FÖRDERUNG SOZIALER UND KULTURELLER ZIELE DURCH VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN AM BEISPIEL ÖSTERREICHS Stichworte zum Referat von Michel Walter 1. Vorbemerkungen 1.1. Materielles Urheberrecht – grundsätzliche Beteiligung am Verwertungserfolg verhältnismäßig gut entwickelt offene Fragen im digitalen Umfeld Gegenbewegungen gegen Urheberrecht beruft sich auch auf ein Versagen der „Verteilungsgerechtigkeit“ 1.2. „Geometrische Gerechtigkeit“ im urheberrechtlichen Zusammenhang1 ungleiche Verwertungschancen – ungleiche Situationen Vergleich Konsumentenschutz in der EU (Konsumentenschutz „hohes Verbraucherschutzniveau“ Art 169 AEUV – Kultur „Beitrag“ Art 167 AEUV/EuGH) Frage der Weltanschauung („Urheberrecht mit dem menschlichen Antlitz“2) 1.4. Möglichkeiten eines Ausgleichs im Urheberrecht („Umverteilung“) Urhebervertragsrecht Verwertungsgesellschaftenrecht 1.5. Urhebervertragsrecht Deutschland o Stammgesetz 1965 o „Stärkungsgesetz“ 2002 o AGB-Kontrolle vielfach unterentwickelt zB Österreich Verwertungsgesellschaften: Gesamtverträge – Satzungen (Verhandeln „auf Augenhöhe“) 2. Ziele und Möglichkeiten eines sozialen und kulturellen Ausgleichs durch Verwertungsgesellschaften (Rechtsgrundlagen) 2.1. Ziele eines Ausgleichs durch Verwertungsgesellschaften zwischen Verwertungsgesellschaften – Ausgleich eventueller Benachteiligungen einzelner Kunstsparten durch die (neuen) Medien innerhalb einer Verwertungsgesellschaft o zwischen einzelnen Gruppen (Verleger – Urheber; Produzenten – ausübende Künstler; Filmproduzenten – Filmurheber; Komponisten - Textautoren) o zwischen kulturell wertvollen Werken/Leistungen und kommerziellen; zwischen Originalwerken, Bearbeitungen und bloßen Arrangements o zwischen kommerziell erfolgreichen und weniger erfolgreichen Werken/Leistungen o zwischen sozial Schwächeren und Stärkeren o zwischen „inländischen“ und „ausländischen“ Werken/Leistungen 2.2. Möglichkeiten eines Ausgleichs durch Verwertungsgesellschaften Verteilungsbestimmungen (unterschiedliche Bewertung) Aufteilungsvereinbarungen zwischen Verwertungsgesellschaften 1 iustitia distributiva. 2 Vgl Michel Walter, Urheberrecht mit dem menschlichen Antlitz – Ansätze und Ziele eines ausgleichenden (sozialen) Urheberrechts, Present Problems of Copyright and Industrial Property, in FS für Karel Knap (1989), 129; siehe auch ders, Die vier Säulen des Urheberrechts – Zugleich eine Standortbestimmung der österr Urheberrechtsreform nach der UrhGNov 1997, ZfRV 1999, 88. -2- Sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen 2.3. Rechtsgrundlagen Gesetzliche Ermächtigung (fakultativ oder zwingend) im Rahmen der Selbstverwaltung von Verwertungsgesellschaften o Verteilungsbestimmungen nach den internen Regeln der Verwertungsgesellschaften (gesellschaftsrechtlicher Konsens) o Zuweisungen an SKE nach den internen Regeln der Verwertungsgesellschaften (gesellschaftsrechtlicher Konsens) o Gegenseitigkeitsverträge zwischen Verwertungsgesellschaften o Internationaler Konsens zwischen Verwertungsgesellschaften 3. Die Förderung sozialer und kultureller Ziele durch Verwertungsgesellschaften in Österreich Bewertung „kulturell hochwertiger“ Werke im Bereich der Aufführungs- und senderechte (in den Verteilungsbestimmungen) o gesetzliche Regelung (§ 14 Abs 1 VerwGesG 2006) o Einschränkung im Vergleich zum bisherigen Recht (VerwGesG 1936) nur Werke erwähnt Beschränkung auf Aufführungs- und Senderecht Vortrags- und Vorführungsrecht nicht erwähnt „nach Tunlichkeit“ SKE fakultative gesetzliche Regelung o „Kann-Bestimmung“: für Bezugsberechtigte und nahe Angehörige (§ 13 Abs 1 VerwGesG 2006) o internationaler Konsens bis zu 10% SKE zwingende gesetzliche Regelung (§ 13 Abs 2 öVerwGesG 2006) o Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung Ausnahme: Verwertungsgesellschaft-Rundfunk (VGR), die nur Rundfunkunternehmer als Bezugsberechtigte hat keine zwingenden sozialen Einrichtungen (aber kulturelle) o zwingend 50% der Einnahmen aus der LKV den SKE zuzuführen o Verordnungsermächtigung: Bundeskanzler kann feste Regeln aufstellen (hiervon wurde bisher keinen Gebrauch gemacht) ausgewogenes Verhältnis zwischen sozialen und kulturellen Einrichtungen Soziale Einrichtungen: Vorrang der Unterstützung in Notlagen Kulturelle Einrichtungen: Förderung der Interessen der Bezugsberechtigten o Verständnis der sozialen Einrichtungen: Bericht des JA 1986 (weites Verständnis zB Verlegerpensionen) 4. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „austro mechana – Amazon Gesellschaften“3 3 4 Grundsätzliche Zulässigkeit einer indirekten Verteilung im Weg von SKE4 Voraussetzungen: o nicht diskriminierend EuGH 27.06.2013 C-457/11 bis 460/11 – “austro mechana/Amazon Gesellschaften” MR 2013, 172 (Michel Walter) = ecolex 2013/337, 812 (Axel Anderl) = GRUR 2013, 1025 = GRUR Int 2013, 949 = EuZW 2013, 741 = CRi 2013, 632 = ZUM 2013, 780 = ÖBl 2013/69, 283 = ÖBl 2013/69, 283 = ZIR 2013, 378 (Sascha Jung/Georg Streit). Vorlagebeschluss des OGH 20.09.2011 4 Ob 79/11p – „Amazon/Vergütung für Trägermaterial“ (Vorlagebeschluss) MR 2011, 369 (Michel Walter) = wbl 2011/252, 686 = ÖBl-LS 2012/5, 11 = ÖBl 2012/24, 86 (Manfred Büchele) = GRUR 2012, 262. -3- o müssen den Rechteinhabern zu Gute kommen OGH: de facto Benachteiligung von Ausländern schadet nicht5 Offene Fragen: o nicht diskriminierend Mitgliedschaft: keine Differenzierung zwischen Inländern und Ausländern, inländischem Wohnsitz/gewöhnlichem Aufenthalt im Inland/Lebensmittelpunkt Beschränkung auf Bezugsberechtigte Richtlinien der österreichischen Verwertungsgesellschaften: auf Websites veröffentlicht (deutsch) nicht diskriminierend - aber Inlandsschwerpunkt Gesamteinnahmen enthalten freilich auch Auslandsanteile (Klarstellung durch den Gesetzgeber der UrhGNov 1986 nach dem Verfahren austro mechana geg GEMA6 o kommen den Rechteinhabern zu Gute Folgen einer eventuellen Unionsrechtswidrigkeit 5. VerwGes-RL 5.1. Soziale, kulturelle und Bildungseinrichtungen (SKBE ) grundsätzliche anerkannt 5.2. Keine verpflichtende Einrichtung7 5.3. Verwaiste Werke-RL: versäumte Chance 5.4. Repräsentationsverträge: nur Verwaltungskosten dürfen abgezogen werden 6. Rechtliche Problemstellungen 5 6 7 Verfassungs- und unionsrechtlicher Gleichheitssatz/Diskriminierungsverbot (Art 18 AEUV) o keine Willkür - geometrische Gerechtigkeit o EuGH: austro mechana/Amazon Gesellschaften Inländerbehandlungsgrundsatz der internationalen Urheberrechtskonventionen o für Leerkassettenvergütung nur im Fall uneingeschränkter Inländerbehandlung relevant Inländerbehandlung ieS: generelle Inländerbehandlung RBÜ Rom-Abkommen (strittig) Inländerbehandlung iwS: nur für die in dem Abkommen gewährten Rechte TRIPs-Abkommen u.a. o SKE als teilweiser Ausgleich fehlender materieller Reziprozität zulässig (?) OGH 27.08.2013 4 Ob 142/13f – „Amazon/Vergütung für Trägermaterial II“ MR 2013, 327 (Michel Walter) = RZ 2014/60, 41 = ÖBl 2014/8, 33 (Manfred Büchele) = = RdW 2011/665, 641 = ecolex 2013, 640 (Anderl/Grama) = RZ 2012/EÜ 21, 40. OGH 14.07.1987 4 Ob 361/86 – „Leerkassettenvergütung I/Austro-Mechana/GEMA“ MR 1987, 212 (Michel Walter) = ÖBl 1987, 136 = JBl 1987, 647 = GRUR Int 1988, 365 = ZUM 1988, 459. Krit auch Adolf Dietz, La proposition de la directive sur les sociétés de gestion collective du 11 juillet 2012 et la diversité culturelle – Une occasion ratée, in FS André Lucas (2014) 237. -4- Auszug aus dem österr VerwGesG 2006 § 11. (1) Die Verwertungsgesellschaften müssen mit den Rechteinhabern auf deren Verlangen zu angemessenen und einheitlichen Bedingungen einen Vertrag über die Wahrnehmung der zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche schließen (Wahrnehmungsverträge). Voraussetzung ist, dass der Rechteinhaber österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Hauptwohnsitz im Inland hat; Angehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums stehen österreichischen Staatsbürgern gleich. Personen, die mit einer Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen haben, werden in diesem Bundesgesetz als deren Bezugsberechtigte bezeichnet. (2) Beabsichtigt eine Verwertungsgesellschaft, die allgemeinen Vertragsbedingungen für die Schließung von Wahrnehmungsverträgen zu ändern, so hat sie dies der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Die Aufsichtsbehörde kann die Anwendung der geänderten Vertragsbedingungen binnen vier Wochen ab Einlangen der Anzeige untersagen, soweit sie dem Gebot der Angemessenheit und Einheitlichkeit widersprechen; vor Ablauf dieser Frist dürfen die geänderten Vertragsbedingungen nicht angewendet werden. (3) Die Aufsichtsbehörde hat auf Antrag einer Verwertungsgesellschaft, eines gesamtvertragsfähigen Rechtsträgers (§§ 21 und 26) oder eines Nutzers mit Bescheid festzustellen, dass eine Verwertungsgesellschaft für ihren ganzen Tätigkeitsbereich oder einen bestimmten Teil davon die Rechte und Ansprüche am nahezu gesamten Bestand an Werken oder sonstigen Schutzgegenständen wahrnimmt. Die Feststellung begründet die Vermutung, dass die Verwertungsgesellschaft in dem vom Bescheid umschriebenen Bereich die Rechte am gesamten Bestand an Werken oder sonstigen Schutzgegenständen wahrnimmt, sofern nicht das Gegenteil bewiesen wird. Soweit die Voraussetzungen für die Feststellung in der Folge wegfallen, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben; zum Antrag sind die oben genannten Personen berechtigt. § 13. (1) Verwertungsgesellschaften können für ihre Bezugsberechtigten und deren Angehörige sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen schaffen. (2) Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche auf Leerkassettenvergütung geltend machen, haben sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen zu schaffen und diesen 50% der Gesamteinnahmen aus dieser Vergütung abzüglich der darauf entfallenden Verwaltungskosten zuzuführen. Die Verpflichtung zur Schaffung sozialer Einrichtungen gilt jedoch nicht für Verwertungsgesellschaften, deren Bezugsberechtigte ausschließlich Rundfunkunternehmer sind. (3) Die Verwertungsgesellschaften haben für Zuwendungen aus ihren sozialen und kulturellen Einrichtungen feste Regeln aufzustellen. (4) Mit Beziehung auf die den sozialen und kulturelln Einrichtungen aus der Leerkassettenvergütung zugeführten Mittel kann der Bundesminister für Justiz durch Verordnung bestimmen, auf welche Umstände die nach Abs. 3 aufzustellenden Regeln Bedacht nehmen müssen. Durch eine solche Verordnung ist insbesondere sicherzustellen, dass [BGBl. I Nr. 1/2010] 1. zwischen den Zuwendungen an die sozialen Einrichtungen einerseits und an die kulturellen Einrichtungen andererseits ein ausgewogenes Verhältnis besteht; 2. im Bereich der sozialen Einrichtungen in erster Linie einzelnen Bezugsberechtigten Unterstützung in Notlagen gewährt werden kann; 3. durch die Zuwendungen im Bereich der kulturellen Einrichtungen die Interessen der Bezugsberechtigten gefördert werden. § 14. (1) Die Verwertungsgesellschaften haben ihre Einnahmen nach festen Regeln, die ein willkürliches Vorgehen ausschließen, an ihre Bezugsberechtigten zu verteilen (Verteilungsregeln). In den Verteilungsregeln sind kulturell hochwertige Werke im Bereich der Aufführungs- und Senderrechte nach Tunlichkeit höher zu bewerten als weniger hochwertige, Originalwerke höher als Bearbeitungen. (2) Die Verteilung auf die einzelnen Bezugsberechtigten hat möglichst genau und nachvollziehbar zu geschehen, soweit dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist.