Ziemlich sicher, rentabel und unbekannt

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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG VOM 5. DEZEMBER 2016
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FESTVERZINSLICHE ANLAGEN
Ziemlich sicher, rentabel und unbekannt
Senior Secured Loans – die kleinen, aber feinen Geschwister der
Hochzinsanleihen
Michael Schäfer
Es gibt nicht viele Segmente im festverzinslichen Bereich, die im derzeitigen Umfeld attraktive
Renditen abwerfen. Und ebenso gibt es nicht viele, deren Anleger sorglos in die Zukunft
blicken können, zumindest was die Zinsentwicklung anbelangt. Sogenannte Senior Secured
Loans (SSL) bieten beides. Auch wenn es diese Anlagen seit den 1980er Jahre gibt und ihr
Marktvolumen laut Angaben der Credit Suisse mit über 1,1 Bio. $ das der Hochzinsanleihen
klar übertrifft, sind sie dem breiten Publikum in der Schweiz unbekannt.
Computer und Ketchup
Im Gegensatz zu den USA, wo auch Kleinanlegern entsprechende Fonds und ETF angeboten
werden, landen sie hierzulande zumeist in den Portfolios von institutionellen Anlegern.
Allerdings können auch Schweizer Privatanleger in SSL-Fonds investieren, etwa wenn ihre
Bank solche im Rahmen einer Vermögensverwaltung erwirbt oder wenn sie selbst qualifizierte
Investoren sind, d. h. über ein Finanzvermögen von mehr als 2 Mio. Fr. verfügen.
Bei SSL, die mitunter auch als Leveraged Loans oder Senior Bank Loans bezeichnet werden,
handelt es sich um Darlehen, die von Bankenkonsortien an Unternehmen vergeben werden.
Zu den Kreditnehmern zählen etwa der Computerhersteller Dell, die Fluggesellschaft
American Airlines oder der Lebensmittelkonzern H. J. Heinz. Anders als Obligationen sind
SSL keine Wertpapiere und folglich auch nicht an einer Börse kotiert. Der Handel findet
ausschliesslich im von Banken und Brokern betriebenen Over-the-Counter-Geschäft (OTC)
statt.
SSL besitzen eine Reihe von Besonderheiten. So sind sie vorrangig (Senior) gegenüber anderen
Finanzierungsinstrumenten wie Anleihen und Aktien. Bei einem Zahlungsausfall des
Schuldners werden die SSL-Gläubiger also zuerst bedient. Ausserdem sind sie besichert
(Secured), die gesamten Vermögenswerte des Unternehmens haften für sie. Davon
ausgenommen sind lediglich Vermögenswerte, auf die bereits anderweitig ein Zugriffsrecht
besteht. Denkbar ist etwa eine Immobilie, die mit einer Hypothek belastet ist.
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG VOM 5. DEZEMBER 2016
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Variable Verzinsung
Besonders interessant im gegenwärtigen Umfeld ist, dass SSL anders als konventionelle
Anleihen variabel verzinst sind. Die Gläubiger erhalten einen kurzfristigen Zins (z. B. Libor)
plus einen Risikoaufschlag, der in den USA in der Vergangenheit bei durchschnittlich 464
Basispunkten (4,64 Prozentpunkte) lag. Während ein Zinsanstieg bei normalen Anleihen
Kursverluste auslöst, die umso grösser ausfallen, je länger deren Laufzeit und je niedriger der
Coupon ist, ist das Zinsrisiko bei den SSL sehr gering. Wegen der variablen Verzinsung wird
der Coupon regelmässig und in kurzen Abständen von meist drei Monaten an die
Marktgegebenheiten angepasst.
Die ansehnlichen Coupons kommen aber nicht von irgendwoher. Mit den SSL sind Risiken
verbunden, die zwischen jenen von Anleihen mit guter Bonität und Hochzinsanleihen
einzustufen sind. Viele der Firmen, die auf diese Weise Kapital aufnehmen, besitzen eine hohe
Verschuldungsquote und ihre Loans ein Rating von «BB» oder «B», also unterhalb der
Kategorie «Investment Grade». Aufgrund der Besonderheiten (Vorrang und Besicherung)
mussten jedoch selbst in der Finanzkrise von 2008 weniger als 3% der investierten Gelder
abgeschrieben werden.
Leidliche Liquidität
Dennoch brachen die Kurse der SSL damals stark ein. Auch wenn man die Zinserträge
hinzuzählt, war 2008 ähnlich einschneidend wie bei Hochzinsanleihen. Zum Jahresende stand
bei den SSL ein Minus von rund 29% zu Buche. Der Hauptgrund für den starken Einbruch war
jedoch in der eingeschränkten Liquidität der Anlageklasse zu finden. Während diese in
normalen Zeiten zumindest in den grossen Loans als gut bezeichnet wird, konnten SSL in der
Finanzkrise – wie viele andere risikobehaftete Anlageklassen – nur mit grossen Abschlägen
verkauft werden.
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Wer sich damals nicht von seinen Positionen trennte, wurde schon bald für seinen
Durchhaltewillen belohnt. Bereits 2009 legten die SSL über 40% zu. Zwischen 2008 und 2010
betrug die durchschnittliche Rendite immerhin 4,3% pro Jahr. Seit 2000 lag sie in den USA
(der europäische Markt ist nicht einmal ein Fünftel so gross) bei ansehnlichen 5% und in den
vergangenen fünf Jahren sogar bei 5,7%. Dies, obwohl 2015 einer der wenigen nennenswerten
Rückschläge zu verzeichnen war. Einerseits wegen vergleichsweise hoher Ausfallquoten bei
Energie- und Rohstofffirmen. Andererseits, weil etliche Privatanleger, die SSL-Fonds als
Absicherung gegen steigende Zinsen gekauft hatten, diese verkauften, nachdem der Anstieg
zunächst ausgeblieben war.
Setzt man die historischen Renditen ins Verhältnis zu den Kursschwankungen, sind SSL laut
Angaben des Fondsanbieters Invesco gegenüber Hochzinsanleihen, aber auch solchen mit
guter Bonität (Investment Grade) überlegen. Zudem seien die derzeit gebotenen
Risikoprämien im Vergleich zu den erwarteten Ausfällen hoch, der Zeitpunkt für ein
Investment also nicht nur wegen des drohenden Zinsanstiegs günstig.
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