Ernst-August Roloff Erster Weltkrieg....Fortsetzung folgt Nationalismus und Kriegsbereitschaft 1914 - 1945 I.Die Balkankriege 1912/13 Auftakt zum 1. Weltkrieg*) „Im kollektiven Gedächtnis Europas haben die beiden Balkankriege... keinen prominenten Platz erhalten. Der Erste Weltkrieg überdeckte diese unmittelbaren Vorgängerkonflikte.“ In der zeitgenössischen Berichterstattung und damit in der Wahrnehmung der Bevölkerung Mitteleuropas -ausser Österreich- handelte es sich um regionale Konflikte weit weg, die sie nicht betreffen (vgl. Goethes „Faust“ „Nichts besseres weiss ich an Sonn- und Feiertagen/als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,/ wenn hinten, fern, in der Türkei /die Völker aufeinander schlagen“). In Wahrheit ging es um das Ende der Osmanischen Herrschaft auf dem Balkan, das 1830 mit dem Befreiungskampf Griechenlands begann. Es folgten in den nächsten Jahrzehnten die Unabhängigkeit Rumäniens, Bulgariens, Serbiens, Albaniens und Montenegros. Diese 4 schlossen sich zum Balkanbund zusammen und versuchten 1912 die letzten türkisch besetzten Gebiete in Europa zu „befreien“. Den Regierungen in Mitteleuropa wie den Völkern war aber nicht bewusst, was es bedeutete, dass der Balkanbund von Russland unterstützt wurde, das seine Herrschaft über das Schwarze Meer einschl. Bosperus zu sichern suchte. Griechenland eroberte Thessaloniki; Serbien und Montenegro besetzten das Kosovo, altes Zentrum des einstigen Großserbischen Königreiches und Sitz des Metropoliten. Die Bulgaren rückten in Thrakien auf Konstantinopel vor, konnten die Stadt selbst aber nicht erobern. Die europ. Großmächte erreichten einen Waffenstillstand und zwangen die Türkei zum Verzicht auf die eroberten Gebiete. Griechenland ließ indessen seine Truppen an der Adriaküste immer weiter an Montenegro heran rücken, was Österreich-Ungarn beunruhigte. Bulgarien fühlte sich benachteiligt, weil es nach wie vor Konstantinopel besetzen wollte und Anspruch auf Mazedonien erhob, das von Serbien besetzt, aber auch von Griechenland beansprucht wurde. Deshalb verbündete sich Serbien mit Griechenland, um dies zu verhindern. Ende Juni 1913 greift Bulgarien Griechenland und Serbien an, aber Rumänien und die Türkei unterstützen Serbien und Griechenland. Bulgarien muss kapitulieren, verliert weite Gebiete an Rumänien, und muss die eroberten Gebiete (Thrakien) an die Türkei zurückgeben, Griechenland und Serbien teilen sich Mazedonien. Die Sieger „säubern“ die besetzten Gebiete von allen Bevölkerungsteilen, die nicht ihrer eigenen „Nation“ angehören durch Massentötungen und Vertreibung, Das gedemütigte Bulgarien sucht und findet die Unterstützung Österreich-Ungarns, das das- mit Rückendeckung durch Russland von Serbien beanspruchte - Bosnien-Herzegowina besetzt hat , verlässt sich auf das Bündnis mit Deutschland. Der Mord von Sarajewo war der Funke, der das Pulverfass Balkan zur Explosion brachte und die Kettenreaktion der Bündnisverpflichtungen Russlands mit Frankreich und England einer- und Österreich-Ungarns mit Deutschland andererseits auslöste. Die Zerschlagung Österreich-Ungarns und die Bildung des neuen Staates Jugoslawiens nach Ende des 1. Weltkrieges waren aber keine dauerhafte Lösung der Nationalitätenprobleme auf dem Balkan, spielten aber beim Ausbruch des 2. Weltkrieges zunächst keine entscheidende Rolle, bis Deutschland und Italien 1941 Jugoslawien überfielen. Der gemeinsame Widerstand gegen die Besetzer unter Führung des Kroaten Tito und des Montenegriners Milovan Djilas war vielmehr Grundlage eines neuen Patriotismus, der Slowenen, Kroaten, Serben, Montenegriner, Bosniaken und Mazedonier, der nach dem Bruch Titos mit der Sowjetunion zwar verstärkt wurde, aber nach dem Zerfall der durch Tito zuletzt kaum noch zusammengehaltenen kommunistischen Herrschaft die unversöhnlichen Gegensätze nicht länger verbergen. Eine zeitnähere bedeutsame Folge der Neuordnung auf dem Balkan nach dem 1. Weltkrieg war die Zwangsschrumpfung Österreichs; sie verstärkte den Wunsch des weitaus größten Teiles der Bevölkerung nach Anschluss an Deutschland, den Hitler 1938 vollzog. Diese wiederum war eine Voraussetzung für das „Großdeutsche Reich“, das zu einem neuen Kriege bereit und in der Lage zu sein schien. *) nach Thomas Speckmann in: DIE ZEIT Nr.45 / 20113, S. 19 Die Hypothese, dass der Zweite Weltkrieg die Fortsetzung des Ersten war, um die Schmach von Versailles zu tilgen und Deutschland wieder in die Reihe der Großmächte zurückzuholen, ist ebenso richtig wie grundfalsch. Richtig ist, dass weite Kreise der deutschen Bevölkerung die Revision von Versailles ersehnten und deshalb die Aussenpolitik Hitlers, die Aufrüstung, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die wirtschaftliche Autarkie unterstützten, falsch und ein verhängnisvoller Irrtum war die Annahme, der von Hitler am 01.9.1939 ausgelöste Krieg sei der erhoffte Beginn der Revision. Hitlers einziges Kriegsziel war vielmehr von Anfang an die physische Vernichtung des Judentums und Deutschlands Vorherrschaft in Europa. II. Antisemitismus vom Sozialdarwinismus bis zum Holocaust Erläuterung der Grafik >Vom Sozialdarwinismus zum Holocaust< 1. Grundlage des rassistischen Antisemitismus ist hauptsächlich Joseph Arthur Comte de GOBINEAU „Über die Ungleichheit der Rassen“, 1855 erschienen: Gott schuf eine menschliche Ur-Rasse, die nordische, arische, germanische, es folgten die geringerwertige „gelbe“ und die minderwertige „schwarze“ Rasse. Die Überlegenheit der nordischen Rasse wird durch unkontrollierte Vermischung mit fremden Rassen gefährdet, der „Charakter ausgelöscht“. Starker Einfluss auf (2) Chamberlain und (3) Wagner. 2. Houston Stewart CHAMBERLAIN, Sohn eines engl. Admirals, „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“ 1899, von Wilhelm II. begeistert aufgenommen und propagiert. Zentrale Hypothese: Der Westen ist wegen seiner Herkunft aus der germanischen Rasse, zu der er auch Slawen und Kelten zählt, allen anderen moralisch, technisch und wissenschaftlich überlegen. Deutschland könne die gesamte Welt beherrschen, wenn es sich,auf seine rassische Eigenart gestützt, von den angloamerikanischen Idealen der Demokratie abwende. Andere Rassen, hauptsächlich die Juden, wirken noch immer als „Hemmschuh der Geschichte“. Das Christentum muss sich von allen jüdischen Einflüssen reinigen. Ch. schafft damit die Grundlagen für die völkische Theologie der „Deutschen Christen.“ s. Adolf von Harnack (4.) Chamberlain gibt 1913 die rassistische Zeitschrift „Deutschlands Erneuerung“ heraus. 1915: Ch. verurteilt den Kriegseintritt Englands als „Verrat an der germanischen Rasse“ und billigt Deutschlands Kriegsziele. Er erhält das Eiserne Kreuz“ und wird Deutscher Ehrenbürger. Wilhelm II. ist bedingungsloser Anhänger und Verehrer Ch.s, ebenso Adolf Hitler, der lange Passagen aus seinen Werken in „Mein Kampf“ übernimmt und ihn 1926 in Bayreuth besucht. 3. RICHARD WAGNER, mit Gobineau befreundet., der wiederum großen Einfluss auf H.St. Chamberlain ausübt.. Dieser heiratet 1908 in zweiter Ehe Eva Wagner, Tochter von Richard und Cosima. Über diese Verbindung zur Familie Wagner lernt Hitler Chamberlain 1924 in Bayreuth kennen. und übernimmt in „Mein Kampf“ Chamberlains Darstellung des Kampfes der Germanen gegen den „römisch-katholischen Imperialismus und die jüdische Theologie“. 4. ADOLF VON HARNACK, dem Wilhelm II.. persönlich 1888 H.St. Chamberlain vorstellt, stimmt weiten Teilen seiner Rassenlehre zu, mit Ausnahme der „Judensache“. Er übernimmt die lutherische Hypothese, der Protestantismus habe das Christentum vom Judentum gelöst, und bemüht sich um den „Nachweis“, dass Jesus kein Jude war. Damit schafft er, neben den Berliner Hofpredigern Adolf Stoecker, und Bruno Doehring, eine wesentliche Grundlage für die sog. Deutschen Christen. Rezeption und Tradition in der bürgerlichen Gesellschaft Offizierskorps, Universitätsprofessoren, Juristen, Ärzte, Gymnasiallehrer, Pfarrer Reserveoffiziere, Reichswehr, Freikorps, „ DER STAHLHELM“,Alldeutscher Verband, DNVP. DVP, NSDAP . Nationalismus als Reaktion auf „Dolchstoßlegende“ und „Kriegsschuldlüge“ in Braunschweig 1923 - 1933 *) 1. Reaktionen auf die Ruhrbesetzung und Reparationsforderungen 2. Bürgerbund und „Der Stahlhelm“ - SCHRADER 3. Die Deutschnationalen und der Landbund - ROLOFF 4. Die Rechts-Regierung 1924 - 1927 („Stahlhelm-Regierung“) 5. Die neue nationale Erziehung: Wilhelmgymnasium und Gronau 1. Die militärische Besetzung des Ruhrgebietes als Folge der Unfähigkeit, die von Frankreich geforderten Reparationen zu zahlen, lösten in Deutschland ein Welle der Empörung aus von Kommunisten bis zu militanten Nationalisten (Schlageter !) Die vereinigte SPD, die DDP und die DVP (Stresemann) schlossen sich dem passiven Widerstand an. 14. Januar 1923:In Berlin demonstrieren eine halbe Million Menschen. In Braunschweig finden mehrere Trauer- und Protestkundgebungen statt, veranstaltet von den bürgerlichen Parteien und vaterländischen Verbänden: auf der Kundgebung der DDP spricht der DVP-Vorsitzende und Stahlhelmer Käfer, auf der DNVP-Versammlung der Welfe Hampe, an allen öffentlichen Gebäuden werden die Flaggen auf Halbmast gesetzt, die Fahnen tragen Trauerflor alle Kirchenglocken läuten. Nur die SPD-Linke (Grotewohl) wendet sich gegen den „nationalen Rummel“ des reaktionären Bürgertums und rügt sogar Jasper, der, wie Reichspräsident Ebert, von „Volkstrauer“ gesprochen hatte. Den passiven Widerstand der Arbeiter im Ruhrgebiet deutet er als „Teil des proletarischen Klassenkampfes gegen den internationalen d.h. auch den deutschen Kapitalismus. Teuerungsnot (Inflation) treffe vor allem den Mittelstand und damit auch die Arbeiter. Am lautesten empören sich die Deutschnationalen, der Stahlhelm und völkische Verbände gegen den Erzfeind Frankreich, die „Kriegsschuldlüge“, das „Schanddiktat von Versailles“, die „Novemberverbrecher“ und das internationale Judentum Hinter allem, Frankreich, England, USA, stecken die Juden ! Bemerkenswert: Die Kommunisten (Karl Radek) bieten den deutschen Nationalisten ein Bündnis mit dem anderen großen Weltkriegsverlierer an, Sowjetrußland; aber das kommt für die Deutschnationalen nicht in Betracht, weil auch dahinter das internationale Judentum steckt .(Trotzki, Marx). Die Reichswehr allerdings sah die Chance, in Rußland ihre Soldaten an in Deutschland verbotenen Waffen auszubilden, vor allem an Panzern, die keine 20 Jahre später die anfängliche Überlegenheit der deuschen Wehrmacht ausmachten. Dass Deutschland die verheerende Inflation verhältnismäßig schnell überwinden konnte, ist vor allem der Großen Koalition SPD-DDP-DVP und der Außenpolitik Stresemanns zu verdanken, aber auch dem Einfluss der USA auf eine moderatere Regelung der Reparationszahlungen (Dawes- Youngplan). In Braunschweig folgte die DVP der Politik Stresemanns unter ihrem Landesvorsitzenden Käfer, der allerdings tragischerweise am 11. November 1923 starb. 