1 Kontaktmechanik und Reibungsphysik / Prof. Popov / Vorlesung 6

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Kontaktmechanik und Reibungsphysik / Prof. Popov / Vorlesung 6.
Kontakt zwischen rauen Oberflächen. Elektrische und thermische Kontakte.
kraft ist. Wir erwarten deswegen einen ungeI. Einführung. Die Oberflächenrauhigkeit hat
fähr linearen Anstieg der Kontaktfläche mit
einen sehr großen Einfluss auf viele physikalider Normalkraft.
sche Phänomene wie Reibung, Verschleiß,
Verdichtungen, Adhäsion, selbstklebende
Die Situation verändert sich wesentlich, wenn
wir berücksichtigen, dass die realen OberfläSchichten, elektrische und thermische Konchen in der Regel stochastisch rau sind. Distakte. Wenn zwei Körper mit rauen Oberflächen aneinander gedrückt werden, so ist die
kutieren wir ein Modell, dass 1966 von J.A.
Greenwood and J.B.P. Williamson vorge„reale Kontaktfläche“ zunächst sehr viel kleischlagen wurde (GW-Modell). Wir nehmen
ner als die „scheinbare Fläche“. Die Größe der
im Weiteren an, dass alle Rauhigkeiten den
„realen Kontaktfläche“ bestimmt z.B. den
gleichen Krümmungsradius R haben, die Höelektrischen und den thermischen Widerstand
hen der Spitzen ("Asperiten") aber stozwischen Körpern. Die Größe der Kontaktgechastisch um ein Mittelniveau verteilt sind.
biete und der maximalen Spannungen bestimmt letztendlich die Größe von VerscheißN 0Φ( z )dz sei die Anzahl von Asperiten mit
teilchen und somit die Verschleißgeschwinder Höhe zwischen z und z + dz . N Φ( z )0 ist
digkeit. Auch für die Reibungsprozesse ist die
die Verteilungsfunktion der Asperiten nach
Größe des realen Kontaktgebietes von ausihrer Höhe, N ist die Gesamtheit von Asperischlaggebender Bedeutung. Als mikroskopiten.
sche Ursache für die Reibungskraft kann man
sich den Bruch der mikroskopischen Bindungen zwischen den kontaktierenden Oberflächen vorstellen. Die Bruchfestigkeit und somit die Reibungskraft sollten nach diesen
Vorstellungen etwa proportional zu der „realen Kontaktfläche“ sein.
II. Modell von Greenwood and Williamson.
Wir beginnen mit einer Diskussion von rauen
Oberflächen im elastischen Kontakt. Das einfachste Modell einer rauen Oberfläche besteht
aus einer regulären Reihe von gleichförmigen
Rauhigkeiten, die den gleichen Krümmungsradius und die gleiche Höhe haben.
Die Behandlung eines Kontaktproblems zwischen solchen Flächen ist einfach: die Gesamtkraft ergibt sich als Summe von gleichen
Kräften, die sich mit der Hertzschen Kontakttheorie berechnen. Die einzelne „Mikrokontaktfläche“ und somit die gesamte Kontaktfläche ist in diesem Fall ∆A ∼ F 2 3 . Das widerspricht sowohl direkten Experimenten als
auch dem Amontongesetz, nach dem die Reibungskraft ungefähr proportional zur Normal-
Bild. Höhenverteilungen für zwei Asphaltstraßen.
Für viele technische und natürliche Oberflächen kann angenommen werden, dass die Höhen normal verteilt sind:
1/ 2
z2
− 2
⎛ 1 ⎞
2l
e
.
(1)
Φ( z ) = ⎜
2 ⎟
2
l
π
⎝
⎠
Betrachten wir einen Kontakt zwischen einem
elastischen Körper mit der beschriebenen
Rauhigkeit und einer starren Ebene im Abstand d vom Mittelniveau, welches als Null
der z-Achse angenommen wird.
Bild. Modell einer stochastischen Oberfläche nach
Greenwood und Williamson.
1
Alle Asperiten mit z > d sind im Kontakt mit
der starren Ebene. Die „Eindrucktiefe“ eines
Asperiten mit der Höhe z beträgt δ = z − d .
Für einen einzelnen Kontakt erhalten wir aufgrund der Hertzschen Theorie a 2 = δ ⋅ R
(Gleichung (24) im Kapitel „Hertzscher Kontakt“). Somit gilt für die Kontaktfläche
∆A = π r02 = πδ ⋅ R .
