Artikel "Komplexe Operationen am Kniegelenk"

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Freitag, 28. August 2009
Sportmedizin: In der Sindelfinger Unfallchirurgie werden im Jahr über 70 Kreuzbandrisse operiert / SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“ (8)
Komplexe Operationen
am Kniegelenk
Von unserem Redakteur
Steffen Müller
Alle sechseinhalb Minuten kommt es
in Deutschland zu einem Kreuzbandriss. Fußballer, Skifahrer und Handballer erleiden den Albtraum aller
Sportler am häufigsten. Martin
Schmid aus Renningen ist einer der
Betroffenen und Dank der Behandlung im Klinikum Sindelfingen wieder
beschwerdefrei.
Inzwischen läuft der ehemalige Torwart
des SV Gebersheim wieder wie ein junger
Gott dank Dr. Wolfram Siebert, Unfallchirurg im Sindelfinger Krankenhaus und ein
absoluter Spezialist für die Operation von
Kreuzbandrissen. Rund 70 Kreuzbänder
operiert Siebert im Jahr – Tendenz steigend:
„Die Menschen sind im Alter zunehmend
sportlich aktiv, dadurch gibt es natürlich
auch mehr Sportverletzungen“, sagt der
Kniespezialist.
2007 erwischte es den inzwischen 42-jährigen Martin Schmid: „Ich bin Fußball-Torwart aus Leidenschaft und habe nach einer
längeren Pause wieder mal trainiert. Es lief
auch alles rund, allerdings bin ich auf dem
Weg in die Kabine hängen geblieben und
dann hat es richtig geknallt. Mir war gleich
klar, dass da etwas ab war“, sagt Schmid. Er
sollte Recht behalten. „Das ist ganz typisch
für einen Kreuzbandriss“, sagt Dr. Wolfram
Siebert, „meist sind es nicht die schnellen
Bewegungen oder schwere Stürze, sondern
eher langsamere Abläufe, bei denen das
Kniegelenk bei feststehendem Fuß überdreht und das Kreuzband reißt.“
Problem Kombinationsverletzungen
Das Kniegelenk ist eines der großen und
meist beanspruchten Gelenke. Nach Verletzungen am Sprunggelenk sind Knieverletzungen die häufigsten Sportverletzungen.
Die Diagnose Kreuzbandriss bedeutetet für
Hobby- wie für Leistungssportler eine lange Pause: „Man muss sich auch bewusst
sein, dass eine Operation, also das Wiederherstellen, kein Wiederherstellen in den
Urzustand ist“, sagt Dr. Wolfram Siebert,
„irgendetwas bleibt immer zurück aber
man kann wieder beschwerdefrei seinen
Sport ausüben.“
Das größte Problem bei einem Kreuzbandriss sind die Kombinationsverletzungen:
„Oft ist nicht nur das Kreuzband in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch der Meniskus und ein Seitenband. Gelegentlich gibt
es auch Knorpelschäden“, sagt Siebert. Dies
war auch bei Martin Schmid der Fall. Der
Operation am Kreuzband folgte nach anhaltenden Schmerzen die Operation am Knorpel, beides minimalinvasiv. Das heißt, ohne
große Schnitte, sondern durch je zwei kleine
Öffnungen: „Je weniger Weichteile beschädigt werden, desto schneller ist der Heilungsprozess., wenn das Knie optisch intakt
aussieht, wirkt sich das zudem positiv auf
die Genesung aus“, sagt Siebert. Als bestes
Verfahren der operativen Behandlung des
Kreuzbandrisses hat sich die Kreuzbandersatzplastik erwiesen. Hierbei wird das zerrissene Kreuzband nicht genäht, es wird
entfernt und durch körpereigenes Sehnengewebe ersetzt.
