2 Meinung Nummer 46 | Mittwoch, 15. Februar 2012 Leitartikel Operation gelungen, Patient leidet weiter In einer Ho-ruck-Aktion wurde das Finanzloch an der Medizinischen Universität gestopft. Solange es im Gesundheitswesen keine echte Strukturreform gibt, wird die Krisenfeuerwehr noch öfter ausrücken müssen. Von Anita Heubacher N ichts ist effizienter als Ärzte, die mit dem Leichentuch wacheln. Spätestens dann ist klar, dass das Wohl der Patienten in Gefahr ist. Allzu oft können Ärzte die Methode allerdings nicht exhumieren, sonst geht die Effizienz verloren. Auf Kosten der Patienten läuft im Gesundheitssystem vieles. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht ganz so offensichtlich ist wie das Leichentuch in der Hand der Ärzte. Es ist die Struktur, die nicht nur Milliarden versickern lässt, sondern auch für den Patienten abträglich ist, wenn er an die Grenzen der Schnittstellen im System kommt. Der Patient wird Gastkommentar Tirol soll vorn bleiben vom Haus- zum Facharzt, zum Spital und wieder retour geschickt. Das hat oft keine pathologischen Gründe, sondern liegt an den Finanzierungstöpfen. Da wäre einmal das Struktur- und Finanzierungsproblem zwischen Bund und Land, wenn es um den Betrieb von Krankenhäusern geht, die auch Universitätskliniken sind. Wie viel „klinischen Mehraufwand“ muss der Bund dem Land zahlen, wenn an einem Krankenhaus auch geforscht und gelehrt wird? Jahrelang konnten sich Bund und Land nicht einigen, wie man unser Steuergeld untereinander aufteilt. Schlussendlich nahm man öffentliches Geld in die Hand und rief den Verfassungsgerichtshof als Schiedsrichter an. Das ist die Kapitula- tion. Gestern hat man den Ärztestreik abgewendet und das Budgetloch an der Med-Uni gestopft, und man hat vor allem versprochen, die Frage des klinischen Mehraufwands zu klären. Damit ist die Operation gelungen, der Patient leidet weiter. Denn neben der Lösung der Frage des klinischen Mehraufwands muss auch ein Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem landeseigenen Krankenhausträger, Tilak, und der Medizinischen Universität kommen. Wenn wir dann also wissen, wie Spital und Universität zusammenarbeiten, dann wissen wir noch lange nicht, wie Spitäler und niedergelassene Ärzteschaft besser zusammenarbeiten sollen. Auch darum ging es gestern bei Verhandlungen in Wien. Karikatur Karl-Ernst Heidegger ist Vorsitzender des Tiroler Landesverbandes für Psychotherapie. Frage des Tages (529 Teilnehmer) Gestern war Valentinstag. Was bedeutet dieser Tag für Sie? 59 % Der Valentinstag ist eine reine Geschäftemacherei. 8 % Für mich ist es ein romantischer Tag. 33 % Der 14. Februar ist ein Tag wie jeder andere auch. Die Umfrage finden Sie auf www.tt.com [email protected] Mehrfärbiger Landwirt mit Hang zur Jagd J [email protected] Lesen Sie dazu mehr auf Seite 4 Kopf des Tages „Im falschen Moment ...“ Von Karl-Ernst Heidegger Heute: Klaus Wittauer (Blau-oranger Ex-Politiker) W Karikatur: Markus Szyszkowitz; Foto: Parigger ahrelang kamen aus Tirol modellhafte Impulse zur psychotherapeutischen Versorgung. Dabei haben die Systempartner in Tirol ihren Blick auf die Bedürfnisse der psychisch kranken Menschen gerichtet und nicht auf Durchschnitts- und schlechtere Versorgungswerte in anderen Bundesländern geachtet. Das war und ist vorbildlich. Zuletzt wurden von der Tiroler Gebietskrankenkasse psychosoziale Beratungsstellen als Leitsystem für PatientInnen errichtet und Gruppenpsychotherapieangebote für Kinder können künftig ausgebaut werden. Auch wenn durch diese Initiativen mehr Menschen Zugang zu einer kassenfinanzierten Therapie erhalten, müssen viel zu viele abgewiesen werden. Zu hoch ist der Selbstbehalt, den PatientInnen bezahlen, wenn sie nur einen Zuschuss erhalten und nicht einen der Therapieplätze, die fast zur Gänze von der Kassa finanziert werden. Der notwendige Versorgungsgrad ist noch nicht erreicht, während der aktuelle Bedarf wächst. Doch nicht nur die Versorgungslage für PatientInnen ist anhaltend unzureichend, auch die Arbeitsbedingungen der TherapeutInnen leiden. Qualitätsvolle Arbeit unter den derzeitigen tariflichen Bedingungen kann TherapeutInnen an ihre Grenzen führen. Eine Berufsgruppe, die sich um die Gesundheit anderer Menschen bemüht, ist gefordert, auf gute Arbeitsbedingungen zu achten. Das Ziel bleibt, allen Personen, denen Psychotherapie in psychischen Krisensituationen helfen kann, eine solche Behandlung zu ermöglichen. Dazu braucht es auch weiterhin eine gemeinsame Anstrengung der Gesundheitspolitik. 