(2)
Für die Einzelkraft ergibt sich
4
(3)
∆F = E * R1/ 2δ 3 / 2 .
3
Die Gesamtzahl von Kontakten, Gesamtkontaktfläche und Gesamtkraft L sind gleich:
I (2) ≈ 0.2 kann man grob annehmen, dass
(7)
∆A ≈ Rl
Die mittlere Größe eines mikroskopischen
Kontaktgebietes bleibt demnach praktisch
konstant (oder ändert sich nur sehr langsam)
bei Änderung der Kraft und der Kontaktfläche
um einige Größenordnungen.
Für das Verhältnis der Kontaktfläche zur
Kraft erhält man
∞
A
=
F
(5)
4
F = ∫ N 0 Φ ( z ) E * R1/ 2 ( z − d )3/ 2 dz . (6)
3
d
Für die mittlere Kontaktfläche eines Asperiten
erhalten wir
∞
∫ dzN Φ( z )π R ⋅ ( z − d )
0
∞
∫ dzN Φ( z )
0
d
wobei q = d / 2l und
q
exp(− z 2 )( z − q)dz
∫
∞
q
1/ 2
( z − d )3/ 2 dz
3R1/ 2 I1 (q )
4 ⋅ 21/ 4 l1/ 2 E *
∫
exp(− z 2 )dz
Diese Funktion ist
im nebenstehenden Bild gezeigt.
Zu bemerken ist,
dass sie sich bei
der Änderung der
Variablen q nur
relativ
schwach
ändert (um ungefähr das Dreifache). Im Gleichen
Intervall
ändert
sich die Kontaktfläche selbst um 5
Zehnerpotenzen!
Für
"typischen
Wert" q ≈ 2 gilt
∫
∞
q
∞
q
exp(− z 2 )( z − q)dz
exp(− z 2 )( z − q)3/ 2 dz
. I1 (2) ≈ 1.69
E ist leicht festzustellen, dass in diesem Fall
d
∞
∫
4
∫ N Φ( z ) 3 E * R
I1 (q) =
A = ∫ N 0 Φ ( z )π R( z − d )dz
I (q) =
∞
(4)
d
∞
∞
=
d
N = ∫ N 0 Φ ( z )dz ;
d
0
d
0
∞
A
∆A = =
N
∫ N Φ( z )π R( z − d )dz
= 2π RlI (q)
1/ 2
A 1 ⎛R⎞
≈
(8)
⎜ ⎟
F E* ⎝ l ⎠
Die Kontaktfläche ist bis auf eine sehr schwache logarithmische Abhängigkeit proportional
zur Normalkraft! Der mittlere Druck ergibt
sich aus derselben Gleichung durch Umkehren:
1/ 2
F
⎛l ⎞
σ ≈ ≈ E* ⎜ ⎟
A
⎝R⎠
.
(9)
In der modernen Literatur zur Kontaktmechanik findet man oft eine andere Form für das
Verhältnis F / A für raue Oberflächen. Man
kann diese Form qualitativ wie folgt herleiten.
Das Verhältnis F / A kann bis auf einem konstanten
Koeffizienten
als
Mittelwert
∆F / ∆A für einzelne Mikrokontakte abgeschätzt werden und dieses wiederum bis auf
ein Konstante der Größenordnung 1 als
( ∆F / ∆A)
2
. Da das Verhältnis F / A von
der Anpresskraft (bzw. Annäherung der Flächen) nur schwach abhängt, können wir es für
d = 0 abschätzen:
F
∼
A
( ∆F / ∆A)
2
2
∼
⎛ 4E * ⎞ z
.
⎜
⎟
⎝ 3π ⎠ R
Der Krümmungsradius einer Kappe wird berechnet als 1/ R = − z ′′ . Somit bekommen wir
für das Verhältnis F/A
2
F 4E *
4E *
z ′2 .
∼
− z ⋅ z ′′ =
A
3π
3π
Diese Gleichung fasst man zusammen zu
F
= κ E * z ′2
(10)
A
wobei κ ein Koeffizient ist, der nur schwach
von statistischen Eigenschaften der Oberfläche abhängt und in der Regel die Größenordnung 2 hat. Charakteristische Spannung in
Mikrokontakten ist daher gleich dem Produkt
aus dem elastischen Modul und quadratischem Mittelwert der Steigung der Oberfläche.
