Traumatischer Stress und die Folgen

Werbung
TRAUMATISCHER STRESS
UND DIE FOLGEN
1
Traumata: Zahlen und Fakten
• 76 % der Erwachsenen machen im Laufe ihres
Lebens traumatische Erfahrungen
• 35 % - 48 % der Frauen in Deutschland sind von
Gewalterfahrungen betroffen
• 30,2 % der 16 -17 jährigen waren einem
traumatischen Erlebnis ausgesetzt
• 81 % der Kinder und Jugendlichen in der
Jugendhilfe waren multiplenTraumata ausgesetzt
• 40% der Flüchtling leiden unter einer PTBS
2
Arten von Traumata
(nach Francine Shapiro)
• T-Trauma
– „big T“ (Unfälle, Naturkatastrophen, Krieg, Terror, Tod in Familie,
Suizid, Misshandlung, psych. und sexuelle Gewalt, plötzliche
Trennung von Bezugspersonen, schwere Erkrankung)
• t-Trauma
– „smal t“ (Trennung/Scheidung, Misserfolge in Schule,
Bloßstellung, beschämende Ereignisse etc.)
• Sequentielle Traumatisierung
– Wiederholter sex. Missbrauch, Misshandlungen, häusliche Gewalt,
Vernachlässigung
3
Vernachlässigung, Missbrauch,
Gewalterfahrungen
• 115 687 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls
(Statistisch Bundesamt, 2013)
• Davon ca. 40 000 latente bis akute Kindeswohlgefährdung
65 % Anzeichen für Vernachlässigung
26 % psychische Misshandlung
23 % körperliche Misshandlung
5 % sexuelle Gewalt
4
Stresstolerlanzfenster
5
Folgen von traumatischem Stress
Traumainformationen bleiben
unverarbeitet
in verschiedenen Gehirnregionen „stecken“ und
verstören die alltägliche Informationsverarbeitung
KognitiveKörperlicheEmotionaleVerhaltens-
Muster
6
Die traumatische Zange
Traumatisches
Ereignis
„No
Flight“
Keine
Flucht
Angst
Schmerz
Verzweiflung
Hilflosigkeit
Ausgeliefert
Starre
„Freeze“ TRAUMA
Keine
Bindungsperson
Kein
Kampf
„No
Fight“
Ohnmacht
Fragmente
7
Ist das ein Trauma?
Einschätzung belastender
Lebenserfahrungen
8
Traumakontext-Faktoren
 Art des Traumas in seiner:
–
–
–
–
Heftigkeit (Gewalteinwirkung/ Todesgefahr/ Sadismus/ Folter)‫‏‬
Dauer
Häufigkeit/ Wiederholung (multi- u. sequentielle Traumata)‫‏‬
Zeitpunkt/ Entwicklungsalter und -stand des Opfers
•
Verfassung und Stressfestigkeit des /der Betroffenen
•
Stärke der empfundenen Hilflosigkeit, konnte das Opfer sich wehren?
•
Nähe des Täters zum Opfer, emotional/persönlich
•
Geheimhaltungsdruck / Drohungen
•
Positionierung der Bezugspersonen zum Trauma
•
Sicherheit vor und nach dem Trauma
•
Kultur, familiäre Lernerfahrung, Religion
9
Folie nach Lutz Besser
Soziale
Unterstützung
B
E
W
Ä
L
T
I
G
U
N
G
Schwere der Traumatisierung
Monotrauma
Multitrauma
Sequentielle
Traumatisierung
Entwicklungstrauma
(in Kindheit)
Symptomatik
Akute
Belastungsreaktion
PTSD
Angst/Depression
somatoforme Störung
Komplexe
Trauma
Dauer Stabilisierung/Therapie
Integration
Selbsteilung
Kompensation
Persönlichkeitsveränderung
10
Symptome einer PTBS
1. Wiedererleben des
traumatischen Ereignis

Intrusionen (angstbesetzte
Erinnerungszustände)

Flashbacks (Nachhallerlebnisse)


Alpträume
Schlafstörungen
2. Vermeiden von Reizen
 Einschränkung des
Aktivitätsniveaus
3. Übererregung
 Impulsivität, Aggression
 Schlafstörungen
 Konzentrationsprobleme
 Angst
 hohe Schreckhaftigkeit
 Überwachsamkeit
Problematik:
 Dissoziation
(Abspaltungsprozess)
 Amnesie (nicht erinnern
können)
11
Traumaentwicklungsstörung
Experten bezweifeln eine ausreichende
Möglichkeit zur Diagnostik früher und
chronischer Traumatisierungen
12
Entwicklungsspezifisch variable Komorbiditäten können in Zusammenhang
mit einer Traumafolgestörung stehen
Quelle: Schmid et al. 2010
Traumafolgestörung erkennen
Erste Hinweise
14
Spezifische Symptome
von Kindern und Jugendlichen