2. Bürgerbund und „Der Stahlhelm“ - Werner Schrader Im Laufe des Jahres 1924 verbesserte sich Deutschlands Rolle im Welthandel spürbar, was sich unmittelbar auf die braunschweigische Wirtschaft auswirkte, u.a. auf Löhne der Industriearbeiter und Angestellten im Handel und Handwerk. Unter diesen Umständen wuchs der politische Einfluß des im „Bürgerbund Braunschweig“ neu organisierten Wrtschaftsbürgertums. Wortführer dieser wiedererwachten Lobby, die ihre Vertreter in der DDP, der DVP und in Mitelstandsparteien des Landtages entsandte, wurden nun Männer, die zugleich führende Positionen in dem eher wirtschaftsfernen republikfeindlichen „StahlhelmBund der Frontsoldaten“ innehatten, z.B. der Reserveoffizier Ferdinand Crasemann und der Facharzt Dr. Hans Schlee. Gemeinsam sollten „Stahlhelm“ und Bürgerbund für die Revision des Versailler Schandfriedens und gegen die Schuldlüge kämpfen. 3. Dem Bürgerbund trat sofort ein weiterer einflussreicher Bundesgenosse an die Seite: der Braunschweigische Landbund. Dessen Geschäftsführer, der deutschnationale Landtagsabgeordnete Dr. Roloff rief im Wahlkampf zur Reichstagswahl im Mai 1924 auf dem Landbundtag die Landwirtschaft zum Kampf gegen die Landesverräter und Novemberverbrecher und damit gegen die Republik auf: „Wir bekennen uns nicht zu dieser Republik. Wir sehnen den Tag herbei, wo die kaiserlose, die schreckliche Zeit ein Ende gefunden hat, wo das ruhmreiche schwarz-weiß-rote Banner über einem einigen, nach Kraft und Größe ringenden Deutschland weht !“ (Das Protokoll vermerkt: „Stürmischer Beifall“). Schon im Oktober 1923 hatte der Landesführer des „Stahlhelm“. Wilhelm Uhlenhaut auf einer Versammlung den Bürgerbund aufgefordert, gemeinsam mit der „Fronttruppe“ „Stahlhelm“ den „Kampf“ gegen Sozialismus und Kommunismus als Etappe durch Opferwilligkeit und Arbeitsfreude“ zu führen. Jetzt trat der „Stahlhelm“ mit der Hoffnung in den Landtagswahlkampf ein, die sozialdemokratisch geführte Regierung durch eine bürgerliche Rechtsregierung ablösen zu können. Mit der Parole „Wählt Deutsch ! Wählt schwarz-weiß rot !“ forderte er offen zur Wahl der republikfeindlichen Rechtsparteien auf. 4. Als tatsächlich am Heiligabend 1924 mit genau der Hälfte der Abgeordneten - bei Stimmenthaltung des ersten und noch einzigen Nationalsozialisten - eine Regierung gewählt wurde, bestehend aus 2 Deutschnationalen und dem der DVP angehörenden Gerhard Marquordt als Vorsitzendem des Staatsministeriums, war dies zwar keine „Stahlhelm-Regierung“ wie die SPD sie nannte - aber erklärtermaßen eine, die sich zu „schwarz-weiß-rot“ und damit gegen die Republik bekannte. Es kam daher sehr bald zu ernsten Spannungen zwischen dem „Stahlhelm“ unter der FÜhrung seines neuen Landesführers, des Wolfenbütteler OberlehrersWerner Schrader und der Deutschen Volkspartei in Braunschweig wie im Reich, während die Regierung sich immer deutlicher dem deutschnationalen Fraktionsvorsitzenden Roloff unterwarf, der bereits den Text der von Marquordt vorgetragenen Regierungserklärung. diktiert hatte. So strich er aus dem Entwurf das Bekenntnis zum Schutz der Reichs- und Landes-Verfassung vor gewaltsamen Veränderungen heraus und setzte neu ein „eine der vornehmsten Aufgaben der Schule (ist) , das deutsche Volkstum und damit wahre Heimat- und Vaterlandsliebe zu pflegen.“ Schulpolitik wurde das Hauptaktionsfeld der neuen Regierung, die unverzüglich begann, „den christlichen Grundcharakter unserer Schulen wiederherzustellen.“ Gemeint war die Aufhebung der sozialdemokratischen Schulerlasse von Heinrich Jasper und Otto Grotewohl, die auf strikte Trennung von Staat und Kirche zielten. Damit gewann die ev.-lutherische Landeskirche wieder erheblichen Einfluss auf die Schulpolitik und die Inhalte des Unterrichts, wobei sich der DVPAbgeordnete Pastor Bodo Steigertahl selbst als Mittler zwischen Landeskirche und Landtag verstand. 