II. Plastische Deformation von Kontaktspitzen
Ist der Druck (9) kleiner als die Härte des Materials, so verhält sich die Oberfläche beim
Kontakt elastisch. Ist sie größer als die Härte,
werden sich die meisten Asperiten plastische
deformieren. Ob sich das System elastisch
oder plastisch verhält hängt nicht von der angelegten Normalkraft!
Der Anteil von plastisch deformierten Asperiten hängt von der Belastung nicht ab!
Machen wir eine Abschätzung für typische
Werte (für harte Metalle) E ∼ 1011 Pa ,
σ c ∼ 109 Pa . Persson gibt für verschiedene
Oberflächen folgende charakteristische Werte
von (R/l) an: „raue Oberflächen“ ( R / l ) ∼ 10 ,
„geschliffene Oberflächen“ ( R / l ) ∼ 100 , „polierte Oberflächen“ ( R / l ) ∼ 104 . Daraus folgt:
bei den meisten Oberflächen (außer hoch polierten) sind fast alle Asperiten im plastischen
Zustand! Das bedeutet, dass die obige Berechnung nicht mehr gilt.
Im plastischen Zustand können wir die Größe
der Kontaktfläche abschätzen, indem wir bemerken, dass der Druck in allen Asperiten
ungefähr gleich der Härte ist. Das bedeutet,
F
dass A ≈
. Somit ist die Kontaktfläche ex-
σc
akt proportional zur Normalkraft!
Ein numerisches Bespiel
Betrachten wir einen stählernen Würfel mit
der Kantenlänge 10 cm auf einem stählernen
Tisch. Für die Parameter σ c ∼ 109 Pa ,
A = 102 /109 = 10−7 = 0,1mm 2 , A / A0 = 10−5 .
Beim Durchmesser eines Kontaktes 10 µm
beträgt die Zahl der Kontakte N ≈ 1000 .
III. Elektrische Kontakte
Eine wichtige Anwendung der Kontakttheorie
sind elektrische und thermische Kontakte. In
einem elektrischen Kontakt wird elektrischer
Strom von einem leitenden Körper zum anderen nur über die Bereiche übertragen, in welchen ein sehr enger Kontakt existiert - in der
Regel ein "atomar dichter" Kontakt. Auf den
ersten Blick soll das dazu führen, dass die
Qualität eines Kontaktes sehr stark von der
Topographie der kontaktierenden Körper abhängt und darüber hinaus starke Fluktuationen
aufweist. Wir diskutieren in diesem Abschnitt
die Ursachen, warum elektrische Kontakte in
meisten Fällen doch sehr zuverlässig funktionieren und wie man die zur Erzeugung eines
gewünschten Kontaktes erforderliche Anpresskraft berechnet.
Elektrische Leitfähigkeit Λ ( Λ = 1/ R , wobei
R der so genannte Engewiderstand des Kontaktes ist) eines runden Kontaktes mit dem
Radius a wird durch die Gleichung
2a
Λ=
(11)
ρ
geben, in der ρ spezifischer Widerstand des
Leiters ist. Gibt es mehrere Mikrokontakte, so
werden die Leitfähigkeiten aller Engwiderstände summiert. Für die gesamte Leitfähigkeit des Kontaktes ist daher die Summe
von Kontaktradien aller Mikrokontakte von
Bedeutung.
Alle Asperiten mit z > d sind im Kontakt mit
der starren Ebene. Die „Eindrucktiefe“ eines
Asperiten mit der Höhe z beträgt δ = z − d .