 Kampf- und Fluchtimpulse (Affektlabilität, Wutausbrüche)
 Unfähigkeit zur Selbstregulation
 Vermeidung (Lügen, Rückzug, Träumen)
 Schlafstörungen / Alpträume / Allgemeine Ängste
 Übererregungszustände, wie Hyperaktivität,
Aufsässigkeit, Trotzreaktionen und Angeberei
 Retardierung (früherer Entwicklungsstand)
 Lern- und Leistungsschwäche (Schulversager)
 Körperliche Un- bzw. Überempfindlichkeit
 Verbergen der wirklichen Gefühle
 Reinszenierung des Traumas (Täter-/Opferseite)
 Bindungsproblematik u. Störung Sozialverhalten
15
Symptome von Erwachsenen
geringe Stresstoleranz (impulsiv, gereizt)
Schlafstörungen
Dissoziative Anzeichen
Vermeidung (Leugnen, Bagatellisieren)
Ängste, Panikattacken, Flashbacks
Beziehungsprobleme
Reinszenierungen (häusliche Gewalt)
Suchttendenzen, Essstörungen, Selbstbetäubung
Psychische / körperliche Erkrankungen
Suizidalität
16
Generationsübergreifende Aspekte
Trauma im Familiensystem
17
Trauma hat einen infektiösen Charakter
• Geschichte der Eltern dringt in die Psyche des Kindes
(unbewusste identifikatorische Teilhabe an dem Leid
der Eltern)
• Verstrickung der Gefühle des Kindes mit der
Geschichte der Eltern
• Identifikation mit narzistisch bedürftigen Eltern
• Eltern brauchen das Kind für eigene Balance
 Störung der Autonomie und
Persönlichkeitsentwicklung des Kindes
18
Traumatisierte Eltern
• Laufen Gefahr eigene traumatische Erfahrungen
mit ihren Kindern zu wiederholen
• Agieren ängstlich und unsicher
• Oder aggressiv und beherrschend
• Sind häufig nicht in der Lage ihrem Kind eine
sichere Bindung anzubieten (Feinfühligkeit)
 Folgen für Kinder traumatisierter Eltern:
• Entwicklung einer Bindungsstörung
• Gefahr selbst traumatisiert zu werden
19
Deutsche
Traumafolgekostenstudie
Ökonomische Expertise zu
Traumafolgekosten in Deutschland
Bundesministerium
für Bildung und Forschung
2012
http://igsf.de/
Fragen der Studie
• Welche relevanten Zusammenhänge zwischen
Traumatisierung und Traumafolgestörung gibt es?
• Erfüllt die aktuelle Versorgungslage die
spezifischen Anforderungen bei Traumatisierung
bzw. Traumafolgestörung hinreichend?
• Welche ökonomische Tragweite haben
Traumafolgestörungen?
• Wie können der Status quo verbessert und so
Traumafolgekosten gespart werden?
Es gibt „…Zusammenhängen und Wirk-mechanismen
zwischen Traumatisierung als Kind/Jugendlicher und
lebenslangen Folge-erscheinungen. Putnam macht
anhand zahl-reicher Quellen deutlich, dass viele,
vielleicht sogar die meisten von Kindesmisshandlung/missbrauch und Vernachlässigung Betroffenen
wesentliche
Einschränkungen
ihrer
sozialen,
emotionalen und körperlichen Entwicklung erleiden,
verbunden mit einem erhöhten Risiko u.a. für
psychische Störungen, Alkohol- und Drogenprobleme
sowie körperliche Erkrankungen als Folgestörungen im
Erwachsenenalter.“ (vgl. Studie S. 21)
23
In Zusammenhang mit belastenden Lebensereignissen
Übergewicht
Diabetes
PTBS
Depression/
Suizidalität
Störung des
Sozialverhaltens
Angststörung/
Phobien
Traumafolge
Störungen
Dissoziative
Störungen
Persönlichkeitsstörungen
Somatoforme
Störung
Sucht
Zwangsstörungen
Herzerkrankungen
Kindheitstrauma
• Ist kein Randphänomen
• Beträchtliches Risiko für nachhaltige,
komplexe Störungen
• Kann sich in zahlreichen Erkrankungen äußern
• Hohe Beanspruchung des Gesundheitssektors
• Einschränkung der pers. Entwicklung und
Leistungsfähigkeit
• Muss von der gesamten Gesellschaft
aufgefangen werden
Was kostet es uns
Ökonomische Auswirkungen
26
Kostenbereiche von Traumafolgen
Direkte Kosten
• Behandlungskosten in direktem Zusammenhang
mit Traumatisierung
• Erste Anlaufstelle für Traumatisierte (soz.