5. Repräsentativ und exemplarisch für die neue nationale Erziehung war der neue Direktor des als bürgerliche Eliteschule geltenden Wilhelmgymnasiums Dr. Karl Gronau, der später zum Professor an der neuen .Abteilung .für Lehrerbildung an der Technichen Hochschule berufen wurde und bis 1946 Generationen von Gymnasiasten prägte. Er nahm das 40jährige Bestehen des Gymnasiums 1925 zum Anlass, das schulpolitische Programm der Landesregierung für die Gymnasien zu konkretisieren: „Wir Humanisten wollen über die Antike hinaus zu unserem eigenen Wesen kommen...zum Erlebnis und zur bewußten Erfassung deutschen Wesens und deutscher Kultur...Hier soll er lernen, sein Deutschtum...in seinem Herzen und seiner Seele zu verankernn, hier soll er werden, was er ist: EIN MENSCH UND EIN DEUTSCHER.“ Dass diesem Erziehungs- und Bildungsziel mehr als ein deutscher Nationalismus zugrunde liegt, nämlich die Ideologie des Sozialdarwinismus, beweist Gronaus Erklärung: „Das Gymnasium will und soll die B i o l o g i e der deutschen Kultur, das genetische Denken pflegen.“ In diesem Sinne rückt die Biologie, d.h. der (Sozial-) Darwinismus, an die erste Stelle im Fächerkanon. Mit dieser Verschmelzung von preußisch-deutschem Nationalismus im Geiste Wilhelms II. mit dem Sozialdarwinismus H.St.Chamberlains schien der geistige Nährboden im deutschen Bürgertum bereit zu sein für die Aufnahme der Saat Adolf Hitlers, der genau in diesen Tagen „Mein Kampf“ schrieb und damit meinte, Deutschland durch einen neuen Krieg zur Herrschaft über Europa und damit zur physischen Vernichtung des Judentums in Europa zu führen. *) Dieses Kapitel III beruht auf weiten Strecken auf meinen früheren Veröffentlichungen - Braunschweig und der Staat von Weimar. Braunschweig 1964, Kap. VII u. VIII - 100 Jahre Bürgertum in Braunschweig II. Teil Tradition und Wandel. Braunschweig 1987, Kap.I.2 IV. Kriegsbereitschaft für den 2. Weltkrieg ? Weite Teile des Bürgertums billigten und unterstützte die Wiederaufrüstungs- und der Aussenpolitik Hitlers bis zum Krisenjahr 1938, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass Hitler den Krieg ausschliesslich wegen der Ausrottung der Juden wollte. Hypothese: Die Kriegsbereitschaft mit dem Ziel der Tilgung der „Schmach von Versailles“ war 1938 größer als 1914, aber Hitlers Kriegsziel war von Anfang an die „Ausrottung des Judentums in Europa“, nicht die Revision von Versailles. „Denn Europa kann nicht mehr zur Ruhe kommen, bevor nicht die jüdische Frage ausgeräumt ist.“, wie er es am 30. Januar 1939 vor dem sog. Reichstag ankündigte: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa... Deshalb hielt er die Geheimrede vor der deutschen Presse in München 1938 am 10. Nov.dem Tag der Pogrome nach der sog. Reichskristallnacht, weil er erkannt hatte, dass mit dem Münchener Abkommen die Kriegsbereitschaft im Volke und auch in Führungskreisen der Wehrmacht entscheidend nachgelassen hatte. Repräsentativ dafür sind Generalstabschef Beck, Halder, Canaris u.a. Parallel dazu eröffnete Goebbels eine Kampagne gegen das von ihm seit je gehasste Bürgertum, repräsentiert durch Männer wie Papen, Hugenberg u.a., dem er öffentlich vorwarf, die wahren Ziele des NS nicht verstanden zu haben, weshalb der Führer nun auch ihre Mitwirkung nicht mehr wolle und erwarte. Für Braunschweig ist daher beispielhaft, was mit den vorgenannten deutschnationalen Wortführern geschah: Der langjährige Wortführer der braunschweiger Deutschnationalen Hochschulprofessor Dr. Ernst August ROLOFF, der sich 1933 aus der Politik zurückgezogen und einen Eintritt in die NSDAP abgelehnt hatte, verlor 1938 nach Konflikten mit den neuen Führungskräften der Bernhard-Rust-Hochschule die Lehrberechtigung in der Lehrerausbildung, behielt aber seine Professur an der Techn. Hochschule. Seine Veröffentlichungen unterlagen fortan der Zensur der Partei. Genau zur gleichen Zeit wurde der Gymnasialdirektor Professor Dr. Karl GRONAU, der 1933 in die NSDAP eingetreten