneten. Sein Sohn, der dem Vater gleichgesinnte Alhadi (785-786), hatte
gegen die Aliden unter Alis Urenkel Hassan zu kämpfen und verlegte 786 die Residenz nach Bagdad.
Ihm folgte nicht sein Sohn, sondern sein Bruder Abu Mohammed Harun (786-809), bekannter unter dem Namen Harun al (ar)
Raschid (der »Gerechte«),
in Liedern und Märchen gefeiert wegen seiner Kraft, Milde, Liebe zu Künsten und Wissenschaften, Gerechtigkeit und Weisheit,
womit freilich der historische Charakter dieses Kalifen keineswegs übereinstimmt (s. Harun al Raschid), denn er war grausam und
wollüstig und vermochte die Aufstände, welche das Reich zerrütteten, nicht zu unterdrücken. Nach seinem Willen sollte das Reich
unter seine drei Söhne geteilt werden: der älteste, Mohammed al Emin (809-813), sollte als einziger Kalif Arabien, Irak, Syrien,
Ägypten, Afrika beherrschen;
Mamun erhielt Persien, Turkistan, Chorasan und den ganzen Osten, Kasim Kleinasien, Armenien und Küstenländer des
Schwarzen Meers.
Bürgerkrieg war aber die Folge dieser Teilung. Das Heer des Kalifen wurde von Mamuns Feldherrn Tahir geschlagen, Amin
selbst getötet. An des Bruders Stelle wurde nun Mamun (Almamun, 813-833) als Kalif anerkannt, ausgezeichnet durch Weisheit und
Gerechtigkeit und namentlich durch Beförderung der Künste und Wissenschaften, so daß unter ihm die arabische Kultur ihren
Höhepunkt erreichte. Doch hatte auch er vielfach mit innern Unruhen und Empörungen der Statthalter, welche das allmählich
zerfallende Reich zu Grunde richteten, namentlich mit den Aliden, zu kämpfen.
Öfters hatten diese Kämpfe ihren Grund in theologischen Differenzen, da Mamun als Verteidiger der schiitischen Lehren gegen
die Sunniten auftrat und manche Gebote des Propheten öffentlich verwarf. Unter seiner Regierung wurde die Insel Kreta von den
Moslems erobert. Angriffe auf Konstantinopel mißlangen. Sein Bruder Mutassim (833-842), der den Beinamen Billah (»von Gottes
Gnaden«) annahm, verlegte wegen der steten Unruhen in Bagdad die Residenz nach Samira am Tigris und errichtete eine starke
Leibwache aus türkischen Sklaven (Mamelucken).
Dennoch nahm die innere Zerrüttung immer mehr zu. Sein Sohn Alwathik (842-847) vermehrte den überall glimmenden Haß
durch Habgier, Wollust und Verfolgung der Orthodoxen. Er nahm den goldenen Doppelgürtel und das Diadem an und führte den
Sultanstitel. Sein Bruder, der von der Leibwache zum Kalifen erhobene Mutawakkil (847-861), trieb die Verfolgungswut und den
religiösen Fanatismus gegen alle Andersdenkenden, besonders die Aliden, auf die höchste Spitze, wollüstig und grausam, eine
Geißel seiner Unterthanen. Sein eigner Sohn El Mostanßir (Muntaßir) verschwor sich gegen ihn mit der türkischen Leibwache, ließ
ihn umbringen und bestieg, von der türkischen Leibwache erhoben, den Thron der Kalifen. Die Brüder des neuen Herrschers
(861-862) wurden gezwungen, der Thronfolge zu entsagen, und nach Mostanßirs Tod (862) ward dessen Enkel Almustain (862-866)
zum Nachfolger erwählt.
Mehr und mehr wurde das Reich durch religiöse Spaltungen und Bürgerkriege der Auflösung entgegengeführt. Unter den
folgenden, meist durch die Leibwache auf den Thron gehobenen Kalifen Almutaz (bis 869), Muhtadi (bis 870), Ahmed Almutamid (bis
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892), Almutadhid (bis 902), Almutafi (bis 907), Muktadir (bis 931), Kahir (bis 934), Radhi (bis 940), Mutakki (bis 944) erhoben sich auf
allen Seiten Statthalter, die sich bei der meist schwachen und willkürlichen Regierung der in ein üppiges Genußleben versunkenen
Kalifen von diesen unabhängig machten. So behaupteten sich mit mehr oder weniger Glück die Taluniden ^[richtig: Tuluniden] in
Ägypten, die Saffariden in Persien, die Samaniden in Chorasan, die Aliden in der Umgebung des Kaspischen Meers, die in Karmaten
und Fatimiden sich teilenden und die schiitischen Lehren befolgenden Ismaeliten in Syrien und Arabien.