Instititutionen)
• Täterbezogene Kosten (Polizei / Justiz)
• Persönliche Kosten, Verluste
• Verlust an Lebensqualität
Kostenbereiche von Traumafolgen
Indirekte Kosten
• Aufwendungen im Bildungssektor
• Kinderschutz und Jugendhilfe als
sekundäre Anlaufstelle für auffällige
Kinder/Jugendliche
• Delinquenz und Jugendkriminalität
• Kriminalität im Erwachsenenalter
• Fremdunterbringung
Kostenbereiche von Traumafolgen
Indirekte Kosten
• Gesundheitswesen (Kosten durch
Folgeerkrankung, teilw. chronisch)
• Minderung der individuellen
volkswirtschaftlichen Produktivität
• Persönliche Kosten und Verluste
• Übergeordnete volkswirtschaftliche
Verluste
– Ineffizienz aufgrund staatlicher Eingriffe
11 Milliarden Euro
Jährlicher Betrag
durch Folgen von
Kindesmisshandlung/-missbrauch
und Vernachlässigung
Forderungen die sich daraus ergeben
• Intensivierung der Forschung (Epidemiologie,
Diagnostik, Therapie, naturwissenschaftlicher
Grundlagen)
• Stärkere Berücksichtigung und Streuung der bereits
vorhandenen Erkenntnisse in den einzelnen
Fachdisziplinen
• Zielgerichtete, organisierte Vernetzung der
Versorgungsstrukturen untereinander, insbesondere
für Kinder und Jugendliche
Weitere Forderungen
• Optimierung der Vorgehensweisen innerhalb
einzelner Versorgungsstrukturen unter Einsatz
standardisierter Handlungsabläufe und
Instrumente
• Intensivierung der öffentlichen Aufklärung
• Herstellen von Transparenz auf der
Kostenseite
32
Ausbau einer spezialisierten
Versorgung
• Traumatisierte Kinder benötigen ebenso schnelle und
professionelle Hilfe wie Kinder mit schweren
körperlichen Verletzungen
• Ein schneller und unbürokratischer Zugang ist notwendig
(Verschlimmerung vermeiden)
• Interdisziplinäre Vernetzung von Jugendämtern, Schulen,
Therapeuten, Gemeinwesen und freien Trägern
Versorgungslücken
Forderungen
Vorschläge
• Therapieplätze ohne
lange Wartezeit
• Aus- und Weiterbildung
von Ärzten und
Therapeuten
• Integriertes, ambulantes
Behandlungsangebot
• Nutzung bestehender
Strukturen und
Hilfesysteme
• Aufbau eines gemeinsamen
Hilfesystems
„Rehabilitation“
– Um Versorgungslücken
zu schließen
• Umgestaltung des Opferentschädigungsgesetztes
Studie S. 18
WARUM
sollte sich die Jugendhilfe in Deutschland
dafür interessieren?
• Humanitäre Gesichtspunkte
 unverschuldete traumatisierte Kinder
 leiden u. U. lebenslang an diversen Folgeschäden
» …sollten mit allen verfügbaren Mitteln in der
Bewältigung ihrer Leidensgeschichte
unterstützt werden…
» Die Betrachtung der Zusammenhänge
zwischen Traumatisierung und Traumafolgestörung eröffnet nicht nur einen
gesellschaftlichen Diskurs um Wiedergutmachung, Anerkennung und adäquaten
Umgang, sondern auch neue sozial- und
gesundheitspolitische Perspektiven.
Der innere sichere Ort
36
Diskussion und Abschluss
37
Herunterladen