Für einen einzelnen Kontakt erhalten wir aufgrund der Hertzschen Theorie a 2 = δ ⋅ R . Somit ergibt sich für den Radius eines einzelnen
Kontaktes
1/ 2
a = δ ⋅ R = R1/ 2 ( z − d )
(12)
Für die Einzelkraft in einem Mikrokontakt gilt
(3). Gesamtsumme atotal aller Kontaktradien
und Gesamtkraft F sind gleich:
∞
atotal = ∫ dzN 0 Φ ( z ) R1/ 2 ( z − d )
1/ 2
(13)
d
F ∼ 102 N , erhalten wir
3
∞
4
F = ∫ dzN 0Φ ( z ) E * R1/ 2 ( z − d )3/ 2
(14)
3
d
Durch Substitution z = z + d formen wir die
Integrale wie folgt um:
∞
atotal = ∫ dzN 0Φ ( z + d ) R1/ 2 z1/ 2
(15)
0
∞
4
F = ∫ dzN 0 Φ ( z + d ) E * R1/ 2 z 3/ 2
(16)
3
0
Für die gesamte Leitfähigkeit des Kontaktes
ergibt sich
Λ total =
2
ρ
atotal =
∞
2
ρ ∫d
dzN 0Φ ( z ) R1/ 2 ( z − d )
1/ 2
∞
∆ total 1 3 0
=
ρ 2E * ∞
F
∫ dzΦ( z + d )z
0
∞
1
3
=
ρ 2E * l
−
(ξ + d / l )2
2
−
(ξ + d / l ) 2
2
∫ dξ e
0
∞
∫ dξ e
1/ 2
3/ 2
(18)
ξ
1/ 2
2
⎛l ⎞
FFläche ≈ L2 E * ⎜ ⎟
(22)
3
⎝R⎠
Ihr Verhältnis ist gleich
FLeitfähigkeit 1 l1/ 2 R1/ 2
≈
(23)
FFläche
4 L
In meisten Fällen wird ein idealer elektrischer
Kontakt viel schneller erreicht, als idealer
"Materialkontakt".
(17)
Das Verhältnis der Leitfähigkeit zur Kraft
berechnet sich zu
∫ dzΦ( z + d ) z
Das kann man mit der Kraft vergleichen, bei
der die Oberflächenrauhigkeit völlig "zerquetscht" wir:
1/ 2
ξ 3/ 2
0
Dieses Verhältnis hängt im wichtigen Bereich
von d / l ≈ 2,5 nur sehr schwach von der
Kraft ab und hat die Größenordnung 4. Für
die elektrische Leitfähigkeit erhalten wir somit
6
Λ total =
F
(19)
E * ρl
Wie Reibungskraft, ist die Leitfähigkeit proportional zur Normalkraft und hängt nicht von
der (scheinbaren) Kontaktfläche ab. In dieser
Gleichung kommt der Krümmungsradius der
Kappen nicht vor. Die Leitfähigkeit hängt
somit nur von der Höhenverteilung der rauen
Oberfläche, nicht aber von der detaillierten
Spektraldichte ab. Sie erreicht ihren Sättigungswert wenn die Summe aller Kontaktradien etwa die Hälfte der linearen Abmessungen der scheinbaren Kontaktfläche erreicht.
6F
2atotal =
≈L
(20)
E *l
Die dafür erforderliche Kraft ist gleich
1
FLeitfähigkeit ≈ E * lL
(21)
6
Aufgabe: Zu bestimmen ist die erforderliche
Anpresskraft, um zwischen zwei ebenen Kupferplatten mit Rauhigkeit l = 1µ m einen elektrischen Kontakt mit Widerstand R = 0,1mΩ
zu erzeugen.
Lösung: Elastizitätsmodul von Kupfer ist
gleich E ≈ 1011 Pa , Poisson-Zahl ν ≈ 0,33 ,
spezifischer Widerstand ρ ≈ 1.8 ⋅10−8 Ω ⋅ m .
Für den effektiven elastischen Modul E * ergibt sich
E
1011
E* =
≈
≈ 0,56 ⋅1011[ Pa ] .
2 (1 −ν 2 ) 2 (1 − 0.1)
Aus der Gleichung ∆ total =
F=
1
6
=
F folgt
R E * ρl
E * ρ l 0,56 ⋅1011 Pa ⋅1,8 ⋅10−8 Ω ⋅ m ⋅ 2 ⋅10−6 m
=
6R
6 ⋅ 0,1 ⋅10−3 Ω
= 3, 4 ⋅10−3 N = 3, 4 N
IV. Thermische Kontakte und Kontaktsteifigkeit
Auch die thermische Leitfähigkeit eines runden Kontaktes und seine mechanische Steifigkeit sind proportional zum Radius des Kontaktes. Für diese beiden Größen ist die oben
skizzierte Theorie von elektrischen Kontakten
unmittelbar übertragbar. Z.B. ist mechanische
Steifigkeit eines runden Kontaktes (bezüglich
F
4Ga
tangentialer Kräfte) gleich k = x =
.
2u x ( 2 −ν )
Steifigkeit einer durch Anpresskraft F erzeugten Verbindung ist demnach (in Analogie
zu (19) gleich
3
4G
3F
.
(24)
ktotal =
F≈
E * l ( 2 −ν )
8 l
4
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