? Als der Kalif Mustakfi 944 zur Regierung kam, beschränkte sich sein Gebiet auf die Stadt Bagdad. Diese Schwäche benutzte
946 das Haupt der in Farsistan mächtigen Bujiden, Moiz ed Daulat, um Bagdad zu belagern und zu erobern; der Kalif wurde, obgleich
er sich unterwarf, geblendet, der Sieger nahm den Titel Sultan an, und der zum Kalifen erhobene Abul Kasim, der Bruder Mutakkis,
wurde auf die geistliche Würde beschränkt, während die Bujiden die Würde des weltlichen Herrschers, des Emir al Omra, ausübten.
So thatsächlich aller Macht beraubt, verloren die Kalifen bald auch die letzte Auszeichnung, die Erwähnung im Kirchengebet, und das
Münzgepräge; die Bujiden, als oberste Emire, herrschten unumschränkt, bis sie um 1040 den Seldschukken weichen mußten. Das
Kalifat dauerte ohne jegliche Bedeutung fort, bis Halugu, der Enkel Dschengis-Chans, mit seinen wilden Horden Bagdad eroberte
(1258); 40 Tage lang wurde geplündert, 200,000 Menschen wurden getötet, unter ihnen Almustassim, der 56. Nachfolger
Mohammeds. So
endete die Herrschaft der Abbassiden im 509. Jahr ihres Bestehens, im 656. der Hedschra.
Die kleinern Kalifate. Ägypten war eine der ersten Provinzen des arabischen Reichs, welche sich von demselben losrissen. Den
ersten Versuch machte der Statthalter Achmed, der von dem Kalifen für wichtige Dienste mit großer Macht bekleidet wurde und
dieselbe so auszudehnen wußte, daß er nur noch dem Namen nach unter arabischer Oberherrschaft stand (877). Die Schlacht bei
Fostat (904) brachte zwar Ägypten nochmals unter das arabische Kalifat, aber schon die Dynastie der Ikschiden, von Abu Bekr
Mohammed Ikschid gestiftet, behauptete sich von 934 bis 968 wieder selbständig auf dem ägyptischen Thron.
Die immer mehr zunehmende Schwäche dieser Familie machte es den Fatimiden, die bereits im westlichen Nordafrika ein
unabhängiges Reich beherrschten, leicht, auch Ägypten und Syrien in ihre Gewalt zu bringen. Moez Eddin Allah nahm zuerst 972 den
Kalifentitel an, erbaute Kairo und machte dieses zur Hauptstadt seines Reichs. Unter seinen meist unbedeutenden Nachfolgern geriet
die Herrschaft in die Hand der Wesire, unter welchen besonders Bedr el Dschemali Afdal zu nennen ist, welcher das seit einiger Zeit
von den Seldschukken beherrschte Syrien dem ägyptischen Reich einverleiben wollte, um 1095. Schon hatte er Jerusalem erobert,
als das erste Heer der Kreuzfahrer erschien, Jerusalem nahm, den Wesir bei Askalon schlug und zur Flucht nach Ägypten nötigte.
Unter den folgenden Kalifen nahmen die Wesire sogar den Sultanstitel an und führten untereinander Fehden. Ein energisches
Regiment begründete erst Saladin, welcher sich allein 1170 der Herrschaft bemächtigte und den Titel Sultan von Ägypten annahm. Er
machte der Herrschaft der Fatimiden ein Ende und begründete die Dynastie der Ejubiden, welche 1250 von den Mamelucken
gestürzt wurde. Bei der Eroberung Ägyptens durch die Türken 1517 wurde der letzte der dortigen Kalifen nach Konstantinopel
geführt, durfte aber (doch ohne alle Macht) nach Ägypten zurückkehren, wo er 1538 starb.
Die türkischen Sultane nahmen hierauf den Kalifentitel an und behaupteten denselben, obwohl wenig geachtet und besonders
von den Persern und Marokkanern nicht anerkannt, mit der geistlichen Oberherrschaft über die Moslems bis auf die Gegenwart. In
Spanien (s. d.) bestand das Kalifat der Omejjaden mit der Hauptstadt Cordova bis 1031 und gelangte zu großer Blüte; der letzte Kalif,
Hischam III., wurde 1031 durch einen Aufstand in Cordova gestürzt, und das Reich zerfiel dann in einzelne Emirate oder Königreiche,
die sich durch unaufhörliche Kriege schwächten und schließlich den Christen erlagen.
Vgl. Marigny, Histoire des Arabes sous les gouvernements des Chalifes (Par. 1750; deutsch von Lessing, Berl. 1753, 3 Bde.);
Hammer-Purgstall, Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen großer moslimischer Herrscher (Darmst. 1837-39, 6 Bde.);
Weil, Geschichte der Kalifen (Mannh. 1846-62, 5 Bde.; die zuverlässigste Behandlung der Geschichte des Kalifats);
v. Kremer, Kulturgeschichte des Orients unter den Kalifen (Wien 1874-77, 2 Bde.);
A. Müller, Der Islam im Morgen- und Abendland (Berl. 1886, 2 Bde.).
Ende Kalifen
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;9. Band, Seite 388 im Internet seit 2005; Text geprüft am 15.3.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am 7.4.2017
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