1,4 Milliarden Euro sollen im Gesundheitswesen eingespart werden. Wo das Geld zu holen ist, wissen Gesundheitsökonomen schon lange: in der Vereinheitlichung der Struktur. Es braucht eine Finanzierung aus einer Hand. Das ist ein hehrer Wunsch bei neun Bundesländern und rund 25 Krankenkassen, die berufsständisch organisiert sind. Daher wird die Krisenfeuerwehr noch oft ausrücken müssen. Analyse Im U-Ausschuss werden Grauzonen ausgeleuchtet Von Cornelia Ritzer D er Start des Korruptions-U-Ausschusses war holprig: Zeugen, die von Vorgängen „keine Wahrnehmung haben“, denen vieles „nicht mehr erinnerlich“ war – so die in den ersten Sitzungswochen häufig gehörten Floskeln – oder die sich der Aussage entschlagen, weil sie sich dadurch selbst belasten könnten. Außerdem Auskunftspersonen, die wie der Telekom-Regulator oder die ehemalige Sekretärin von Ex-BZÖ-Minister Gorbach erst bei der zweiten Vorladung erscheinen. Pannen wie diese ließen bereits an der Durchschlagskraft des parlamentarischen U-Ausschusses zweifeln. Umso erhellender war gestern die Zeugenaussage von WerbeagenturChef Kurt Schmied, der freimütig von Vorgängen während des Wahlkampfes 2006 erzählte und davon, wie er zu BZÖ-Aufträgen kam. Es war kein Termin, sondern eher ein zufälliges Lesen Sie dazu mehr auf Seite 11 [email protected] Treffen, bei dem der Tiroler BZÖAbgeordnete Klaus Wittauer mit einem Angebot auf ihn zugekommen sei, das er nicht ablehnen konnte, sagte er aus. Schmied solle „mehr machen“ im BZÖWahlkampf, soll Wittauer gesagt haben, die Rechnungen dafür seien aber nicht an die Partei, sondern an die Telekom zu stellen. Gesagt, getan. Es ist dem Geschäftsmann Kurt Schmied nicht vorzuwerfen, dass er einen lukrativen Auftrag annahm. Dass er jedoch scheinbar ohne Skrupel Rechnungen an die Telekom stellte, obwohl er „keine Leistung“ für diese erbrachte – wie er gestern wörtlich sagte –, lässt ein eindeutiges Sittenbild erkennen. Es war mitten im stressigen Wahlkampf, versuchte der Werber zu erklären, warum er die Vorgänge nicht hinterfragte. Heute würde er auch anders handeln als vor sechs Jahren, gab er sich geläutert. Und ja, im Nachhinein komme ihm diese Konstruktion der Geldflüsse „natürlich“ auch eigenartig vor. Der U-Ausschuss sucht nicht nach juristischer, sondern nach politischer Verantwortlichkeit. Dass derartige moralische Grauzonen ausgeleuchtet werden, ist ein großer Erfolg. as Klaus Wittauer in Südafrika tut, ist nicht bekannt. Beschreibungen von Personen, die ihn kennen, legen aber nahe, dass er auf der Jagd ist. Er selbst bezeichnete sich einmal als „relativ wohlhabend“, das verschaffe ihm finanzielle Unabhängigkeit. Für Schlagzeilen sorgt derzeit aber mehr das Engagement des 51-jährigen Ampassers in der Politik. 2001 ließ sich der Biobauer an die Spitze der Innsbrucker FPÖ wählen, etablierte freiheitliche Funktionäre bootete er dabei aus. Knapp ein Jahr später zog er in den Nationalrat ein. 2005, als die Parteispitze sich von der blauen FPÖ abspaltete und das orange BZÖ gründete, entschied sich Wittauer wie die meisten Abgeordneten für die Orangen und Jörg Haider. Er war es auch, der die Partei in Tirol zu verankern versuchte. Der TT erzählte er damals, er stecke 200.000 Euro aus eigenem Vermögen in den Innsbrucker Gemeinderatswahlkampf. Im Nationalrat war Wittauer zu dieser Zeit u. a. als Telekom-Sprecher für das BZÖ tätig. Aus dieser Funktion stammen auch die Kontakte zur Telekom Austria. Wittauer soll eine zentrale Rolle gespielt haben, als eine für das staatsnahe Unternehmen günstige Variante der Universaldienstverordnung Gesetz wurde. Wittauer soll – und deshalb ist er jetzt Thema im U-Ausschuss – aber auch die wesentliche Schnittstelle für Geldflüsse von der Telekom an das BZÖ für den Wahlkampf 2006 gewesen sein. Laut Medienberichten versorgte ihn die Telekom nach dem Ausscheiden aus der Politik mit einem gut dotierten Konsulentenvertrag. Wenig Glück hatte Wittauer, der für das BZÖ auch mit einem riesigen Plakat auf einem seiner Grundstücke nahe der Autobahn warb, zuletzt als Unternehmer. Seine Wellnesskultur Spa GmbH in Nassereith schlitterte vor zwei Jahren in die Pleite. Zumindest bewies sich Wittauer bei diesem Engagement als Netzwerker: Geschäftsführer waren u. a. alte Bekannte Wittauers aus der Politik. (sabl) Lesen Sie dazu mehr auf Seite 11