Arthroskopische Untersuchung
Jede Kreuzbandersatzoperation beginnt
mit einer arthroskopischen, also ebenfalls
minimalinvasiven, Untersuchung des Kniegelenkes. Eventuell vorhandene Meniskusoder Knorpelschäden lassen sich damit feststellen und gegebenenfalls behandeln. Anschließend erfolgt ein Längsschnitt über
dem so genannten Hamstring, zwei unterhalb des Kniegelenkes am Schienbein ansetzender Oberschenkelsehnen. Die Sehnen
werden entnommen. Nach arthroskopischer Entfernung des zerrissenen Kreuzbandes werden Löcher mit dem entsprechenden Durchmesser für das Transplantat
in den Schienbeinkopf und den Oberschen-
Heute:
ie
Unfallchirurg
kelknochen gebohrt und das Transplantat
unter arthroskopischer Kontrolle eingebracht und mit bioresorbierbaren (biologisch abbaubaren) Schrauben, die später
nicht operativ wieder entfernt werden müssen, im Knochen befestigt.
Nach Einlagen von Wunddrainagen,
Wundverschluss, Verbandanlage und Anlage einer Beinschiene ist die Operation beendet. Es folgt eine intensive krankengymnastische Nachbehandlung zur raschen Wiederherstellung der Beweglichkeit des Kniegelenkes und zum Aufbau der Beinmuskulatur.
Diese Operation lief bei Martin Schmid
ohne Komplikationen, dennoch hatte er in
der Folge Schmerzen. Grund war ein beschädigter Knorpel. Frei im Knie schwebende Teile sowie ein freier Knochen verursachten die Probleme. Dr. Wolfram Siebert entschied sich nach einer Magnetresonanztomografie (MRT) für eine weitere Operation.
Hier kam eine sehr neue Therapie zum Einsatz, die autologe Chondrozytentransplantation. Dabei wird eine kleine Menge körpereigenen Knorpels entfernt und in einem
speziellen Labor in Freiburg angezüchtet:
„Diese Methode dürfen bisher nicht viele
Kliniken anwenden. Wir in Sindelfingen gehören dazu“, sagt Siebert.
Haben sich die Knorpelzellen ausreichend vermehrt, werden sie auf ein resorbierbares Trägerflies aufgebracht, das intraoperativ zunächst auf die Größe des beschädigten Knorpels zugeschnitten und
dann auf die schadhafte Stelle aufgebracht
und dort mit einem selbst auflösenden Faden befestigt wird – beides ebenfalls arthro-
Sportverletzungen: Interview mit Professor Dr. Axel Prokop, Chefarzt der Unfallchirurgie Sindelfingen
„Eine schnelle Genesung
wird immer wichtiger“
Von unserem Redakteur
Steffen Müller
Professor Dr. Med. Axel Prokop ist
der Chefarzt der Unfallchirurgie in
Sindelfingen. Er und sein Team operieren im Jahr 300 Sprunggelenkfrakturen, 300 Wirbelsäulenfrakturen, 100 Schlüsselbeinfrakturen,
350 Radiusfrakturen und 75 Kreuzbandersätze.
Die SZ/BZ sprach mit dem Mediziner
über die häufigsten Verletzungen, Operationsmethoden und Rehabilitationszeiten.
Sportverletzungen nehmen ständig zu. Wie
ist diese Entwicklung zu erklären?
Professor Dr. Axel Prokop: „Das hat mit
einer eigentlich sehr positiven Entwicklung
zu tun. Immer mehr Menschen treiben
Sport, immer weniger verbringen ihre ganze Freizeit vor dem Fernseher. Gerade auch
ältere Menschen werden immer aktiver und
bleiben dadurch viel länger gesund. Andererseits gibt es bei einer steigenden Anzahl
von Sportlern natürlich auch eine steigende
Anzahl von Sportverletzungen.“
Was hat sich in den vergangenen Jahren
bei den Operations- und Therapiemethoden
verändert?