war, aus der Partei ausgeschlossen mit der Begründung, er habe seine Mitgliedschaft in einer Loge verschwiegen. Auch er behielt aber sein Amt als Direktor des Wilhelmgymnasiums. Der ehemaliger Stahlhelm-Landesführer Werner SCHRADER, seit 1933 von Klagges verfolgt und bei der Wehrmacht in der Abwehr des OKW unter Canaris tätig, schloss sich der 1938 der Widerstandsgruppe um General Oster an, in der später Hans von Dohnany und Dietrich Bonhoeffer zu den entschiedensten Befürwortern eines Attentats auf Hitler gehörten. Noch 1938, bis zur sog. Sudetenkrise und dem Münchener Abkommen waren die opponierenden Militärs gegen Hitlers Kriegspläne, weil sie weder die Wehrmacht noch die wirtschaftliche Potenz Deutschlands für ausreichend kriegsfähig und die Bevölkerung nicht für kriegsbereit hielten. Sie wollten daher lediglich Hitler entmachten, nicht jedoch töten. Da die Geheimdienste die mangelnde Kriegsbereitschaft bestätigten, die Masse der Bevölkerung Hitler vielmehr dafür bejubelte, dass er „die Fesseln von Versailles“ ohne Krieg gesprengt habe, befahl Hitler der deutschen Presse, die deusche Aussenpolitik künftig so darzusstellen, dass die innere Stimme der Menschen selbst die Regierung zum Griff nach der Waffe ruft, wenn die Probleme anders als durch militärische Gewalt nicht gelöst werden können. Er begann seine Geheimrede am 10. November 1938 mit dem Eingeständnis, dass er aus taktischen Gründen „jahrzehntelang nur vom Frieden geredet“ zu haben, was aber offensichtlich mit dem Willen verwechselt wurde, „den Frieden unter allen Umständen zu erhalten.“ Trotz der eindeutigen Ankündigung in seiner Reichstagsrede am 30. Januar 1939 wollte aber kaum jemand im Volke wahrhaben, dass Hitler den Krieg so schnell wie möglich führen wollte, ausschliesslich mit dem Ziel, das Judentum in Europa auszurotten. Der schnelle Sieg über Frankreich brachte die Begeisterung der Massen für Hitler noch einmal auf einen Höhepunkt, denn nun schien Versailles endgültig gerächt und Frankreich vernichtet zu sein. Aber ein Jahr später war der Jubel einer deutlichen Resignation gewichen. Nur der militärische Widerstand erkannte die Wahrheit:Spätestens seit dem Überfall auf die Sowjetunion hatte der nun auch im Fernen Osten tobende 2. mit dem 1. Weltkrieg und seinem Ende nichts mehr zu tun. Er verwilderte zu einem verbrecherischen Massenmord nicht nur an den Juden, sondern an der gesamten Bevölkerung des eroberten Raumes im Osten, auf den die Alliierten nach dem von Hitler provozierten Kriegseintritt der USA mit den verheerenden Luftangriffen auch auf die Zivilbevölkerung reagierten. Fast hätte sich die Menschheit durch die Atombombe selbst vernichtet wie Hiroshima und Nagasaki. Nur mit dem Namen AUSCHWITZ verbindet sich noch unfassbareres un-menschliches Grauen. Das „ZIVILISATIONSBRUCH“ zu nennen, klingt wie ein zynischer Euphemismus.Allein die späte Verzweiflungstat des Widerstandes am 20. Juli 1944, vor genau 70 Jahren, hatten wir Deutschen vorzuweisen, als die Sieger mit den Nürnberger Prozessen auch das ganze deutsche Volk beschuldigten, die Verbrechen seiner Führung nicht nur geduldet, sondern überhaupt ermöglicht zu haben. War Hitler wirklich allein schuld am 2. Weltkrieg ? Mit einem eindeutigem „JA“ begannen Regierung und die große Mehreit der Bevölkerung der neuen Bundesrepublik alsbald an der Seite der USA, Englands und Frankreichs einen neuen, den sog. K a l t e n Krieg gegen den internationalen Kommunismus unter Führung der Sowjetuniunion - und das war schliesslich auch der Hauptfeind Hitlers - oder ? Die Politikwissenschaft kreierte die sog. Totalitarismus-Theorie und mit ihr die Gleichung Rot=Braun - Hitler = Stalin. Es folgte der sog. Historikerstreit (Ernst Nolte) - und der ist noch nicht Geschichte.