Professor Dr. Axel Prokop: „Wir operieren
inzwischen, wann immer es möglich und
sinnvoll ist, minimalinvasiv. Das heißt ohne
große Schnitte. Das hat zum einen den Vorteil, dass weniger Weichteile und Muskeln
beschädigt werden und dadurch wieder viel
schneller belastet werden kann, zum anderen können wir so viele Operationen ambulant durchführen und dem Gesundheitssystem enorm Kosten sparen. Bei Verletzungen
des Schlüsselbeins war früher ein so genannter Rucksackverband üblich, der sehr
unbequem war, und wie man heute weiß, so
skopisch. „Das Zuschneiden braucht natürlich chirurgisches Geschick“, sagt Dr. Wolfram Siebert zu der neuen Methode, die zudem nicht ganz billig ist: „Letztlich muss
sich die Gesellschaft aber fragen, ob zunächst teure Verfahren sie am Ende nicht
billiger kommen. Wenn dem Patienten später ein künstliches Kniegelenk eingesetzt
werden muss, ist das sicher nicht die besse-
M
Online-Umfrage
re und auch nicht die billigere Lösung“,
sagt Siebert.
Martin Schmid ist jedenfalls hochzufrieden: „Nach der Behandlung des Knorpels
habe ich keine Probleme mehr. Ich habe
mich in Sindelfingen immer bestens aufgehoben gefühlt. Mein Vertrauen in Dr. Siebert wurde vollkommen bestätigt“, sagt
Schmid.
M
Die Unfallchirurgie
64 Prozent kennen
Höchste Kompetenz
Februar 2007 sind die Abteilungen
ihren Blutdruck nicht fürSeit
Unfallchirurgie aus den Kliniken SindelWie viele Menschen wissen über ihre Blutdruckwerte Bescheid? Wenige, so Dr. Horst
Nebelsieck, geschäftsführender Chefarzt
der Kardiologie am Sindelfinger Krankenhaus. In der SZ/BZ-Serie „Gesund werden,
gesund bleiben“ plädierte er für mehr Eigenverantwortung.
Auf der Internetseite www.szbz.de haben
36 Besucher an der Online-Umfrage zu diesem Thema teilgenommen. Die Frage: „Kennen Sie ihre Blutdruckwerte?“ Die Antwortmöglichkeiten waren: „Ja, ich messe regelmäßig selbst“, „Ja, dank Hausarzt und Apotheke“ und „Nein“.
Das Ergebnis: Zehn Teilnehmer der Umfrage kontrollieren ihren Blutdruck regelmäßig selbst (28 Prozent). Drei lassen die
Werte beim Hausarzt oder in der Apotheke
überprüfen (acht Prozent). Die Mehrheit
kennt ihren Blutdruck nicht (64 Prozent). 23
von 36 Teilnehmern haben demnach bestätigt, was Dr. Horst Nebelsieck und sein
Team regelmäßig in der Klinik feststellen:
Nur wenige kennen ihre Werte. Bluthochdruck sei keine Alterserkrankung, so der
Chefarzt. Darum empfiehlt er, regelmäßig
zum Haus-, Schul- oder Betriebsarzt zu gehen.
– fs –
M
fingen und Böblingen am Standort Sindelfingen zusammengelegt worden. Unter der
Leitung von Prof. Dr. Axel Prokop steht am
Standort Sindelfingen ein hochkompetentes Team mit vier Oberärzten, vier Fachärzten und 4,5 Assistenzärzten rund um die
Uhr bereit, um Verletzungen und Frakturen
mit modernsten Implantaten den aktuellsten Therapierichtlinien zu versorgen.
Ambulanzsprechstunde:
Notfälle: jederzeit
Privatsprechstunde: Montag, Dienstag und Donnerstag ab 14 Uhr
Kassenärztliche Behandlung: (nur möglich mit Überweisung vom Facharzt für Chirurgie, Orthopädie oder
mit Konsilschein von Vertragsärzten) Montag, Dienstag, Donnerstag von 15.15 bis 16.15 Uhr
Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung: Montag,
Dienstag, Donnerstag von 14 bis 17 Uhr, Freitag von
12 bis 14 Uhr
Handsprechstunde: Mittwoch 11 bis 12 Uhr
Schultersprechstunde: Mittwoch 12 bis 14 Uhr
Wundsprechstunde: Mittwoch 14 bis 16 Uhr
Wirbelsäulensprechstunde: Montag, Dienstag, Donnerstag von 15.15 bis 16.15 Uhr
Sportsprechstunde: Freitag 10 bis 12 Uhr
Telefonische Anmeldung zu den Sprechstunden unter 07031/98-12410
M Weitere
Informationen auch unter
www.klinikverbund-suedwest.de im Internet.
SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“
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Welche Verletzungen sind für welche Sportarten typisch?
Professor Dr. Axel Prokop: „Kreuzbandrisse sind ganz typisch beim Fußball, beim
Snowboarden und Skifahren, aber auch
Hand- und Basketballer sind hier gefährdet.
Am häufigsten sind allerdings über alle
Sportarten hinweg Sprunggelenks-Verletzungen. Sehr häufig sind auch Handverletzungen und bei Radfahrern Schlüsselbeinfrakturen.“
Dr. Wolfram Siebert
betrachtet das operierte Knie. Patient
und Arzt sind mit dem
Ergebnis äußerst zufrieden.
Bild: Müller
Professor Dr. med. Axel Prokop ist der Chefarzt der Unfallchirurgie des Klinikums Sindelfingen/Böblingen.
Bild: z
gut wie nichts geholfen hat. Vor zehn Jahren
habe ich in Köln eine minimalinvasive OPMethode mitentwickelt, bei der ein Titanstift eingesetzt wird und die Schulter sofort
wieder belastet werden kann. Dadurch sind
die Patienten wieder viel schneller arbeitsund sportfähig. Eine schnelle Genesung
wird immer wichtiger. Gerade in schwierigeren Zeiten haben die Menschen Angst um
ihren Arbeitsplatz und wollen deshalb so
schnell wie möglich wieder ihren Aufgaben
nachgehen.“
Morgen im …
Trendsport: Flow Tonic –
Abnehmen mit Stoffscheiben
Warum sind Profisportler nach teils schweren Verletzungen wieder so schnell einsatzbereit? Werden Sie anders behandelt, als der
Normalbürger?
Professor Dr. Axel Prokop: „Nein, die Behandlung ist gleich. Es werden keine Unterschiede wischen Normalbürgern und Profisportlern gemacht. Die Profis verdienen allerdings ihr Geld mit dem Sport, deshalb
wird das Risiko hier anders bewertet. Außerdem spielt bei diesen Personen der Muskelaufbau, der stabilisierend wirken kann, eine
entscheidende Rolle.“
Was macht einen guten Operateur aus?
Professor Dr. Axel Prokop: „Auf jeden Fall
die Routine. Ein Arzt wird mit jeder Kreuzband-Operation besser. Je mehr solcher Eingriffe ein Chirurg pro Jahr macht, desto besser beherrscht er sein Fach. Wir haben im
Klinikum sehr erfahrene Ärzte. Die Patienten sind also in besten Händen.“
Ohne Gesundheit ist alles nichts. 2001
belegten Studien des Forschungsinstituts
Allensbach, dass 50 Prozent der Deutschen bei dem Wörtchen Glück spontan
an Gesundheit dachten. Je älter der
Mensch, desto mehr setzt er sich mit seiner Gesundheit auseinander. Wichtigster
Ansprechpartner sind da die Ärzte.
Welche Fachrichtungen decken die
Krankenhäuser Sindelfingen und Böblingen ab? Wie verläuft die Behandlung, wie
erkennt der Laie, dass er betroffen ist,
und was kann er selbst tun? Antworten
finden Sie in der SZ/BZ-Sommerserie
von August bis Ende September. Mittwochs und freitags informiert die SZ/BZ
mit Lesegeschichten, Interviews und Informationskästen über die Kliniken an
den Krankenhäusern Sindelfingen und
Böblingen.
Zur Serie bietet die SZ/BZ Abonnements unter den Mottos „Zehn Wochen lesen, fünf Wochen sparen“ und „Vier Wochen lesen, zwei Wochen sparen“ an. Sie
können diese unter Telefon 0 70 31 /
862 252 oder unter www.szbz.de im Internet bestellen.
In der nächsten Folge geht es um die
Reha-Klinik am Böblinger Krankenhaus.
Maria Eipper hatte Anfang Juni einen
schweren Schlaganfall. Die 77-Jährige
war halbseitig gelähmt. Das Team um
Chefarzt Dr. Karl-Michael Reinauer half
ihr, wieder Halt auf den eigenen Beinen
zu finden.
– fs –
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